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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 17.12.2002
Aktenzeichen: 1 U 52/02
Rechtsgebiete: BGB, GenG, HGB, EGZPO, ZPO


Vorschriften:

BGB § 612 Abs. 2
BGB § 812 Abs. 1
BGB § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alternative
GenG § 39
GenG § 83 Abs. 1
HGB § 352
HGB § 353
EGZPO § 26 Nr. 7
EGZPO § 26 Nr. 8
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 531 Abs. 2
ZPO § 540 Abs. 1
ZPO § 543 Abs. 2 n.F.
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 709 S. 2 n.F.
ZPO § 711
1. Wird die Liquidation einer eingetragenen Genossenschaft einer anderen Person als dem bisherigen Vorstand übertragen, so steht dem Liquidator eine angemesse Vergütung zu.

2. Ist die Höhe dieser Vergütung nicht wirksam vertraglich vereinbart, so ist nach § 612 Abs. 2 BGB eine Vergütung in üblicher Höhe geschuldet. Dabei ist es regelmäßig nicht zu beanstanden, wenn sich die Höhe der Vergütung an dem Gehalt des letzten Vorstandsvorsitzenden orientiert.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 52/02 OLG Naumburg

verkündet am: 17.12.2002

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 16.12.2002 durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Zink und die Richter am Oberlandesgericht Wiedemann und Dr. Strietzel

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 27.05.2002 verkündete Urteil des Landgerichts Stendal wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen. Die Beschwer des Beklagten übersteigt 20.000 €.

Tatbestand:

Die Klägerin macht gegen den Beklagten einen Anspruch auf Rückzahlung von Liquidatorenvergütung geltend.

Am 24.02.1993 beschloss die Generalversammlung der Klägerin die Auflösung der Genossenschaft; zunächst wurde der Diplom-Volkswirt R. D. zum Liquidator bestellt, am 03.04.1993 nach Abberufung des bisherigen Liquidators der Beklagte. Durch Beschluss derselben Generalversammlung am 03.04.1993 wurde ein Aufsichtsrat gebildet. Ebenfalls am 03.04.1993 trafen die ehemaligen Mitglieder des Vorstandes der Klägerin H. D. B. und W. P. im Namen der Klägerin mit dem Beklagten eine Vereinbarung über die Vergütung der Tätigkeit des Beklagten als Liquidator (GA Bl. 34). Während seiner bis zum 03.12.1999 andauernden Tätigkeit als Liquidator der Klägerin verfügte der Beklagte Zahlungen in Höhe von insgesamt 379.000 DM (194.137,52 €) als Abschlagszahlungen an sich.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Vergütungsvereinbarung sei unwirksam; denn die Klägerin sei bei Abschluss der Vergütungsvereinbarung mit dem Beklagten nicht wirksam vertreten gewesen. Der Beklagte habe nur die übliche Vergütung verlangen können. Diese bemesse sich nach dem Monatseinkommen des letzten Vorstandsvorsitzenden, nämlich 3.350 DM bzw. 1.712,83 €. Für seine sich über 81 Monate erstreckende Tätigkeit stehe dem Beklagten eine Vergütung von insgesamt 138.739,05 € (271.350 DM) zu. Die Differenz dieses Betrags zur Summe der vom Beklagten vom Konto der Klägerin an sich verfügten Zahlungen bildet den Gegenstand der Klagehauptforderung.

Der Beklagte hat gemeint, die Vergütungsvereinbarung vom 03.04.1998 sei wirksam. Aus ihr ergebe sich, dass ihm die vereinnahmte Vergütung zustehe. Er hat behauptet, die übliche Vergütung betrage monatlich mindestens 5.000 DM.

Hinsichtlich der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils (GA Bl. 55 ff.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 55.398,47 € nebst 5 % Zinsen auf jeweils 25.564,59 € seit dem 26. und 29.11.1999 und auf weitere 4.269,29 € seit dem 03.12.1999 zu zahlen. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Anspruch sei gemäß § 812 Abs. 1 BGB begründet. Die Gebührenvereinbarung sei unwirksam, weil die ehemaligen Vorstandsmitglieder seit Beginn der Liquidation nicht vertretungsbefugt seien. Außerdem ergebe die Anwendung der Vergütungsvereinbarung einen für den Beklagten ungünstigeren Gesamtbetrag, als er von der Klägerin zugestanden werde. Dem Beklagten stehe lediglich die angemessene Vergütung zu; angemessen sei die - der Honorarberechnung durch die Klägerin zugrundeliegende - Vergütung, die der letzte Vorstandsvorsitzende erhalten habe, nämlich 1.712,83 € monatlich. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils (GA Bl. 57 ff.) Bezug genommen.

Mit der Berufung begehrt der Beklagte weiterhin Klageabweisung. Er behauptet, die Mitglieder des Aufsichtsrats der Klägerin hätten bei einer Beratung der Vergütungsvereinbarung ausdrücklich zugestimmt. Bei der Regelung sei klar gewesen, dass das Honorar sich auf die extra abgesonderten 100.000 DM beziehen solle. Für die Tätigkeit des Beklagten sei eine Vergütung in Höhe von mindestens 5000 DM monatlich angemessen. Er meint, zu berücksichtigen sei, dass er Ansprüche von mehr als 200 Gläubigern behandelt habe, Sicherungsrechte ausgestaltet habe, Forderungen eingezogen habe und Folgegesellschaften angeleitet habe. Daher sei seine Tätigkeit höher zu bewerten als die normale Tätigkeit des letzten Vorstandes.

Der Beklagte meint, soweit in der Vergütungsvereinbarung der Faktor 5 oder 6 im Zusammenhang mit der Vergütungsberechnung auf der Grundlage der Verordnung über die Vergütung des Konkursverwalters genannt sei, handele es sich nur um die Grundvergütung; daneben gebe es andere Erhöhungsfaktoren, da der Beklagte über die normale Verwaltung hinausgehende Tätigkeit ausgeübt habe.

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alternative, BGB einen Anspruch auf Rückzahlung des geltend gemachten Betrags in Höhe von 55.398,47 €. Dem Beklagten steht für seine Tätigkeit lediglich angemessene Vergütung zu; diese beträgt, entsprechend der Vergütung, die der letzte Vorstandsvorsitzende der Klägerin erhalten hat, monatlich 3.350 DM bzw. 1.712,83 € und somit bei einem Arbeitszeitraum von 81 Monaten insgesamt 271.350 DM bzw. 138.739,05 €. Dieser Betrag ist um 55.398,47 € niedriger als der von der Klägerin an den Beklagten gezahlte Betrag in Höhe von 194.137,52 €.

Die Vergütungsvereinbarung, die der Beklagte mit der Klägerin geschlossen hat, ist, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, unwirksam, weil die Klägerin nicht wirksam vertreten war. Die ehemaligen Vorstandsvorsitzenden waren nicht vertretungsberechtigt, da bereits die Liquidation angeordnet war; mit der Abberufung des Liquidators ist die Vertretungsmacht des Vorstands nicht wieder aufgelebt. Gemäß § 83 Abs. 1 GenG war die Liquidation anderen Personen als dem Vorstand übertragen worden, nämlich dem Diplom-Volkswirt D. . Bei Abberufung eines Liquidators tritt der frühere Vorstand nicht wieder in seine Funktion ein (Schaffland, in: Lang/Weidmüller/Metz/Schaffland, GenG-Kommentar, 33. Auflage, § 83 Rn. 14). Dies ist auch bei den Parteien des Rechtsstreits so gehandhabt worden, denn bei Abberufung des Liquidators D. ist zugleich der Beklagte als neuer Liquidator bestellt worden. Die Vergütungsvereinbarung des Beklagten mit der Klägerin hätte gemäß § 39 GenG mit dem Aufsichtsrat als Vertreter der Klägerin abgeschlossen werden müssen. Gegen die Feststellung des Landgerichts, die Vergütungsvereinbarung zwischen den ehemaligen Vorstandsmitgliedern und dem Beklagten sei nicht wirksam zustande gekommen, wendet sich der Beklagte im Berufungsverfahren auch nicht mehr.

Soweit der Beklagte nunmehr mit der Berufungsbegründung ausführt, die Aufsichtsratsmitglieder hätten der Vergütungsvereinbarung einschließlich einer Regelung, dass sich das Honorar auf "die extra abgesonderten 100.000 DM beziehen" solle, zugestimmt, ist dies zum einen gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht zu berücksichtigen, weil dieser Vortrag bereits in erster Instanz spätestens auf den vom Landgericht in der mündlichen Verhandlung vom 06.05.2002 erteilten Hinweis (GA Bl. 46) hin hätte erbracht werden können; spätestens seit diesem Hinweis musste dem Beklagten klar sein, dass ein möglicher Vertragsschluss mit dem Aufsichtsrat als Vertreter der Klägerin erheblich war. Die Nichtgeltendmachung des nunmehr mit der Berufungsbegründung vorgebrachten Verteidigungsmittels beruht auf einer Nachlässigkeit des Beklagten. Zum anderen ist der neue Vortrag, wie die Klägerin mit der Berufungserwiderung zutreffend anmerkt, völlig unsubstantiiert und daher unbeachtlich. Wann und in welcher Weise der Aufsichtsrat der Vergütungsvereinbarung zugestimmt haben soll, bleibt unklar. Entsprechendes gilt für den neuen Vortrag des Beklagten bezüglich der extra abgesonderten 100.000 DM.

Im Übrigen ist auch die Auffassung des Landgerichts zutreffend, dass der Beklagte aus der Vergütungsvereinbarung selbst dann keine Rechte herleiten kann, wenn ihre Wirksamkeit unterstellt wird. Die Vereinbarung sieht abschließend die Verwendung des Faktors 5 bzw. ab dem 01.09.1994 des Faktors 6 bei der Berechnung der Vergütung auf der Grundlage der Verordnung über die Vergütung des Konkursverwalters vor. Unter Berücksichtigung dieses Faktors ergibt sich, ausgehend von dem unstreitigen Berechnungsgrundbetrag in Höhe von 37.325,79 DM, zugunsten des Beklagten ein geringerer Betrag, als die Klägerin dem Beklagten zugesteht. Darüber hinausgehende Vergütung ist lediglich für eine Tätigkeit des Beklagten als Prozessvertreter bei gerichtlichen Auseinandersetzungen vorgesehen, nicht aber für den Fall eines besonderen Umfangs oder besonderer Schwierigkeiten der Liquidationstätigkeit; diesem Gesichtspunkt ist durch die Erhöhung des ursprünglichen Faktors 5 auf 6 bei langer Liquidationsdauer bereits Rechnung getragen.

Dem Beklagten steht gemäß § 612 Abs. 2 BGB Vergütung in üblicher Höhe zu. Bei der Bemessung der Vergütung hat das Gericht einen Beurteilungs- bzw. Ermessensspielraum. Diesen hat das Landgericht sachgerecht wahrgenommen, indem es unter Bezugnahme auf die Kommentierung von Müller, GenG-Kommentar, § 83 Rn. 6, die übliche Vergütung an dem Gehalt des letzten Vorstandsvorsitzenden ausgerichtet hat. Der Senat hat keine Veranlassung, von der erstinstanzlichen Beurteilung abzuweichen.

Die vom Beklagten als Beleg für den besonderen Umfang seiner Tätigkeit angeführten Aktivitäten, wie Produktionsfortführung, Behandlung der Ansprüche von Gläubigern, Ausgestaltung von Sicherungsrechten, Einzug von Forderungen, sind Leistungen, die auch der letzte Vorstandsvorsitzende hätte erbringen müssen. Entsprechendes gilt für die Anleitung von Folgegesellschaften, soweit nicht ohnehin eine etwaige Vergütung hierfür von den Folgegesellschaften zu leisten wäre. Zu berücksichtigen ist, dass eine Liquidation regelmäßig mit einer Minderung des Tätigkeitsumfangs der Gesellschaft und auch des gesetzlichen Vertreters verbunden ist (Müller, a.a.O.). Dass dies auch hier so gewesen sein dürfte, ergibt sich schon aus dem eigenen Vorbringen des Beklagten, demzufolge Folgegesellschaften gegründet wurden, die die Geschäftstätigkeit der Klägerin nach und nach übernommen haben. Zu berücksichtigen ist auch, dass der Beklagte für die Klägerin keine Vollzeittätigkeit ausgeübt hat, sondern bei mehreren anderen Genossenschaften als Liquidator tätig war und seine Anwaltskanzlei geführt hat, so dass der für die Klägerin erbrachte monatliche Arbeitsaufwand einen mit 1.712,83 € bzw. 3.350 DM angemessen abgegoltenen Rahmen nicht überschritten haben dürfte. Dass die vom Beklagten entfaltete Tätigkeit, wie der Beklagte unter Berufung auf das Zeugnis des Herrn D. B. ausführt, über die normale Verwaltung hinausginge, lässt sich dem übrigen Vorbringen des Beklagten nicht entnehmen; die Vernehmung des Zeugen B. zu diesem sehr allgemein gehaltenen Beweisthema ist deshalb nicht erforderlich; sie diente der Ausforschung.

Die Zinsforderung ist gemäß §§ 352, 353 HGB a.F.begründet.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 26 Nrn. 7 und 8 EGZPO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO n.F.

Die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO n.F. war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Ende der Entscheidung

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