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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 23.08.2001
Aktenzeichen: 13 W 406/01
Rechtsgebiete: BRAGO, ZPO, GKG


Vorschriften:

BRAGO § 6
BRAGO § 6 Abs. 1 Satz 2
BRAGO § 13 Abs. 2
BRAGO § 26
ZPO § 91 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 91 a ZPO
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 62
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 92 Abs. 1
GKG § 1 in Verb. mit Nr. 1953 Kostenverzeichnis
1. Ob der Rechtsanwalt bei der Klage einer "BGB-Gesellschaft" eine Erhöhungsgebühr nach der Anzahl der Gesellschafter verdient hat, hängt davon ab, ob die Klage von der Gesellschaft oder von den Gesellschaftern erhoben worden ist.

2. Für das Kostenfestsetzungsverfahren ist die Einordnung durch das Prozessgericht bindend.

3. Bei Klagen, die nach der Veröffentlichung der neuen BGH-Rechtsprechung zur Rechts- und Parteifähigkeit der BGB-Gesellschaft (BGH NJW 2001, 1058) erhoben worden sind, ist die Erhöhungsgebühr bei Klagen der gesamthänderisch gebundenen Gesellschafter aber nicht mehr erstattungsfähig.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

13 W 406/01 OLG Naumburg

In dem Rechtsstreit

...

wegen Kostenfestsetzung,

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg

am 23.08.2001

unter Mitwirkung der Richterin am Oberlandesgericht Goerke-Berzau, des Richters am Oberlandesgericht Krause sowie der Richterin am Landgericht Lachs

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Kläger wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Dessau vom 18.06.2001, Geschäftszeichen: 4 O 1732/96, in der Fassung des Ergänzungsbeschlusses vom 31.07.2001 abgeändert:

Die auf Grund des Beschlusses des Landgerichts Dessau vom 25.01.2001 von der Beklagten an die Kläger gemeinschaftlich zu erstattenden Kosten werden auf 21.495,30 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 15.05.2001 festgesetzt. Im übrigen werden die Kostenfestsetzungsgesuche der Kläger abgewiesen.

Die weiter gehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die von den Klägern zu tragenden Gerichtskosten berechnen sich nach einem Wert von 2.016,00 DM; von den außergerichtlichen Kosten der sofortigen Beschwerde tragen die Kläger 55 % und die Beklagte 45 %.

Der Wert der sofortigen Beschwerde wird auf 3.696,80 DM festgesetzt.

Gründe:

Mit der Beschwerde wenden sich die Kläger dagegen, dass das Landgericht bei der Kostenfestsetzung die von ihnen geltend gemachte 3/10 Erhöhungsgebühr gemäß § 6 BRAGO in Höhe von 1.680,80 DM sowie die beanspruchten Korrespondenzanwaltskosten nicht in Höhe der mit 2.016,00 DM alternativ berechneten fiktiven Kosten für eine Informationsreise berücksichtigt hat.

Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg. Den Klägern steht abweichend von der Entscheidung des Landgerichts ein Anspruch auf Erstattung der nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO erhöhten Prozessgebühr zu. Darüber hinaus ist der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss jedoch nicht zu beanstanden, sodass sich insgesamt ein zu erstattender Betrag von 21.495,30 DM ergibt.

1. Die von den Klägern geltend gemachte 3/10 Erhöhungsgebühr ist gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO für die Tätigkeit ihrer Hauptbevollmächtigten entstanden und gemäß § 91 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 1 ZPO auch erstattungsfähig. Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO erhöht sich die Prozessgebühr um 3/10 für jeden weiteren Auftraggeber, wenn der Anwalt in derselben Angelegenheit, § 13 Abs. 2 BRAGO, mit gleichem Gegenstand mehrere Auftraggeber vertritt. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Denn der Auftrag zur Prozessvertretung wurde nicht von der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren Gesellschafter die Kläger sind, sondern von den Klägern als natürliche Person in ihrer Eigenschaft als Streitgenossen erteilt. Die Frage, ob eine Vertretung mehrerer Auftraggeber im Sinne o.g. Vorschrift vorliegt, beurteilt sich danach, wieviele Parteien der Anwalt im Prozess vertreten hat, was ggf. durch Auslegung zu ermitteln ist (Zöller/Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., vor § 50, Rdn. 6). Danach ist hier nicht die Gesellschaft Partei. Kläger sind vielmehr die Gesellschafter als natürliche Personen. Denn in der Klageschrift sind die Kläger als Gesellschafter der GbR aufgeführt. Der Klageantrag lautete auf Leistung an die Kläger. Im Rubrum des Kostenbeschlusses des Landgerichts vom 25.1.2001 - Kostenentscheidung gemäß § 91 a ZPO - sind die Kläger als "Kläger zu 1) und 2 ) aufgeführt. Die neue Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Rechts- und Parteifähigkeit einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts rechtfertigt keine abweichende Auslegung der Parteistellung der Kläger. Der BGH hat mit Urteil vom 29.1.2001 - II ZR 331/00 - (BGH NJW 2001, 1056, 1058) zwar entschieden, dass auch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts ähnlich der offenen Handelsgesellschaft Rechtsfähigkeit besitzt, soweit sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet, und in diesem Rahmen zugleich im Zivilprozess aktiv und passiv parteifähig ist. Als Folge dieser Entscheidung wird bereits die Ansicht vertreten, dass auch im Falle einer im Namen aller Gesellschafter "in Gesellschaft bürgerlichen Rechts" erhobene Klage, wie hier, die Gesellschaft Partei ist und nicht die einzelnen Gesellschafter (vgl. Karsten Schmidt, NJW 2001, 993, 999). Ob dem gefolgt werden kann, kann für den vorliegenden Fall allerdings offen bleiben. Denn über die Frage, wer Partei eines Rechtsstreits ist, und über die damit zusammenhängenden etwaigen prozessualen und materiell-rechtlichen Probleme ist im Erkenntnisverfahren durch das Prozessgericht zu entscheiden und nicht im Kostenfestsetzungsverfahren. Im Kostenfestsetzungsverfahren wird lediglich geprüft, ob die von der Partei geltend gemachten Kosten dieser nach der Kostengrundentscheidung zu erstatten sind, d.h. ob sie entstanden sind und zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren, § 91 Abs. 1 ZPO. Aus der o.g. Kostengrundentscheidung des Landgerichts ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass das Landgericht davon ausgegangen ist, dass nicht die Kläger sondern die Gesellschaft Partei des Rechtsstreits gewesen wäre. Die Einordnung der Kläger als Partei durch das Landgericht ist für das Kostenfestsetzungsverfahren bindend. Im Übrigen wäre hier bei der Auslegung zu berücksichtigen, dass die Klage schon 1996 erhoben worden ist. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung vertrat der Bundesgerichtshof uneingeschränkt die Streitgenossenlösung, wonach Gesellschaftsforderungen von den Gesellschaftern als Streitgenossen nach § 62 ZPO einzuklagen waren (BGH NJW 2001, 1056, 1058 m.w.N.; Karsten Schmidt a.a.O.). Hieraus folgt ebenfalls, daß die Kläger als Streitgenossen auftreten wollten, weil eine im Namen der Gesellschaft erhobene Klage nach der damaligen Rechtspechung mangels Parteifähigkeit der Gesellschaft unzulässig gewesen wäre.

Soweit schon in der Vergangenheit, d.h. vor Erlass der o.g. Entscheidung des BGH zur Rechts- und Parteifähigkeit einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, teilweise die Ansicht vertreten worden ist, dass bei Aktivprozessen der Gesellschafter als Partei, die Gesellschaftsforderungen zum Gegenstand haben, diese ähnlich wie bei der offenen Handelsgesellschaft nur als ein Auftraggeber anzusehen seien und eine Erhöhungsgebühr deshalb auch in diesen Fällen nicht anfalle (OLG Koblenz JurBüro 1981, 378, 379; OLG Köln JurBüro 1986, 866; vgl. auch Zusammenstellung Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert, BRAGO, 14. Auflage, § 6 Rn 11), vermag der Senat dieser Ansicht in ständiger Rechtsprechung nicht zu folgen, da eine derart einschränkende Auslegung des § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO mit dem eindeutigen Wortlaut dieser Vorschrift nicht vereinbar ist (vgl. Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert a.a.O. m.w.N. - bisher überwiegende Meinung). Die o.g. neue Rechtsprechung des BGH gibt keine Veranlassung von der bisherigen Rechtsprechung des Senats abzuweichen. Zwar kann danach nunmehr die Gesellschaft bürgerlichen Rechts selbst Auftraggeber des Anwalts sein, da sie als rechts- und parteifähig anzusehen ist. Wird ein Rechtsstreit namens der Gesellschaft als Partei geführt, so entsteht dann nach dem eindeutigen Wortlaut von § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO keine Erhöhungsgebühr entsprechend der Anzahl der Gesellschafter, da nicht die einzelnen Gesellschafter Auftraggeber sind sondern nur die Gesellschaft, so dass lediglich ein Auftraggeber vertreten wird (OLG Karlsruhe Rpfleger 2001, Heft 5, 273). Dies, d.h. kein Anfall der Erhöhungsgebühr, gilt auch für die Verfahren, die vor der neuen Rechtsprechung des BGH eingeleitet worden sind und bei denen die Klage im Namen der Gesellschaft als Partei erhoben worden ist. Wird der Auftrag zur Prozessvertretung trotz der rechtlichen Möglichkeit aber nicht durch die Gesellschaft erteilt sondern durch die Gesellschafter und die Gesellschaftsforderung im Klagewege durch die einzelnen Gesellschafter als Partei - Streitgenossen - geltend gemacht, so handelt es sich auch weiterhin um mehrere Auftraggeber im Sinne von § 6 BRAGO, so dass die Voraussetzungen für die Erhöhungsgebühr vorliegen.

Hiervon zu unterscheiden ist allerdings die Frage, ob die Erhöhungsgebühr unter kostenrechtlichen Gesichtspunkten erstattungsfähig ist, wenn die Gesellschafter bei Aktivprozessen den Anwalt nicht im Namen der Gesellschaft sondern im eigenen Namen als Streitgenossen beauftragen. Dies ist für Klagen, die nach der Veröffentlichung der o.g. Entscheidung des BGH eingereicht worden sind, grundsätzlich zu verneinen, weil es sich in diesen Verfahren bei der Erhöhungsgebühr um Mehrkosten handelt, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung gemäß § 91 Abs. 1 ZPO nicht notwendig sind, da die Klage sogleich für die Gesellschaft als Partei erhoben werden kann, so dass aus den bereits genannten Gründen auch keine Erhöhungsgebühr anfallen würde.

Für Verfahren, die, wie hier, vor der Veröffentlichung der neuen Rechtsprechung des BGH eingeleitet worden sind, ist allerdings die Erstattungsfähigkeit der Erhöhungsgebühr gemäß § 91 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 ZPO grundsätzlich zu bejahen. Denn auf Grund der bis dahin geltenden Rechtsprechung des BGH, s.o., waren die Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts gezwungen, die Gesellschaftsforderung als Streitgenossen einzuklagen, wollten sie nicht Gefahr laufen, dass im Falle einer Klageerhebung durch die Gesellschaft als Partei die Klage als unzulässig abgewiesen wird. Angesichts dessen war die Beauftragung eines Anwalts durch alle Gesellschafter zur Rechtsverfolgung auch notwendig. Diese Notwendigkeit entfällt nicht dadurch, dass sich die Rechtsprechung geändert hat. Denn zweckentsprechend ist eine Maßnahme, die eine verständige Prozesspartei bei der Führung des Rechtsstreits in der jeweiligen Lage als sachdienlich ansehen mußte, wobei dann alle Kosten notwendig sind, ohne die die zweckentsprechenden Maßnahmen nicht hätten getroffen werden können ( Zöller - Herget, ZPO, 22. Auflage, § 91 Rn 12 ). Aus der Sicht einer verständigen Partei war es jedoch nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH zur Rechts- und Parteifähigkeit einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts bei Gesellschaftsforderungen nicht nur sachdienlich sondern geboten, das Verfahren als Streitgenossen zu führen. Die mit der streitgenössischen Führung verbundenen zusätzlichen Kosten, hier die Erhöhungsgebühr nach § 6 BRAGO, waren deshalb zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens, auf den für die Beurteilung der Notwendigkeit abzustellen und wodurch diese Gebühr ausgelöst worden ist, auch notwendig. Dieses Ergebnis steht nicht im Widerspruch zu der o.g. Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 26.2.2001 (Rpfleger 2001, 273), worauf sich u.a. das Landgericht gestützt hat. Denn diese Entscheidung, in der unter Hinweis auf die jüngste Rechtsprechung des BGH das Entstehen der Erhöhungsgebühr verneint worden ist, betraf einen Fall, in dem die Klage ausdrücklich namens der Gesellschaft bürgerlichen Rechts erhoben worden war. Dieser Fall liegt hier aber gerade nicht vor.

Demnach ist im vorliegenden Fall, bei dem die Klageeinreichung vor der neuen Rechtsprechung des BGH erfolgte, nämlich schon im August 1996, die Erstattungsfähigkeit der Erhöhungsgebühr gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO zu bejahen.

2. Ohne Erfolg bleibt die sofortige Beschwerde soweit mit ihr eine Erstattung der Verkehrsanwaltskosten zumindest in Höhe fiktiver Reisekosten der Partei für eine Informationsreise zu einem am Prozessgericht ortsansässigen Prozessbevollmächtigten geltend gemacht wird. Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei (neben der Versagung der Gebühr für den Verkehrsanwalt) eine Erstattungsfähigkeit der Verkehrsanwaltskosten auch insoweit verneint, da hier eine solche Informationsreise nicht notwendig gewesen wäre, § 91 Abs. 1 ZPO. Denn es sind keine Gründe ersichtlich, die den Schluss zulassen könnten, dass die Kläger nicht in der Lage gewesen wären, einen auswärtigen Prozessbevollmächtigten auf den üblichen Kommunikationswegen - schriftlich oder fernmündlich - über die ihrem gewöhnlichen Geschäftsbereich zuzurechnende Forderung, die hier mit der Klage geltend gemacht worden ist, zu unterrichten. Die Kläger sind Kaufleute und nehmen geschäftlich am Wirtschaftsleben teil. Das streitgegenständliche Grundstück hatten sie für geschäftliche Zwecke erworben. Dabei war auch zu berücksichtigen, dass ein Mandant seinem Rechtsanwalt lediglich die erforderlichen Tatsachen mitzuteilen hat, deren rechtliche Würdigung dem Rechtsanwalt obliegt, so dass es auf das Vorhandensein von Rechtskenntnissen bei der Partei und damit auf die rechtliche Schwierigkeit der Sache für die Beurteilung der Notwendigkeit einer Informationsreise nicht ankommt. Die hier erforderlichen Tatsachen waren nicht derart kompliziert, als dass sie nicht schriftlich oder telefonisch hätten mitgeteilt werden können. Gegenteiliges macht selbst die Beschwerde nicht geltend.

3. Der festzusetzende Betrag ergibt sich nach alledem wie folgt:

verauslagte Gerichtskosten: 14.172,00 DM 13/10 Prozeßgebühr (§§ 31 Abs. 1 Nr. 1; 6 Abs. 2 Satz 1 BRAGO) 7.283,30 DM Pauschale nach § 26 BRAGO 40,00 DM Kostenerstattungsanspruch = 21.495,30 DM

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO, 1 GKG in Verb. mit Nrr. 1953 Kostenverzeichnis GKG.

Ende der Entscheidung

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