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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 04.07.2001
Aktenzeichen: 10 Wx 28/01
Rechtsgebiete: AuslG, FEVG, FGG, ZPO


Vorschriften:

AuslG § 57 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
AuslG § 23
AuslG § 57 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
AuslG § 103 Abs. 1 Satz 1
AuslG § 103 Abs. 2
FEVG § 3 Satz 2
FEVG § 7 Abs. 1
FEVG § 5
FEVG § 14 Abs. 3
FGG § 27 Abs. 1
FGG § 29 Abs. 2
FGG § 27 Abs. 1
ZPO § 550
1. Mit dem Vortrag, dass die Anordnung der Abschiebungshaft die beabsichtigte Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen vereitelt bzw. zumindest wesentlich erschwert, kann ein Ausländer grundsätzlich nicht gehört werden. Die etwaige Unzulässigkeit einer Abschiebung aus Gründen, die nach Bestandskraft der aufenthaltsbeendenden Maßnahme eintreten, ist im Verwaltungsrechtsweg geltend zu machen.

2. Das Gesetz sieht keine Ladungsfrist für die im Freiheitsentziehungsverfahren vorgeschriebene Anhörung vor. Artikel 104 Abs. 2 GG verlangt dem gegenüber eine unverzügliche erstinstanzliche Entscheidung bis spätestens zum Ende des Tages nach der Festnahme, mithin auch eine unverzügliche Anhörung ohne Rücksicht auf etwaige streng vorgegebene Ladungsfristen.

3. Maßgeblich ist, ob die dem Verfahrensbevollmächtigten nach Zustellung der Ladung verbleibende Zeit unter Berücksichtigung der besonderen Eilbedürftigkeit in Haftsachen ausreichend und angemessen ist, sich auf den Anhörungstermin einzurichten und vorzubereiten.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

10 Wx 28/01 OLG Naumburg

In der Abschiebungshaftsache

betreffend den türkischen Staatsangehörigen

...

hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch die unterzeichnenden Richter

am 04. Juli 2001

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Landgerichts Magdeburg vom 11. Juni 2001, 3 T 478/01, wird zurückgewiesen.

Der Betroffene hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen; außergerichtliche Auslagen des Betroffenen und des Beteiligten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Halberstadt hat mit seinem Beschluss vom 10. Mai 2001, 11 XIV 48/01 B, auf Antrag des Beteiligten gegen den Betroffenen Abschiebungshaft (Sicherungshaft) für die Dauer von maximal zwölf Wochen angeordnet. Es ist nach mündlicher Anhörung des Betroffenen davon ausgegangen, dass dieser im Jahre 1998 nach bestandskräftiger Ablehnung eines Asylantrages aus der Abschiebehaft heraus in sein Heimatland Türkei abgeschoben und nunmehr erneut und unerlaubt in die Bundesrepublik Deutschland eingereist war. Die Haftanordnung wird auf den Haftgrund des § 57 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AuslG gestützt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll der Anhörung (Bl. 11 f GA) sowie auf den Inhalt des o.a. Beschlusses (Bl. 13 ff GA) Bezug genommen. Sodann ist das weitere Verfahren wegen der Verlegung des Betroffenen von der JVA Halberstadt in die JVA Volkstedt an das Amtsgericht Eisleben abgegeben worden.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 18. Mai 2001 hat der Betroffene sofortige Beschwerde gegen die Haftanordnung vom 16.08.2000 beim Amtsgericht Halberstadt eingelegt. Er hat darin u.a. auch die Absicht bekundet, mit der deutschen Staatsangehörigen R. A. aus B. verlobt zu sein; einer Heirat stünde lediglich seine Inhaftierung entgegen. Der Betroffene hat insoweit die Ansicht vertreten, dass ihm nach § 23 AuslG ein Anspruch auf Duldung seines Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland zustehe, bis er geheiratet habe.

Das Landgericht Magdeburg hat am 11. Juni 2001 eine erneute mündliche Anhörung des Betroffenen durchgeführt und hierin u.a. dem Betroffenen persönlich als auch der vermeintlichen Verlobten R. A. ausführlich Gelegenheit zur Darlegung ihres derzeitigen Verhältnisses sowie des Standes der Vorbereitungen der Eheschließung gegeben. Wegen des Inhalts der Anhörung wird auf das Protokoll (Bl. 27 ff GA) Bezug genommen. Zu dieser Anhörung hatte das Landgericht mit Verfügung vom 31. Mai 2001, dem Tage des Eingangs der Gerichtsakten beim Landgericht, u.a. auch den Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen geladen; diesem ist die Ladung erst am 08. Juni 2001 zugestellt worden. Der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen hat auf den Empfang der Ladung nicht reagiert, insbesondere ist nicht aktenkundig, dass er etwa schriftsätzlich oder telefonisch Kontakt zum Landgericht gesucht hätte.

Das Landgericht Magdeburg hat sodann mit Beschluss vom 11. Juni 2001, 3 T 478/01, die sofortige Beschwerde des Betroffenen als unbegründet zurückgewiesen. Das Landgericht ist dabei ebenfalls vom Vorliegen des Haftgrundes nach § 57 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AuslG ausgegangen und hat die Abschiebung insbesondere auch nicht für unverhältnismäßig erachtet, weil derzeit keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spreche, dass dem Betroffenen eine Duldung erteilt werden müsse. Die Kammer hat ausgeführt, dass sie aufgrund der durchgeführten Anhörung überzeugt sei, dass der Betroffene nicht ernsthaft eine Eheschließung mit R. A. beabsichtige. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gründe dieses Beschlusses (Bl. 32 bis 36 GA) Bezug genommen.

Gegen diesen ihm spätestens am 21. Juni 2001 zugestellten Beschluss wendet sich der Betroffene mit seiner sofortigen weiteren Beschwerde vom 21. Juni 2001. Mit seinem Rechtsmittel macht er geltend, dass das Landgericht bei seiner Anhörung am 11. Juni 2001 die "anwaltlichen Ladungsfristen" nicht gewahrt habe; im Übrigen ginge das Gericht zu Lasten des Betroffenen "von unterstellten negativen Annahmen" aus.

Der Beteiligte erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme zum Rechtsmittel des Betroffenen, die er nicht wahrnahm.

II.

1. Die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen ist zulässig.

Das Rechtsmittel ist nach § 103 Abs. 1 Satz 1 AuslG, §§ 3 Satz 2, 7 Abs. 1 FEVG, §§ 27 Abs. 1, 29 Abs. 2 FGG statthaft. Die Beschwerdefrist (§§ 29 Abs. 2 und 4, 22 Abs. 1 FGG) ist gewahrt. Die erforderliche Beschwerdeberechtigung des Betroffenen (§§ 29 Abs. 4, 20 Abs. 1 FGG) folgt aus der Zurückweisung der sofortigen Beschwerde gegen die Anordnung der Abschiebungshaft für längstens zwölf Wochen.

2. Die sofortige Beschwerde des Betroffenen bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg und ist daher zurückzuweisen. Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Gesetzesverletzung i.S.d. § 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO.

2.1. Soweit das Landgericht die bereits vom Amtsgericht Haldensleben zu prüfenden Voraussetzungen für die Anordnung von Abschiebungshaft bejaht hat und hierbei vor allem vom Vorliegen des Haftgrundes nach § 57 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AuslG ausgegangen ist, ist der Betroffene dieser tatsächlichen und rechtlichen Bewertung nicht vereinzelt entgegengetreten. Der Senat vermag hierin weder aus verfahrensrechtlicher noch aus materiell-rechtlicher Sicht Anhaltspunkte für eine Gesetzesverletzung zu erkennen.

2.2. Das Landgericht hat weiter die Verhältnismäßigkeit der Fortdauer der Abschiebungshaft unter Berücksichtigung des - in der Beschwerdeinstanz neuen - Vorbringens des Betroffenen zu seinen vermeintlichen Heiratsabsichten geprüft und im Ergebnis bejaht. Auch diese Feststellung ist im Rahmen der eingeschränkten Prüfungskompetenz des Senats als Rechtsbeschwerdegericht (vgl. hierzu v.a. die Beschlüsse des erkennenden Senats vom 22. Februar 2000 - 10 Wx 03/00 - sowie vom 29. Januar 2001 - 10 Wx 03/01 -; auch GK z. AuslR, Lsbl. Stand Juni 1999, § 57 Rn. 397 f) nicht zu beanstanden, denn sie beruhen auf entscheidungserheblichen, ordnungsgemäß ermittelten Anknüpfungstatsachen und erscheinen ohne Verstoß gegen Denkgesetze, allgemeine Erfahrungssätze oder allgemeine Beweiswürdigungsgrundsätze als möglich (vgl. GK z. AuslR aaO. Rn. 398 mwN.).

Bei der Abwägung, ob die Anordnung der Abschiebungshaft im Lichte des Art. 6 GG die beabsichtigte Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen vereitelt bzw. zumindest wesentlich erschwert, ist zunächst zu berücksichtigen, dass ein Ausländer mit einem solchen Vortrag im Verfahren über die Anordnung bzw. Aufrechterhaltung von Abschiebungshaft grundsätzlich nicht gehört werden kann. Denn die etwaige Unzulässigkeit einer Abschiebung aus Gründen, die nach Bestandskraft der aufenthaltsbeendenden Maßnahme eintreten, ist im Verwaltungsrechtsweg geltend zu machen (vgl. GK z. AuslR, aaO., Rn. 265). Es kann dahin stehen, ob im Ausnahmefall im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG, das Gebot der Gewährung von effektivem Rechtsschutz, eine Verfahrensgestaltung im Haftverfahren geboten sein kann, die eine Abschiebung vor Entscheidung über die Duldung verhindert (so OLG Karlsruhe AuAS 1997, 255). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier jedenfalls nach den Feststellungen des Landgerichts nicht vor. Denn es fehlt danach an ausreichenden Belegen der Ernsthaftigkeit der Heiratsabsichten, des Weiteren aber auch an hinreichenden Erfolgsaussichten für die Erteilung einer ausländerrechtlichen Duldung im Hinblick auf diese Absichtserklärung.

Die tatrichterlichen Feststellungen des Landgerichts beruhen auf einer verfahrensfehlerfreien Aufklärung des Sachverhalts. Das Landgericht hat dem Betroffenen und dem Beteiligten zu dieser Frage rechtliches Gehör gewährt. Es hat sich selbst einen unmittelbaren Eindruck von der Ernsthaftigkeit der Heiratsabsichten des Betroffenen durch dessen Anhörung sowie durch die ausführliche Anhörung der Zeugin R. A. verschafft.

2.3. Schließlich geht auch der Angriff der Rechtsbeschwerde fehl. Das Gesetz, insbesondere § 103 Abs. 2 AuslG, § 5 FEVG, sieht keine Ladungsfrist für die im Freiheitsentziehungsverfahren vorgeschriebene Anhörung vor (vgl. auch BayObLG MDR 1993, 1026). Im Gegenteil verlangt die Verfassung in Art. 104 Abs. 2 GG eine unverzügliche erstinstanzliche Entscheidung bis spätestens zum Ende des Tages nach der Festnahme, mithin auch eine unverzügliche Anhörung ohne Rücksicht auf etwaige streng vorgegebene Ladungsfristen. Der aus dieser verfassungsrechtlichen Vorgabe resultierende Beschleunigungsgrundsatz in Haftsachen gilt entsprechend auch in der Beschwerdeinstanz, d.h. auch dort hat eine durchzuführende Anhörung unverzüglich zu erfolgen. Das ist hier geschehen. Die dem Verfahrensbevollmächtigten nach Zustellung der Ladung verbleibende Zeit war unter Berücksichtigung der besonderen Eilbedürftigkeit in Haftsachen ausreichend und angemessen, sich auf den Anhörungstermin einzurichten und vorzubereiten.

Selbst wenn der Betroffene jedoch - entgegen der Auffassung des Senats - die Frist als unangemessen erachtet hätte, hätte ihm die Möglichkeit eines Terminsverlegungsantrages unter Angabe der gegen den anberaumten Termin sprechenden (wichtigen) Gründe offen gestanden; hiervon hat der Betroffene keinen Gebrauch gemacht. Es kann auch dahin stehen, ob der Betroffene diesenfalls das Recht gehabt hätte, unter Hinweis auf die vermeintlich verspätete Ladung seines Verfahrensbevollmächtigten den Eintritt in die Anhörung zu verweigern, denn der Betroffene hat ein solches Recht vor dem Landgericht überhaupt nicht geltend gemacht.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 14 Abs. 3 FEVG; eine Erstattung außergerichtlicher Kosten der Ausländerbehörde sieht das Gesetz nicht vor.

Ende der Entscheidung

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