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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 06.06.2006
Aktenzeichen: 14 UF 49/06
Rechtsgebiete: ZPO, FGG, VAÜG, BGB, VAHRG, SGB VI, BarwertVO


Vorschriften:

ZPO § 511 Abs. 2 Nr. 1
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 6
ZPO § 621 a Abs. 1 Satz 1
ZPO § 621 e Abs. 1
ZPO § 621 e Abs. 3 Satz 2
ZPO § 629 a Abs. 2 Satz 1
FGG § 20 Abs. 1
VAÜG § 1 Abs. 1
VAÜG § 1 Abs. 2 Nr. 1
VAÜG § 1 Abs. 4
VAÜG § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit.
VAÜG § 3 Abs. 1 Nr. 4
VAÜG § 3 Abs. 1 Nr. 5
BGB § 1587 Abs. 2
BGB § 1587 a Abs. 1
BGB § 1587 a Abs. 2 Nr. 1
BGB § 1587 a Abs. 2 Nr. 2
BGB § 1587 a Abs. 2 Nr. 3 Satz 2
BGB § 1587 a Abs. 2 Nr. 3 Satz 3
BGB § 1587 a Abs. 2 Nr. 4
BGB § 1587 a Abs. 3 Nr. 2
BGB § 1587 a Abs. 3 Nr. 2 Satz 2
BGB § 1587 a Abs. 4
BGB § 1587 b Abs. 1
BGB § 1587 b Abs. 2
BGB § 1587 b Abs. 6
VAHRG § 1 Abs. 3
SGB VI § 76
SGB VI § 121 Abs. 2
SGB VI § 264 a Abs. 1
BarwertVO § 1 Abs. 1
BarwertVO § 1 Abs. 3
BarwertVO § 2 Abs. 1
BarwertVO § 2 Abs. 2 Satz 1
BarwertVO § 2 Abs. 2 Satz 4
Auch in laufenden Verfahren ist die seit dem 1.6.2006 geänderte BarwertVO anzuwenden (Hinweis: vgl. auch BverfG Az. 1 BvR 1275/97 v. 2.5.2006 und jurisPR-FamR 15/2006 Anm. 1 Friederici).
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

14 UF 49/06 OLG Naumburg

In der Familiensache

hat der 14. Zivilsenat - 3. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Deppe-Hilgenberg, den Richter am Oberlandesgericht Feldmann und die Richterin am Amtsgericht Meier am

06. Juni 2006

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die befristete Beschwerde der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder wird das Urteil des Amtsgerichtes - Familiengerichts - Bernburg vom 30. Januar 2006, Az.: 3 F 104/05 S, hinsichtlich der Regelung zum Versorgungsausgleich in Ziffer 2 der Entscheidungsformel abgeändert und der Versorgungsausgleich insgesamt wie folgt neu gefasst:

a) Von dem Versicherungskonto des Ehemannes bei der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland, Vers.-Nr.: ..., werden, bezogen auf den 31. Mai 2005 als Ende der Ehezeit, angleichungsdynamische Rentenanwartschaften in Höhe von 61,10 € monatlich, die in Entgeltpunkte (Ost) umzurechnen sind, auf das Versicherungskonto der Ehefrau bei der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland, Vers.-Nr.: ..., übertragen.

b) Zu Lasten der für den Ehemann bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder bestehenden Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes, Az.: ... , werden, bezogen auf den 31. Mai 2005 als Ende der Ehezeit, Rentenanwartschaften in Höhe von 15,69 € monatlich, die in Entgeltpunkte umzurechnen sind, auf dem Versicherungskonto der Ehefrau bei der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland, Vers.-Nr.: ... , begründet.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Durch Urteil vom 30. Januar dieses Jahres (Bl. 29 - 31 d. A.) hat das Amtsgericht Bernburg die Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich mittels Renten-Splittings und analogen Quasi-Splittings durchgeführt. Von dem Versicherungskonto des Ehemannes (Antragsgegners) bei der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland (i. F. abgekürzt: DRV Mitteldeutschland) wurden auf das ebenfalls dort unterhaltene Versicherungskonto der Ehefrau (Antragstellerin) angleichungsdynamische Rentenanwartschaften in Höhe von 61,10 € monatlich übertragen. Zu Lasten der Zusatzversorgung des Ehemannes bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (i. F. abgekürzt: VBL) wurden auf dem vorbezeichneten Versicherungskonto der Ehefrau nichtangleichungsdynamische Rentenanwartschaften in Höhe von 7,77 € monatlich begründet.

Gegen die Entscheidung richtet sich, in formeller Hinsicht bedenkenfrei, die Beschwerde der VBL (Bl. 71 - 73 UA-VA), die beanstandet, der Altersfaktor von 3,2 der Tabelle 1 zur Barwert-Verordnung hätte, was versäumt worden sei, bei der Berechnung der Zusatzversorgung des Ehemannes entsprechend der Anmerkung 2 zur Tabelle um 65 % erhöht werden müssen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig (1) und begründet (2).

1. Die gemäß den §§ 629 a Abs. 2 Satz 1, 621 e Abs. 1 ZPO in Verb. mit § 621 Abs. 1 Nr. 6 ZPO statthafte befristete Beschwerde der VBL ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist auch im Übrigen zulässig.

Auf eine Mindestbeschwer kommt es, im Gegensatz zur Berufung, bei der befristeten Beschwerde nicht an, wie schon, auch nach neuem Verfahrensrecht, aus der fehlenden Bezugnahme auf § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO in § 621 e Abs. 3 Satz 2 ZPO erhellt (vgl.: OLG Bamberg, FamRZ 1998, 305; Philippi, in: Zöller, ZPO, 25. Aufl., 2005, § 621 e Rdnr. 22; a. A. in Bezug auf das Rechtsschutzbedürfnis minimaler Korrekturen erstrebender Beschwerden: OLG München, FamRZ 1982, 187, und OLG Dresden, FamRZ 1996, 742). Die Beschwerdebefugnis ist auch unabhängig von einer finanziellen Mehrbelastung des Beschwerde führenden Versorgungsträgers (BGH, NJW 1981, 1274).

Die VBL ist vielmehr allein auf Grund des nach ihrem Vortrag gesetzeswidrig durchgeführten Versorgungsausgleichs in ihrem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Recht auf Gewährleistung einer gesetzeskonformen Verwaltung beeinträchtigt (s. dazu beispielhaft: Sedemund-Treiber, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, 4. Aufl., 2003, § 621 e ZPO Rdnr. 9 m. w. N. nam. aus der Rechtsprechung) und damit gemäß § 20 Abs. 1 FGG, welche Regelung über § 621 a Abs. 1 Satz 1 ZPO Anwendung findet, zur Beschwerde berechtigt.

2. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

Der gemäß den §§ 1 Abs. 1 und 2 Nr. 1, 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. b VAÜG vor der Einkommensangleichung im Sinne des § 1 Abs. 4 VAÜG durchführbare und gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 VAÜG separat für Anrechte unterschiedlicher Dynamik durchzuführende Versorgungsausgleich ist prinzipiell und im Detail korrekt vom Amtsgericht vorgenommen worden, und zwar hinsichtlich der angleichungsdynamischen Anrechte beider Ehegatten im Wege des Renten-Splittings gemäß § 1587 b Abs. 1 BGB und bei den nichtangleichungsdynamischen Anrechten im Wege des analogen Quasi-Splittings gemäß § 1 Abs. 3 VAHRG in Verb. mit § 1587 b Abs. 2 BGB.

Allein bei den letzteren ergibt sich in zweifacher Hinsicht die Notwendigkeit einer Korrektur, was die Bewertung der Zusatzversorgung des Ehemannes bei der VBL anbelangt, die fiktiv dynamisiert korrekt 32,19 € (statt, wie berechnet, 16,35 €) monatlich ausmacht und nach Abzug des entsprechenden Anrechts der Ehefrau von 0,82 € (Bl. 55 UA-VV) monatlich zu deren Gunsten gemäß § 1587 a Abs. 1 BGB zu einem - analog § 121 Abs. 2 SGB VI aufgerundeten - hälftigen Ausgleichsbetrag von 15,69 € (= 31,37 € : 2) führt.

a) Zum einen sind, wie zu Recht mit der Beschwerde moniert, nach der unverändert gültigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschl. v. 7.7.2004 - XII ZB 277/03, abgedruckt u. a. in: FamRZ 2004, 1474 - 1476) die Versorgungsanrechte bei der VBL nach der Neuregelung der Zusatzversorgung zwar im Anwartschaftsstadium als statisch, im Leistungsstadium indes als volldynamisch zu beurteilen (FamRZ 2004, 1474, 1476 sub II 2 b), mit der - vom Amtsgericht verkannten - Konsequenz, dass die Werte der hier gemäß § 2 Abs. 1 und 2 Satz 1 BarwertVO bei einer Versorgung wegen Alters und verminderter Erwerbsfähigkeit einschlägigen Tabelle 1 gemäß § 2 Abs. 2 Satz 4 BarwertVO zu erhöhen sind.

Zum anderen ist allerdings auch zu berücksichtigen, dass seit dem 1. dieses Monats die Dritte Verordnung zur Änderung der Barwert-Verordnung laut Art. 2 der Verordnung in Kraft getreten ist (BGBl. I vom 3. Mai 2006, S. 1144 - 1151) und danach gemäß § 2 Abs. 2 Satz 4 BarwertVO n. F. die zugleich generell erhöhten Vervielfacher der anwendbaren Tabelle 1 nur noch um 50 - statt zuvor 65 - vom Hundert zu erhöhen sind, falls der Wert einer Versorgung wegen Alters und verminderter Erwerbsfähigkeit ab Leistungsbeginn in gleicher Weise steigt wie der Wert einer volldynamischen Versorgung. Das ist hier der Fall, da der ab Leistungsbeginn um jährlich 1 % steigende Wert der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes zumindest in gleicher Weise steigt wie der Wert einer volldynamischen Versorgung nach Maßgabe der mittlerweile eher stagnierenden gesetzlichen Rentenversicherung.

Die zwecks Saldierung notwendige Umwertung der statischen Anwartschaft, welche der Ehemann bei der VBL in Höhe einer auf die Ehezeit entfallenden - unverfallbaren und daher gemäß § 1587 a Abs. 2 Nr. 3 Satz 3 BGB beim öffentlichrechtlichen Versorgungsausgleich berücksichtigungsfähigen - Betriebsrente von 93,96 € monatlich erworben hat (Bl. 60 - 65 UA-VA), in eine dynamische Anwartschaft von 32,19 € monatlich ist nach Maßgabe der über § 1587 a Abs. 4 bzw. Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 und Nr. 4 lit. c BGB Anwendung findenden Norm des § 1587 a Abs. 3 Nr. 2 BGB in Verb. mit den Vorschriften der Barwert-Verordnung vorzunehmen. Denn die entsprechenden Leistungen steigen auskunftsgemäß (Bl. 30 UA-VV) nicht in gleicher oder nahezu gleicher Weise wie der Wert der in § 1587 a Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB genannten Anwartschaften und werden auch nicht oder nicht ausschließlich aus einem Deckungskapital oder einer vergleichbaren Deckungsrücklage gewährt.

Ausgehend von der in der Ehezeit als Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes erworbenen statischen Rentenanwartschaft des Ehemannes von 93,96 € monatlich ergäbe sich unter Berücksichtigung der aktuellen Änderung der Barwert-Verordnung wie folgt eine monatliche Regelaltersrente von 32,19 €, wenn ein Barwert der Teilversorgung für den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages (20.06.2005, Bl. 19 d. A.) - nach näherer Bestimmung der auf der Grundlage des § 1587 a Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 BGB erlassenen Rechtsverordnung (= Barwert-Verordnung) - ermittelt und als Beitrag in der gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet würde:

a) Statischer Monatsbetrag für die Ehezeit laut Auskunft (Bl. 30 UA-VA) 93,96 €

b) Statischer Jahresbetrag der während der Ehezeit erworbenen Anwartschaft, § 1587 a Abs. 3 Nr. 2 BGB in Verb. mit den §§ 1 Abs. 1 u. 3, 2 Abs. 1 BarwertVO (12 x 93,96 € =) 1.127,52 €

c) Kapitalisierungsfaktor bzw. Vervielfacher nach der Tabelle 1 zu § 2 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BarwertVO n. F. gemäß dem Lebensalter des Ehemannes von 42 Jahren zum Ende der Ehezeit am 31.05.2005 gem. § 1587 Abs. 2 BGB 4,2

Zu erhöhen um 50 % nach § 2 Abs. 2 Satz 4 BarwertVO n. F. 6,3

d) Barwert der Teilversorgung (= b x c; § 1587 a Abs. 3 Nr. 2 BGB in Verb. mit § 1 Abs. 1 und 3, § 2 Abs. 1 und 2 BarwertVO) 7.103,38 €

e) Faktor zur Umrechnung in Entgeltpunkte (§§ 187 Abs. 3, 188 SGB VI) 0,0001734318

f) Entgeltpunkte (= d x e) 1,2320

g) Aktueller Rentenwert zum Ende der Ehezeit am 31.05.05 (§§ 68, 69 SGB VI) 26,13 €

h) Fiktiv dynamisierte Rentenanwartschaft bzw. Regelaltersrente ( = f x g; §§ 63 Abs. 6, 64, 67 SGB VI) 32,19 €

b) Bei der Begründung der angleichungsdynamischen Rentenanwartschaften ist - im Hinblick auf § 264 a Abs. 1 und § 76 SGB VI - gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 5 VAÜG die Umrechnung des Monatsbetrags in Entgeltpunkte (Ost) angeordnet worden, während hinsichtlich der nichtangleichungsdynamischen Anrechte die angeordnete Umrechnung in Entgeltpunkte sich aus § 1587 b Abs. 6 BGB ergibt.

III.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren konnten infolge der unrichtigen Sachbehandlung in erster Instanz nicht erhoben werden § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG n. F.

Die Entscheidung zu den außergerichtlichen Kosten, beruht, jeweils ausgehend von § 621 a Abs. 1 Satz 1 ZPO, einerseits, hinsichtlich der Parteien, auf einer entsprechenden Anwendung des § 93 a Abs. 1 Satz 1 ZPO und andererseits, bezüglich der Versorgungsträger, auf § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG.

Für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 621 e Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO fehlt es - die fallentscheidende Frage ist höchstrichterlich geklärt - an den gesetzlich umrissenen Voraussetzungen.

Ende der Entscheidung

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