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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 09.03.2007
Aktenzeichen: 10 W 93/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 46 Abs. 2
ZPO § 46 Abs. 2 2. Halbsatz
ZPO § 522 Abs. 1
ZPO § 567 Abs. 1
ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 574 Abs. 1 Nr. 2
Sofern das Landgericht im Rahmen eines Berufungsverfahrens über ein Ablehnungsgesuch entscheidet, ist diese Entscheidung nicht mit der Beschwerde anfechtbar.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

10 W 93/06 OLG Naumburg

In dem Rechtsstreit

hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Schubert, den Richter am Oberlandesgericht Handke und die Richterin am Oberlandesgericht Göbel

am 09. März 2007

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Halle vom 03. November 2006 wird als unzulässig verworfen.

Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Beschwerdewert: 550,00 Euro.

Gründe:

I.

Der Kläger hält die stellvertretende Vorsitzende der 1. Zivilkammer des Landgerichts Halle für befangen.

Er hatte gegen ein Urteil des Amtsgerichts Merseburg Berufung eingelegt. Die abgelehnte Richterin machte ihn mit Verfügung vom 31. Juli 2006 darauf aufmerksam, dass Zweifel an der Zulässigkeit der Berufung bestünden, weil die Berufungssumme von 600,00 Euro nicht erreicht sei. Nach Eingang der Berufungsbegründung wiederholte sie ihren Hinweis und teilte mit, dass beabsichtigt sei, die Berufung gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen, wenn sie nicht zurückgenommen werde.

Der Kläger hat die Richterin darauf hin mit Schriftsatz vom 28. August 2006 wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.

Das Landgericht hat das Ablehnungsgesuch mit Beschluss vom 22. September 2006 für unbegründet erklärt. Gegen diese Entscheidung, die ihm erst am 23. Oktober 2006 zugestellt wurde, hat sich der Kläger mit einer sofortigen Beschwerde vom 01. November 2006 gewandt.

Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde mit Beschluss vom 03. November 2006 als unzulässig verworfen. Zur Begründung ist ausgeführt, dass Beschlüsse des Landgerichts über Ablehnungsgesuche in der Berufungsinstanz seit der Reform des Zivilprozesses nicht mehr der sofortigen Beschwerde unterliegen.

Mit einer weiteren sofortigen Beschwerde vom 16. November 2006 rügt der Kläger nunmehr, dass das Landgericht seine ursprüngliche Beschwerde dem Oberlandesgericht nicht zur Entscheidung vorgelegt habe.

II.

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landgerichts vom 03. November 2006 ist unzulässig, sie ist gemäß §§ 567 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. 46 Abs. 2, 2. Halbsatz ZPO unstatthaft.

1. a) Nach der Neufassung des § 567 Abs. 1 ZPO durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses sind mit der sofortigen Beschwerde ausdrücklich nur noch solche Entscheidungen des Landgerichts anfechtbar, die im ersten Rechtszug ergangen sind. Damit ist eine sofortige Beschwerde nicht mehr eröffnet, wenn das Landgericht im Rahmen des Berufungsverfahrens über ein Ablehnungsgesuch entscheidet (vgl. OLGR Celle, 2002, 228; OLG Karlsruhe, MDR 2003, 651; OLG Stuttgart, NJW-RR 2003, 494, 495; OLG Zweibrücken, OLGR Zweibrücken 2003, 267 - 268; OLG Köln, NJW 2004, 3642; Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 46 ZPO, Rn. 14; Zöller/Gummer, a. a. O., § 567 ZPO, Rn. 38 m. w. N.).

Dies wird auch durch die neuen Regelungen zur Rechtsbeschwerde deutlich. Denn in § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ist neben dem Oberlandesgericht auch das Berufungsgericht genannt. Daraus ergibt sich, dass gegen Entscheidungen der Berufungskammer des Landgerichtes ebenfalls nur die Rechtsbeschwerde statthaft sein soll.

b) Aus § 46 Abs. 2 ZPO ergibt sich nichts anderes.

Zwar sieht § 46 Abs. 2 ZPO gegen den Beschluss, durch den ein Ablehnungsgesuch für unbegründet erklärt wird, wie bisher die sofortige Beschwerde vor. Damit ist jedoch nur eine der Voraussetzungen des § 567 Abs. 1 ZPO erfüllt. Nach § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO muss die sofortige Beschwerde nicht nur im Gesetz ausdrücklich bestimmt sein, sondern sich auch gegen eine Entscheidung im ersten Rechtszug richten.

Wenn das Landgericht im Berufungsverfahren über den Antrag auf Richterablehnung befindet, ist diese Voraussetzung nicht erfüllt (vgl. OLG Köln, a. a. O.; OLG Zweibrücken, a. a. O., m. w. N.). Denn die Berufungskammer entscheidet dann im zweiten Rechtszug.

c) Diese Regelungen entsprechen der Grundkonzeption des ZPO-Reformgesetzes.

Danach sollte die sofortige Beschwerde in Funktion und Ausgestaltung der Berufung nachgebildet werden. Außerdem war es das Bestreben des Gesetzgebers, den Rechtszug in Nebenentscheidungen dem der Hauptsache anzugleichen. So wie gegen das Berufungsurteil des Landgerichts nur die Revision stattfindet, sollte auch gegen eine Beschwerdeentscheidung nur die Rechtsbeschwerde möglich sein.

Damit entspricht die neue Regelung der bisherigen Rechtslage bei der Entscheidung über Befangenheitsgesuche gegen Richter am Oberlandesgericht; diese Entscheidung war auch schon vor der Neufassung der ZPO zum 01. Januar 2002 nicht mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar (vgl. BayObLG, NJW 2002, 3262; OLG MDR 2003, 651; OLG Köln, NJW 2004, 3642).

d) Im Hinblick hierauf hat das Landgericht die sofortige Beschwerde des Klägers zu Recht in dem angefochtenen Beschluss als unzulässig verworfen, ohne sie zuvor dem Oberlandesgericht zur Entscheidung über das Rechtsmittel vorzulegen.

Ist nämlich der Beschwerderechtszug zum Oberlandesgericht von vorn herein nicht eröffnet, ist das Landgericht auch nicht zur Vorlage der angefochtenen Entscheidung verpflichtet. Es durfte die unstatthafte sofortige Beschwerde vielmehr selbst als unzulässig verwerfen (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 26. Aufl., § 572, Rn. 6).

2. Das Rechtsmittel des Klägers kann auch nicht in eine dem Bundesgerichtshof vorzulegende Rechtsbeschwerde umgedeutet werden.

a) Der Umstand, dass die Rechtsmittel der sofortigen und der weiteren Beschwerde gegen im zweiten Rechtszug ergangene Entscheidungen der Landgerichte nach der hier anzuwendenden Neufassung der Zivilprozessordnung nicht mehr gegeben sind (§ 567 Abs. 1 ZPO), rechtfertigt es nicht, ein gleichwohl als sofortige und/oder weitere Beschwerde bezeichnetes unstatthaftes Rechtsmittel in eine ebenfalls unstatthafte Rechtsbeschwerde umzudeuten (BGH MDR 2002, 962).

b) Hier wäre das Rechtsmittel des Klägers als Rechtsbeschwerde aus mehreren Gründen unzulässig:

Das Berufungsgericht hat die Rechtsbeschwerde in seinem Beschluss nicht zugelassen (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Das Rechtsmittel enthält nicht die Erklärung, dass Rechtsbeschwerde eingelegt werde (§ 575 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO); es ist auch nicht beim Rechtsbeschwerdegericht (Bundesgerichtshof nach § 133 GVG) und durch einen dort zugelassenen Anwalt eingelegt worden (§ 575 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

3. Ein Hinweis des Senats auf die Unzulässigkeit der sofortigen Beschwerde war hier nicht erforderlich. Durch die angefochtene Entscheidung, den Nichtabhilfebeschluss des Landgerichts und die Entscheidung des Senats vom 26. Februar 2007 über eine vom selben Prozessbevollmächtigten in einem Parallelfall eingelegte sofortige Beschwerde, musste der Kläger mit einer Verwerfung rechnen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus den §§ 2, 3 ZPO, 62 GKG, wobei der Wert der Hauptsache in Ansatz zu bringen ist (BGH NJW 1968, 796; Zöller/Herget, 26. Aufl., § 3 Rn. 16, Stichwort "Ablehnung" m. w. N.).

Ende der Entscheidung

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