Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 21.12.2005
Aktenzeichen: 10 W 71/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 406 Abs. 5
ZPO § 567 Abs. 1
Erlangt ein Sachverständiger im Rahmen eines Ortstermins Kenntnis von womöglich weiteren mangelhaften Bauleistungen einer Partei, begründet der Umstand, dass er seinen Verdacht zu den Akten mitteilt, ohne besondere Anhaltspunkte nicht den Vorwurf seiner Befangenheit.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

10 W 71/05 OLG Naumburg

In dem Rechtsstreit

hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg am 21. Dezember 2005 unter Mitwirkung der Richterin am Oberlandesgericht Mertens als Einzelrichterin

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss der 11. Zivilkammer - Einzelrichterin - des Landgerichts Magdeburg vom 12. Oktober 2005 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde trägt der Beklagte.

Beschwerdewert: 6.648,00 Euro.

Gründe:

I.

In dem dem Ablehnungsverfahren zugrunde liegenden Ausgangsverfahren begehren die Kläger Vorschuss für die voraussichtlichen Kosten der Mängelbeseitigung der von dem Beklagten an ihrem Wohnhaus erbrachten Werkleistungen.

Mit Beschluss vom 23. Februar 2005 ordnete die 4. Zivilkammer - Einzelrichterin - des Landgerichts Magdeburg die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Dipl.-Ing. R. Sch. , M. , an. Dieser führte am 1. Juni 2005 einen ersten Ortstermin durch und teilte unter dem 18. Juli 2005 mit, dass am 29. Juli 2005 ein weiterer Ortstermin durchgeführt werden sollte. Mit einem weiteren Schreiben teilte er mit, dass ausweislich seiner Feststellungen im Rahmen des ersten Ortstermins die von dem Beklagten ausgeführten Zimmererarbeiten möglicherweise völlig unzureichend und statisch bedenklich ausgeführt worden seien. Wegen des weiteren Inhalts des Schreibens wird auf Bl. 171 d. A. Bezug genommen.

Der Beklagte hat den Sachverständigen mit am 29. Juli 2005 bei dem Landgericht eingegangenen Schriftsatz wegen Befangenheit abgelehnt. Der Sachverständige hat im Hinblick auf die erhobenen Vorwürfe mit Schreiben vom 12. August 2005 eine Stellungnahme zu den Akten gereicht. Das Landgericht hat das Ablehnungsgesuch mit Beschluss vom 12. Oktober 2005 als unbegründet zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss wendet sich der Beklagte mit der sofortigen Beschwerde. Zur Begründung führt er in erster Linie auf, dass ein vernünftiger Betrachter ebenfalls einen Richter für befangen halten würde, der in einem Verfahren einer Partei, die aufgrund ganz bestimmter Mängel Gewährleistungsansprüche geltend mache, Hinweise dazu gebe, dass diese Partei auch wegen anderer, bisher nicht streitgegenständlicher Mängel Ansprüche geltend machen könne. Eine solche unzulässige Einflussnahme auf den Prozessgegenstand würde ausgehend von dem Grundsatz der Parteimaxime zu einem begründeten Befangenheitsgesuch führen. Vorliegend könne die Vorgehensweise des Sachverständigen auch nicht mit einer allgemeinen Fürsorgepflicht für die Prozesspartei und Unbeteiligte begründet werden. Eine solche allgemeine Fürsorgepflicht existiere nicht. Ferner habe der Sachverständige auch keinesfalls lediglich seine berechtigte Sorge zum Ausdruck gebracht, sondern eindeutige verfahrensleitende Wertungen außerhalb des Streitgegenstandes getroffen. Mit seiner Stellungnahme habe der Sachverständige den Boden der Neutralität verlassen. Die statische Beurteilung von Holzverbindungen sei offenkundig nicht Gegenstand seines Auftrags gewesen, sodass er sich hierzu auch nicht habe äußern dürfen.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde des Beklagten mit Beschluss vom 30. September 2005 nicht abgeholfen und sie dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die gemäß §§ 567 Abs. 1, 406 Abs. 5 ZPO statthafte, form- und fristgerecht eingelegte (§ 569 ZPO) sofortige Beschwerde ist zulässig, sachlich indes nicht gerechtfertigt.

Das Landgericht ist rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Ablehnungsgesuch der Klägerin in der Sache kein Erfolg beschieden ist. Das Landgericht hat bereits zutreffend ausgeführt, dass Umstände, die bei einer vernünftig und nüchtern denkenden Partei die Befürchtung rechtfertigen könnten, der Sachverständige habe sich einseitig festgelegt, nicht vorliegen. Insbesondere bestehen unter Berücksichtigung der Gesamtumstände keine Anhaltspunkte, die die Verletzung der Neutralitätspflicht des Sachverständigen begründen könnten.

Soweit ersichtlich stützt sich der Beklagte mit seiner Beschwerde nicht mehr - wie noch beim Ablehnungsgesuch - auf das Verhalten des Sachverständigen beim Ortstermin (das entsprechend den Ausführungen des Landgerichts im übrigen nicht zu beanstanden ist), sondern auf dessen Schreiben vom 18. Juli 2005. Entgegen der Auffassung des Beklagten vermag der beschließende Senat diesem Schreiben Anhaltspunkte für eine Voreingenommenheit zu seinen Lasten nicht zu entnehmen.

Der Sachverständige hat seine Feststellung gerade nicht durch einen direkten Kontakt mit der Klägerseite geäußert, sondern diese dem Landgericht mitgeteilt. Weder hat er die fraglichen Werkleistungen einer eingehenden Untersuchung unterzogen, noch hat er in irgendeiner Form Ermittlungen angestrengt. Bereits durch dieses Verhalten hat er deutlich gemacht, dass er seine Aufgabe keinesfalls in der Beratung oder Betreuung der Kläger sieht, sondern im Interesse sämtlicher Beteiligten handelt.

Auch hat der Sachverständige keinesfalls zum Ausdruck gebracht, dass zwingend von mangelhaften Zimmererarbeiten auszugehen ist, sondern durch die Wortwahl "möglicherweise" deutlich gemacht, dass eine derartige Feststellung einer weitergehenden Überprüfung bedarf, die er - wie ausgeführt - gerade nicht vorgenommen hat.

Nicht zuletzt konnte der Sachverständige davon ausgehen, dass seine Mitteilung auch im Interesse des Beklagten stehen würde, denn es kann angenommen werden, dass einem Handwerksbetrieb daran gelegen ist, dass - sollte sich der Verdacht des Sachverständigen bestätigen - durch seine Werkleistungen niemand zu Schaden kommt. Sollte sich der Verdacht des Sachverständigen nicht bestätigen, ist nicht ersichtlich, inwieweit dies dem Beklagten zum Nachteil gereichen könnte.

Schließlich ist kein Grund ersichtlich oder von dem Beklagten dargelegt worden, warum eine Person, die Erkenntnisse, die sie im Rahmen einer Tätigkeit sozusagen beiläufig oder zufällig erhält, den Betroffenen nicht mitteilt. Vorliegend könnte dem einzig die Neutralitätspflicht des Sachverständigen entgegenstehen, die aber entsprechend den obigen Ausführungen nicht berührt ist, da die Vorgehensweise des Sachverständigen nach dem Ortstermin in keiner Weise zu beanstanden ist.

Sonstige Gründe, welche der sofortigen Beschwerde des Beklagten zum Erfolg verhelfen könnten, sind nicht ersichtlich. Nur noch ergänzend sei bemerkt, dass entgegen der Auffassung des Beklagten schon aus moralischen Gründen eine allgemeine Pflicht besteht, andere Personen vor möglichen Schäden zu warnen. Es kommt nicht darauf an, ob dies in irgendeinem Gesetz konkret normiert ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Der für die Gebührenrechnung maßgebliche Streitwert bestimmt sich nach ständiger Rechtsprechung des Senates gemäß §§ 2, 3 ZPO auch im Zwischenverfahren über die Sachverständigenablehnung nach dem Wert der Hauptsache (vgl. auch Zöller/Herget, ZPO 25. Auflage, Rn. 16 Stichwort "Ablehnung"), der sich ausweislich der Klageschrift auf 6.648,00 Euro beläuft.

Ende der Entscheidung

Zurück