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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 03.12.2002
Aktenzeichen: 11 W 267/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 269 Abs. 4
ZPO § 269 Abs. 3 Satz 3
Zur Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 4, Abs 3 Satz 3 ZPO im Falle des Wegfalls des Klageanlasses vor Rechtshängigkeit.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

11 W 267/02 OLG Naumburg

In dem Rechtsstreit

wegen Vollstreckungsabwehrklage,

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg am

03. Dezember 2002

durch den Richter am Oberlandesgericht Krause als Einzelrichter beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dessau vom 15. Oktober 2002, Geschäftszeichen: 2 O 887/02, abgeändert:

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben, mit Ausnahme der durch das Anrufen des Landgerichts Heilbronn verursachten Mehrkosten, die die Kläger allein tragen. Die Kläger haften für die von ihrer Seite geschuldeten Gerichtskosten als Gesamtschuldner.

Die weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten der sofortigen Beschwerde werden gegeneinander aufgehoben. Die Kläger haften für den auf sie entfallenden Teil der Gerichtskosten als Gesamtschuldner.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes entspricht der Gebührenstufe bis 4.500 €.

Unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung wird der Streitwert für die erste Instanz bis zum 17.07.2002 auf 102.258,37 EUR und danach auf die Gebührenstufe bis 4.500 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Parteien haben am 20.08.1998 zur UR-Nr.: 1266/98 der Notarin G. aus W. einen Grundstückskaufvertrag geschlossen, wonach die Kläger einen Kaufpreis von 250.000 DM bis zum 20.10.1998 auf das Notaranderkonto einzuzahlen hatten. Zum damaligen Zeitpunkt drohte bereits die Zwangsversteigerung des von den Klägern erworbenen Grundstücks. Der Verkauf erfolgte, um dies abzuwenden. Wegen der Kaufpreisforderung, Zinsen und Nebenleistungen unterwarfen sich die Kläger als Gesamtschuldner der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen.

Die Kläger zahlten den Kaufpreis nicht. Im September 2000 wurde das Grundstück zwangsversteigert und einem Dritten zugeschlagen. Der Beklagte betrieb seit 1999 die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde und erwirkte einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, mit dem er Teile des Arbeitslohnes des Klägers, jedenfalls bis Anfang 2002, erlangen konnte.

Aufgrund der Zwangsversteigerung erklärten die Kläger im Dezember 2001 den Rücktritt vom Grundstückskaufvertrag. Der Beklagte wurde aufgefordert, die eingeleiteten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen rückgängig zu machen. Dies tat der Beklagte erst mit Schreiben vom 11.06.2002 gegenüber dem Vollstreckungsgericht und dem Arbeitgeber des Klägers. Zuvor, am 10.06.2002, hatten die Kläger bereits beim Landgericht Heilbronn Vollstreckungsabwehrklage eingereicht, die dem Beklagten am 15.06.2002 zugestellt worden ist.

Auf Antrag der Kläger hat das Landgericht Heilbronn den Rechtsstreit mit Beschluss vom 09.07.2002 an das Landgericht Dessau verwiesen, wo die Kläger mit einem am 18.07.2002 eingegangenen Schriftsatz die Klage zurücknahmen, nachdem sie von den Erklärungen des Beklagten gegenüber dem Vollstreckungsgericht und dem Drittschuldner Kenntnis erlangten.

Auf die wechselseitigen Kostenanträge der Parteien hat die Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dessau durch Beschluss vom 15.10.2002 dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt, soweit sie nicht auf das Anrufen des Landgerichts Heilbronn zurückgehen. Gegen diese, der Vertreterin des Beklagten am 17.10.2002 zugestellte Entscheidung wendet sich die am 01.11.2002 beim Landgericht eingegangene sofortige Beschwerde, der die Einzelrichterin nicht abgeholfen hat.

II.

Die nach §§ 269 Abs. 5 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1, 569 Abs. 1 Satz 1 u. 2, Abs. 2 ZPO zulässige und gemäß § 568 Satz 1 ZPO durch den Einzelrichter zu entscheidende sofortige Beschwerde des Beklagten hat in der Sache teilweise Erfolg.

Das Landgericht hat die Voraussetzungen für eine Entscheidung nach § 269 Abs. 4, Abs. 3 Satz 3 ZPO bejaht und den Beklagten im wesentlichen wohl deshalb als kostentragungspflichtig angesehen, weil er den Klägern Anlass zur Klage gegeben hat. Dies hält einer Überprüfung durch den Senat nicht stand:

1. Nach § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO bestimmt sich die Kostenverteilung unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen, wenn der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen ist und die Klage daraufhin unverzüglich zurückgenommen wird. Die zur Eröffnung des richterlichen Ermessens führenden Voraussetzungen liegen hier vor. Der Beklagte hat die Zwangsvollstreckung betrieben, was die Kläger zur Erhebung der Vollstreckungsabwehrklage veranlasst hat. Dieser Anlass ist dadurch in Wegfall geraten (vgl. hierzu Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 60. Aufl., § 269 Rdn. 37), dass der Beklagte die mit der Lohnpfändung getroffene Vollstreckungsmaßregel nicht mehr aufrecht erhielt und hieraus keine weiteren Rechte herleitete, noch bevor ihm die Klage zugestellt worden war. Als die Kläger hiervon erfuhren, haben sie ohne schuldhaftes Zögern hierauf durch Rücknahme der Klage reagiert.

2. Mit den Kriterien, an denen das Landgericht seine Kostenentscheidung ausgerichtet hat, sind die zur Ermessensausübung heranzuziehenden Umstände allerdings bei weitem nicht ausgeschöpft.

§ 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO entspricht § 91a Abs. 1 ZPO für die übereinstimmende Erledigungserklärung (Lüke, in: MünchKomm.-ZPO, 2. Aufl., Aktualisierungsband ZPO-Reform, § 269 Rdn. 3). Es kommt demnach auch im Rahmen des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO für die Kostenlast vordringlich darauf an, wer nach dem bisherigen Sach- und Streitstand den Rechtsstreit verloren hätte (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 269 Rdn. 41; Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 91a Rdn. 24 f.). Trotzdem bleibt natürlich Raum für besondere Umstände, wie die Klageveranlassung durch den Beklagten (Zöller/Vollkommer a.a.O.). Dies kann allerdings nicht dazu führen, dem Beklagten immer dann die Kosten aufzuerlegen, wenn der Kläger objektiv meinen konnte, der Beklagte lasse ihm keine andere Wahl zur Rechtsverfolgung als die Klage (so aber Musielak/Foerste, ZPO, 3. Aufl., § 269 Rdn. 13). Vielmehr bedarf es stets einer genauen Abwägung unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls. Diese Abwägung lässt das Landgericht, worauf die sofortige Beschwerde zutreffend hinweist, vermissen, indem es sich mit der materiellen Rechtslage nicht beschäftigt bzw. möglicherweise unterstellt hat, dass der Beklagte aus dem Titel nicht mehr vorgehen durfte.

3. Nach dem Sach- und Streitstand bis zur Klagerücknahme hätte die Vollstreckungsabwehrklage keinen Erfolg gehabt. Der Beklagte hatte nach wie vor den Kaufpreisanspruch, wegen dem sich die Kläger der Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen unterworfen hatten. Der Rücktritt der Kläger ging ins Leere.

Das Grundstück konnte vom Beklagten nach Zuschlagserteilung an einen Dritten den Klägerin nicht mehr übereignet werden. Die Rechtsfolgen dieser Nichterfüllung richten sich nach §§ 320 bis 327 BGB a.F. (§§ 440 Abs. 1 a.F., 433 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB). Da sich die Kläger unstreitig mit der Kaufpreiszahlung in Verzug befanden, haben sie das mit der Zwangsversteigerung einher gehende nachträgliche Unvermögen des Beklagten zu vertreten, womit der Beklagten gemäß § 324 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. seinen Anspruch auf die Gegenleistung behielt (OLG Hamm NJW-RR 1997, 272, 273). Den Rücktritt konnten die Kläger nicht erklären. Zwar deckt die Zwangsvollstreckungsunterwerfung in einer notariellen Urkunde i.S.v. § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO keine Vollstreckung wegen eines an Stelle der Kaufpreisforderung getretenen Schadensersatzanspruches aus § 326 BGB a.F. (BGH NJW 1980, 1050, 1051; OLG Köln NJW-RR 1995, 1107, 1108; OLG Hamm NJW-RR 1996, 1024). Hier kann der Beklagte allerdings weiterhin den in der Urkunde versprochenen Kaufpreis verlangen, auf den sich die Zwangsvollstreckungsunterwerfung der Kläger gerade bezieht. Er muss sich nur das in der Zwangsversteigerung Erzielte anrechnen lassen (§ 324 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F.). Auf Letzteres stützte sich die von den Klägern erhobene Klage gerade nicht. Vielmehr gingen die Kläger von einem wirksam erklärten Rücktritt aus.

4. Nach alledem entspricht es nicht der Billigkeit, allein den Beklagten mit den Kosten des Rechtsstreits zu belasten. Zu seinen Ungunsten ist aber, wie vom Landgericht zu Recht angenommen, zu berücksichtigen, dass der Beklagte offenbar nicht mehr weiter vollstrecken wollte, dennoch aber die Zwangsvollstreckungsmaßregeln trotz Aufforderung durch die Kläger nicht rückgängig machte und hierdurch erst Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hat. Dies rechtfertigt es im Ergebnis, die Kosten gegeneinander aufzuheben (§§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO).

5. Wegen der von den Klägern durch Einreichung der Klage beim Landgericht Heilbronn verursachten Mehrkosten bleibt es bei der insoweit unangefochtenen Entscheidung des Landgerichts.

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO.

2. Die Rechtsbeschwerde lässt der Senat nicht zu, weil die Sache nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist und weder die Fortbildung des Rechts noch die Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern (§ 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 1 ZPO).

3. Der Streitwert erster Instanz entspricht bis zur Klagerücknahme der noch zu vollstreckenden Kaufpreisforderung, die die Kläger mit 200.000 DM angegeben haben. Danach sind die bis zur Klagerücknahme entstandenen Kosten streitwertbestimmend. An dieser Differenzierung fehlt es der Streitwertfestsetzung des Landgerichts, sodass der Senat von § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG Gebrauch gemacht hat. Der Beschwerdewert entspricht den streitigen Kosten.

Ende der Entscheidung

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