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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 07.06.2006
Aktenzeichen: 14 UF 61/06
Rechtsgebiete: ZPO, EGZPO, FGG, GKG


Vorschriften:

ZPO § 511 Abs. 2 Nr. 1
ZPO § 511 a a. F.
ZPO § 516 a. F.
ZPO § 538
ZPO § 572 Abs. 3
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 6
ZPO § 621 a Abs. 1 Satz 1
ZPO § 621 e Abs. 1
ZPO § 621 e Abs. 3 Satz 2 a. F.
ZPO § 629 a Abs. 2 Satz 1
ZPO § 629 a Abs. 3
EGZPO § 26 Nr. 5
EGZPO § 26 Nr. 10
FGG § 20 Abs. 1
GKG § 8 Abs. 1 Satz 1 a. F.
GKG § 21 Abs. 1 Satz 1 n. F.
Die subsidiäre Berufungsfrist findet für notwendige Beteiligte - hier: Versorgungsausgleich - keine Anwendung. Für einen öffentlichen Versorgungsträger beginnt die Rechtsmittelfrist erst ab Zustellung zu laufen (h.M.).
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

14 UF 61/06 OLG Naumburg

In der Familiensache

hat der 14. Zivilsenat - 3. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Deppe-Hilgenberg, den Richter am Oberlandesgericht Feldmann und die Richterin am Amtsgericht Meier am

7. Juni 2006

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Beschwerde der Oberfinanzdirektion Magdeburg wird das Urteil des Amtsgerichtes - Familiengerichts - Quedlinburg vom 11. August 1998, Az.: 4 F 179/97, hinsichtlich der Regelung zum Versorgungsausgleich in Ziffer 3 der Entscheidungsformel aufgehoben und das Verfahren zum Versorgungsausgleich zur weiteren Aufklärung und erneuten Entscheidung an das Amtsgericht - Familiengericht - Quedlinburg zurückverwiesen.

2. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Durch Urteil vom 11. August 1998 (Bl. 39 - 44 d. A.) hat das Amtsgericht Quedlinburg die Ehe der Parteien geschieden und zugleich, unter anderem, auf der Basis entsprechender Auskünfte der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (Bl. 18/19 und Bl. 24 - 31 UA-VA) den Versorgungsausgleich zugunsten der Ehefrau (Antragstellerin) im Wege des Renten-Splittings geregelt.

Gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich richtet sich die Beschwerde der Oberfinanzdirektion Magdeburg (Bl. 38/39 UA-VA), die beanstandet, dass die - unstreitig in der Ehezeit entstandene - beamtenrechtliche Versorgungsanwartschaft des Ehemannes (Antragsgegners) beim Lande Sachsen-Anhalt, obgleich darüber ihrerseits bzw. seitens des vormals zuständigen, am Verfahren beteiligten Regierungspräsidiums Magdeburg hätte Auskunft erteilt werden müssen (Bl. 17 UA-VA), gänzlich außer Acht gelassen worden sei.

II.

Die befristete Beschwerde der Oberfinanzdirektion Magdeburg ist formell zulässig (1) und auch in der Sache begründet (2).

1. Die gemäß § 629 a Abs. 2 Satz 1 in Verb. mit den §§ 621 e Abs. 1, 621 Abs. 1 Nr. 6 ZPO statthafte befristete Beschwerde ist fristgerecht eingelegt worden (a) und auch im Übrigen uneingeschränkt zulässig (b).

a) Die am 28. April 2006 beim Oberlandesgericht eingegangene Beschwerde der Oberfinanzdirektion Magdeburg (Bl. 38/39 UA-VA) gegen die ihr am 6. April 2006 zugestellte Entscheidung zum Versorgungsausgleich im Scheidungsverbundurteil des Amtsgerichts Quedlinburg vom 11. August 1998 (Bl. 39 - 44 d. A.) ist fristgerecht binnen eines Monats ab Zustellung eingelegt worden.

Nach § 516 ZPO a. F. in Verb. mit § 621 e Abs. 3 Satz 2 ZPO a. F. - welche Vorschriften über § 26 Nr. 5 und 10 EGZPO hinsichtlich des angefochtenen Urteils vom 11. August 1998 nach wie vor Anwendung finden - beginnt die gesetzlich als Notfrist bezeichnete einmonatige Rechtsmittelfrist für die so genannte befristete Beschwerde grundsätzlich mit der Zustellung der Entscheidung, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Mangels Zustellung der angefochtenen Entscheidung an die bereits seinerzeit noch als Regierungspräsidium Magdeburg am Verfahren beteiligte Oberfinanzdirektion (Bl. 17 UA-VA) kann allerdings für diese - ohne Auswirkung auf die Rechtskraft des Scheidungsausspruchs für die Parteien, § 629 a Abs. 3 ZPO ist insoweit methodisch in einzig sachgerechter Weise teleologisch zu reduzieren (s. dazu grundlegend Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl., Kapitel 5, 2 c, S. 391 ff.) - die absolute Fünf-Monats-Frist im vorliegenden Fall bei der ohnehin nur entsprechenden Anwendung des § 516 ZPO a. F. über § 621 e Abs. 3 Satz 2 ZPO a. F. keine Geltung entfalten (im Ergebnis ebenso: BGH, FamRZ 1988, 827; BGH, FamRZ 1995, 800; OLG Naumburg, FamRZ 2001, 1542; OLG Stuttgart, FamRZ 2001, 549; a. A.: Philippi, in: Zöller, ZPO, 23. Aufl., 2002, § 621 e Rdnr. 43 m. w. N. zum Meinungsstand).

Denn der Vorschrift des § 516 ZPO a. F. liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Partei, die vor Gericht streitig verhandelt hat, mit dem Erlass einer Entscheidung rechnen muss und es ihr daher zugemutet werden kann, sich danach zu erkundigen, ob und mit welchem Inhalt eine solche Entscheidung ergangen ist. Wenn dieser Grundgedanke allerdings im Einzelfall nicht zutrifft, weil, wie hier, der am Verfahren Beteiligte zu dem Termin überhaupt nicht geladen und ihm die Entscheidung auch nicht zugestellt wird, kann ausnahmsweise auch die Fünfmonatsfrist nicht zu laufen beginnen (so nam. BGH, FamRZ 1988, 827, und FamRZ 1995, 800).

b) Die Oberfinanzdirektion Magdeburg ist auch zur Beschwerde befugt.

Auf eine Mindestbeschwer kommt es, im Gegensatz zur Berufung, bei der befristeten Beschwerde nicht an, wie schon aus der fehlenden Bezugnahme auf § 511 a ZPO a. F. in § 621 e Abs. 3 Satz 2 ZPO a. F. - ebenso § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO in Verb. mit § 621 e Abs. 3 Satz 2 ZPO nach neuem Recht - erhellt (vgl.: OLG Bamberg, FamRZ 1998, 305; Philippi, in: Zöller, ZPO, 22. Aufl., 2001, § 621 e Rdnr. 16). Die Beschwerdebefugnis ist auch unabhängig von einer finanziellen Mehrbelastung des Beschwerde führenden Versorgungsträgers (BGH, NJW 1981, 1274).

Die Oberfinanzdirektion Magdeburg ist vielmehr allein auf Grund des nach ihrem Vortrag gesetzeswidrig durchgeführten Versorgungsausgleichs in ihrem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Recht auf Gewährleistung einer gesetzeskonformen Verwaltung beeinträchtigt (s. dazu beispielhaft: Sedemund-Treiber, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, 4. Aufl., 2003, § 621 e ZPO Rdnr. 9 m. w. N.) und damit gemäß § 20 Abs. 1 FGG, welche Regelung über § 621 a Abs. 1 Satz 1 ZPO Anwendung findet, zur Beschwerde berechtigt.

2. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

Die zweifelsfrei bestehende beamtenrechtliche Versorgungsanwartschaft des Antragsgegners ist in der angefochtenen Entscheidung zum Versorgungsausgleich nicht berücksichtigt worden. Die dafür notwendige Auskunft des ehedem statt der Oberfinanzdirektion Magdeburg noch zuständigen und am erstinstanzlichen Verfahren auch beteiligten Regierungspräsidiums Magdeburg ist allein deswegen nicht erteilt worden, weil die insoweit auch erforderliche und mit Schreiben des Regierungspräsidiums vom 17. Dezember 1997 (Bl. 17 UA-VA) ausdrücklich erbetene Auskunft des Rentenversicherungsträgers des Antragsgegners bis dato nicht übersandt worden ist.

Die Sache war infolgedessen unter Aufhebung der Regelung zum Versorgungsausgleich zwecks weiterer Aufklärung und neuerlicher Beschlussfassung über den Versorgungsausgleich an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Mangels Entscheidungsreife der Angelegenheit - die Höhe der beamtenrechtlichen Versorgungsanwartschaft des Antragsgegners steht mangels erteilter Auskunft nach wie vor nicht fest - ist eine Sachentscheidung in zweiter Instanz nicht möglich. Die Rückverweisung findet - entsprechend der grundsätzlichen Definition des Rechtsmittels als Beschwerde in § 621 e Abs. 1 ZPO bei selbständig angefochtenen Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit und in Ermangelung einer speziellen Regelung im Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - ihre Grundlage in § 572 Abs. 3 ZPO. Im Gegensatz zu anderen ausdrücklich für entsprechend anwendbar erklärten Vorschriften des neu gestalteten Berufungsverfahrens wird nämlich auf die dort für die Zurückverweisung geltende Regelung des § 538 ZPO in § 621 e Abs. 3 Satz 2 ZPO gerade nicht Bezug genommen, sodass folgerichtig, im methodisch gebotenen Umkehrschluss, die Vorschrift bei der so genannten befristeten Beschwerde auch nicht entsprechend anwendbar sein kann.

III.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren konnten infolge der unrichtigen Sachbehandlung in erster Instanz nicht erhoben werden, wie sich sowohl § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG a. F. als auch § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG n. F. entnehmen lässt.

Die Entscheidung zu den außergerichtlichen Kosten, beruht, jeweils ausgehend von § 621 a Abs. 1 Satz 1 ZPO, einerseits, hinsichtlich der Parteien, auf einer entsprechenden Anwendung des § 93 a Abs. 1 Satz 1 ZPO und andererseits, bezüglich der Versorgungsträger, auf § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG.

Die Festsetzung eines Beschwerdewertes erübrigt sich damit.

Für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 621 e Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO fehlt es an den gesetzlich umrissenen Voraussetzungen.

Ende der Entscheidung

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