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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 05.08.2005
Aktenzeichen: 10 U 5/05 (Hs)
Rechtsgebiete: UWG, BGB


Vorschriften:

UWG § 3
UWG § 5 Abs. 1
UWG § 5 Abs. 2 Nr. 1
UWG § 8
UWG § 9
UWG § 11 Abs. 1
BGB § 166
BGB § 209 Abs. 1 Nr. 9
BGB § 242
Ein Unternehmen, das keine Mitarbeiter beschäftigt, die sich überwiegend mit der Beobachtung des Marktes befassen, muss sich nicht so behandeln lassen, als habe es stets zeitnah von Wettbewerbsverstößen des Mitbewerbers Kenntnis.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

10 U 5/05 (Hs) OLG Naumburg

Verkündet am: 05. August 2005

In dem Rechtsstreit

hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 22. Juli 2005 unter Mitwirkung des Präsidenten des Oberlandesgerichts Schubert, der Richterin am Oberlandesgericht Mertens und der Richterin am Landgericht Göbel

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 23. Dezember 2004 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Magdeburg wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsrechtszugs tragen die Beklagten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer der Beklagten übersteigt 20.000,00 Euro nicht.

Gründe:

Die Klägerin macht gegen die Beklagten auf der Grundlage des Wettbewerbsrecht einen Unterlassungs-, einen Auskunfts- und einen Schadensersatzanspruch dem Grunde nach geltend. Die Parteien vertreiben Unterhaltungselektronik und EDV-Geräte.

Die Beklagten warben am 4. März 2004 in der M. Zeitung "V. " für einen CD-Brenner des Hersteller T. vom Typ CD-W552EK zum Preis von 37,00 Euro. Abgebildet wurde auf der Anzeige jedoch ein CD-Brenner des Herstellers T. vom Typ CD-W552PUK. Wegen der Anzeige wird auf Bl. 69 d. A. Bezug genommen.

Die Klägerin forderte die Beklagten mit Fax-Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 30. März 2004 auf, bis spätestens zum 2. April 2004 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Mit am 5. April 2004 bei dem Landgericht eingegangener Antragsschrift beantragte die Klägerin gegen die Beklagten vor dem Hintergrund der ihrer Ansicht nach vorliegenden wettbewerbswidrigen Werbung den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Das Verfahren war dort unter dem Geschäftszeichen 36 O 100/04 anhängig.

Die Klägerin hat behauptet,

erst am 24. März 2004 durch ihren Mitarbeiter, den Zeugen N. , Kenntnis von dem Wettbewerbsverstoß der Beklagten erlangt zu haben. Dies ergebe sich auch aus der eidesstattlichen Versicherung vom 24. März 2004, die der genannte Zeuge im einstweiligen Verfügungsverfahren erteilt habe.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft oder eine Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den Geschäftsführern der Beklagten zu vollstrecken ist, untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs EDV-Geräte zu bewerben, wenn in der Werbung nicht das beworbene Gerät, sondern ein höherwertigeres Gerät abgebildet wird,

2. Auskunft über die Art und den Umfang der unter Ziffer 1 beschriebenen Handlungen zu erteilen, und zwar unter Angabe der Art der Werbematerialien, ihrer Stückzahl und des Zeitraums ihrer Verbreitung,

3. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, ihr sämtliche Schäden zu ersetzen, die ihr aus den unter Ziffer 1 beschriebenen Handlungen bisher entstanden sind oder noch entstehen werden.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben behauptet,

die Klägerin habe schon vor dem 24. März 2004 Kenntnis von der Werbung erhalten. Es sei im höchsten Maße unglaubhaft, dass diese behaupte, jemand bewahre eine Zeitung vom 4. März 2004 wochenlang auf. Die Werbung sei vielmehr am Tag des Erscheinens aufgehoben und untersucht und sodann an die Bevollmächtigten der Klägerin weitergeleitet worden.

Das Landgericht hat mit dem am 23. Dezember 2004 verkündeten Urteil entsprechend den klägerischen Anträgen erkannt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Werbung der Beklagten sei irreführend im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG und demnach nach §§ 3, 8 UWG zu untersagen. Auch wenn die Werbung widersprüchlich sei, weil ein externer CD-Brenner abgebildet sei, sich der Text jedoch auf einen internen Brenner beziehe, werde ein nicht unbeachtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise irregeführt.

Gegen dieses Urteil wenden sich die Beklagten mit der Berufung und legen dar, das Landgericht habe sich im Hinblick auf die Annexansprüche (Schadensersatz und Auskunft) nicht mit ihrer Einrede der Verjährung befasst.

Die Beklagten beantragen nach einer teilweisen Rücknahme ihrer Berufung zuletzt,

das am 23. Dezember 2004 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit sie zur Auskunftserteilung und zum Schadensersatz dem Grunde nach verurteilt worden sind.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen des übrigen Parteivorbringens wird auf die vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 511, 517, 519, 520, 526 ZPO), in der Sache aber nicht gerechtfertigt.

Auf den Rechtsstreit ist das UWG in seiner Fassung vom 3. Juli 2004 anzuwenden, da dieses am 8. Juli 2004 ohne Übergangsvorschrift in Kraft getreten ist (§ 22 UWG). Die Klägerin hat nach dem durch die Teilberufungsrücknahme insoweit nunmehr rechtskräftigen Urteil des Landgerichts einen Unterlassungsanspruch gegen die Beklagten, da die streitgegenständliche Werbung als Wettbewerbshandlung (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG) gegen § 3 UWG in der speziellen Form der irreführenden Werbung gemäß § 5 Abs. 1 UWG verstößt.

Auch hat die Klägerin gegen die Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz dem Grunde nach gemäß § 9 UWG und in Verbindung mit den Grundsätzen gemäß § 242 BGB einen Auskunftsanspruch, der sie in die Lage versetzt, den Umfang der unlauteren Geschäftspraxis der Beklagten überprüfen zu können.

Entgegen der Auffassung der Berufung steht diesen Annexansprüchen nicht die Einrede der Verjährung entgegen.

Die Verjährung richtet sich nach § 11 Abs. 1 UWG, wonach die Verjährungsfrist beginnt, wenn der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht erlangt hat.

Eingangs sei bemerkt, dass die auch für die Annexansprüche der Klägerin in Form des Auskunfts- und des Feststellungsanspruchs gemäß § 11 Abs. 1 UWG geltende Verjährungsfrist durch den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht gemäß § 209 Abs. 1 Nr. 9 BGB gehemmt werden konnte. Die Annexansprüche waren nämlich nicht Gegenstand des einstweiligen Verfügungsverfahrens.

Im Ergebnis der Beweisaufnahme ist indes davon auszugehen, dass die Klägerin über ihren Mitarbeiter, den Zeugen N. nicht vor dem 24. März 2004 von der Werbung der Beklagten Kenntnis erlangt hat. Die Klageschrift ging am 9. September 2004 bei dem Landgericht Magdeburg ein und wurde den Beklagten alsbald am 15. September 2004 zugestellt. Demnach erfolgte die Hemmung der in § 11 Abs. 1 UWG normierten Verjährungsfrist durch Klageerhebung (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB) binnen unverjährter Zeit.

Die Beklagten haben nicht bewiesen, dass die Klägerin schon am Tag des Erscheinens der Werbung, also am 4. März 2004, die im Sinne des § 11 Abs. 1 UWG erforderliche Kenntnis erlangt hat.

Die Beklagten tragen vorliegend die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzung der Verjährung der klägerischen Ansprüche. Wie sonst im Zivilrecht (vgl. Palandt/Heinrichs, 63. Auflage, vor § 194 BGB, Rn. 23) trägt nämlich auch im Wettbewerbsrecht der Schuldner die Darlegungs- und Beweislast für den Beginn und den Ablauf der Verjährungsfrist (Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Schulz, UWG, § 11, Rn. 11; Baumbach/Hefer-mehl/Köhler, UWG, 23. Auflage, § 11, Rn. 1.54).

Streitig ist allerdings, ob der Klägerin als Gläubigerin die Darlegung aufzuerlegen ist, was sie zur Ermittlung der Anspruchsvoraussetzungen getan hat. Diese sekundäre Darlegungslast des Gläubigers wird dann gefordert, wenn es sich bei den für die Verjährung maßgeblichen Tatsachen um solche aus der Sphäre der Gläubigerin handelt (Palandt/Heinrichs, 63. Auflage, § 199, Rn. 46; Baumbach/Hefermehl, a.a.O.). Es kann dahinstehen, ob dieser Auffassung zu folgen ist (a.A.: OLG München, Urteil vom 2. Dezember 2004, Az.: 29 U 3475/04, zitiert nach juris, Seite 6). Vorliegend hat nämlich die Klägerin im Sinne von sekundären Darlegungen ausgeführt, wann und unter welchen Umständen die Kenntniserlangung erfolgt ist. Sie hat dargelegt, ihr Mitarbeiter, der Zeuge N. habe entsprechend seiner eidesstattlichen Versicherung, die in dem zwischen den Parteien geführten einstweiligen Verfügungsverfahren vorgelegt worden sei, am 24. März 2004 Kenntnis von der hier streitgegenständlichen Werbung erlangt und festgestellt, dass in dieser statt eines beworbenen internen CD-Brenners ein externer CD-Brenner abgebildet gewesen sei.

Der Zeuge N. , auf den sich die Beklagten zum Beweis ihrer Behauptung einer schon am 4. März 2004 gegebenen Kenntnis der Klägerin von der unlauteren Werbung berufen haben, hat ihren Vortrag nicht bestätigt. Er hat im Rahmen der Beweisaufnahme letztlich seine Ausführungen in der oben genannten eidesstattlichen Versicherung wiederholt und ausgeführt, im Hause der Klägerin grundsätzlich für die Pflege einer Datenbank mit den technischen Merkmalen der in ihrem Angebot befindlichen Produkte zuständig zu sein. Wegen seiner technischen Kenntnisse obliege es ihm je nach Arbeitsanfall auch, die Werbung der Konkurrenzunternehmen zu sichten. Circa drei bis vier Tage vor dem 24. März 2004 hätten er und sein Kollege R. drei oder vier Aktenordner mit gesammeltem Werbematerial erhalten. Damit hat der Zeuge N. den Beklagtenvortrag nicht bestätigt, so dass seine Aussage unergiebig ist und es auf ihre Glaubhaftigkeit bereits nicht ankommt.

Ferner haben die Beklagten auch nicht dargelegt und bewiesen, dass die Klägerin von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person der Beklagten am 4. März 2004 oder unmittelbar danach grob fahrlässig in Unkenntnis war.

Die Kenntnis der Klägerin von einer wettbewerbswidrigen Handlung wird dieser durch ihre Geschäftsführer als gesetzliche Vertreter oder durch die mit dem betreffenden Vorgang befassten Mitarbeiter als Wissensvertreter vermittelt. Betrauen die Geschäftsführer einen Anderen mit der Erledigung bestimmter Angelegenheiten in eigener Verantwortung, müssen sie sich das in diesem Rahmen erlangte Wissen des Anderen in entsprechender Anwendung des § 166 BGB zurechnen lassen (BGH, NJW 1982, 1585, 1586; 1985, 2583). Für den Beginn der Verjährungsfrist gemäß § 11 Abs. 1 UWG ist also maßgeblich, wann der Wissensvertreter der Klägerin von der Rechtsverletzung und der Person des Verletzers Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen können.

Vorliegend ist indes nicht vorgetragen und ersichtlich, dass die Klägerin eine Abteilung unterhält, deren Mitarbeiter sich ausschließlich oder jedenfalls überwiegend mit der Begutachtung von bundesweiten Werbeaktivitäten der Konkurrenten befassen, also letztlich taggleich mit der Veröffentlichung von Werbung Kenntnis von Wettbewerbsverstößen erlangen und reagieren könnten. Hierfür oder für ähnliche Konstellationen sind indes keine Anhaltspunkte ersichtlich oder von den Beklagten dargelegt worden. In Ansehung der Fülle des Werbematerials, das allein regional an Privathaushalte gelangt, nämlich nicht nur Zeitungsbeilagen, sondern auch Briefkastenwerbung, ist es nachvollziehbar, dass ein Mitbewerber nicht stets aktuell und taggleich über die in der Bundesrepublik gerade im Umlauf befindliche Werbung informiert ist. Ohne dass es darauf ankäme, sei bemerkt, dass der Zeuge N. bei der Klägerin im Produktmanagement tätig ist und sozusagen außerhalb seiner eigentlichen Tätigkeit Werbematerial der Konkurrenten sichtet, um mit seinem technischen Know-how wettbewerbswidriges Verhalten feststellen zu können.

Nach alledem geht die Verjährungseinrede der Beklagten ins Leere.

Sonstige Gründe, welche der Berufung der Beklagten zum Erfolg verhelfen könnten, sind nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 4, 516 Abs. 3 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Wertfestsetzung für die Beschwer der Beklagten, die sich an nach dem übereinstimmenden Parteiwillen der ersten Instanz orientiert, ergibt sich aus §§ 2, 3 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO; Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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