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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 21.09.2001
Aktenzeichen: 13 W 230/01
Rechtsgebiete: ZPO, RPflG, GKG


Vorschriften:

ZPO § 567
ZPO § 122
ZPO § 123
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 104 Abs. 3
ZPO § 577 Abs. 1
ZPO § 577 Abs. 2
ZPO § 122 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 58 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 122 Abs. 1 Nr. 1 a
RPflG § 11 Abs. 1
GKG § 49
GKG § 68
GKG § 69
GKG § 61
GKG § 65
GKG § 54 Nr. 1
GKG § 63 Abs. 1
GKG § 2 Abs. 4
GKG § 58 Abs. 2 Satz 2
Im Kostenfestsetzungsverfahren kann der von einer Partei geleistete Auslagenvorschuss trotz entsprechender Kostengrundentscheidung nicht gegen die Partei festgesetzt werden, der ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

13 W 230/01 OLG Naumburg

In dem Verfahren

hier: Kostenfestsetzung

hat der 13.Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch die Richterin am Oberlandesgericht Goerke-Berzau als Vorsitzende, den Richter am Oberlandesgericht Krause und die Richterin am Landgericht Lachs

am 21. September 2001

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Stendal vom 13.2.2001 - 21 O 23/96 - abgeändert:

Die auf Grund des gegen Sicherheitsleistung von 17.000,00 DM vorläufig vollstreckbaren Urteils des Landgerichts Stendal vom 11.10.2000 von der Klägerin an den Beklagten zu erstattenden Kosten werden auf 4.617,76 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 15.11.2000 festgesetzt. Im Übrigen wird der Antrag auf Kostenfestsetzung abgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beklagte.

Beschwerdewert: 4.000,00 DM.

Gründe:

Der Klägerin wurde in dem der Kostenfestsetzung zu Grunde liegenden erstinstanzlichen Verfahren auf ihren Antrag vom 27.11.1998, eingegangen am 01.12.1998, mit Beschluss vom 16.03.1999 ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt. Mit Beschluss vom 14.08.1996 wurde dem Beklagten für die Einholung eines Sachverständigengutachtens die Zahlung eines Auslagenvorschusses von 4.000,00 DM aufgegeben. Die Zahlung erfolgte am 28.11.1996 (Zahlungseingang). Mit Beschluss vom 4.6.1999 wurde dem Beklagten die Zahlung eines weiteren Vorschusses von 5.888,68 DM (888,68 DM + 5.000,00 DM) aufgegeben. Die Zahlungen erfolgten am 20.07.1999 und 03.09.1999. Nach der Kostengrundentscheidung des o.g. Urteils vom 11.10.2000 hat die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Mit Schriftsatz vom 14.11.2000 hat der Beklagte die Festsetzung der ihm erstinstanzlich entstandenen Anwaltskosten sowie der von ihm verauslagten Gerichtskosten von 9.888,68 DM beantragt. Mit Beschluss vom 13.02.2001 hat das Landgericht die von der Klägerin an den Beklagten zu erstattenden Kosten auf 8.617,76 DM festgesetzt, wobei es 4.000,00 DM als vom Beklagten verauslagte Gerichtskosten in Ansatz gebracht hat, da nach der Kostenrechnung vom 16.11.2000 nur in dieser Höhe die von ihm gezahlten Vorschüsse auf die Kostenschuld der Klägerin verrechnet worden sind, während ein überschießende Betrag von 5.887,68 DM an den Beklagten zurückerstattet worden ist. Gegen die Festsetzung der Gerichtskosten wendet sich die Klägerin unter Hinweis auf die ihr bewilligte ratenfreie Prozesskostenhilfe.

Die gemäß §§ 104 Abs. 3, 567, 577 Abs. 1 und 2 ZPO, § 11 Abs. 1 RPflG zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache auch Erfolg.

Eine Festsetzung vom Beklagten verauslagter Auslagenvorschüsse für die Einholung des Sachverständigengutachtens gegen die Klägerin ist nicht zulässig, da der Klägerin ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist. Zwar entbindet die Bewilligung von Prozesskostenhilfe die hilfsbedürftige Partei gemäß § 123 ZPO nicht davon, die dem Gegener entstandenen Kosten, wozu auch grundsätzlich von diesem verauslagte Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen, § 1 Abs. 1 GKG) gehören, zu erstatten, wobei nach bisher verbreiterter Auffassung eine Kostenerstattung nicht durch die Regelung in § 58 Abs. 2 Satz 2 GKG - Verbot der Inanspruchnahme des Zweitschuldners bei bewilligter Prozesskostenhilfe für den Entscheidungsschuldner nach § 54 Nr. 1 GKG - ausgeschlossen war, da diese Vorschrift nur noch nicht gezahlte Gerichtskosten erfasse (vgl. Nachweise bei Zöller/Philippi, ZPO, 22. Auflage, § 122 Rn. 24). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, Beschluss vom 23.06.1999 - 1 BvR 984/89 (NJW 1999, 3186 ) - , ist aber im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz, Art. 3 Abs. 1 GG, die Vorschrift des § 58 Abs. 2 Satz 2 GKG verfassungskonform dahin auszulegen, dass der in ihr enthaltene Haftungsausschluss sämtliche Gerichtskosten und damit auch schon gezahlte Gerichtskostenvorschüsse umfaßt. Nach dieser Entscheidung ist deshalb ein Erstattungsanspruch des Gegners für von ihm verauslagte Gerichtskosten gegen die Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist und die gemäß § 54 Nr. 1 GKG als Entscheidungsschuldner haftet, nicht begründet soweit es sich um Kosten handelt, von denen die mittellose Partei gemäß § 122 ZPO befreit ist, da nur so der gesetzgeberische Zweck der Prozesskostenfreiheit für hilfsbedürftige Parteien sichergestellt und nur so verhindert werden kann, dass die mittellose Partei über den Umweg eines gegnerischen Erstattungsanspruchs doch noch zur Tragung dieser Kosten herangezogen werden kann. Zwar betraf diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einen Fall, in dem dem unterlegenen Beklagten Prozesskostenhilfe bewilligt und dieser vom Kläger auf Erstattung der von ihm verauslagten Gerichtskosten in Anspruch genommen worden war, während vorliegend der im Verfahren unterlegenen Klägerin Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist. Unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes ist es jedoch für die Erstattungspflicht einer hilfsbedürftigen Partei hinsichtlich der vom Gegner verauslagten Gerichtskosten unerheblich, welche prozessuale Stellung sie im Verfahren einnimmt. Denn die vom Gesetzgeber eingeräumte Prozesskostenfreiheit muß der unbemittelten/hilfsbedürftigen Partei ungeachtet ihrer prozessualen Stellung als Kläger oder Beklagter zugute kommen (BVerfG a.a.O.).

Nach den Maßgaben der Entscheidung des BVerfG ist vorliegend ein Erstattungsanspruch des Beklagten für den von ihm gezahlten Auslagenvorschuss nicht begründet. Die Klägerin ist hinsichtlich dieser Kosten Entscheidungsschuldnerin nach § 54 Nr. 1 GKG; dass sie insoweit auch nach § 49 GKG für diese Kosten haftet ist rechtlich unerheblich. Bei diesen gezahlten Kosten handelt es sich auch um solche Gerichtskosten, von denen die Klägerin auf Grund der ihr bewilligten Prozesskostenhilfe nach § 122 Abs. 1 Nr. 1 a ZPO befreit ist. Nach dieser Vorschrift dürfen, sofern, wie hier, nichts Anderes bestimmt ist, u.a. rückständige und entstehende Gerichtskosten gegen die Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, nicht geltend gemacht werden. Für die Beurteilung, ob es sich bezogen den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Prozesskostenhilfebewilligung um rückständige und/oder entstehende Gerichtskosten handelt, ist auf das Entstehen der Kostenschuld für die hilfsbedürftige Partei abzustellen. Dies ergibt sich aus der mit der Vorschrift bezweckten Kostenbefreiung, die naturgemäß nur hinsichtlich solcher Kosten erforderlich, für die die hilfsbedürftige Partei sonst, d.h. ohne Prozesskostenhilfebewilligung, als Kostenschuldner in Anspruch genommen werden könnte. Kosten, für die sie nicht als Kostenschuldner haftet, können gegen sie ohnehin nicht geltend gemacht werden.

Danach handelt es sich bei dem vom Beklagten gezahlten Auslagenvorschuss von 4.000,00 DM um entstehende Gerichtskosten im Sinne der genannten Vorschrift. Entstehende Gerichtskosten sind solche, die bezogen auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Prozesskostenhilfebewilligung erst künftig fällig werden (Zöller/Philippi, a.a.O, § 122 Rn. 3). Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe für die Klägerin wurde mit Wirkung vom 01.12.1998, Tag der Antragstellung, wirksam. Denn die Bewilligung wirkt, wenn, wie hier, im Bewilligungsbeschluss nichts Anderes bestimmt ist, auf den Tag der Antragstellung zurück (Zöller/Philippi, a.a.O, § 119 Rn 40 - allgemeine Meinung). Zu diesem Zeitpunkt war jedoch hinsichtlich der Kosten für die Einholung des Sachverständigengutachtens eine Kostenschuld der Klägerin noch nicht fällig. Vielmehr war zu diesem Zeitpunkt der Beklagte als Vorschusspflichtiger gemäß §§ 68, 69 GKG Kostenschuldner, dem gegenüber die Verpflichtung zur Zahlung des Vorschusse nach den genannten Vorschriften auch fällig war. Eine Kostenschuld der Klägerin hierfür wurde für sie als Entscheidungsschuldnerin gemäß § 63 Abs. 1 GKG erst mit der Kostengrundentscheidung fällig und damit erst nach Wirksamwerden der Prozesskostenhilfebewilligung. Die vorliegende Fallkonstellation ist, worauf offenbar das Landgericht abgestellt hat, nicht vergleichbar mit der Situation, in dem die hilfsbedürftige Partei vor Wirksamwerden der Prozesskostenhilfebewilligung selbst Vorschüsse auf fällige Gerichtskosten einzahlt, insbesondere als klagende Partei bei Klageeinreichung den gemäß §§ 49, 61, 65 GKG fälligen Gebührenvorschuss einzahlt. Denn von den vor Wirksamwerden der Prozesskostenhilfebewilligung gezahlten und bereits fällig gewesenen Gerichtskosten ist die hilfsbedürftige Partei nicht nach § 122 Abs. 1 Nr. 1 ZPO befreit, da es sich weder um rückständige noch um entstehende Kosten handelt. Diese sind deshalb auch nicht an die hilfsbedürftige Partei zurückzuzahlen.

Da die Klägerin im vorliegenden Fall aus den o.g. Gründen allerdings hinsichtlich der Sachverständigenkosten von der Kostenschuld befreit ist und eine Inanspruchnahme des Beklagten als Zweitschuldner wegen § 58 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht zulässig ist, ist der von ihm hierfür gezahlte Auslagenvorschuss nicht auf die Kostenschuld der Klägerin zu verrechnen sondern von der Staatskasse analog § 2 Abs. 4 GKG zurückzuerstatten (vgl. BVerfG a.a.O; Vors.RiOLG Schütt, Anmerkung zum genannten Urteil des BVerfG, MDR 1999, 1405), mithin hier noch 4.000,00 DM. Ein entsprechender Antrag wurde von dem Beklagten im Beschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom 03.05.2001 bereits gestellt, über den das Landgericht - Kostenbeamter - im Kostenansatzverfahren noch zu entscheiden hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 ZPO, 1 GKG i.V. mit Nr. 1953 Kostenverzeichnis GKG.

Ende der Entscheidung

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