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Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 26.06.2001
Aktenzeichen: 11 U 253/99
Rechtsgebiete: SchuldRAnpG, ZPO, BGB, ZGB


Vorschriften:

SchuldRAnpG § 23
SchuldRAnpG § 12 Abs. 2
SchuldRAnpG § 23 Abs. 6
SchuldRAnpG § 23 Abs. 3
SchuldRAnpG § 23 Abs. 6 S. 2
SchuldRAnpG § 12 Abs. 2 S. 1
SchuldRAnpG § 12 Abs. 2 Satz 2
SchuldRAnpG § 20
ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 287 ZPO
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
ZPO § 546 Abs. 2
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 249
BGB § 393
BGB § 288
BGB § 284 Abs. 1
ZGB § 296 Abs. 1 S. 1
ZGB § 312 ff.
Der Schaden, der dem Nutzer durch den unberechtigten Abriss einer den Kündigungsschutzvorschriften des § 23 SchuldRAnpG unterfallenden Garage entsteht, liegt in der entgangenen Nutzung bis zum 31.12.2002 sowie dem entgangenenEntschädigungsanspruch nach § 12 Abs. 2 SchuldRAnpG.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 U 253/99 OLG Naumburg

verkündet am: 26.06.2001

In dem Berufungsrechtsstreit

...

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 05.06.2001 durch die Richterin am Oberlandesgericht Lohmann, den Richter am Amtsgericht Timm und den Richter an Landgericht Dr. Strietzel

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 17.11.1999 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Dessau teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 11.617,07 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 16.08.1997 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin und die Beklagten je zur Hälfte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer beider Parteien übersteigt 60.000 DM nicht.

- Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen -

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig (§§ 511, 511a, 516, 518, 519 ZPO), aber nur teilweise begründet.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 823 Abs. 1 BGB, da sie Eigentümerin der im Auftrag der Beklagten abgerissenen Garage war.

Bezüglich der Maßgeblichkeit des ZGB für die Begründung von selbständigem Eigentum an der Garage wird auf das Urteil des Senats vom 23.02.1999, 11 U 250/98, S. 3 f. (GA I 212 f.), Bezug genommen.

Die Klägerin hat gemäß § 296 Abs. 1 S. 1 ZGB an der Garage Eigentum erworben. Sie hat mit der Voreigentümerin I. F. einen Nutzungsvertrag im Sinne von §§ 312 ff. ZGB abgeschlossen. Darauf deutet die schriftliche Erklärung der I. F. vom Februar 1977 (GA I 10) hin. Auch insoweit wird auf das Urteil des Senats vom 23.02.1999 (GA I 213) Bezug genommen.

Die Schriftform gemäß § 312 ZGB ist eingehalten; insoweit wird auf das Urteil des Senats vom 23.02.1999, S. 4 f. (GA I 213 f.), verwiesen.

Die Vernehmung der von den Beklagten gegenbeweislich benannten Zeugin F. ist nicht mehr möglich, da die Zeugin zwischenzeitlich verstorben ist. Daher bleiben die Beklagten beweisfällig für ihre Behauptung, dass die Errichtung der Garage lediglich zur Erzielung einer höheren Miete habe dienen sollen und dass ein Nutzungsvertrag nicht habe begründet werden sollen.

Die Beklagten haben den Abriss der Garage der Klägerin veranlasst. Soweit die Beklagten dies bestritten haben, ist dies unbeachtlich. Insoweit wird auf das Urteil des Senats vom 23.02.1999, S. 7 (GA I 216), Bezug genommen. Im jetzigen Berufungsverfahren wird das Bestreiten insoweit nicht mehr ausdrücklich wiederholt.

Der der Klägerin entstandene Schaden liegt darin, dass ihr die Entschädigung entgeht, die sie erhalten hätte, wenn sie die Garage nach Kündigung des Nutzungsverhältnisses durch den Grundstückseigentümer hätte zurückgeben müssen, und darin, dass sie die Garage bis zur Rückgabe nicht mehr nutzen kann. Gemäß § 23 Abs. 6 SchuldRAnpG gilt der besondere Kündigungsschutz nach Abs. 1 und 2 nur bis zum 31.12.2002. Nach unbestrittenem und von der Klägerin zugestandenem Vortrag der Beklagten hätte zum 31.12.2002 das Nutzungsverhältnis beendet werden können; das heißt, die tatsächlichen Voraussetzungen von § 23 Abs. 3 oder Abs. 6 S. 2 hätten mit Ablauf des 31.12.2002 vorgelegen. Die Klägerin hätte einen Anspruch gemäß § 12 Abs. 2 S. 1 SchuldRAnpG gehabt.

Ein Fall des § 12 Abs. 2 Satz 2 SchuldRAnpG, der bei Kündigung aus wichtigem Grund die Entschädigung nach dem Zeitwert entfallen lässt, liegt nicht vor. Zwar macht die Beklagte geltend, fristlos das Nutzungsverhältnis, dessen Existenz sie im Übrigen bestritten hat, wegen Zahlungsverzugs gekündigt zu haben. Wodurch eine Zahlungspflicht der Klägerin entstanden sein soll, hat die Beklagte, obwohl die Klägerin den Kündigungsgrund, insbesondere die Zahlungsverpflichtung, bestreitet, jedoch nicht dargelegt. Dass die Beklagte jemals gemäß § 20 SchuldRAnpG ein Nutzungsentgelt verlangt hätte und die Klägerin insoweit in Verzug gesetzt hätte, hat sie nicht vorgetragen. Den Abschluss einer Vereinbarung über ein Nutzungsentgelt hat die Beklagte ebenfalls nicht vorgetragen.

Maßgeblich für die Höhe des Schadensersatzanspruchs gemäß § 823 Abs. 1 BGB ist, welche Entschädigung nach dem 31.12.2002 der Klägerin durch den Abriss entgangen ist und wie die ihr bis zum 31.12.2002 entgehende Nutzung zu bewerten ist.

Der in § 12 Abs. 2 S. 1 SchuldRAnpG genannte Zeitwert ist nach den Vorschriften der Wertermittlungsverordnung zu ermitteln (vgl. Kühnholz, in: Münchener Kommentar zum BGB, 3. Auflage, § 12 SchuldRAnpG, Rn. 13, Soergel/Hartmann, BGB-Kommentar, 12. Auflage, Anh. Art. 232 EGBGB Rn. 66). Da es sich um eine eigengenutzte Garage gehandelt habt, ist das Sachwertverfahren anzuwenden. Bei der Ermittlung des Zeitwerts legt der Senat die Feststellungen des Sachverständigen H. zugrunde. Diese Feststellungen beruhen ihrerseits auf den Angaben der Klägerin zur Beschaffenheit der Garage. Die Klägerin hat insoweit vorgetragen, die Garage sei von Mai 1977 bis Ende 1978 errichtet worden durch ihren damaligen Ehemann und zwei Bekannte. Sie hat zu den verwendeten Materialien und zur Art der Ausführung vorgetragen (GA II 88 f.) sowie zu Rechnungen, für die Materialien gekauft worden sein sollen, die in der Garage verbaut worden sein sollen. Außerdem hat die Klägerin fünf Fotografien vorgelegt, die die Garage zur Zeit der Errichtung 1977/78 zeigen sollen, sowie vier Fotografien aus dem Jahr 1995.

Eine weitere Sachverhaltsaufklärung zu der Frage, ob die Fotos den tatsächlichen Zustand wiedergeben, und insbesondere zu der Frage, ob die Angaben zur Ausstattung und zum Material zutreffen, ist nicht mehr erforderlich. Denn die Beklagten, die diese Angaben der Klägerin zunächst bestritten haben, haben mit Schriftsatz vom 10.05.01 mitgeteilt, die Feststellungen des Sachverständigen "mögen bei der Bewertung durch das Gericht zugrunde gelegt werden. Ob es nach diesen Vorgaben der Vernehmung der von der Klägerin benannten Zeugen bedarf, möge das Gericht entscheiden". Diese Ausführungen der Beklagten sind so zu verstehen, dass die Vorgaben des Gutachtens, also insbesondere auch die Angaben der Klägerin zur Ausstattung und zu den verwendeten Materialien, unstreitig gestellt worden sind.

Zur Frage des Wertes der Garage am Stichtag 29.04.1997 hat der Sachverständige ausgeführt, ein Wert von 17.000 DM sei am wahrscheinlichsten. Der Sachverständige hat auch erläutert, wie er diesen Wert ermittelt hat. Der Sachverständige hat entsprechend einer Vorgabe des Senats das Sachwertverfahren zugrundegelegt. Der Sachverständige hat, ebenfalls entsprechend der Vorgabe, die vorgelegten Fotos und sonstigen Anhaltspunkte für die Art der Bauausführung, zugrundegelegt. Der Grund für die Abweichung vom Privatgutachten liegt im Wesentlichen darin, dass der Sachverständige H. eine Gesamtlebensdauer der Garage von nur 50 Jahren unterstellt, während der Privatgutachter von 80 Jahren ausgegangen ist. Der Senat hält die Einschätzung der Gesamtlebensdauer der Garage durch den Sachverständigen H. für realistisch und macht sie sich zu Eigen.

Aus rechtlichen Gründen sind die Wertangaben des Sachverständigen zu modifizieren. Zum Einen besteht kein Anspruch auf Erstattung von Mehrwertsteuer. Der Erhalt einer Entschädigung gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 SchuldRAnpG wäre kein umsatzsteuerpflichtiges Erwerbsgeschäft gewesen. Der Anspruch auf Schadensersatz ist nicht darauf gerichtet, dass die Klägerin in die Lage versetzt wird, die Garage wiederzuerrichten, was einen Anspruch auf Mehrwertsteuererstattung im Rahmen des Schadensersatzes zur Folge hätte; er zielt vielmehr darauf ab, den Verlust des nach dem 31.12.2002 bestehenden Anspruchs auf Entschädigung auszugleichen.

Daraus, dass der der Klägerin entstandene Schaden in dem Verlust der im Jahr 2002 mutmaßlich anfallenden Entschädigung liegt, folgt, dass nicht auf den Zeitwert der Garage zur Zeit des Abrisses im Jahr 1997 abzustellen ist, sondern auf den Zeitwert, den die Garage mutmaßlich im Jahr 2002 bei Rückgabe nach erfolgter Kündigung gehabt hätte. Der Senat schätzt diesen Wert gemäß § 287 ZPO auf der Grundlage der nachvollziehbaren und überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen H. zum Zeitwert im Jahr 1997; eine zuverlässige Ermittlung des Zeitwertes zum 31.12.2002 ist im Voraus am Tag der letzten mündlichen Verhandlung nicht möglich. Die Angaben des Sachverständigen H. zum Zeitwert im Jahr 1997 beruhen zunächst auf den in jenem Jahr üblichen Herstellungskosten. Der Senat schätzt, dass die Herstellungskosten sich im Jahr 2002 von den im Jahr 1997 üblichen Kosten nicht wesentlich unterscheiden werden. Die Herstellungskosten werden demnach entsprechend dem nachvollziehbaren Gutachten des Sachverständigen H. auf 25.209,05 DM zuzüglich Baunebenkosten in Höhe von 3025,09 DM geschätzt, insgesamt somit auf 28.324,14 DM.

Die vom Sachverständigen H. in Ansatz gebrachte Alterswertminderung von 40 % ist nicht ausreichend, weil zum für die potentielle Entschädigung maßgeblichen Zeitpunkt, dem 31.12.2002, die Garage gegenüber dem Begutachtungszeitraum 1997 um weitere 5 Jahre älter geworden wäre, so dass von den ursprünglich 50 Jahren Gesamtlebensdauer der Garage im Jahr 2002 nicht erst 20 Jahre bzw. 40 %, sondern bereits 25 Jahre bzw. 50 % abgelaufen wären. Dies gibt Anlass zu einer Alterswertminderung von 50 %. Von den Herstellungskosten in Höhe von 28.324,14 DM verbleiben somit noch 14.117,07 DM. Entsprechend dem Gutachten des Sachverständigen H. ist ein weiterer Betrag für Reparaturrückstau in Höhe von 2.500 DM abzuziehen. Als Zeitwert zum Stichtag 31.12.2002, der nach Kündigung des Nutzungsvertrags zu entschädigen gewesen wäre und der somit den gemäß §§ 823 Abs. 1, 249 BGB zu ersetzenden Schaden darstellt, bleibt ein Betrag von 11.617,07 DM. Außer der Entschädigung des Zeitwertes im Jahr 2002 ist der Klägerin die Nutzung der Garage im Zeitraum zwischen dem Abriss und dem fiktiven Ende der Nutzungsmöglichkeit Ende 2002 entzogen worden. Der Wert dieser entgangenen Nutzungsmöglichkeit gehört nicht zum gemäß § 249 BGB zu ersetzenden Schaden. Der Verlust von Gebrauchsvorteilen einer Sache stellt nicht in jedem Fall einen ersatzfähigen Schaden im Sinne von § 249 BGB dar. Geschützt sind Lebensgüter, deren ständige Verfügbarkeit für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung von zentraler Bedeutung ist; dieser Begriff ist eng auszulegen. Die Garage ist nicht in den Schutz einzubeziehen (Palandt/Heinrichs, BGB-Kommentar, 59. Auflage, vor § 249 Rn. 26). Nach diesen Grundsätzen steht der Klägerin für den Verlust der Nutzungsmöglichkeit der Garage kein Schadensersatzanspruch zu. Andererseits braucht sie sich die Bereitstellung einer Ersatzunterstellmöglichkeit, durch die der Entzug der Nutzungsmöglichkeit ganz oder im Hinblick auf eventuelle Erschwernisse bei der Nutzung teilweise ausgeglichen wird, nicht auf den Schadensersatzanspruch anrechnen zu lassen.

Dass die Klägerin die Beteiligung an den Abbruchkosten erspart (§ 15 Abs. 1 SchuldRAnpG), ist nicht im Wege der Vorteilsausgleichung anzurechnen, weil dies gegen rechtliche Wertungen verstieße und der Geschädigten nicht zumutbar wäre (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB-Kommentar, vor § 249 Rn. 146).

Soweit die Beklagten gegen den Klageanspruch "fürsorglich" in Höhe von 3.000 DM aufrechnen, weil sie für das Unterstellen von Geräten der Klägerin 100 DM monatlich zahlen, greift das nicht durch. Die Aufrechnung ist gemäß § 393 BGB unzulässig. Nur am Rande sei angemerkt, dass ein Anspruch der Beklagten nicht besteht; denn es ist Teil der gemäß §§ 823 Abs. 1, 249 BGB geschuldeten Naturalrestitution, dass sie der Klägerin eine Unterstellmöglichkeit für die zuvor in der abgerissenen Garage abgestellten Gegenstände gewähren.

Die Zinsforderung ist gemäß §§ 288, 284 Abs. 1 BGB begründet.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713, 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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