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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 24.08.2001
Aktenzeichen: 11 W 47/01
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, EGBGB


Vorschriften:

ZPO § 93
ZPO § 239
ZPO § 99 Abs. 2
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 100 Abs. 1
ZPO § 577 Abs. 2
ZPO § 307 Abs. 2
ZPO § 99 Abs. 2 S. 2
ZPO § 276 Abs. 1 S. 1
BGB §§ 741 ff
BGB § 747 S. 2
BGB § 747 S. 1
EGBGB Art. 233 § 11 Abs. 3
1. Nach einer Verteidigungsanzeige ist ein Anerkenntnis nicht mehr im Sinne von § 93 ZPO "sofortig".

2. Der gemäß Art. 233 § 11 Abs. 3 EGBGB Berechtigte kann auch einzelne Miteigentümer auf Übertragung ihres Miteigentumsanteils in Anspruch nehmen.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

11 W 47/01 OLG Naumburg

In dem Beschwerdeverfahren

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg am 24. August 2001 durch die Richterin am Oberlandesgericht Lohmann, den Richter am Landgericht Dr. Strietzel und den Richter am Amtsgericht Timm beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des klagenden Landes wird der Beschluß der 9. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg vom 7. Juni 2001 (Az. 9 O 2825/00) aufgehoben.

Die Beklagten zu 2. und zu 3. tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 4.000 DM festgesetzt.

Gründe:

I. Das klagende Land hat die Beklagten zu 2. und zu 3. neben der früheren Beklagten zu 1. auf Auflassung ihrer - genau bezeichneten - Miteigentumsanteile an verschiedenen Bodenreformgrundstücken in Anspruch genommen. Nach Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens haben die Beklagten zu 2. und zu 3. fristgerecht Verteidigungsbereitschaft angezeigt, dann aber den Klaganspruch anerkannt. Mit "Anerkenntnis-Teilurteil (gem. § 307 Abs.2 ZPO)" hat das Landgericht die Beklagten zu 2. und zu 3. antragsgemäß verurteilt. Die Kostenentscheidung wurde insgesamt dem Schlußurteil vorbehalten. Hinsichtlich der Beklagten zu 1. war das Verfahren zunächst gemäß § 239 ZPO unterbrochen. Es wurde gegen die Erben der Beklagten zu 1. wieder aufgenommen; sodann wurde auf Antrag der Erben und des klagenden Landes wegen schwebender Vergleichsverhandlungen erneut das Ruhen des Verfahrens angeordnet.

Die Beklagten zu 2. und zu 3. haben eine Kostenentscheidung unabhängig vom Ausgang des Rechtsstreits gegen die Rechtsnachfolger der Beklagten zu 1. beantragt, weil ihnen ein längeres Abwarten nicht zuzumuten sei. Das Landgericht hat ohne Anhörung des klagenden Landes im Wege eines Beschlusses dem klagenden Land die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2. und zu 3. auferlegt. Die Beklagten zu 2. und zu 3. hätten keine Veranlassung zur Klage gegeben, weil sie vorprozessual nie zur Auflassung und Bewilligung der Eintragung aufgefordert worden seien. Das Anerkenntnis sei ein sofortiges, weil die Klage unschlüssig gewesen sei; ein Anspruch des klagenden Landes auf Übertragung von Miteigentumsanteilen haben nämlich nicht bestanden.

Gegen diesen Beschluß hat das klagende Land (sofortige) Beschwerde eingelegt. Die Beklagten zu 2. und zu 3. hatten Gelegenheit zur Stellungnahme, haben sich aber nicht geäußert.

II. Die sofortige Beschwerde ist nach § 99 Abs.2 ZPO statthaft und auch im übrigen zulässig; insbesondere wurde die Frist des § 577 Abs.2 ZPO eingehalten. In der Sache führt sie zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.

1. Das Landgericht hat gegen § 99 Abs.2 S.2 ZPO verstoßen, indem es eine Kostenentscheidung getroffen hat, ohne den Gegner - das klagende Land - zu hören. Diese Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör ist durch die Anhörung im Rahmen des Verfahrens über die sofortige Beschwerde jedoch geheilt worden.

2. Die Voraussetzungen einer Kostenentscheidung nach § 93 ZPO sind nicht erfüllt.

a) Die Beklagten haben nicht im Sinne dieser Vorschrift "sofort" anerkannt, weil sie zunächst Verteidigungsbereitschaft angezeigt, also gerade nicht zum Ausdruck gebracht hatten, daß sie den Klaganspruch anerkennen wollten. Die Verteidigungsanzeige hindert den Erlaß eines Anerkenntnisurteils nach § 307 Abs.2 ZPO nicht, weil diese Vorschrift nur eine Aufforderung nach § 276 Abs.1 S.1 ZPO, nicht aber die Einhaltung der Notfrist von zwei Wochen verlangt (Bohlander, NJW 1997, 35 f; Stein/Jonas/Leipold, ZPO 21. Aufl. § 307 Rn. 46; MünchKomm/Musielak, ZPO 2. Aufl. § 307 Rn. 28; ders., in Musielak, ZPO, § 307 Rn. 19; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO 57. Aufl. § 307 Rn. 9; Zöller/Vollkommer, ZPO 21. Aufl. § 307 Rn. 3a; aA möglicherweise OLG Nürnberg MDR 1998, 680); "sofortig" im Sinne von § 93 ZPO ist ein auf eine Verteidigungsanzeige folgendes Anerkenntnis jedoch nicht mehr (vgl.- neben den oben angegebenen Fundstellen - etwa Zöller/Herget, ZPO 21. Aufl. § 93 Rn. 4 mit weiteren Nachweisen; aA etwa Zöller/Greger, ZPO 21. Aufl. § 276 Rn. 13 mit weiteren Nachweisen).

b) Entgegen der Ansicht des Landgerichts war die Klage auch nicht unschlüssig. Die Erben einer verstorbenen Person, die bei Ablauf des 15. März 1990 als Eigentümerin eines aus der Bodenreform stammenden Grundstücks im Grundbuch eingetragen war, bilden gemäß Art. 233 § 11 Abs.2 Ziff.2 EGBGB hinsichtlich dieses Grundstücks eine Gemeinschaft, auf die die Vorschriften der §§ 741 ff BGB anzuwenden sind. Gemäß § 747 S.2 BGB können die Teilhaber einer Gemeinschaft über den gemeinschaftlichen Gegenstand im ganzen nur gemeinschaftlich verfügen. Über seinen Anteil ist jeder Teilhaber jedoch allein verfügungsbefugt (§ 747 S.1 BGB). Der Anspruchsberechtigte nach Art. 233 § 11 Abs.3 S.1 EGBGB kann daher von jedem Miteigentümer die Verfügung über dessen Miteigentumsanteil verlangen, statt sämtliche Miteigentümer auf eine gemeinschaftliche Verfügung über das Grundstück insgesamt in Anspruch zu nehmen (BGH VIZ 2001, 103, 104). So ist das klagende Land hier vorgegangen.

3. Eine Kostenentscheidung zum Nachteil der Beklagten zu treffen, besteht derzeit kein Anlaß; denn daß die Beklagten dann, wenn eine Kostengrundentscheidung zu ihren Gunsten nicht ergangen ist, ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben, versteht sich von selbst. Ob eine Entscheidung nach § 93 ZPO zwischen Teil - und Schlußurteil im Beschlußwege hätte ergehen dürfen, wenn die Voraussetzungen des § 93 ZPO erfüllt gewesen wären, braucht nicht entschieden zu werden.

III. Die Kostenentscheidung ergeht nach §§ 91 Abs.1, 100 Abs.1 ZPO. Der Verfahrenswert entspricht den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2. und zu 3, die diese abrechnen wollen.



Ende der Entscheidung

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