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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 09.08.2006
Aktenzeichen: 10 W 41/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 307 Abs. 1
Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Banken und Kreditinstituten, die eine Gebühr für besondere Leistungen vorsieht, verstößt gegen § 307 Abs. 1 BGB, da sich einem durchschnittlich informierten Verbraucher nicht erschließt, was darunter zu verstehen ist.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

10 W 41/06 OLG Naumburg

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren

hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg am 9. August 2006 durch die Richterin am Oberlandesgericht Mertens als Einzelrichterin

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der 2. Zivilkammer - Einzelrichterin - des Landgerichts Dessau vom 22. Juni 2006 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Antragsgegnerin hat es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken an einem der Vorstandsmitglieder der Antragsgegnerin, zu unterlassen, ihren Kunden "Gebühren für besondere Leistungen" in Rechnung zu stellen.

Die Kosten des Verfahrens und des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Beschwerdewert: bis zu 3.000,00 Euro

Gründe:

I.

Mit am 22. Juni 2006 bei dem Landgericht Dessau eingegangener Antragsschrift hat der Antragsteller beantragt, der Antragsgegnerin im Wege des Erlasses einer einstweiligen Verfügung aufzugeben, es zu unterlassen, ihren Kunden Gebühren für besondere Leistungen in Rechnung zu stellen. Dies ist ausweislich der Kontoauszüge, die ein Kunde der Antragsgegnerin dem Antragsteller zur Verfügung gestellt hat, der Fall. Der Antragsteller forderte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 25. April 2006 auf, das entsprechende Verhalten zu unterlassen und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben.

Die 2. Zivilkammer - Einzelrichterin - des Landgerichts Dessau hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit Beschluss vom 22. Juni 2006 zurückgewiesen und ausgeführt, es könne dahinstehen, ob das Verhalten der Antragsgegnerin gegen § 307 BGB, § 1 PAngV verstoße, da ein Unterlassungsanspruch jedenfalls an dem Erfordernis der Erheblichkeit des Verstoßes scheitere.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde und legt dar, das Gericht meine zu Unrecht, dass den in Rede stehenden Gebühren ein rechtlicher Grund zugrunde liege. Banken forderten vielmehr in einer Vielzahl von Fällen Gebühren ohne rechtlichen Grund. Der Bundesgerichtshof habe in einer Vielzahl von Fällen herausgearbeitet, dass eine Bank grundsätzlich nur dann Entgelte berechnen dürfe, wenn diese auch Leistungen erbringe. Deshalb habe der Verbraucher ein Recht darauf zu erfahren, für welche Leistungen eine Bank ihm welche Entgelte berechne. Dem Gericht könne auch nicht gefolgt werden, dass eine Gebühr von 30,00 Euro pro Quartal keinen besonderen Umfang habe. Es gehe hier auch nicht um die Bekämpfung konkreter Gefahren, sondern allgemein um die Bekämpfung der rechtsgrundlosen Vereinnahmung von Gebühren.

Das Landgericht Dessau - Einzelrichterin - hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 12. Juli 2006 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist nach §§ 936, 922, 567 Abs. 1 Nr. 2, 568 S.1, 569 ZPO zulässig und in der Sache begründet.

Der Antragsteller hat gegen die Antragsgegnerin einen im Wege der einstweiligen Verfügung nach §§ 935, 940 ZPO sicherungsfähigen Unterlassungsanspruch aus § 1 UKlaG i.V.m. §§ 305 Abs. 1, 307 Abs. 1 S. 2 BGB und aus §§ 8 Abs. 1, 3 UWG in Verbindung mit § 1 Abs. 6 PAngV.

Insbesondere ist der Antragsteller aktivlegitimiert im Sinne der §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 4 des UKlaG.

Gemäß § 1 des UKlaG kann derjenige, der in Allgemeinen Geschäftsbedingungen Bestimmungen, die nach den §§ 307 - 309 BGB unwirksam sind, verwendet, auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. In Ansehung des Schreibens der für die Antragsgegnerin tätigen Rechtsanwälte vom 11. Mai 2006 ist davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin ihrer Kundin nicht nur eine Gebühr für besondere Leistungen in Höhe von 30,00 Euro in Rechnung gestellt hat, sondern dass diese auch in ihrem Preisverzeichnis und damit einer Allgemeinen Geschäftsbedingung vorgesehen waren. Eine Gebühr für besondere Leistungen verstößt aber unzweifelhaft gegen § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, da die Bestimmung in keiner Weise klar und verständlich ist. Was unter einer besonderen Leistung zu verstehen ist, erschließt sich dem durchschnittlich informierten Verbraucher in keiner Weise.

Ergänzend sei noch bemerkt, dass dem hier festgestellten Verstoß auch nicht entgegensteht, dass Preisabreden grundsätzlich einer Inhaltskontrolle entzogen sind. Nach § 307 Abs. 3 BGB (früher § 8 AGBG) sind Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die weder von Rechtsvorschriften abweichen noch diese ergänzen, einer Inhaltskontrolle unterzogen. Da die Vertragsparteien Preise frei gestalten können, sind Klauseln, die Art und Umfang der vertraglichen Hauptleistungspflicht und die dafür zu zahlenden Vergütung unmittelbar regeln, kontrollfrei. Vorliegend steht aber in Rede, welche Gegenleistung der Kunde für die Gebühr von 30,00 Euro verlangen kann, so dass die Möglichkeit einer Inhaltskontrolle eröffnet ist (vgl. auch BGH, NJW 2002, 2386 ff.). Gerade wegen des Vorliegens einer unklaren Preisbestimmung ist im Übrigen der Antragsgegnerin Tor und Tür geöffnet, eine Gebühr für Leistungen zu erheben, für die grundsätzlich ein gesondertes Entgelt nicht verlangt werden kann (BGH, a.a.O., 2387 sowie die von dem Antragsteller zitierte Entscheidung vom 8. März 2006).

Aus den vorgenannten Gründen verstößt das Verhalten der Antragsgegnerin, von einem ihrer Kunden für eine besondere Leistung eine Gebühr von 30,00 Euro zu fordern, auch gegen § 1 Abs. 6 PAngV und begründet demnach einen Unterlassungsanspruch gemäß §§ 8 Abs. 1, 3 UWG.

Dem festgestellten unlauteren Verhalten der Antragsgegnerin kann auch eine wettbewerbsrechtliche Relevanz nicht abgesprochen werden; entgegen der Ansicht des Landgerichts ist es als erheblich im Sinne des § 3 UWG anzusehen.

Gemäß § 3 UWG sind unlautere Wettbewerbshandlungen unzulässig, wenn sie geeignet sind, den Wettbewerb nicht nur unerheblich zum Nachteil der Mitbewerber, der Verbraucher oder der sonstigen Marktteilnehmer zu beeinträchtigen. Mit der Bestimmung einer Erheblichkeitsschwelle soll die wettbewerbsrechtliche Verfolgung von Bagatellfällen, d. h. von Verstößen, die für das Wettbewerbsgeschehen insgesamt oder für einzelne Wettbewerber allenfalls eine marginale Bedeutung haben, unterbunden werden. Durch die Festlegung einer Bagatellgrenze wird zugleich der Forderung des Bundesverfassungsgerichts im Hinblick auf § 1 UWG a. F. Rechnung getragen, bei Anwendung der Generalklausel stets zu fragen, ob die betreffende Handlung auch zu einer Gefährdung des an der Leistung orientierten Wettbewerbs führt. Die Wettbewerbshandlung muss dementsprechend von einem gewissen Gewicht für das Wettbewerbsgeschehen und die Interessen der geschützten Personenkreise sein. Dies bedeutet indessen nicht, dass unlautere Wettbewerbshandlungen zu einem beachtlichen Teil legalisiert werden. Vielmehr soll lediglich die Verfolgung der Bagatellfälle ausgeschlossen werden.

Die Feststellung, ob ein Wettbewerbsverstoß geeignet ist, den Wettbewerb nicht nur unerheblich zu verfälschen, lässt sich dabei nicht anhand quantitativer Kriterien treffen, sondern setzt stets eine nach objektiven und subjektiven Momenten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zutreffende Gesamtwertung voraus. In diese Würdigung sind neben der Art und Schwere des Verstoßes, die zu erwartenden Auswirkungen auf den Wettbewerb sowie der Schutzzweck des Wettbewerbsrechts einzubeziehen (vgl. Begr.-Reg.E. - UWG zu § 3, BT - DRs. 15/1487, S. 17; OLG Stuttgart GRUR 2005, 608 - 609 zitiert nach juris; OLG Stuttgart WRP 2005, 919 bis 921 zitiert nach juris; Köhler in Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., § 3 UWG Rdn. 54; Gloy in Gloy/Loschelder, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 3. Aufl., § 14 Rdn. 15). "Nicht nur unerheblich" ist dementsprechend eine Beeinträchtigung, wenn sie nicht so geringfügig ist, dass ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Marktteilnehmer ihr keine Bedeutung beimisst (vgl. Köhler, Die Bagatellklausel in § 3 UWG, GRUR 2005, 1/4).

Vorliegend ist in diesem Zusammenhang irrelevant, dass der Antragsteller nur bei einem Kunden der Antragsgegnerin einen Eingriff dargelegt hat. Eine gewisse Häufigkeit und Dauer der unlauteren Werbung und die Anzahl der Betroffenen können zwar zweifellos zur Erheblichkeit beitragen. Es darf daraus aber nicht der Umkehrschluss gezogen werden, eine unlautere Wettbewerbshandlung sei schon deshalb "unerheblich", weil sie nur einmal oder für kurze Zeit veranstaltet worden ist. Vielmehr kann auch eine nur einmal oder nur kurzfristig vorgenommene Handlung als "nicht nur unerheblich" bewertet werden (vgl. Köhler, GRUR 2005, 1, 5).

Gemessen an diesen Grundsätzen ist aber auch hier von einer erheblichen Wettbewerbsbeeinträchtigung auszugehen. Denn das in Rede stehende Verhalten der Antragsgegnerin, mittels einer Einziehung von einer Gebühr von 30,00 Euro Kosten einzutreiben, deren Rechtgrund sie mit dem Kunden nicht klar vereinbart hat, muss sich aus der Sicht eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Marktteilnehmers als ein erheblicher Angriff auf seine wettbewerbsrechtlich geschützten Interessen darstellen. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Antragsgegnerin unmittelbar Zugriff auf das Vermögen ihrer Kunden hat und diese nicht erst auf der Grundlage einer konkreten Rechnung und nach gehöriger Prüfung die Forderung der Antragsgegnerin ausgleichen können, sondern nach der bereits erfolgten Einziehung bzw. Zahlung nur auf eine Rückerstattung seitens der Antragsgegnerin haben.

Die wettbewerbsrechtliche Relevanz des Wettbewerbsverstoßes ist hier schließlich aber auch unter dem Gesichtspunkt der Nachahmungsgefahr zu bejahen.

Auch die übrigen Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs aus § 8 Abs. 1 S. 2 UWG liegen vor. Insbesondere begegnet die Annahme einer Wiederholungsgefahr keinen Bedenken. Da ein Wettbewerbsverstoß der Antragsgegnerin festgestellt ist, streitet eine tatsächliche Vermutung für eine Wiederholungsgefahr (vgl. BGH, GRUR 1997, 379, 380 m.w.N.; Bornkamm in Baumbach/Hefermehl, § 8 UWG Rn. 1.33). Die Verletzungshandlung begründet nämlich eine ernsthafte Besorgnis, dass die Antragsgegnerin zukünftig im Kern gleichartige Wettbewerbsverstöße vornehmen könnte. Dieser Besorgnis kann sie sich nicht dadurch entledigen, dass sie nach dem vorprozessualen Schriftverkehr zwischenzeitlich ihre Preisliste geändert haben will.

Nach alledem war die einstweilige Verfügung antragsgemäß zu erlassen.

Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass gegen die nunmehr erlassene einstweilige Verfügung der an das Landgericht gerichtete Widerspruch gemäß §§ 924 Abs. 1, 936 ZPO der statthafte Rechtsbehelf ist.

Die Entscheidung über die Kostentragungspflicht folgt aus §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 2, 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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