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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 27.02.2002
Aktenzeichen: 11 W 82/01
Rechtsgebiete: ZPO, GKG


Vorschriften:

ZPO § 181
ZPO § 182
ZPO § 233
ZPO § 335
ZPO § 577 a.F.
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 341 Abs. 2 Satz 2
GKG § 1
GKG § 11 Abs. 1
Zur Wirksamkeit der Ersatzzustellung durch Niederlegung im Falle des Wohnsitzwechsels.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

11 W 82/01 OLG Naumburg

In dem Rechtsstreit

wegen Vollstreckungsabwehrklage

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg am

27. Februar 2002

unter Mitwirkung der Richterin am Oberlandesgericht Goerke-Berzau sowie der Richter am Oberlandesgericht Dr. Grubert und Krause

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluß des Landgerichts Halle vom 06.11.2001, Geschäftszeichen: 8 O 179/01, wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Der Beschwerdewert wird auf 15.340,41 DM (7.843,43 Euro) festgesetzt.

Gründe:

Die Parteien haben am 05.07.2000 vor der Notarin K. aus H. zur UR-Nr. 971/2000 eine Vereinbarung getroffen, wonach der Kläger dem Beklagten einen Betrag von 27.500,00 DM zum 31.12.2000 versprach. Wegen der Zahlungsschuld unterwarf sich der Kläger der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen. Der Beklagte trat zu diesem Zeitpunkt unter der Anschrift S. 14 in Hm. auf.

Am 08.02.2001 erteilte die Notarin dem Beklagten eine vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde. Wiederum ist als Anschrift des Beklagten S. 14 in Hm. angegeben.

Mit Schreiben vom 26.03.2001 wandte sich der Bevollmächtigte des Klägers an den Beklagten und rechnete mit Gegenforderungen des Klägers von 14.933,91 DM und 406,50 DM gegen die Zahlungsverpflichtung aus der Urkunde, die er mit 25.096,36 DM bezifferte, auf. Unter Berücksichtigung einer Zahlung des Klägers von 10.568,80 DM sei die Forderung des Beklagten danach erloschen. Abschließend wies der Klägervertreter darauf hin, daß der Beklagte bereits eingeleitete Zwangsvollstreckungsmaßnahmen rückgängig zu machen habe, andernfalls werde der Kläger Vollstreckungsgegenklage erheben (Bl. 8 f. d.A.). Dieses Schreiben nahm die Ehefrau des Beklagten am 31.03.2001 unter der Anschrift S. 14 in Empfang.

Der Beklagte ließ durch seine Bevollmächtigten dennoch weiter die Vollstreckung betreiben. Mit Schreiben vom 04.04.2001 wurde gegenüber der Deutschen Bank 24 eine Vorpfändung ausgebracht, in der die Anschrift des Beklagten mit S. 14 in Hm. angegeben wurde.

Der Kläger hat am 17.05.2001 seine Vollstreckungsabwehrklage eingereicht, die dem Beklagten unter der Anschrift S. 14 in Hm. im Wege der Ersatzzustellung durch Niederlegung am 31.05.2001 zugestellt wurde. Nachdem der Beklagte seine Verteidigungsbereitschaft nicht fristgemäß angezeigt hatte, erging gegen ihn am 19.06.2001 im schriftlichen Vorverfahren ein der Klage stattgebendes Versäumnisurteil. Die Zustellung des Versäumnisurteils erfolgte am 21.06.2001, wiederum unter der Anschrift S. 14 in Hm. durch Niederlegung.

Mit Schriftsatz vom 13.08.2001 meldeten sich für den Beklagten bevollmächtigte Rechtsanwälte und machten geltend, der Beklagte habe weder die Klageschrift noch das Versäumnisurteil erhalten, da er unter der Anschrift C. Weg 61 in Hm. wohne. Nachdem ihnen die Blätter 1 bis 21 der Prozeßakten am 23.08.2001 zugestellt wurden, ging am 04.09.2001 beim Landgericht die Einspruchsschrift des Beklagten nebst Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ein.

Das Landgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen und den Einspruch gegen des Versäumnisurteil als unzulässig verworfen. Gegen diese, seinen Bevollmächtigten am 15.11.2001 zugestellte Entscheidung wendet sich der Beklagte mit der am 28.11.2001 beim Landgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde.

Auf die Entscheidung über die sofortige Beschwerde sind die Vorschriften der ZPO in der am 31.12.2001 geltenden Fassung anzuwenden, da die angefochtene Entscheidung vor dem 01.01.2002 ergangen ist (§ 26 Nr. 10 EGZPO). Das danach gemäß §§ 341 Abs. 2 Satz 2, 577 ZPO a.F. zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, daß der Einspruch des Beklagten gegen das Versäumnisurteil verspätet erfolgte, ohne daß die Wiedereinsetzung rechtfertigende Gründe ersichtlich sind, womit der Einspruch gegen das Versäumnisurteil als unzulässig verworfen werden mußte (§§ 338, 339 Abs. 1, 341 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 ZPO a.F.).

Die Einspruchsfrist gegen das Versäumnisurteil beträgt 2 Wochen, beginnend mit der Zustellung der Säumnisentscheidung (§ 339 Abs. 1 ZPO). Da der Beginn der Einspruchsfrist allein von der wirksamen Zustellung des Versäumnisurteils abhängt, kommt es nicht auf den Lauf des Verfahrens bis zum Erlaß des Versäumnisurteils an. Die Frage, ob das Versäumnisurteil nach § 335 ZPO hätte erlassen werden dürften, stellt sich danach nicht (BGH VersR 1973, 715). Ob dies auch für den Fall der nicht wirksam erfolgten Klagezustellung (§§ 253 Abs. 1, 261 Abs. 1, 270 Abs. 2 Satz 1 ZPO) gilt, kann offen bleiben. Sowohl die Klageschrift als auch das Versäumnisurteil sind dem Beklagten unter der Anschrift S. 14 in Hm. durch Niederlegung zugestellt worden.

Die Ersatzzustellung durch Niederlegung nach §§ 317 Abs. 1, 310 Abs. 3, 208, 211 Abs. 1, 193, 195 Abs. 1, 182 ZPO setzt einen Zustellungsversuch in der Wohnung des Beklagten voraus, bei dem der Beklagte nicht angetroffen wurde. Dies hat der Zustellungsbeamte selbständig zu überprüfen. Wer deshalb die Fehlerhaftigkeit der Ersatzzustellung behauptet, weil eine ihrer gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorlagen, hat den Fehler im Hinblick auf die Beweiskraft der Zustellungsurkunde (§ 418 ZPO) zu beweisen (Zöller/Stöber, ZPO, 22. Aufl., § 181 Rdn. 2). Dabei kommt der Erklärung des Zustellungsbeamten, den Beklagten in dessen Wohnung nicht angetroffen zu haben, zumindest Indizwirkung dafür zu, daß der Beklagte tatsächlich unter der Zustellungsanschrift gewohnt hat. Dieses Indiz muß der Beklagte durch plausible, schlüssige Darstellung, wonach er seinen Lebensmittelpunkt an einem anderen Ort hatte, entkräften (BGH NJW-RR 1994, 564). Diesen Versuch unternimmt die sofortige Beschwerde unter Bezugnahme auf die Einspruchsschrift, indem weiter vorgetragen wird, der Beklagte sei seit dem 18.06.2000 unter einer anderen Anschrift wohnhaft gewesen. Dies führt hier jedoch nicht zum Fehlschlagen der Zustellungen an den Beklagten unter der Anschrift S. 14.

Richtig ist, daß es für den Begriff der Wohnung i.S.v. §§ 181, 182 ZPO auf das tatsächliche Wohnen des Beklagten ankommt. Der Beklagte muß sich hauptsächlich in den vom Zustellungsversuch betroffenen Räumen aufhalten und insbesondere dort schlafen, wobei die polizeiliche Anmeldung der Wohnung lediglich sekundär von Bedeutung ist (BGH NJW 1978, 1858; 1988, 713). Verlagert der Beklagte den räumlichen Mittelpunkt seines Lebens an einen neuen Aufenthaltsort, gilt die (alte) Wohnung als aufgegeben und kommt nicht mehr als Zustellungsort in Betracht (BGH NJW-RR 1994, 564 <565>; a.a.O.). Ob dies tatsächlich der Fall ist, kann nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden, bedarf hier jedoch ausnahmsweise keiner Klärung.

Der Entscheidung des Landgerichts liegt der zutreffende Rechtsgedanke zugrunde, daß derjenige, der ständig einen bestimmten Ort als seine Wohnung angegeben hat, dies in der Regel auch bei Zustellungen gegen sich gelten lassen muß (OLG Köln Rpfleger 1975, 260 <261>; OLG Hamm, NJW 1970, 958; OLG Karlsruhe NJW-RR 1992, 700 <701>; Zöller/Stöber, § 181 Rdn. 8). Dies gilt insbesondere für den Beklagten. Nach seiner durch eidesstattliche Versicherungen untersetzten Sachdarstellung hat der Beklagte bereits zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses am 05.07.2000 nicht mehr im S. 14 in Hm. gewohnt. Dennoch hat er diese Anschrift in der Urkunde angegeben. Die vollstreckbare Ausfertigung vom 08.02.2001 ließ sich der Beklagte unter dieser Anschrift erteilen und löste die Vorpfändung ebenso unter der bisherigen Adresse aus. Daß der Beklagte das Schreiben des Bevollmächtigten des Klägers vom 26.03.2001 zudem von seiner dies entgegen nehmenden Ehefrau erhalten hat, bestreitet der Beklagte nicht. Danach war zumindest noch ein gewisser Kontakt vorhanden. Für den Kläger konnte jedenfalls kein Zweifel bestehen, den Beklagten unter der Zustellungsanschrift erreichen zu können. Noch bis heute ist der Beklagte unter der Anschrift S. 14 gemeldet. Unter diesen Umständen stellt es sich als unzulässige Rechtsausübung des Beklagten dar, wenn er eine fehlerhafte Ersatzzustellung geltend macht, da der in Betracht zu ziehende Irrtum des Klägers über den tatsächlichen Lebensmittelpunkt des Beklagten vom Beklagten bewußt herbeigeführt wurde (OLG Düsseldorf FamRZ 1990, 75).

Nach alledem setzte die Zustellung des Versäumnisurteils am 21.06.2001 die Einspruchsfrist in Lauf. Der erst am 04.09.2001 eingelegte Einspruch kam zu spät, so daß er als unzulässig zu verwerfen war (§§ 341 Abs. 1, 339 Abs. 1, 340 Abs. 1 ZPO).

Nicht zu beanstanden ist auch die Auffassung des Landgerichts, wonach eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist nicht in Betracht kommt. Es fehlt an einem Wiedereinsetzungsgrund i.S.v. § 233 ZPO. Der Beklagte war nicht ohne Verschulden gehindert, die Einspruchsfrist einzuhalten. Er war durch das Schreiben des Bevollmächtigten des Klägers gewarnt und mußte mit der Erhebung einer Vollstreckungsabwehrklage rechnen. Dies hat der Beklagte nicht zum Anlaß genommen, den Kläger über seine neue Anschrift aufzuklären oder aber den Anschein der Wohnung im S. 14 zu beseitigen oder zumindest seine Ehefrau eindringlich zu bitten, dem Beklagten jedes, an ihn gerichtete Schriftstück sofort anzuzeigen bzw. zu übermitteln. Dies gereicht dem Beklagten zum Verschulden (OLG Düsseldorf FamRZ 1990, 75 <76>; vgl. Zöller/Greger, § 233 Rdn. 23 - Stichworte: Abwesenheit und Zustellung).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1 ZPO, 1, 11 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1953 a.F. KV.

Die Rechtsbeschwerde läßt der Senat nicht zu, weil die Sache weder von grundsätzlicher Bedeutung ist noch die Fortbildung des Rechts oder die Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern (§§ 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO; 26 Nr. 10 EGZPO).

Der Beschwerdewert entspricht dem vom Beklagten verfolgten Interesse.

Ende der Entscheidung

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