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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 27.05.2002
Aktenzeichen: 11 W 96/01
Rechtsgebiete: GKG, EGZPO, RPflG, ZPO


Vorschriften:

GKG § 1
GKG § 11
EGZPO § 26 Nr. 10
RPflG § 11 Abs. 1
ZPO § 98
ZPO § 516 a.F.
ZPO § 517 n.F.
ZPO § 103 Abs. 1
ZPO § 329 Abs. 2
ZPO § 98 Satz 2
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 574 Abs. 3
ZPO § 574 Abs. 2 n.F.
ZPO § 577 Abs. 1 Satz 1 a.F.
Von der in einem Prozessvergleich enthaltenen Kostenregelung sind in Ermangelung im Vergleichstext enthaltener, entgegenstehender Umstände grundsätzlich solche Kosten nicht umfasst, über die bereits rechtskräftig entschieden ist. Eine Beweisaufnahme zum von den Parteien über den Wortlaut hinaus gewollten Inhalt der vergleichsweisen Kostenregelung findet im Kostenfestsetzungsverfahren nicht statt.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

11 W 96/01 und 11 W 97/01 OLG Naumburg

In dem Beschwerdeverfahren

wegen Kostenfestsetzung

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts durch die Richterinnen am Oberlandesgericht Goerke-Berzau und Joost und den Richter am Oberlandesgericht Krause

am 27. Mai 2002

beschlossen:

Tenor:

Die sofortigen Beschwerden der Kläger gegen die Kostenfestsetzungsbeschlüsse des Landgerichts Halle vom 25. September 2000 - 5 O 230/99 - werden auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Beschwerdewert: - für die Beschwerde des Klägers zu 1. und die der Klägerin zu

2. jeweils 858,15 DM.

Gründe:

In dem vorliegenden Verfahren haben die Kläger zunächst Klage (Vollstreckungsabwehrklage gemäß § 767 ZPO) vor dem Landgericht Leipzig - 16 O 10658/98 - erhoben. Mit Beschluss vom 26. Januar 1999 hat das Landgericht einen Antrag der Kläger auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung zurückgewiesen. Auf die hiergegen eingelegte Beschwerde der Kläger hat das Landgericht mit Beschluss vom 3. Februar 1999 die Zwangsvollstrechung aus dem streitgegenständlichen Titel einstweilen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.100.000,00 DM eingestellt. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde der Kläger hat das Oberlandesgerichts Dresden mit Beschluss vom 1. März 1999 - 2 W 403/99 - als unzulässig verworfen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind den Klägern je zur Hälfte auferlegt worden. Mit Beschluss vom 26. Mai 1999 hat sich das Landgericht Leipzig für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Halle verwiesen. Das Verfahren ist in der Hauptsache durch einen am 29.September gerichtlich protokollierten Vergleich beendet worden. In diesem wurde Folgendes vereinbart:

"1.

Die Parteien sind sich darüber einig, dass zwischen ihnen keine wechselseitigen Ansprüche, seien sie bekannt oder unbekannt, bestehen.

Die Parteien verpflichteten sich, von ihnen anhängig gemachte Klagen auf Verwendungsersatz bzw. Erstattung von Miete und Nutzungsersatz vor dem Landgericht Halle und dem Landgericht Leipzig zurückzunehmen.

Dies betrifft insbesondere die Verfahren 5 O 2052/99 beim Landgericht Leipzig und 13 O 06/99 beim Landgericht Halle.

Die in den genannten Verfahren jeweils beklagte Partei verpflichtet sich, keine Kostenanträge in diesem Verfahren zu stellen.

2.

Die Kosten des Rechtsstreits und dieses Vergleichs werden gegeneinander aufgehoben."

Auf Antrag der Beklagten vom 8. März 1999 hat das Landgericht die von den Klägern an die Beklagte zu erstattenden Anwaltskosten des Beschwerdeverfahrens durch zwei gesonderte Beschlüsse vom 25. September 2000 auf jeweils 858,15 DM zzgl. 4% Zinsen seit dem 10. März 1999 festgesetzt. Die Beschlüsse sind dem Klägervertreter ausweislich des sich in der Akte befindlichen Empfangsbekenntnisses am 6. April 2001 zugestellt worden. Mit am 19. April 2001 eingegangenem Schriftsatz haben die Kläger gegen die genannten Kostenfestsetzungsbeschlüsse mit der Begründung sofortige Beschwerde eingelegt, eine Kostenfestsetzung sei unzulässig, weil sich die Beklagte im gerichtlichen Vergleich vom 29.September 1999 verpflichtet hätte, auch in dem vorliegenden Verfahren keinen Kostenantrag zu stellen. Die Parteien seien sich seinerzeit einig gewesen, dass in keinem der gegeneinander geführten Verfahren Kostenanträge gestellt werden sollten.

Auf die vorliegenden Beschwerden sind die Vorschriften der ZPO in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung anzuwenden, weil die angefochtenen Entscheidungen vor dem 1. Januar 2002 erlassen worden sind, § 26 Nr. 10 EGZPO.

Die sofortigen Beschwerden sind nach §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 2, 567 Abs. 2 a.F., 577 a.F. ZPO zulässig. Entgegen der Ansicht der Beklagten sind sie fristgemäß innerhalb der zweiwöchigen Beschwerdefrist, die mit Zustellung der angefochtenen Entscheidungen begann, § 577 Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F., eingelegt worden. Denn die Beschlüsse wurden dem Klägervertreter (s.o.) am 6. April 2001 zugestellt; die Beschwerdefrist endete deshalb mit Ablauf des 20. April 2001. Die Beschwerde ist bereits am 19. April 2001 und damit fristgemäß eingegangen. § 516 ZPO a.F. (§ 517 ZPO n.F.) greift vorliegend nicht. Zwar dürfte diese Regelung grundsätzlich auch auf die sofortige Beschwerde entsprechend anwendbar sein (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 23. Auflage, § 517 Rn 21). Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass überhaupt ein wirksamer Beschluss vorliegt. Hieran fehlt es jedoch bis zur erfolgten Zustellung der angefochtenen Beschlüsse am 6. April 2001. Nach § 329 Abs. 2 ZPO werden Beschlüsse, wenn sie, wie hier, nicht verkündet werden und eine Frist in Lauf setzen, erst wirksam mit der Zustellung. Ob im Hinblick auf § 516 ZPO a.F. bzw. § 517 ZPO n.F. dann etwas Anderes gilt, wenn die betroffene Partei bei unterbliebener oder fehlerhafter Zustellung gleichwohl Kenntnis von der fraglichen Entscheidung erhalten hat, kann hier offen bleiben, da sich aus dem Akteninhalt keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass den Klägern oder dem Klägervertreter die angefochtenen Beschlüsse vor der Zustellung bekannt gewesen sind.

Die Beschwerden sind aber unbegründet. Das Landgericht hat zu Recht die der Beklagten im Beschwerdeverfahren entstandenen Anwaltskosten gegen die Kläger festgesetzt.

Der für diese Kostenfestsetzung erforderliche Titel, § 103 Abs. 1 ZPO, ist die in dem o.g. Beschluss des OLG Dresden enthaltene Kostengrundentscheidung, wonach die Kläger die Kosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte zu tragen haben. Dieser Titel ist entgegen der Ansicht der Kläger nicht durch den gerichtlichen Vergleich vom 29. September 1999 weggefallen, da die unter Ziffer 2. des Vergleichs getroffene Kostenregelung die hier fraglichen Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht erfasst.

Tragweite und Umfang einer in einem Prozessvergleich enthaltenen Kostenregelung sind auch im Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich durch Auslegung zu ermitteln (Zöller/Herget, a.a.O., § 104 Rn 21 Stichwort "Prozessvergleich Buchstabe d)"), sofern die getroffene Kostenvereinbarung nach Wortlaut und Zweck nicht eindeutig ist. An einer Eindeutigkeit der im Vergleich getroffenen Kostenregelung fehlt es hier, weil ihr mangels ausdrücklicher Vereinbarung nicht entnommen werden kann, ob von dieser auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens, die nicht zu den Kosten des Rechtsstreits in der Hauptsache gehören und über die zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses bereits rechtskräftig entschieden worden war, mitumfasst werden sollten. Nach überwiegender Meinung (OLG München MDR 1982, 760; OLG Stuttgart MDR 1989, 1108 m.w.N; Zöller/ Herget a.a.O.; Baumbach/ Hartmann, ZPO, 60. Auflage, § 98 Rn 20; a.A. OLG Koblenz MDR 1987, 852 für Kosten der Revision), der sich der Senat jedenfalls für die hier vorliegende Fallkonstellation anschließt, umfasst die in einem Vergleich vereinbarte Aufhebung der Kosten des Rechtsstreits grundsätzlich nicht solche Kosten, über die bereits rechtskräftig anderweitig entschieden worden ist. Hierfür spricht, dass Parteien, die sich bei der Kostenregelung im Vergleich, wie hier, der Formulierung des § 98 ZPO bedienen, im Zweifel das vereinbaren wollen, was nach dieser Vorschrift der Regelfall ist. Nach der Regelung in § 98 Satz 2 ZPO werden von der Kostenaufhebung aber nur solche Kosten erfasst, über die nicht bereits rechtskräftig entschieden worden ist. Für eine solche Auslegung sprechen zudem Gründe der Rechtssicherheit. Denn diese gebietet es, die Aufhebung eines zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses vorhandenen rechtskräftigen Kostentitels nach dem Willen der Parteien im Zweifel nicht und nur dann anzunehmen, wenn dieser Wille im Einzelfall deutlich sichtbar wird. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass entsprechend der Funktion des Kostenfestsetzungsverfahrens und der Bindungswirkung der Kostengrundentscheidungen für das Festsetzungsverfahren die Auslegung von Kostentiteln nur zur Beseitigung von Unklarheiten statthaft ist, wobei grundsätzlich für die Auslegung die Heranziehung und Würdigung anderer Umstände als des Textes des Kostentitels nicht in Betracht kommt (vgl. Zöller/Herget a.a.O., § 104 Rn 21 Stichwort "Auslegung"). Insbesondere scheidet eine Beweisaufnahme aus. Wegen der eingeschränkten Überprüfungsmöglichkeiten des Inhalts von vergleichsweisen Kostenregelungen im Kostenfestsetzungsverfahren ist es deshalb gerechtfertigt, bei nicht eindeutigen Kostenvereinbarungen vom gesetzlichen Regelfall auszugehen, dies jedenfalls dann, wenn die Kosten, über die bereits rechtskräftig entschieden wurde, nicht das Verfahren der Hauptsache sondern, wie hier, ein Nebenverfahren betreffen, bei dem die Kostentragungslast unabhängig vom Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache ist. Hierdurch unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt auch von dem durch das OLG Koblenz (a.a.O.) entschiedenen Fall, der die Kosten der Revisionsinstanz und damit Kosten der Hauptsache betraf.

Eine andere Auslegung der fraglichen Kostenregelung käme nur dann in Betracht, wenn nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien, wie die Kläger geltend machen, die Kostenaufhebung auch die bereits rechtskräftig entschiedenen Kosten erfassen sollte. Dies kann hier aber nicht festgestellt werden. Hierfür können sich die Käger nicht darauf berufen, dass sich die Beklagte in dem Vergleich verpflichtet hätte, auch in dem vorliegenden Verfahren keinen Kostenantrag zu stellen. Denn nach dem eindeutigen Wortlaut in Ziffer 1. des Vergleichs bezog sich diese Verpflichtung nur auf die zwei weiteren bei den Landgerichten Halle und Leipzig anhängigen Verfahren. Sofern die Kläger außerdem einwenden, die Parteien seien sich hierüber bei Vergleichsschluss einig gewesen, können sie hiermit wegen der eingeschränkten Prüfungsmöglichkeiten im Kostenfestsetzungsverfahren (s.o.) nicht gehört werden. Dieser Umstand wäre entsprechend den Grundsätzen bei materiell-rechtliche Einwendungen (vgl. Zöller/ Herget a.a.O., § 104 ZPO Rn 21 Stichtwort "Materiell-rechtliche Einwendungen") nur dann zu berücksichtigen, wenn er feststehen würde oder zugestanden wäre. Beides ist hier nicht der Fall. Ein entsprechendes Zugeständnis der Beklagten ist ihrer Stellungnahme vom 21.Mai 2001 nicht zu entnehmen.

Da die danach der Beklagten zu erstattenden Kosten des Beschwerdeverfahrens zutreffend berechnet worden sind, sind die Beschwerden mit der Kostenfolge gemäß § 97 Abs. 1 ZPO, §§ 1, 11 GKG in Verb. mit Nr. 1953 a.F. Kostenverzeichnis GKG zurückzuweisen.

Die Rechtsbeschwerde (vgl. zum Übergangsrecht § 26 Nr. 10 EGZPO) war nicht zuzulassen, weil der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts fordern, § 574 Abs. 3 und Abs. 2 ZPO n.F.

Ende der Entscheidung

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