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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 18.01.2005
Aktenzeichen: 10 W 82/04
Rechtsgebiete: GVG, StPO, ZPO


Vorschriften:

GVG § 75
GVG § 105
GVG § 105 Abs. 1
StPO § 26
StPO § 27
StPO § 152 Abs. 2
ZPO § 42 Abs. 1
ZPO § 42 Abs. 2
ZPO § 45
ZPO § 45 Abs. 1
ZPO § 45 Abs. 1 Halbsatz 2
ZPO § 45 Abs. 2
ZPO § 45 Abs. 2 S. 1 a. F.
ZPO § 45 Abs. 3
ZPO § 46 Abs. 2
ZPO § 348
ZPO § 348 Abs. 1
ZPO § 348 Abs. 1 S. 1
ZPO § 348 Abs. 1 S. 2
ZPO § 348 Abs. 1 S. 2 Nr. 1
ZPO § 348 Abs. 1 S. 2 Nr. 2
ZPO § 349
ZPO § 406
ZPO § 406 Abs. 2
ZPO § 406 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 567 Abs. 1
ZPO § 568 Abs. 1 S. 1
ZPO § 569 Abs. 1
ZPO § 572
ZPO § 574 Abs. 3 Satz 1
1. Zur Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch ist nicht die Kammer in voller Besetzung, sondern gem. §§ 45 Abs. 1, 348 Abs. 1 S 1 ZPO allein der geschäftsplanmäßige Vertreter des abgelehnten Einzelrichters berufen.

2. Ein Richter setzt sich grundsätzlich dem Anschein der Befangenheit aus, wenn er gegen eine Partei Strafanzeige erstattet und die Akten der Staatsanwaltschaft zuleitet, ohne dieser Partei Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem entsprechenden Vortrag des Prozessgegners zu gewähren.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

10 W 82/04 OLG Naumburg

In dem Beschwerdeverfahren

hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Schubert, die Richterin am Oberlandesgericht Mertens und die Richterin am Landgericht Göbel

am 18. Januar 2005

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg vom 26. Oktober 2004 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung durch den Einzelrichter der 9. Zivilkammer an das Landgericht Magdeburg zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der ersten Instanz vorbehalten.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Das klagende Land nimmt in dem dem Ablehnungsgesuch zu Grunde liegenden Rechtsstreit den Beklagten auf Schadensersatz wegen einer schuldhaften Verletzung von Leistungstreuepflichten aus einem Makleralleinvertrag in Anspruch.

Der Kläger behauptet, der mit der Vermakelung eines Grundstückes beauftragte Beklagte habe im kumulativen Zusammenwirken mit den späteren Käufern Frau A. O. , Herrn Diplom-Rechtspfleger I. Oh. und Herrn Rechtsanwalt C. W. unter Vorspiegelung falscher Tatsachen, nämlich durch Täuschung über die durch die Kaufinteressenten zukünftig beabsichtige Nutzung des Grundstückes, erreicht, dass der Verkehrswert mit lediglich 48.000,- Euro zum Nachteil des klagenden Landes zu niedrig angesetzt worden sei und dass das klagende Land auf dieser Preisgrundlage den Kaufvertrag mit Frau O. , Herrn Oh. und Herrn Rechtsanwalt abgeschlossen habe. Dabei habe der Beklagte dem klagenden Land wider besseren Wissens verschwiegen, dass neben Frau O. , Herrn Oh. und Herrn Rechtsanwalt W. auch die L. gGmbH an dem Kauf der Grundflächen zu einem Kaufpreises von 200.000,-Euro interessiert gewesen sei. Das schädigende Verhalten des Beklagten zeige sich auch darin, dass im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zu dem Abschluss des vor der Notarin Sch. beurkundeten Grundstückskaufvertrages mit dem Kläger vom 20.09. Beklagte, den er 2002 - ebenfalls unter Vermittlung des Beklagten - mit einer von der Notarin Sch. beurkundeten Annahmeerklärung vom gleichen Tage zwischen der L. gGmbH einerseits und Frau O. , Herrn Oh. und Herrn Rechtsanwalt W. andererseits ein Kaufvertrag über die Grundflächen zu einem Kaufpreis von 200.000,- Euro zustande gekommen sei.

Nach Eingang der Klageschrift hat der abgelehnte Vorsitzende Richter als geschäftsplanmäßig für die Sache zuständiger originärer Einzelrichter mit prozessleitender Verfügung vom 11.08.2004 das schriftliche Vorverfahren angeordnet und zeitgleich eine Strafanzeige gegen den Beklagten wegen des Verdachtes der Untreue und gegen Frau A. O. , Herrn Dipl. Rechtspfleger I. Oh. und Herrn Rechtsanwalt C. W. wegen des Verdachtes des Betruges zum Nachteil des Klägers bei der Staatsanwaltschaft Magdeburg erstattet und die Übersendung einer Ablichtung der Klageschrift nebst Anlagen an die Staatsanwaltschaft veranlasst.

In dem an die Staatsanwaltschaft Magdeburg gerichteten Anschreiben, das der abgelehnte Richter den Parteien zur Kenntnisnahme übersandt hat, heißt es auszugsweise wie folgt:

" Das Land geht davon aus, A. D. habe vor Abschluss des Vertrages zwischen dem Land und a) A. O. , b) Dipl.-Ing. I. Oh. und c) RA C. W. davon gewusst, dass die L. gGmbH einen wesentlich höheren Preis zu zahlen bereit war. Als Beleg hierfür ist die Anlage K 5 vorgelegt worden. Insoweit könnte eine Verletzung der durch den Maklervertrag übernommenen Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen in Betracht zu ziehen sein."

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben des abgelehnten Vorsitzenden Richters an die Staatsanwaltschaft Magdeburg vom 11.08.2004 - Ziffer 3) der Eingangsverfügung vom 11.08.2004 - Blatt 9 d. A.. Bezug genommen.

Nachdem dem Beklagten die prozessleitende Verfügung des Einzelrichters nebst dem Anschreiben an die Staatsanwaltschaft am 07.09.2004 zugestellt worden ist, hat er mit der am 21. September 2004 bei dem Landgericht Magdeburg eingegangenen Verteidigungsanzeige zugleich den Einzelrichter wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.

Zur Begründung seines Ablehnungsgesuchs hat er vorgetragen, der zuständige Einzelrichter stehe dem Rechtstreit nicht mehr unvoreingenommen gegenüber, was darin zum Ausdruck gekommen sei, dass er die Strafanzeige wegen eines Untreueverdachtes allein auf das einseitige Parteivorbringen des Klägers aus der Klageschrift gestützt habe, ohne dem Beklagten zuvor eine Möglichkeit zur Entkräftung der Verdachtsmomente einzuräumen. Durch die Erstattung der Strafanzeige habe bei dem Beklagten der Eindruck entstehen müssen, der zuständige Einzelrichter habe sich in seiner Einschätzung über die Rechtsmäßigkeit des geltend gemachten Anspruchs bereits allein aufgrund des einseitigen Vorbringens des Klägers festgelegt.

Der abgelehnte Einzelrichter hat sich unter dem 21.09.2004 zu dem Ablehnungsgesuch des Beklagten dienstlich geäußert und dabei ausgeführt, dass sich ihm nach Prüfung - insbesondere der vom klagenden Land vorgelegten Unterlagen - ein Tatverdacht, der sich zudem gegen weitere Personen richte, aufgedrängt habe, in dem rechtshängigen Zivilverfahren habe er sich selbst indessen noch keineswegs festgelegt.

Die Parteien haben Gelegenheit erhalten, sich zu der dienstlichen Äußerung des abgelehnten Vorsitzenden Richters zu erklären.

Mit Beschluss vom 26. Oktober 2004 hat die 9. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg als Spruchkörper in der Besetzung mit drei Richtern ohne Mitwirkung des abgelehnten Einzelrichters den Antrag des Beklagten, den Vorsitzenden Richter am Landgericht S. wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, als unbegründet zurück gewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht im wesentlichen ausgeführt, dass eine objektiv verständige Partei nicht davon habe ausgehen können, dass sich der abgelehnte Einzelrichter die massiven Vorwürfe des klagenden Landes einfach ungeprüft zu eigen gemacht habe. Aus der dienstlichen Stellungnahme gehe vielmehr hervor, dass sich der abgelehnte Einzelrichter intensiv mit dem Klagevorbringen auseinander gesetzt und dies einer eingehenden Prüfung unterzogen habe, bevor er ein Aktendoppel an die Staatsanwaltschaft übersandt habe. Überdies seien die Formulierungen in dem Anschreiben der Staatsanwaltschaft sehr vorsichtig gefasst, was darauf hinweise, dass sich der abgelehnte Richter in seiner Wertung noch keineswegs fest gelegt habe. Dass der abgelehnte Richter dem Beklagten zuvor kein rechtliches Gehör gewährt habe, rechtfertige keine abweichende Beurteilung. Denn zu berücksichtigen sei, dass sich der Tatverdacht noch gegen drei weitere Personen richte. Insofern habe die Verpflichtung bestanden, den Sachverhalt der Staatsanwaltschaft umgehend zuzuleiten, um mögliche Verdunklungshandlungen dieser Personen zu verhindern.

Gegen diesen, dem Beklagten am 03.11.2004 zugestellten Beschluss hat dieser mit einem am 17.11.2004 bei dem Landgericht eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt und diesen mit weiteren Schriftsatz vom 22.11.2004 begründet.

Er trägt vor, dass sich die Besorgnis der Befangenheit des abgelehnten Vorsitzenden Richters am Landgericht S. aus dessen prozessualen Verhalten ergebe, weil dieser unter Missachtung des dem Beklagten grundsätzlich zustehenden Anspruchs auf rechtliches Gehör lediglich auf einseitiges Parteivorbringen und ohne hinreichende Prüfung der Verdachtsmomente gegen den Beklagten Strafanzeige erstattet habe. Im Hinblick auf den aktenkundigen Zeitablauf zwischen dem Eingang der Klageschrift und der ersten prozessleitenden Verfügung des abgelehnten Richters habe diesem keine ausreichende Zeit zur Verfügung gestanden, um den Sachverhalt eingehend zu prüfen.

Die 9.Zivilkammer des Landgerichts hat am 17.12.2004 beschlossen, der sofortigen Beschwerde des Beklagten nicht abzuhelfen und die Sache dem Oberlandesgericht Naumburg zur Entscheidung vorzulegen. Ergänzend hat die Kammer ausgeführt, dass ein Zeitraum von 5 Tagen dem abgelehnten Vorsitzenden Richter ausreichende Zeit geboten habe, den Gegenstand der Klageschrift auf eine mögliche strafrechtliche Relevanz hin zu untersuchen.

II.

Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist nach §§ 46 Abs. 2, 567 Abs. 1, 569 Abs. 1 ZPO zulässig und dem Senat in Dreierbesetzung zur Entscheidung angefallen (§ 568 Abs. 1 S. 1 ZPO).

Das Rechtsmittel des Beklagten hat auch in der Sache Erfolg und führt - ungeachtet der Erfolgsaussichten des Ablehnungsgesuches - aus Rechtsgründen zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht zur anderweitigen Entscheidung.

Denn der Beschluss leidet an einem wesentlichen Verfahrensmangel, weil die Entscheidung nicht durch den im Zeitpunkt der Beschlussfassung zuständigen gesetzlichen Richter ( Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG) ergangen ist (1.) und eine eigene Sachentscheidung des Senates nicht sachgerecht erscheint (2.).

1. Zur Entscheidung über das Ablehnungsgesuch des Beklagten ist nicht die Kammer in der gerichtsverfassungsmäßigen Besetzung mit drei Richtern berufen, sondern gemäß §§ 45 Abs. 1, 348 Abs. 1 S. 1 ZPO allein der geschäftsplanmäßige Vertreter des abgelehnten Vorsitzenden Richters als Einzelrichter.

Von dieser Zuständigkeitszuweisung geht der Senat in Übereinstimmung mit einer in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte im Vordringen begriffenen Ansicht (vgl. KG, NJW 2004, 2104 f.; OLG Karlsruhe, OLGR 2003, 523; in der neueren Rechtsprechung bislang - soweit ersichtlich allein anderer Auffassung: OLG Frankfurt, OLGR 2004, 271) und in Abkehr zur älteren Rechtsprechung (vgl. OLG Düsseldorf JMBl. NW 1978, 68; OLG Karlsruhe, OLGZ 1978, 256; OLG Hamburg, NJW 1992, 1462, 1463) und zu der in der Literatur vertretenen gegenteiligen Auffassung (vgl. Vollkommer in Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 45 ZPO Rdn. 1; Musielak/Heinrich, ZPO, 4. Aufl., § 45 Rn. 10; Zimmermann, ZPO, 6. Aufl., § 45 Rn. 1; Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, 26. Aufl., § 348 Rn. 6; Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 45 Rn. 2; Wassermann, in: AK-ZPO, § 45 Rn. 1; Feiber, in: Münchener Kommentar, ZPO, § 45 Rn. 6; Feiber, in: Münchener Kommentar, ZPO, 2. Aufl. Aktualisierungsband, § 45 Rn. 17; Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 63. Aufl., § 45 Rn. 4) aus.

Soweit insbesondere in der Kommentarliteratur nach wie vor die Ansicht vorherrscht, dass über das gegen einen Einzelrichter angebrachte Ablehnungsgesuch nach § 45 Abs. 1 ZPO der gesamte Spruchkörper ohne dessen Mitwirkung zu entscheiden hat, vermag diese Ansicht nach der Entscheidung des Gesetzgebers in dem Zivilprozessreformgesetz vom 27. Juni 2001 für den originären Einzelrichter (§ 348 Abs. 1 S. 1 ZPO) im Gesetz keine Stütze mehr zu finden.

Gemäß § 75 GVG sind, soweit nicht nach den Vorschriften der Prozessordnung anstelle der Kammer der Einzelrichter zu entscheiden hat, die Zivilkammern des Landgerichts mit drei Mitglieder einschließlich des Vorsitzenden besetzt. Nach § 348 Abs. 1 S. 1 ZPO entscheidet die Zivilkammer durch eines ihrer Mitglieder als Einzelrichter, sofern nicht die in § 348 Abs. 1 S. 2 ZPO abschließend im einzelnen aufgeführten Ausnahmen durchgreifen. Der Gesetzesanwendungsbereich des § 348 Abs. 1 Satz 1 ZPO erstreckt sich dabei nicht nur auf das eigentliche Erkenntnisverfahren, sondern auch auf Nebenverfahren, zu denen auch die Entscheidung über Ablehnungsgesuche zählt (aa). Der Senat vermag darüber hinaus weder dem Wortlaut des § 45 ZPO, noch dem in den Gesetzgebungsmaterialien niedergelegten Willen des Gesetzgebers, der systematischen Stellung der Vorschrift oder dem Sinn und Zweck des Ablehnungsrechts eine Sonderregelung zu entnehmen, die eine Abweichung von der in § 348 Abs. 1 Satz 1 ZPO normierten allgemeinen Regelung über die Zuständigkeit des Einzelrichters rechtfertigt (bb).

aa) Mit der Neufassung des § 348 ZPO durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 ist der Einzelrichter vollständig und vorbehaltlos an die Stelle des Kollegiums getreten (Greger in: Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 348 Rn. 2; Deubner in: Münchener Kommentar, ZPO, 2. Aufl. Aktualisierungsband, § 348 Rn. 6). Der Einzelrichter ist originär kraft Gesetzes das erkennende Gericht und der (alleinige) gesetzliche Richter. Dabei erfasst die Regelung des § 348 Abs. 1 ZPO nicht nur das eigentliche Erkenntnisverfahren, sondern erstreckt sich grundsätzlich auch auf alle Nebenverfahren. Dies ergibt sich aus der systematischen Einordnung in den Abschnitt 1 des Buches 2 der ZPO unter der amtlichen Überschrift "Verfahren vor den Landgerichten". "Verfahren vor den Landgerichten" sind nämlich auch die in anderen Büchern der ZPO geregelten Nebenverfahren. Hiermit steht im Einklang, dass sich nach allgemeiner Auffassung die Zuständigkeitsregelung des § 348 Abs. 1 Satz 1 ZPO auch auf die in anderen Büchern der ZPO geregelte Nebenverfahren erstreckt, wie etwa das im Buch 1 geregelte Verfahren über die Gewährung von Prozesskostenhilfe (§§ 114 ff. ZPO), das selbstständige Beweisverfahren (§§ 485 ff. ZPO), die im Buch 8 geregelten dem Prozessgericht übertragenen Zwangsvollstreckungsverfahren (§§ 887 f., 890), außerdem die ebenfalls in diesem Buch geregelten Verfahren auf Erlass eines Arrestes (§§ 916 ff. ZPO) und einer einstweiligen Verfügung (§§ 935 ff. ZPO). Selbst wenn man mit einer vereinzelt in der Kommentarliteratur vertretenen Ansicht (so Vollkommer, in: Zöller, a.a.O., § 45 Rn. 1) annehmen wollte, dass sich das Ablehnungsverfahren als ein vom Erkenntnisverfahren losgelöstes, selbständiges Zwischenverfahren darstellt, rechtfertigt dies keine abweichende Beurteilung. Der Regelungssystematik des § 348 Abs. 1 ZPO lässt sich nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber für verschiedene Verfahrensarten, nämlich das Hauptsacheverfahren einerseits und ein hiermit im Zusammenhang stehendes Neben- oder Zwischenverfahren andererseits unterschiedliche Regelungen über die jeweilige Besetzung des Gerichts unabhängig nebeneinander stellen wollte. Stattdessen hat er in § 348 Abs. 1 Satz 1 ZPO als Grundsatz normiert, dass die Kammer durch den originären Einzelrichter entscheidet. Die Fälle, in denen abweichend von diesem Grundsatz ausnahmsweise die Kammer in Dreierbesetzung als erkennendes Prozessgericht zuständig sein soll, hat er kraft gesetzlichen Vorbehalts in § 348 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO abschließend geregelt (vgl. Greger in: Zöller, a.a.O., § 348 Rn. 1).

bb) Auch für die Entscheidung über Ablehnungsgesuche gegen den Einzelrichter wäre daher nur dann die Kammer in Dreierbesetzung zuständig, wenn dies durch eine der allgemeinen Regelung des § 348 Abs. 1 Satz 1 ZPO vorangehende Sonderregelung normiert würde. Dies ist nicht der Fall. Die Entscheidungszuständigkeit nach § 45 Abs. 1 ZPO ist nicht als ein Ausnahmefall in dem Katalog des § 348 Abs. 1 S. 2 ZPO gesondert aufgeführt und stellt sich - entgegen der in der Kommentarliteratur vorherrschenden Ansicht und der älteren Rechtsprechung - auch im übrigen nicht als eine Sonderregelung zu der durch § 348 Abs. 1 Satz 1 ZPO n.F. angeordneten Regelzuständigkeit des Einzelrichters dar.

(1) Die ältere Rechtsprechung, die sich - wie dargestellt - einheitlich für eine Zuständigkeit des Kollegialgerichts für die Entscheidung über Befangenheitsgesuche ausgesprochen hat, kann zur Stützung der Gegenposition nicht mehr herangezogen werden, denn sie beruht auf der alten, nicht mehr geltenden Gesetzeslage.

(a) Nach der Einführung des alleinentscheidenden Einzelrichters durch die sogenannte Einzelrichter-Novelle von 1974 folgerte die Rechtsprechung die Zuständigkeit der Kammer als Kollegium aus der Entstehungsgeschichte und den Einzelregelungen des § 348 ZPO a. F. Die dem Einzelrichter übertragene Entscheidungsbefugnis sollte nämlich ausschließlich das eigentliche Streitverfahren betreffen (OLG Düsseldorf JMBl. NW 1978, 68). Die seinerzeitige Fassung des § 348 ZPO lautete dementsprechend:

"Die Zivilkammer kann den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn nicht ...

Über die Entscheidung auf den Einzelrichter kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Der Beschluss ist unanfechtbar."

Aus dieser Formulierung geht hervor, dass die Entscheidungsbefugnis des Einzelrichters aus der Allzuständigkeit der Kammer abgeleitet war. Die Kammer konnte nach damaliger Rechtslage durch einen schriftlich zu fixierenden Willensakt - den Übertragungsbeschluss - einen Teil ihrer Befugnisse auf den Einzelrichter übertragen. Übertragen wurde die "Entscheidung des Rechtsstreits". Da das Nebenverfahren über die Richterablehnung nicht die eigentliche Entscheidung über die Hauptsache betraf, ließ sich vertreten, dass dieses Nebenverfahren von dem Wortlaut des § 348 ZPO (1976) nicht erfasst war.

Zur Begründung der Zuständigkeit des Kollegiums für Entscheidungen über Befangenheitsgesuche verwies die damalige Rechtsprechung ferner darauf, dass bei Ablehnung eines Amtsrichters nicht dessen Vertreter, sondern nach der ausdrücklichen Bestimmung des § 45 Abs. 2 Satz 1 ZPO a. F. das Landgericht, also ein Kollegialgericht zu entscheiden hätte. Hieraus wurde geschlussfolgert, dass dann auch bei der Ablehnung eines Einzelrichters am Landgericht die Zuständigkeit des Kollegiums begründet sei (vgl. OLG Karlsruhe, OLGZ 1978, 256).

Beide Argumente greifen nicht nur nicht mehr, sondern sprechen - ohne dass es angesichts des vom Gesetzgeber inzwischen normierten und oben dargelegten Ausnahme-Regel-Verhältnisses darauf ankommt - inzwischen sogar umgekehrt dafür, dass auch zur Entscheidung über Ablehnungsgesuche gegen Einzelrichter der für diese Entscheidung nach dem Geschäftsverteilungsplan der Kammer eingesetzte Einzelrichter berufen ist (also in der vorherrschenden Praxis von Kammergeschäftsverteilungsplänen, die für Ablehnungsgesuche keine eigenständige Zuständigkeitsregelung treffen, der Vertreter des Einzelrichters).

(b) Nach der Neufassung des § 348 ZPO ist - wie bereits dargelegt - die Entscheidungsbefugnis des Einzelrichters nicht mehr von den Befugnissen der Zivilkammer abgeleitet; sie ist stattdessen originär und entspricht dem gesetzlichen Regelfall. Das nach altem Recht geltende Regel- Ausnahme- Verhältnis hat sich umgekehrt. Die heutige Formulierung des § 348 ZPO spricht folgerichtig auch nicht mehr von der "Entscheidung des Rechtsstreits", sondern nur allgemein von "entscheidet". Auch hiermit kommt zum Ausdruck, dass die Entscheidungsbefugnis des Einzelrichters weder abgeleitet noch begrenzt ist.

(c) Eine Kammerzuständigkeit kann schließlich auch nicht mehr aus einem systematischen Zusammenhang mit der für das Amtsgericht geltenden Zuständigkeitsregelung des § 45 Abs. 2 ZPO hergeleitet werden. Denn § 45 Abs. 2 ZPO ist durch das Zivilprozessreformgesetz ebenfalls geändert worden und ordnet in seiner Neufassung nunmehr an, dass anstelle des abgelehnten Amtsrichters ein anderer Amtsrichter und nicht mehr das Landgericht als Kollegialgericht über das Ablehnungsgesuch zu entscheiden hat. Aus dieser Vorschrift lässt sich daher nicht mehr folgern, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, über ein Ablehnungsgesuch solle (etwa aus Gründen der größeren Objektivität oder um eine höhere Akzeptanz zu erreichen) stets ein Kollegium zu entscheiden haben.

In der Begründung des Rechtsausschusses im ursprünglichen Entwurf der Neufassung des § 45 ZPO heißt es hierzu ausdrücklich:

"Zukünftig ist das Oberlandesgericht, das dem Amtsgericht im Instanzenzug übergeordnet ist, das übergeordnete Gericht (§ 119 Abs. 1 GVG-E) und damit das Gericht, das gemäß der Grundregel des bisherigen § 45 Abs. 1 Halbsatz 2 über das Ablehnungsgesuch gegen einen Richter am Amtsgericht entscheiden müsste, falls der abgelehnte Richter das Ablehnungsgesuch nicht für begründet hält (dann gilt der unveränderte Absatz 2 Satz 2). Um die damit verbundene Verzögerung des Verfahrens und die Befassung eines OLG-Senats mit einer in der Regel nicht besonders schwierigen Frage zu vermeiden, sieht der neugefasste Absatz 2 Satz 1 vor, dass über das Ablehnungsgesuch ein anderer Richter des Amtsgerichts entscheidet. Zugleich wird damit im Verfahren nach der Zivilprozessordnung der selbe Zustand hergestellt, wie er sich im Strafprozess (§ 27 Abs. 3 StPO) seit über 30 Jahren bewährt hat. (B-Drucks. 14/3750, S. 49)"

Nach der letztlich Gesetz gewordenen Novelle ist zwar das Oberlandesgericht nicht das dem Amtsgericht im Instanzenzug übergeordnete Gericht geworden. Dennoch lässt sich aus der amtlichen Begründung entnehmen, dass der Gesetzgeber zum einen Verzögerungen des Verfahrens vermeiden wollte und zum anderen die mit der Richterablehnung verbundenen Fragen in der Regel als nicht besonders schwierig angesehen hat. Hieraus lässt sich aber jedenfalls nicht folgern, dass der Gesetzgeber eine Entscheidung über Ablehnungsgesuche durch ein Kollegium als zwingend angesehen hätte. Darüber hinaus ist kein Grund ersichtlich, weshalb für die Entscheidung über die Ablehnung des Amtsrichters ein einzelner Richter, für die Entscheidung über die Ablehnung des Einzelrichters am Landgericht aber die Kammer in Dreierbesetzung entscheiden sollte.

(2) Soweit die Kommentarliteratur demgegenüber nach wie vor - zumindest ganz überwiegend - an der Auffassung festgehalten hat, dass die Kammer in Dreierbesetzung zur Entscheidung über die Ablehnung des Einzelrichters berufen sei, (so Musielak/Heinrich, ZPO, 4. Aufl., § 45 Rn. 10; Zimmermann, ZPO, 6. Aufl., § 45 Rn. 1; Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, 26. Aufl., § 348 Rn. 6; Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 45 Rn. 2; Wassermann, in: AK-ZPO, § 45 Rn. 1; kritisch : Feiber, in: Müchener Kommentar, Aktualisierungsband, 2. Aufl., § 45 Rn. 17), vermag dies nicht zu überzeugen. Zu berücksichtigen ist nämlich in diesem Zusammenhang, dass die Kommentarliteratur regelmäßig ohne eigene Begründung auf die bereits zitierte ältere Rechtsprechung Bezug nimmt und diese weitgehend unreflektiert übernimmt. Dies aber lässt die Annahme naheliegend erscheinen, dass zu dem hier streitigen Punkt noch keine Überarbeitung der Kommentierung nach der weitgehenden Aufgabe des Kollegialprinzips durch die am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Reformgesetze erfolgt ist. Hierauf hat bereits das Oberlandesgericht Karlsruhe zu Recht hingewiesen (OLGR 2003, 523).

(3) Teilweise führt die Kommentarliteratur aber auch den Wortlaut des § 45 Abs. 1 ZPO zur Begründung ihrer Ansicht an (so offenbar Feiber, in: MünchKommZPO, 2. Aufl. Aktualisierungsband, § 45 Rn. 17; Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 63. Aufl., § 45 Rn. 4; wohl auch OLG Frankfurt, OLGR 2004, 271). In der Tat dürfte der Wortlaut des § 45 Abs. 1 ZPO dann gegen eine Entscheidung über das Ablehnungsgesuch gegen den Einzelrichter durch den Vertreter des Einzelrichters sprechen, wenn man begrifflich als "Gericht" im Sinne der zitierten Norm die "Kammer" in ihrer Besetzung nach § 75 GVG erfasst. Ist der Einzelrichter der "Abgelehnte" im Sinne dieser Norm, wird man für das Gericht eine übergeordnete Einheit einsetzen müssen, da man nur dieser "angehören" kann. Das Kammergericht hat allerdings hierzu zu Recht ausgeführt, dass es nicht selbstverständlich ist, als "Gericht" im Sinne der Norm den jeweiligen Spruchkörper anzusehen. Aus dem systematischen Zusammenhang mit § 45 Absätze 2 und 3 ZPO lässt sich nämlich ebenso überzeugend herleiten, dass ebenso wie dort auch in § 45 Abs. 1 ZPO das Gericht im gerichtsverfassungsrechtlichen Sinn gemeint ist (KG, NJW 2004, 2104), also hier das Landgericht, dem zweifelsfrei auch der Einzelrichter "angehört".

Ob das "Gericht" in § 45 Abs.1 ZPO im gerichtsverfassungsrechtlichen Sinne zu verstehen ist, kann der Senat aber letztlich dahin gestellt sein lassen. Denn selbst wenn man als "Gericht" im Sinne dieser Vorschrift die Kammer annehmen wollte, rechtfertigt dies noch nicht die Schlussfolgerung, dass stets auch die Kammer in Dreierbesetzung über das gegen den Einzelrichter angebrachte Ablehnungsgesuch entscheiden müsse. Nach der Neufassung des § 348 Abs. 1 Satz 1 ZPO seit Anfang 2002 ist nämlich die Entscheidung des Einzelrichters ebenso eine Entscheidung der Kammer wie jene in Dreierbesetzung. Die "Kammer" einerseits und den "Einzelrichter" andererseits sprachlich als zwei voneinander zu unterscheidende Kategorien zu begreifen, widerspricht der seit der Novellierung Anfang 2002 insoweit eindeutigen Fassung des § 348 Abs. 1 Satz 1 ZPO, nach der die Zivilkammer durch einen ihrer Mitglieder als Einzelrichter entscheidet.

(4) Die Tatsache, dass bei einer Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen "Gericht" im Sinne des § 45 Abs. 1 ZPO demgegenüber nach wohl einhelliger Auffassung stets die vollbesetzte Kammer für Handelssachen unter Mitwirkung des Vorsitzendenvertreters und der beiden nach der Geschäftsverteilung zuständigen Handelsrichter bedeutet, steht der von dem Senat vertretenen Ansicht nicht entgegen. Dass über einen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen stets der Spruchkörper in voller Besetzung zu entscheiden hat, lässt sich nämlich ohne weiteres der gesetzlichen Zuständigkeitsverteilung in §§ 105 GVG, 349 ZPO entnehmen. Gemäß § 105 Abs. 1 GVG entscheidet die Kammer für Handelssachen regelmäßig auch außerhalb der mündlichen Verhandlung in voller Spruchkörperbesetzung, also in der Besetzung mit zwei Handelsrichtern und dem Vorsitzenden, es sei denn, der Vorsitzende ist gemäß § 349 ZPO zur alleinigen Entscheidung berufen. Abweichend von dem Regel- Ausnahmeverhältnis des § 348 Abs. 1 ZPO gehen § 105 GVG in Verbindung mit § 349 ZPO danach aber von einer Regelzuständigkeit der Kammer für Handelssachen in voller Spruchkörperbesetzung aus, nur ausnahmsweise in den in § 349 ZPO abschließend geregelten Fällen ist die alleinige Entscheidungskompetenz des Vorsitzenden begründet. Für die Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen sieht § 349 ZPO indessen keine Alleinentscheidungsbefugnis des Vorsitzendenvertreters vor.

Abweichendes gilt jedoch für das Verhältnis der Kammer als Kollegialgericht einerseits und dem Einzelrichter andererseits in § 348 Abs. 1 S. 1 ZPO. Hier hat der Reformgesetzgeber der Zivilprozessreform das entsprechende Regel- Ausnahmeprinzip bewusst umgekehrt.

(5) Auch ein systematischer Vergleich mit dem Wortlaut des § 406 Abs. 2 ZPO, wonach der einen gerichtlich bestellten Sachverständigen betreffende Ablehnungsantrag bei dem "Gericht oder Richter" zu stellen ist, rechtfertigt keine abweichende Würdigung des Bedeutungsgehalts des § 45 Abs.1 ZPO. Zwar ist in § 406 Abs. 2 Satz 1 ZPO - im Unterschied zu § 45 Abs. 1 ZPO - von "dem Gericht oder Richter" die Rede, und die zusätzliche Nennung des "Richters" legt nahe, dass der Gesetzgeber in § 406 ZPO den Begriff "Gericht" nicht im gerichtsverfassungsrechtlichen Sinne verwendet, sondern den Spruchkörper meint. Indes hat der Gesetzgeber zum einen den Begriff "Gericht" in zahlreichen Normen mit unterschiedlichen Bedeutungsgehalt verwendet, worauf das Kammergericht in seiner Entscheidung zu Recht hingewiesen hat (vgl. KG NJW 2004, 2104). Darauf kommt es aber nicht einmal an, weil der Wortlaut des § 45 Abs. 1 ZPO aus den oben dargelegten Gründen auch dann, wenn man als "Gericht" im Sinne dieser Norm die "Kammer" einsetzt, einer Entscheidung des Einzelrichters nicht entgegensteht.

Im Übrigen ist diese Formulierung in das Gesetz eingeführt worden, als durch die bereits erwähnte Einzelrichter-Novelle erstmals allein entscheidende Einzelrichter im Gesetz vorgesehen wurden. Als diese Differenzierung in das Gesetz aufgenommen wurde, leitete der Einzelrichter alle seine Befugnisse von den Befugnissen des Spruchkörpers als Kollegialgericht ab. Wie bereits dargelegt, hat sich dieses Verständnis mit dem Zivilprozessreformgesetz grundlegend gewandelt, da das Gesetz den Schritt zum originären Einzelrichter vollzogen hat. Zwar hat der Gesetzgeber den Wortlaut bei der jüngsten Vereinfachungsnovelle 2002 nicht verändert. Dies mag aber auf einem Redaktionsversehen beruhen. Denn möglicherweise hat man in dem ungeänderten Wortlaut die Differenzierung fortgeführt, die heute nicht mehr notwendig ist, weil der Einzelrichter am Landgericht inzwischen - aus den genannten Gründen - auch unter den Begriff "Gericht" subsumiert werden kann, wobei es keine Rolle spielen kann, ob man den Einzelrichter als Gericht eigener Art ansieht (so Deubner, in: Münchener Kommentar, ZPO, § 348 Rdziff. 10) oder ob er in seinem Zuständigkeitsbereich die Zivilkammer verkörpert.

Allein aus der sprachlichen Differenzierung in § 406 Abs. 2 ZPO zwischen Gericht und Richter kann jedenfalls noch nicht zwingend der Schluss gezogen werden, dass das Wort "Gericht" in § 45 ZPO den Spruchkörper in voller Besetzung bedeuten müsste.

(6) Der in den Gesetzgebungsmaterialien niedergelegte Wille des Gesetzgebers lässt gleichfalls nicht den Schluss zu, dass der Gesetzgeber nach wie vor Entscheidungen über Befangenheitsgesuche einem vollbesetzten Spruchkörper vorbehalten wollte. Aus den bereits zitierten Gesetzgebungsmaterialien ergibt sich vielmehr, dass der Gesetzgeber diese Entscheidung in der Regel nicht als schwierig angesehen hat und Verzögerungen vermeiden wollte. Außerdem sollte der Gleichklang zu §§ 26, 27 StPO geschaffen werden. Diese Erwägungen sprechen eher dafür, dass Ablehnungsgesuche gegen Einzelrichter auch von Einzelrichtern beschieden werden sollen.

(7) Schließlich zwingt auch der Sinn und Zweck des Ablehnungsverfahrens nicht dazu, die Entscheidung über ein Befangenheitsgesuch notwendig dem Kollegium vorzubehalten.

Es kann dahin stehen, ob es rechtspolitisch als wünschenswert anzusehen wäre, wenn die Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch von einem Kollegialgericht gefällt würde, weil eine Entscheidung des Kollegiums wegen der höheren Richtigkeitsgewähr bei den Verfahrensbeteiligten in der Regel größere Akzeptanz findet.

Dieses Argument war aber im Gesetzgebungsverfahren zur ZPO-Novelle 2002 im Hinblick auf das Hauptsacheverfahren durchaus Gegenstand der Erörterung. Der Gesetzgeber ist ihm nicht gefolgt und hat sich stattdessen bewusst für eine generelle Entscheidungskompetenz des Einzelrichters ausgesprochen. So wichtig eine Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch auch sein mag, so kann man doch nicht sagen, dass sie für die Parteien bedeutsamer sei, als die Sachentscheidung in der Hauptsache selbst.

Außerdem zeigt die Neuregelung der Entscheidung über die Ablehnung eines Amtsrichters in § 45 Abs.2 ZPO, dass der Gesetzgeber im Beschleunigungs- und Vereinfachungsinteresse auch in diesem Fall eine Entscheidung durch ein Kollegium nicht für erforderlich erachtet hat.

Der Senat vermag nach alledem keine ausreichenden Gründe festzustellen, die eine Ausnahme von dem Regelfall des § 348 Abs. 1 Satz 1 ZPO rechtfertigen könnten.

2. Die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch des Beklagten durch den funktionell nicht zuständigen Spruchkörper in Dreierbesetzung ohne wirksamen Übertragungsbeschluss (§ 348 Abs. 3 ZPO) stellt sich, da es um die ordnungsgemäße Besetzung der Kammer und damit um den gesetzlichen Richter geht, als einen unheilbaren Verfahrensmangel dar (vgl. OLG Karlsruhe OLGR Karlsruhe 2003, 523; Greger in Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 348 ZPO Rdn. 23). Der angefochtene Beschluss ist aus diesem Grunde aufzuheben.

3. Der Senat sieht sich an einer eigenen Sachentscheidung nach § 572 ZPO gehindert.

a) Zwar steht es grundsätzlich im Ermessen des Beschwerdegerichts, ob es der Beschwerde selbst abhilft oder die Sache an das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, zurück verweist. Auch bei einem wesentlichen Verfahrensmangel ist eine Zurückverweisung keineswegs zwingend, vielmehr hat das Beschwerdegericht - schon im Hinblick auf den Fortgang des Hauptverfahrens - grundsätzlich selbst zu entscheiden (vgl. Gummer in Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 572 ZPO Rdn. 27).

b) Einer eigenen Sachentscheidung des Senats steht hier indessen entgegen, dass die Unzuständigkeit der Kammer als Kollegialgericht zum Erlass des Beschlusses vom 26.10.2004 zugleich Auswirkungen auf die Zuständigkeit des Senates im Beschwerdeverfahren und damit zugleich auf den gesetzlichen Richter des Beschwerdegerichts hat (vgl. OLG Celle MDR 2003, 523, 524; OLG Frankfurt OLGR Frankfurt 2004, 271; Gummer in Zöller, ZPO, a.a.O., § 572 ZPO Rdn. 27). Wäre der Beschluss vom 26.10.2004 nämlich durch den zuständigen Einzelrichter erlassen worden, so wäre im Beschwerdeverfahren ebenfalls der originäre Einzelrichter des Senates gemäß § 568 Abs. 1 S. 1 ZPO zuständig gewesen. Da aber der angefochtene Beschluss von der - wenn auch unzuständigen - Kammer erlassen wurde, ist auch im Beschwerdeverfahren eine Zuständigkeit des Senates begründet. Dabei vermag auch nicht - wenn man zugrunde legt, dass bei zutreffender Sachbehandlung der Einzelrichter entschieden hätte - entgegen § 568 Abs. 1 S. 1 ZPO der Einzelrichter an die Stelle des Senats in voller Besetzung zu treten. Denn eine solche Korrektur des gesetzlichen Richters oder die Nichtbeachtlichkeit eines die Besetzung des Beschwerdegerichts beeinflussenden Verfahrensfehlers sieht die ZPO nicht vor (vgl. OLG Frankfurt OLGR Frankfurt 2004, 271, 272).

b) In diesem Zusammenhang ist überdies zu bedenken, dass dem Senat bei Befangenheitsbeschwerden nach § 46 Abs. 2 ZPO nur eine eingeschränkte Rechtsmittelzuständigkeit zukommt.

aa) Erklärt das Landgericht ein Befangenheitsgesuch nämlich für begründet, findet kein Rechtsmittel statt. Daraus kann gefolgert werden, dass eine eigene Sachenentscheidung des Beschwerdegerichts bei wesentlichen Verfahrensmängeln des ersten Rechtszuges allenfalls dann gerechtfertigt ist, wenn das Befangenheitsgesuch entweder offensichtlich begründet oder evident unbegründet ist. Denn in beiden Fällen wäre die Zurückverweisung eine überflüssige Förmelei. Anders liegt es indessen in den Fällen, in denen nicht auszuschließen ist, dass dem Befangenheitsgesuch nach Zurückverweisung vom Landgericht - nunmehr in der Besetzung mit einem Einzelrichter - statt gegeben wird, ohne dass indessen ein Fall offenkundiger Begründetheit vorläge. In solchen Fällen muss die Wertung der ersten Instanz vorrangig sein. Entschiede demgegenüber der Senat selbst, nähme er für sich eine Zuständigkeit in Anspruch, die ihm bei verfahrensfehlerfreier Behandlung des Befangenheitsgesuchs möglicherweise im Hinblick auf § 46 Abs.2 ZPO gar nicht erwachsen wäre (vgl. OLG Schleswig OLGR Schleswig 2004, 155, 156).

bb) Im vorliegenden Fall ist das Befangenheitsgesuch des Beklagten nicht offensichtlich unbegründet, so dass sich - nach dem Vorgesagten - auch aus diesem Grunde eine eigene Sachentscheidung des Senates verbietet.

(1) Gemäß § 42 Abs. 1 ZPO kann ein Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Nach § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Maßgebend ist nicht, ob der abgelehnte Richter wirklich befangen ist oder ob er sich selbst für befangen hält, sondern allein, ob von dem Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung genügend objektive Gründe vorliegen, die die Befürchtung wecken können, der Richter stehe dem Rechtsstreit nicht mehr unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (vgl. BVerfGE 73, 330, 335; BVerfGE 82, 30, 37; BGHZ 77, 70, 72; BGH NJW NJW-RR 2003, 1220, 1221; BGH NJW 2004, 164; BayObLGZ 86, 252; BayOblGZ 87, 217; BayOblG NJW 1999, 1875; Vollkommer in Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 42 ZPO Rdn. 9). Es kommt mithin darauf an, ob nach der Meinung einer ruhig und vernünftig denkenden Partei berechtigte Zweifel an der Unvoreingenommenheit und Neutralität des Richters bestehen.

(2) Gemessen hieran kann das Ablehnungsgesuch des Beklagten nicht schon von vorneherein als offenkundig aussichtslos bewertet werden.

Zwar vermag die Erstattung einer Strafanzeige und die Zuleitung der Akten an die Staatsanwaltschaft wegen eines Verdachtes einer Straftat nicht schon ohne weiteres die Besorgnis der Befangenheit des Richters zu begründen, wenn dieser die Verdachtsmomente einer hinreichend intensiven Prüfung unterzogen hat . Dem erkennenden Richter ist vielmehr grundsätzlich zuzubilligen, dass er bei ausreichend belegbarem Verdacht einer durch eine Prozesspartei begangenen strafbaren Handlung die Sache an die Ermittlungsbehörden zur weiteren Veranlassung übersendet.

Es kann nämlich in der Regel nicht schon als ein Zeichen von Voreingenommenheit gewertet werden, wenn ein Richter, der in einem rechtshängigen Zivilprozess einer Straftat auf die Spur gekommen sein glaubt, dieses der zuständigen Strafverfolgungsbehörde mitteilt (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 06.März 2003, 10 W 4/03) . Denn ein Anfangsverdacht im Sinne des § 152 Abs. 2 StPO bedeutet lediglich, dass eine Straftat möglicherweise vorliegt, wenn die Anknüpfungstatsachen als wahr unterstellt werden. Der von dem abgelehnten Vorsitzenden Richter gehegte Verdacht, der Beklagte habe zum Nachteil des Klägers eine Untreue - Straftat begangen, beruht hier auf einer Reihe objektiver Umstände, die sich aus den der Klageschrift beigefügten Anlagen ergeben.

Allerdings wird sich der erkennende Richter in der Regel noch nicht unbedingt auf einen Parteivortrag allein stützen, sondern - um schon jeden Verdacht der Voreingenommenheit zu begegnen - erst die Stellungnahme der Gegenseite abwarten. Denn mit dem Entschluss, die Akten der Staatsanwaltschaft zur Prüfung zuzuleiten gibt er zu erkennen, dass er jedenfalls einen "Anfangsverdacht" annimmt (vgl. OLG Frankfurt MDR 1984, 1999; OLG Frankfurt MDR 1986, 943; HansOLG Hamburg MDR 1989, 1000; Brandenburgisches OLG MDR 1997, 779, 780; KG MDR 2001, 107, 108; Vollkommer in Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 42 ZPO Rdn. 22b; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 63. Aufl., § 42 ZPO Rdn. 50; Knoche, Besorgnis richterlicher Befangenheit wegen der Veranlassung strafrechtlicher Schritte, in MDR 2000, 371, 372). Um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, sich bereits allein aufgrund des einseitigen Vorbringens einer Partei festgelegt zu haben, hat der erkennende Richter der Partei, die durch die Strafanzeige dem Verdacht ausgesetzt wird, eine Straftat begangen zu haben, daher in der Regel Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, und zwar vor der Erstattung der Strafanzeige (vgl. OLG Frankfurt MDR 1986, 943; OLG Hamm FamRZ 1992, 575; Brandenburgisches OLG MDR 1997, 779, 780; KG MDR 2001, 107, 108; Knoche MDR 2000, 371, 373; Vollkommer in Zöller, ZPO, a.a.O., § 42 ZPO Rdn. 22b). Denn eine naheliegende Möglichkeit der Entkräftung eines Verdachtes liegt naturgemäß in der Klarstellung bestimmter Sachverhalte durch die einem Verdacht ausgesetzte Partei selbst. Daran fehlt es hier indessen.

Es wird danach letztlich Sache des geschäftsplanmäßigen Vertreters des Einzelrichters sein, nach der Zurückverweisung darüber zu befinden, ob eine besondere Fallkonstellation vorliegt, die die Anhörung der gegnerischen Seite vor Weiterleitung von Aktenteilen an die Staatsanwaltschaft entbehrlich erscheinen lässt, oder ob die mit der Erstattung der Strafanzeige im Zusammenhang stehenden Umstände geeignet sind, aus der Sicht einer ruhig und besonnen urteilenden Partei in der Lage des Beklagten Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des abgelehnten Vorsitzenden Richters zu rechtfertigen.

III.

1. Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens wird der ersten Instanz vorbehalten.

2. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 3 Satz 1 ZPO zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) und darüber hinaus auch die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordern (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

Die Frage, in welcher Besetzung die Kammer des Landgerichts über die Ablehnung des Einzelrichters nach § 45 Abs. 1 ZPO zu entscheiden hat, ist von grundsätzlicher Bedeutung. Die vom Senat getroffene Entscheidung entspricht zwar der inzwischen wohl im Vordringen begriffenen, aber noch nicht einheitlichen neueren Rechtsprechung der Oberlandesgerichte, der im Übrigen die bislang ganz überwiegende Kommentarliteratur entgegensteht. Vor diesem Hintergrund erscheint zur Wahrung einer einheitlichen Auslegung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erforderlich.

Ende der Entscheidung

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