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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 01.03.2005
Aktenzeichen: 10 W 10/05
Rechtsgebiete: ZSEG, ZPO


Vorschriften:

ZSEG § 3 Abs. 3 b
ZSEG § 3 Abs. 3 litt. b
ZSEG § 8 Abs. 1 Nr. 1
ZSEG § 16
ZPO § 407 a
Eine schuldhafte Herbeiführung der Unverwertbarkeit eines Sachverständigengutachtens durch den Sachverständigen kann nicht angenommen werden, wenn eine angeordnete Begutachtung letztlich daran scheitert, dass die beweisbelastete Partei nicht für die erforderliche Baufreiheit Sorge trägt.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

10 W 10/05 OLG Naumburg

In dem Rechtsstreit

hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg am 1. März 2005 unter Mitwirkung des Präsidenten des Oberlandesgerichts Schubert, der Richterin am Oberlandesgericht Mertens und des Richters am Oberlandesgericht Manshausen

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dessau vom 4. Januar 2005 und den Kostenansatz der Landesjustizkasse gemäß der Kostenrechnung vom 4. August 2004 wird zurückgewiesen.

Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Die Klägerin wendet sich gegen den Ansatz von Gerichtskosten in Höhe von 2.044,03 Euro, die von der Staatskasse an den gerichtlich bestellten Sachverständigen Dipl.-Ing. W. gezahlt wurden. Mit der Rechnung vom 4. August 2004 hat die Landesjustizkasse unter Berücksichtigung dieser Kosten des Sachverständigen sowie der Vorauszahlungen der Beklagten einen Überschuss zu Gunsten der Beklagten in Höhe von 420,84 Euro ermittelt und diesen zur Rückzahlung angewiesen.

Die Klägerin ist der Auffassung, dem Sachverständigen habe eine Entschädigung nicht zugestanden, weil er bereits dem Grunde nach einen Anspruch auf Vergütung verwirkt habe. Sein Gutachten sei für den Rechtsstreit vollkommen unbrauchbar gewesen. Auch sei eine Erhöhung der zu gewährenden Entschädigung gemäß § 3 Abs. 3 b ZSEG nicht gerechtfertigt. Es sei nicht zu ersehen, dass der Sachverständige durch die Dauer oder die Häufung seiner Heranziehung einen nicht zumutbaren Einnahmeverlust erleide. Ebenso sei nicht vorgetragen, dass er fast vollumfänglich seine Tätigkeit als gerichtlicher Sachverständiger ausübe. Aus der Kostenrechnung sei auch nicht ersichtlich, wieso eine Stunde zur Terminsvorbereitung notwendig gewesen sei, obwohl doch bereits zwei Stunden für das Aktenstudium benötigt worden seien. Auch der Zeitaufwand für die Wahrnehmung des Termins sei unangemessen. Die Fahrtzeit von Halle nach Wittenberg betrage maximal eine Stunde; der Termin selbst habe nur eine Stunde gedauert. Auf die Rechnung vom 4. Februar 2002 sei einzuwenden, dass bei einem 5 %-igen Aufschlag die Berücksichtigung von Hilfskräften nicht möglich sei. Den Rechnungen sei auch eine Leistungszeit nicht mit aufgeführt, so dass eine weitere Überprüfung nicht möglich sei.

Die Erinnerung der Klägerin vom 20. September 2004 gegen den Ansatz der Kosten hat das Landgericht mit Beschluss vom 4. Januar 2005 zurückgewiesen und sich auf die Stellungnahme der Bezirksrevisorin vom 30. November 2004 (Bd.II Bl. 51 d.A.) bezogen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Klägerin mit der Beschwerde und wiederholt ihre Auffassung, die Unbrauchbarkeit des Sachverständigengutachtens sei auf grob fahrlässiges oder bedingt vorsätzliches Verhalten des Sachverständigen zurückzuführen, da er seine eigene Leistungsfähigkeit bei der Übernahme des Auftrags überschätzt habe. Erst viel zu spät habe er dem Gericht mitgeteilt, dass er nicht in der Lage sei, das Gutachten zu erstellen. Auch habe sich das Landgericht nicht ausreichend mit ihren Einwendungen gegen die Gutachterkosten im Einzelnen befasst.

Die Kammer hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Beschwerde der Klägerin ist zulässig (§ 5 GKG in seiner bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung, vgl. § 72 Nr. 1 GKG n.F.), aber nicht begründet.

Da die Parteien in dem Verfahren gemäß § 16 ZSEG, der die Festsetzung der einem Sachverständigen zustehenden Entschädigung regelt, nicht beteiligt sind, haben sie gegen gerichtliche Entscheidungen, mit denen die Vergütung des Sachverständigen festgesetzt wird, kein Erinnerungs- oder Beschwerderecht. Sie sind vielmehr darauf angewiesen, etwaige Einwendungen gegen die Entschädigung des Sachverständigen durch den Angriff des gerichtlichen Kostenansatzes geltend zu machen (Meyer/Höver/Bach, ZSEG, 22. Auflage, § 16 Rn. 4.3. m.w.N.).

Die Einwendungen der Klägerin sind jedoch nicht geeignet, die Entschädigung des Sachverständigen entfallen zu lassen.

Nach dem Gesetz besteht ein Entschädigungsanspruch des Sachverständigen grundsätzlich ohne Rücksicht auf die Verwertbarkeit der erbrachten Leistung. Ausnahmsweise verwirkt ein Sachverständiger aber seinen Entschädigungsanspruch, wenn die von ihm erbrachte Leistung unverwertbar ist und ihn insoweit ein erheblicher Schuldvorwurf trifft. Dies kann anzunehmen sein, wenn sich das Gutachten als untauglich erweist, weil es schwerwiegende inhaltliche Mängel aufweist oder weil der Sachverständige schuldhaft seinen ihm obliegenden Verpflichtungen nicht nachgekommen ist und dadurch die Unverwertbarkeit herbeigeführt hat (OLG Koblenz, JurBüro 1994, 562).

Gemäß § 407 a ZPO hat ein Sachverständiger bei der Entgegennahme des Auftrags unverzüglich zu prüfen, ob dieser in sein Fachgebiet fällt. Vorliegend kann indes bereits nicht davon ausgegangen werden, dass der Sachverständige bei der Entgegennahme des Auftrags annehmen konnte, die zu begutachtenden Fragen fielen nicht in sein Fachgebiet. Die Fragestellungen des ersten Beweisbeschlusses des Landgerichts vom 17. November 2000 (Bd.I Bl. 153 ff. d.A) und des Ergänzungsbeschlusses vom 20. April 2001 (Bd.I Bl. 214 ff. d.A.) fielen indes vollständig in das Fachgebiet des Sachverständigen, dessen Tätigkeitsbereich unter anderem die Begutachtung von Bauschäden und -mängeln umfasst.

Auch ist davon auszugehen, dass die Feststellungen des Sachverständigen in seinen Gutachten jedenfalls überwiegend verwertbar waren. Aus den Stellungnahmen der Klägerin in dem Schriftsatz vom 24. Oktober 2001 und der Beklagten in dem Schriftsatz vom 15. November 2001 (Bd.I Bl. 243 ff. d.A.) ergibt sich ebenfalls nicht die Unverwertbarkeit des Gutachtens. Dass für Einzelheiten der gutachterlichen Feststellungen noch Ergänzungen erforderlich waren, steht der grundsätzlichen Verwertbarkeit eines Gutachtens nicht entgegen. Dies kann letztlich bei Bauprozessen als Regel angenommen werden. Dem Sachverständigen kann auch nicht vorgeworfen werden, dass er sich mit der Frage der Rissbildung im Bereich der Trockenbaumaßnahmen auf Seite 11, Punkt 7, seines Gutachtens nicht befasst hat. Der Ergänzungsbeschluss von 20. April 2004 beinhaltete die Frage nach dem Vorhandensein von Rissen und nach dem Kostenaufwand zur Mängelbeseitigung. Die Klägerin selbst hat in ihrer weiteren Stellungnahme vom 30. November 2001 darauf hingewiesen, dass die Ursachenerforschung nicht Aufgabe des Sachverständigen war. Ferner wird darauf hingewiesen, dass ein gerichtlicher Sachverständiger sich nur dann mit nicht sichtbaren Mängeln beschäftigen kann, wenn die beweisbelastete Partei für die erforderliche Baufreiheit gesorgt hat. Beispielsweise wäre es dem Sachverständigen vorliegend untersagt gewesen, die Trockenbaukonstruktion zu öffnen, um deren Aufbau und Beschaffenheit prüfen zu können. Entgegen der Auffassung der Beklagten (Schriftsatz vom 13. Februar 2003, Seite 2, Bd.II Bl. 24 d.A.) ist die beweispflichtige Partei nicht lediglich gehalten, zerstörerische Eingriffe zu dulden. Vielmehr hat sie diese selbst zu veranlassen, um eine gewünschte Begutachtung zu ermöglichen. Kommt sie dem nicht nach, bleibt sie beweisfällig. Darauf hat der Sachverständige in seinem Gutachten (a.a.O.) auch hingewiesen und auf Seite 13 ergänzend ausgeführt, die Frage, ob die Ausführung entsprechend der statischen Pläne erstellt worden sei, könne erst nach einem zerstörenden Eingriff beantwortet werden. Diese Feststellungen des Sachverständigen, die letztlich als Ausforschung zu Gunsten der Beklagten bewertet werden können, sind von dieser in ihren Stellungnahmen vom 15. November 2001 und vom 4. Juli 2002 aufgegriffen worden. Erstmals in dem letztgenannten Schriftsatz hat die Beklagte ergänzend beantragt, Beweis zu der Frage der fehlerhaften Statik zu erheben. Dies veranlasste das Landgericht zu dem ergänzenden Beweisbeschluss vom 22. November 2002 (Bd.I Bl. 15 f. d.A.). Am 7. Januar 2003 verfügte die Vorsitzende die Übersendung der Akten an den Sachverständigen. Dieser teilte unter dem 30. Januar 2003 mit, dass für die Statikproblematik ein Ingenieurbüro hinzugezogen und Klarheit über die Frage der Gestaltung der Baufreiheit geschaffen werden müsse. Nach der erneuten Stellungnahme des Sachverständigen vom 23. Juni 2003 sah sich das Landgericht ausweislich des Beschlusses vom 8. August 2003 zu der Beauftragung eines anderen Sachverständigen veranlasst. Es kann dahinstehen, was hierzu den Ausschlag gegeben hat; jedenfalls geht der Senat nicht davon aus, dass eine objektiv festzustellende Unverwertbarkeit des Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. W. die erneute Begutachtung notwendig gemacht hat. Die offenen Fragen hätten zweifellos auf der Grundlage des ersten schriftlichen Gutachtens beantwortet werden können.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Beweisfragen der Beweiserhebung in das Fachgebiet des Sachverständigen fielen. Es ist kein Grund ersichtlich und von der Klägerin dargelegt worden, der den Sachverständigen hätte veranlassen müssen, den Gutachterauftrag abzulehnen. Ferner ist auch nicht von der schuldhaft verursachten Unverwertbarkeit der gutachterlichen Tätigkeit auszugehen.

Auch gegen die Höhe der Sachverständigenentschädigung entsprechend den Rechnungen vom 9. Oktober 2001 und vom 4. Februar 2002 bestehen keine Bedenken.

Zu Unrecht beanstandet die Klägerin, dass der Sachverständige in seinen Kostenrechnungen nicht dargelegt habe, welche Tätigkeiten er wann und in welcher Zeit erbracht habe. Dies wird im Rahmen der Abrechnung nämlich auch nicht verlangt, denn grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass die Angaben des Sachverständigen richtig sind. Anhaltspunkte dafür, dass der angegebene Stundenaufwand von dem Sachverständigen vorliegend falsch angegeben worden sind, sind nicht ersichtlich und von der Klägerin dargelegt worden. Insbesondere ist nicht anzunehmen, dass der angesetzte Zeitaufwand im Verhältnis zur erbrachten Leistung ungewöhnlich hoch ist (vgl. Mayer/Höver/Bach, a.a.O., § 3 Rn. 22 m.w.N.). In Ansehung der Vielzahl der Beweisfragen erscheint auch unter Berücksichtigung vergleichbarer Gutachtertätigkeiten, die dem beschließenden Senat bekannt sind, ein Zeitaufwand von 19 Stunden für das erste Gutachten und ein Zeitaufwand von 6 Stunden für das Ergänzungsgutachten als angemessen. Dies gilt auch für das zweistündige Aktenstudium, das unabhängig von dem Ortstermin für die Gutachtenerstellung erforderlich war, sowie für die konkrete Vorbereitung des Ortstermins, die nochmals eine Stunde in Anspruch genommen hat.

Auch die Abwesenheitszeit von 5 Stunden, die der Sachverständige für den Ortstermin abgerechnet hat, begegnet keinen Bedenken. Die gängigen Routenplaner berechnen für die Entfernung zwischen dem Sachverständigenbüro und dem Wohnhaus der Beklagten 81,4 km und 1,09 Stunden. Insofern kann unter Berücksichtigung von Fahrtzeiten, Begrüßungsformalitäten, dem Ortstermin selbst und einer kleinen Pause vor Antritt der Rückfahrt durchaus von einer Abwesenheit von 5 Stunden ausgegangen werden.

Dass der Sachverständige einen Aufschlag gemäß § 3 Abs. 3 litt.b ZSEG erhalten hat, ist ebenfalls nicht zu beanstanden, da er gerichtsbekannt überwiegend als gerichtlicher Sachverständiger tätig ist. Die Anwendung dieser Bestimmung schließt schließlich auch die Inrechnungstellung des Stundenaufwands einer Sekretärin gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 ZSEG nicht aus.

Sonstige Gründe, welche der Beschwerde der Klägerin zum Erfolg verhelfen könnten, sind nicht ersichtlich.

Der Kostenausspruch ergibt sich aus § 5 Abs. 6 GKG.

Ende der Entscheidung

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