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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 11.05.2005
Aktenzeichen: 1 U 6/05 (Kart)
Rechtsgebiete: GWB, ZGB-DDR


Vorschriften:

GWB § 19
GWB § 19 Abs. 1
GWB § 19 Abs. 4 Nr. 1
GWB § 19 Abs. 4 Nr. 3
GWB § 19 Abs. 4 Nr. 4
GWB § 20
GWB § 20 Abs. 1
GWB § 30
GWB § 33
ZGB-DDR § 312
ZGB-DDR § 313
ZGB-DDR § 314
ZGB-DDR § 315
1. Ein Fernwärmeversorgungsunternehmen, dass auf einem räumlich begrenzten Markt auf Grund eines Anschluss- und Benutzungszwangs aller Grundstückseigentümer eine marktbeherrschende Stellung bei der Fernwärmelieferung innehat, ist nach §§ 30 i. V. m. 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB zum Abschluss eines direkten Fernwärmelieferungsvertrages mit einem Contractor verpflichtet, der an Stelle des Grundstückseigentümers und mit dessen Billigung Anschluss an das Versorgungsnetz verlangt und für den kein sachlicher Grund für den Ausschluss des Anschluss- und Benutzungsrechts vorliegt.

2. Zum Fehlen technischer und wirtschaftlicher Ausschlussgründe.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 6/05 (Kart) OLG Naumburg

verkündet am: 11.05.2005

In dem Rechtsstreit

hat der Kartellsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Zink sowie die Richter am Oberlandesgericht Wiedemann und Grimm auf die mündliche Verhandlung vom 10. Mai 2005 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 23. Dezember 2004 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen (Kartellkammer) des Landgerichts Magdeburg wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden bzw. des tatsächlich vollstreckten Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Die Revision wird nicht zugelassen. Die Beschwer der Beklagten übersteigt 20.000 EUR.

Gründe:

I.

Im Berufungsrechtsstreit begehrt die Klägerin von der Beklagten den Abschluss eines Vertrages über die Lieferung von Fernwärme nach ihren allgemeinen Tarifbedingungen für die Ver-brauchsstelle B. straße 2 - 6 in H. mit einer Anschlussleistung von maximal 500 KW (künftig: die Verbrauchsstelle).

Die Beklagte ist eine gemischt-wirtschaftliche Beteiligungsgesellschaft, deren Mehrheitsgesellschafter die Stadt H. ist; sie betreibt ein Fernwärmeversorgungsnetz in den Stadtteilen N. , H. - N. , S. und Si. . Zum Versorgungsgebiet der Beklagten gehört auch die B. straße in H. - N. . Mit einer am 21. April 1993 erlassenen und am 13. August 2003 veröffentlichten "Satzung über den Anschluss- und Benutzungszwang von Gebäuden und baulichen Anlagen an bestehenden Fernwärmeversorgungsanlagen in gesondert ausgewiesenen Gebieten der Stadt H. " hat die Stadt H. geregelt, dass jeder Eigentümer eines Grundstücks im räumlichen Geltungsbereich der Satzung berechtigt ist, den Anschluss geeigneter Wärmeabgabeanlagen an die Fernwärmeversorgung und nach dem Anschluss die Lieferung von Fernwärme zu verlangen (§ 3 Ziffer 1 der Satzung). Das Anschluss- und Benutzungsrecht der Grundstückseigentümer ist nach § 3 Ziffer 2 dieser Satzung ausnahmsweise ausgeschlossen, soweit dies dem Versorger aus wirtschaftlichen Gründen, die auch in der Person des Berechtigten liegen können, bzw. auch aus technischen Gründen nicht zumutbar ist. Den Grundstückseigentümern gleichgestellt sind Wohnungseigentümer, Erbbauberechtigte und Nutzungsberechtigte nach den §§ 312 - 315 ZGB-DDR (vgl. § 3 Ziffer 3 der Satzung) sowie Inhaber des selbständigen Gebäudeeigentums (vgl. § Ziffer 4 der Satzung). Für die Anschluss- und Benutzungsberechtigten besteht zugleich eine Anschluss- und Benutzungspflicht (§ 4 der Satzung). Die Satzung gibt als Zweck dieser Regelung der Fernwärmeversorgung die Verminderung der Belastung durch Luftverunreinigungen in ihrem Stadtgebiet an (vgl. §§ 1 Ziffer 1 und 5 Ziffer 3 der Satzung).

Die Klägerin ist ein bundesweit im Energiedienstleistungsbereich tätiges Unternehmen. Sie schloss unter dem 11. Februar 2004 mit dem Eigentümer des Grundstücks B. straße 2 - 6 in H. - N. einen Vertrag über die Bereitstellung von Fernwärme für Raumheizung und Warmwasser für das auf dem Grundstück aufstehende Wohngebäude mit insgesamt 129 Nutzeinheiten. Der Vertrag sieht vor, dass die Klägerin die auf dem Grundstück installierte Wärmeversorgungsanlage einschließlich Hausanschlussstelle (künftig: HASt) als Mieterin übernimmt und alle Betriebsführungsleistungen ausführt einschließlich der Beschaffung von Fernwärme. Mit Rücksicht auf die o.g. Satzung begehrte die Klägerin von der Beklagten den Abschluss eines Fernwärmelieferungsvertrages für diese Verbrauchsstelle, rückwirkend ab dem 1. Januar 2004. Die Beklagte verweigerte den Abschluss eines Fernwärmelieferungsvertrages mit der Klägerin unter Verweis auf den bereits bestehenden Fernwärmelieferungsvertrag mit der Grundstückseigentümerin und die hierdurch gewährleistete Fernwärmeversorgung. Die Beklagte bot der Klägerin an, dass sie dem Vertragsverhältnis mit der Grundstückseigentümerin beitreten möge. Letzteres lehnte die Klägerin mit der Begründung ab, dass sie zur Sicherstellung der Erfüllung der von ihr übernommenen Verpflichtung, der Grundstückseigentümerin Fernwärme zu beschaffen, alleinige Vertragspartnerin der Beklagten werden müsse.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, im erstinstanzlichen Verfahren lediglich hilfsweise, dass die Beklagte wegen ihrer Monopolstellung bei der Versorgung mit Fernwärme für die o.g. Verbrauchsstelle zum Abschluss eines Fernwärmelieferungsvertrages mit der Klägerin verpflichtet sei, weil eine Ungleichbehandlung der Klägerin gegenüber Grundstückseigentümern sachlich nicht gerechtfertigt sei. Insbesondere sei eine stärkere Luftverunreinigung nicht zu besorgen, da sie keine eigene Fernwärmeerzeugung beabsichtige, sondern lediglich die Verteilung der gelieferten Fernwärme innerhalb des Objekts vornehme. Die Beklagte hat dagegen die Auffassung vertreten, dass sie nicht verpflichtet sei, "Zwischenhändler" mit Fernwärme zu beliefern, da dies dem Sinn und Zweck der Satzung, die aufgezählten Fernwärmevorranggebiete umweltfreundlich und preisgünstig mit Fernwärme zu versorgen, entgegenstände.

Das Landgericht hat dem Hilfsantrag der Klägerin stattgegeben und die Beklagte verurteilt, die Klägerin mit Fernwärme nach ihren allgemeinen Tarifbedingungen für die Versorgung mit Fernwärme für die Verbrauchsstelle B. straße 2 - 6 in H. mit einer Anschlussleistung von maximal 500 KW ab dem 1. des auf die Rechtskraft der Entscheidung folgenden Monats zu versorgen. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen darauf gestützt, dass die Beklagte nach §§ 20, 33 GWB verpflichtet sei, die Klägerin mit Fernwärme zu beliefern, weil sie über ein Monopol der Fernwärmebelieferung in den vier Stadtgebieten verfüge, die Klägerin hinsichtlich der Weiterleitung der Fernwärme ein gleichartiges und mit der Beklagten im Wettbewerb stehendes Unternehmen sei und durch die Weigerung des Abschlusses eines Fernwärmebelieferungsvertrages durch die Beklagte unbillig in ihrer Wettbewerbsstellung behindert werde.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 30. Dezember 2004 zugestellte Urteil mit einem am 27. Januar 2005 beim Oberlandesgericht Naumburg eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese Berufung innerhalb der ihr bis zum 31. März 2005 verlängerten Berufungsbegründungsfrist auch begründet.

Sie meint, dass das Landgericht zu Unrecht von einer kartellrechtlichen Verpflichtung zum Abschluss eines Fernwärmebelieferungsvertrages mit der Klägerin ausgegangen sei. Ihr, der Beklagten, stehe ein sachlicher Grund für die Verweigerung des Vertragsabschlusses zur Seite. Die Fernwärmeversorgung des Anwesens B. straße 2 - 6 in H. - N. sei durch den bestehenden Fernwärmeliefervertrag mit der Grundstückseigentümerin gesichert. Für den Abschluss eines Vertrages mit der Klägerin gäbe es somit keinen Bedarf. Die Fernwärmeversorgungspflicht der Beklagten beziehe sich auf das Gebäude als Ganzes, wobei die Satzung den Abschluss eines Liefervertrages allein mit dem Eigentümer des Grundstücks vorsehe. Die unmittelbare Versorgung einzelner Mieter durch die Beklagte sei in der Regel schon aus technischen Gründen nicht bzw. nur unter hohem Aufwand möglich. Im Übrigen sei die Zweckbestimmung der Satzung sowie darüber hinaus die Versorgung der Endverbraucher mit preiswerter Fernwärme bei Einschaltung eines "Zwischenhändlers" nicht gesichert.

Im Rahmen der Erörterung der Sach- und Rechtslage im Termin der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte die Auffassung vertreten, dass ihr der Abschluss eines Fernwärmelieferungsvertrages mit der Klägerin auch deshalb unzumutbar sei, weil sie im Falle von Streitigkeiten zwischen der Grundstückseigentümerin und der Klägerin um die Fortführung des Fernwärmelieferungs-Contracting-Vertrages u.U. sowohl der Klägerin gegenüber auf Grund des bestehenden und nicht kündbaren Vertrages zur Fernwärmelieferung verpflichtet bleibe als auch der Grundstückseigentümerin gegenüber aufgrund der satzungsmäßigen Versorgungspflicht.

Die Beklagte beantragt,

unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils

die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie verteidigt im Wesentlichen das erstinstanzliche Urteil.

Der Senat hat am 10. Mai 2005 mündlich zur Sache verhandelt; wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls des Senats von diesem Tage Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgemäß eingelegt und begründet. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Die Kartellkammer des Landgerichts Magdeburg hat zu Recht darauf erkannt, dass die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Abschluss eines Fernwärmelieferungsvertrages für die o.g. Verbrauchsstelle nach § 33 GWB hat. Die Beklagte missbraucht eine marktbeherrschende Stellung i.S.d. § 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 1 und 4 GWB, in dem sie die Lieferung von Fernwärme an die Klägerin über ihr Versorgungsnetz verweigert. Diese Weigerung der Beklagten erfüllt zugleich den Tatbestand einer unbilligen Behinderung in einem Geschäftsverkehr, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist, § 20 Abs. 1 GWB. Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus § 33 GWB auf Unterlassung und Schadenersatz, letzterer hier in Form der Naturalrestitution, führt hier zu einem Kontrahierungszwang, also zur Verpflichtung, einen Fernwärmelieferungsvertrag abzuschließen.

1. Die Beklagte ist als Betreiberin eines Fernwärmeversorgungsnetzes in der Stadt H. Normadressat des § 19 GWB, denn sie ist in diesem örtlich und sachlich beschränkten Markt Monopolistin.

Im Fernwärmemarkt verfügen die Fernwärmeversorgungsunternehmen aufgrund des Besitzes der Verteilnetze, der begrenzten Transportreichweite und der fehlenden Vernetzung bereits regelmäßig über ein natürliches Monopol (vgl. Held NZM 2004, 169, 171 m.w.N.). Dies gilt hier für die Beklagte umso mehr, als nach der o.g. Satzung der Stadt H. für die streitgegenständliche Verbrauchsstelle ein Anschluss- und Benutzungszwang für das Fernwärmeversorgungsnetz der Beklagten besteht.

2. Die Beklagte beeinträchtigt die Wettbewerbsmöglichkeiten der Klägerin auf dem nachgelagerten Markt der Fernwärme-Dienstleistungen, indem sie sich weigert, der Klägerin auf der Grundlage eines eigenständigen Wärmelieferungsvertrages gegen angemessenes Entgelt Zugang zu ihrem Fernwärmeversorgungsnetz zu gewähren.

2.1. Eine Wettbewerbsbeeinträchtigung liegt unzweifelhaft in der totalen Verweigerung des Netzzugangs. Der Klägerin ist es schon aus tatsächlichen Gründen ohne die Benutzung des Fernwärmeversorgungsnetzes der Beklagten nicht möglich, auf dem nachgelagerten Markt der Belieferung von Endkunden mit Fernwärme als Wettbewerber der Beklagten tätig zu werden, § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB. Derzeit ist die Beklagte das einzige Unternehmen, welches Fernwärme an die Verbrauchsstelle liefern kann. Die Monopolstellung der Beklagten ist durch die o.g. Satzung und den darin geregelten Anschluss- und Benutzungszwang für die Grundstücke in ihrem räumlichen Geltungsbereich festgeschrieben.

Im Anwendungsbereich von § 19 GWB muss eine Beeinträchtigung nicht auf dem vom betroffenen beherrschten Markt, sondern kann auch auf einem nachgelagerten Drittmarkt eintreten, sofern nur der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen der Marktbeherrschung und dem missbilligten Verhalten oder seiner wettbewerbsbeeinträchtigenden Wirkung gegeben ist (vgl. BGH GRUR 2004, 255, 256 - "Strom und Telefon I"; OLG Düsseldorf WuW/E DE-R 880, 883 - "Strom und Fon"; OLG Düsseldorf WuW/E DE-R 1307, 1308). § 19 GWB entfaltet nach seinem Normzweck ohne Weiteres auch auf Drittmärkten Schutzwirkung. Die Beklagte beherrscht hier räumlich durch ihr Fernwärmeversorgungsnetz den begrenzten Markt für Netzdienstleistungen (Netzanschluss und Netznutzung). Diesem Markt ist der Markt für die Weiterverteilung der Fernwärme an den Endverbraucher nachgelagert, in dem die Klägerin nicht nur als potenzielle Wettbewerberin, sondern seit dem Vertragsabschluss vom 11. Februar 2004 auch tatsächlich als Konkurrentin auftritt. Sie wird in ihrer Wettbewerbssituation durch § 19 GWB geschützt.

2.2. Auch das Angebot der Beklagten, der Klägerin Netzzugang durch Vertragsbeitritt zum Fernwärmelieferungsvertrag mit der Grundstückseigentümerin der Verbrauchsstelle zu gewähren, ist nicht geeignet, der Klägerin eine unbeeinträchtigte Wettbewerbsmöglichkeit auf dem nachgelagerten Markt der Fernwärmebelieferung zu verschaffen. Die Klägerin hat zu Recht darauf hingewiesen, dass in dieser Vertragskonstellation die Grundstückseigentümerin Hauptvertragspartner der Beklagten und damit Inhaber der Vertragsgestaltungsrechte bleibt. Damit bliebe es der Grundstückseigentümerin jederzeit möglich, den Contracting-Vertrag mit der Klägerin einseitig dadurch zu beenden, dass sie den Fernwärmelieferungsvertrag mit der Beklagten kündigt und eine Lieferung der Fernwärme unmittelbar an sich selbst verlangt.

3. Die Beklagte darf der Klägerin den Zugang zu ihrer Fernwärmeversorgung nicht verweigern, weil sie nicht nachgewiesen hat, dass der Anschluss und die Benutzung des Fernwärmeversorgungsnetzes für sie aus betriebsbedingten oder sonstigen Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar ist, § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB. Sie hat auch sonst keine sachlich gerechtfertigten Gründe für ihre Verweigerung des Liefervertragsabschlusses, § 19 Abs. 4 Nr. 1 GWB.

3.1. Für die Prüfung des Vorliegens anerkennungswürdiger Gründe für die Verweigerung des Fernwärmeliefervertragsabschlusses kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass die Regelung des Anschluss- und Benutzungszwangs für Grundstückseigentümer im Einzugsbereich der o.a. Satzung der Stadt H. rechtmäßig ist. Die Pflicht zum Anschluss und zur Benutzung des Fernwärmenetzes ist dadurch dem Grundstückseigentümer und ihm gleichgestellten Personen auferlegt. Davon zu unterscheiden ist jedoch, wer berechtigt ist, einen Zugang zum Fernwärmeversorgungsnetz zu verlangen. Insofern steht die Satzungsregelung einem Anschlussrecht der Klägerin nicht entgegen.

Die Satzungsregelung bezieht sich schon nicht nur auf Grundstückseigentümer, sondern erweitert den Kreis der Anschlussberechtigten: Zum einen sieht die Satzung selbst vor, dass innerhalb eines Gebäudes mehrere Personen, z.B. mehrere Wohnungseigentümer, unmittelbar mit Fernwärme versorgt werden. Zum anderen sind nach der Satzung auch Personen anschluss- und belieferungsberechtigt, die lediglich Nutzungsberechtigte des Grundstücks sind. Weitere Nutzungsberechtigte oder Dritte werden vom Anschlussrecht nicht ausdrücklich ausgeschlossen, so dass eine erweiternde Auslegung der Satzungsregelung grundsätzlich möglich ist. Eine erweiternde Auslegung der Regelung zum Anschlussrecht ist hier auch geboten, jedenfalls im Hinblick auf einen anschlussbereiten Nutzer, der - wie hier die Klägerin - an Stelle des Grundstückseigentümers und mit dessen Billigung angeschlossen werden möchte und für den kein Ausschlussgrund i.S. von § 3 Ziffer 2 der Satzung besteht.

3.2. Die Billigung des Abschlusses eines direkten Fernwärmelieferungsvertrages zwischen der Klägerin und der Beklagten liegt hier im Abschluss des Contracting-Vertrages vom 11. Februar 2004.

3.3. Nach § 3 Ziffer 2 der Satzung kann das Anschluss- und Benutzungsrecht ausgeschlossen sein aus technischen und aus wirtschaftlichen Gründen. Solche sachlichen Gründe für einen ausnahmsweisen Ausschluss des Anschluss- und Benutzungsrechtes liegen hier nicht vor.

3.3.1. Die technische Möglichkeit der Benutzung der Fernwärmeversorgung der Beklagten durch die Klägerin für die o.g. Verbrauchsstelle steht hier außer Zweifel.

Die Verbrauchsstelle ist bereits an das Netz der Beklagten angeschlossen und wird mit Fernwärme im selben Maße beliefert, wie es die Klägerin für sich anstrebt. Die Klägerin beabsichtigt die Benutzung der bereits vorhandenen Hausanschlussstation. Es bleibt aus Sicht der Beklagten unverändert bei der einheitlichen Belieferung des gesamten Grundstücks mit Fernwärme an eine HASt.

Soweit die Satzung darüber hinaus ökologische Gründe für eine zentrale Fernwärmeversorgung anführt, werden diese durch die von der Klägerin begehrte Fernwärmeversorgung nicht tangiert, weil die Klägerin eine eigene Wärmeerzeugung, die u.U. mit zusätzlichen Emissionen verbunden sein könnte, gerade nicht vornehmen wird.

Der technischen Möglichkeit der Belieferung der Klägerin mit Fernwärme an die vorhandene HASt steht auch das "worst case"-Szenario der Beklagten nicht entgegen: Die HASt ist derzeit vorhanden. Die Belieferungspflicht der Beklagten gegenüber der Grundstückseigentümerin korreliert mit deren Pflicht, auf ihrem Grundstück vorhandene Anlagen an das Netz der Beklagten anzuschließen, § 4 Ziffer 1 der Satzung. Selbst im Falle von Streitigkeiten zwischen der Grundstückseigentümerin und der Klägerin um den Fortbestand des Contracting-Vertrages und ggf. auch um das Besitzrecht an der HASt ist es Sache der Grundstückseigentümerin, die Benutzbarkeit der vorhandenen HASt für die Fernwärmelieferungen der Beklagten zu gewährleisten. Dies wird ihr im Übrigen - u.U. unter Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes - auch möglich sein. Der Verfügungsanspruch kann sich diesen Falls entweder als Nebenpflicht aus dem Contracting-Vertrag ergeben bzw. - wie u.a. auch die von den Prozessparteien zitierte Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichtes (vgl. GRUR-RR 2002, 272 = NZM 2002, 577) zeigt - aus einem außervertraglichen Schuldverhältnis ergeben. Im Falle einer Demontage der HASt kann eine neue HASt errichtet werden.

3.3.2. Es kann dahin stehen, wie der Begriff der wirtschaftlichen Gründe in § 3 Ziffer 2 der Satzung auszulegen ist. Es liegen jedenfalls unter keinem Aspekt wirtschaftliche Gründe vor, die geeignet wären, den Ausschluss des Anschluss- und Benutzungsrechts der Klägerin zu rechtfertigen.

Wirtschaftliche Gründe i.S. eines unzumutbaren Aufwandes der Beklagten für den Anschluss der Klägerin an das Fernwärmenetz und die Belieferung der Klägerin mit Fernwärme sind nicht gegeben.

Solche Gründe bestehen auch nicht i.S. einer Unzumutbarkeit der Belieferung der Klägerin. Für die Beklagte wird lediglich der Vertragspartner ausgetauscht; es kommt nicht zu einer Mehrheit von Vertragspartnern und auch nicht zu einer Erhöhung des s.g. "Ausfallrisikos". Solange der Fernwärmelieferungsvertrag mit der Klägerin Bestand hat, hat die Beklagte Anspruch auf ein angemessenes Entgelt.

Die Beklagte hat auch nicht geltend gemacht, dass ihr die Klägerin als Vertragspartnerin, etwa im Hinblick auf ihre finanzielle Zuverlässigkeit, unzumutbar ist.

3.3.3. Die Beklagte kann sich schließlich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie die Fernwärmeversorgung der Endverbraucher am preisgünstigsten bewirken könne.

Weder aus der Satzung noch aus sonstigen Gründen ergibt sich überhaupt eine Rechtfertigung dafür, dass die Beklagte eine wie auch immer geartete Marktaufsicht ausübt. Dem Grundstückseigentümer steht es trotz des Anschluss- und Benutzungszwanges frei, wie er die Weiterleitung der von der Beklagten gelieferten Fernwärme auf seinem Grundstück organisiert bzw. organisieren lässt, welche Dienstleistungen und auch wessen Leistungen er hierfür in Anspruch nimmt und wieviel er dafür zu zahlen bereit ist. Unabhängig davon, dass Contracting-Leistungen z.T. für den Grundstückseigentümer kostenneutral sein können, wenn die Kosten der Finanz- und technischen Dienstleistungen des Contractors durch Energieeinsparungen kompensiert werden können, ist der Grundstückseigentümer auch nicht gehindert, für das Fachwissen des Energiedienstleisters und die Entlastung seiner eigenen Kapital- und Personalkosten von den Aufwendungen für diesen Aufgabenbereich sowie für technische, ökologische oder ökonomische Verbesserungen ein (zusätzliches) Entgelt zu zahlen. Eine dem noch weiter nachgelagerte und das Vertragsverhältnis zur Beklagten überhaupt nicht berührende Frage ist, inwieweit der Grundstückseigentümer in den Vertragsverhältnissen zu seinen Mietern rechtlich und tatsächlich in der Lage ist, etwaige Mehrkosten auf diese Endverbraucher umzulegen.

4. Mit ihrer Weigerung des Abschlusses eines direkten Fernwärmelieferungsvertrages mit der Klägerin verstößt die Beklagte zugleich gegen das in § 20 Abs. 1 GWB geregelte Verbot unbilliger Behinderungen des Geschäftsverkehrs, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist.

Wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, ist die Klägerin als Energiedienstleisterin vom Schutzbereich der Norm erfasst, weil sie Grundstückseigentümern, die als Vermieter und Verpächter "Unternehmen" i.S. des § 20 GWB sein können, hinsichtlich der Abnahme von Fernwärme gleichsteht. Sie beansprucht gerade die Gleichstellung mit der Grundstückseigentümerin der o.a. Verbrauchsstelle beim Zugang zum Fernwärmeversorgungsnetz der Beklagten. Die Behinderung des Zugangs der Klägerin zum Netz der Beklagten ist aus den vorausgeführten Gründen auch unbillig, denn für Unternehmen, die hinsichtlich der in der Nutzungsgewährung liegenden gewerblichen Leistung, hier der Fernwärmelieferung, marktbeherrschend sind, wie hier die Beklagte als Betreiberin des einzigen Fernwärmeversorgungsnetzes im räumlichen Markt der o.a. Verbrauchsstelle, ist die Beurteilung von Zugangsverweigerungen nach § 19 Abs. 4 Nr. 3 GWB auch für § 20 Abs. 1 GWB maßgeblich (vgl. Markert in: Immenga/ Mestmäcker, GWB; 3. Aufl. 2001, § 20 Rn. 163 m.w.N.).

5. Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte ist gerichtet auf den Abschluss eines direkten Fernwärmelieferungsvertrages zu den Allgemeinen Tarifbedingungen der Beklagten. Die Diskriminierung der Klägerin durch die Beklagte kann nur durch diese Maßnahme beseitigt werden (vgl. auch Emmerich in: Immenga/ Mestmäcker, a.a.O., § 33 Rn. 48 m.w.N.).

III.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 26 Nrn. 7 und 8 EGZPO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 sowie 543, 544 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Ende der Entscheidung

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