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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 27.08.2004
Aktenzeichen: 14 UF 68/04
Rechtsgebiete: RegelbetragVO, BGB


Vorschriften:

RegelbetragVO § 2
RegelbetragVO § 2 Nr. 1
RegelbetragVO § 2 Nr. 2
RegelbetragVO § 2 Nr. 3
BGB § 1601
BGB § 1603 Abs. 2 Satz 1
BGB § 1612 a Abs. 1
BGB § 1612 a Abs. 3
BGB § 1612 b Abs. 1
BGB § 1612 b Abs. 5
Bei einer Verurteilung zum Unterhalt nach § 1612a BGB sind Veränderungen, die in der Zukunft liegen, schon jetzt bei der Tenorierung zu berücksichtigen. Der Unterhalt ist für die einzelnen, in der Zukunft liegenden Abschnitte, getrennt auszuweisen.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

14 UF 68/04 OLG Naumburg

verkündet am: 27.08.2004

In dem Rechtsstreit

...

hat der 14. Zivilsenat - 3. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Richter am Oberlandesgericht Materlik als Einzelrichter auf die mündliche Verhandlung vom 13. August 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das am 16. März 2004 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengerichts - Köthen, Az.: 11 F 317/03 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtmittels und Abweisung der Klage im Übrigen - teilweise abgeändert und der Beklagte verurteilt, monatlich im voraus

1. an den Kläger zu 1 monatliche Kindesunterhaltssrenten in jeweils folgender Höhe zu zahlen:

a) für die Zeit vom 01.07.2003 bis 31.01.2007: 51,9 % des Regelbetrages der 1. Altersstufe nach § 2 Nr. 1 RegelbetragVO, das entspricht derzeit einer monatlichen Unterhaltsrente von 95,00 Euro,

b) für die Zeit vom 01.02.2007 bis 30.06.2008: 48,6 % des Regelbetrages der 2. Altersstufe nach § 2 Nr. 2 RegelbetragVO, das entspricht derzeit einer monatlichen Unterhaltsrente von 108,00 Euro,

c) für die Zeit vom 01.07.2008 bis 31.01.2013: 42,7 % des Regelbetrages der 2. Altersstufe nach § 2 Nr. 2 RegelbetragVO, das entspricht derzeit einer monatlichen Unterhaltsrente von 95,00 Euro,

d) für die Zeit vom 01.02.2013 bis 30.06.2014: 40,4 % des Regelbetrages der 3. Altersstufe nach § 2 Nr. 3 RegelbetragVO, das entspricht derzeit einer monatlichen Unterhaltsrente von 106,00 Euro,

e) für die Zeit ab dem 01.07.2014: 36,2 % des Regelbetrages der 3. Altersstufe nach § 2 Nr. 3 RegelbetragVO, das entspricht derzeit einer monatlichen Unterhaltsrente von 95,00 Euro,

2. an die Kläger zu 2 und 3 jeweils monatlichen Kindesunterhaltsrenten in folgender Höhe zu zahlen:

a) für die Zeit vom 01.07.2003 bis 31.01.2007: 51,9 % des Regelbetrages der 1. Altersstufe nach § 2 Nr. 1 RegelbetragVO, das entspricht derzeit einer monatlichen Unterhaltsrente von 95,00 Euro je Kind,

b) für die Zeit vom 01.02.2007 bis zum 30.06.2008: 48,6 % des Regelbetrages der 1. Altersstufe nach § 2 Nr. 1 RegelbetragVO, das entspricht derzeit einer monatlichen Unterhaltsrente von 89,00 Euro je Kind,

c) für die Zeit vom 01.07.2008 bis 31.01.2013: 42,7 % des Regelbetrages der 2. Altersstufe nach § 2 Nr. 2 RegelbetragVO, das entspricht derzeit einer monatlichen Unterhaltsrente von 95,00 Euro je Kind,

d) für die Zeit vom 01.02.2013 bis zum 30.06.2014: 40,5 % des Regelbetrages der 2. Altersstufe nach § 2 Nr. 2 RegelbetragVO, das entspricht derzeit einer monatlichen Unterhaltsrente von 90,00 Euro je Kind,

e) für die Zeit ab dem 01.07.2014: 36,2 % des Regelbetrages der 3. Altersstufe nach § 2 Nr. 3 RegelbetragVO, das entspricht derzeit einer monatlichen Unterhaltsrente von 95,00 Euro je Kind.

II. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

und beschlossen:

Dem Beklagten wird zur Durchführung der Berufung gegen das am 16.03.2004 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengerichts - Köthen, Az.: 11 F 317/03, ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt V. H. aus B. zu seiner Vertretung nach einem Teilstreitwert von 3.591,00 Euro bewilligt. Im Übrigen wird das Prozesskostenhilfegesuch des Beklagten mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung, was sich aus dem Nachstehenden ergibt, zurückgewiesen (§§ 114, 115, 121 Abs. 1 ZPO).

I.

Der Beklagte wendet sich mit seiner Berufung gegen ein Urteil des Amtsgerichts - Familiengerichts - Köthen vom 16.03.2004, aufgrund dessen er antragsgemäß verurteilt worden ist, an jedes seiner drei Kinder, die Kläger zu 1, 2 und 3, ab dem 01.07.2003 einen monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des jeweiligen Regelbetrages der jeweils für sie geltenden Altersstufe gemäß § 2 RegelbetragVO abzüglich eines etwaig gemäß § 1612 b Abs. 1 und 5 BGB anrechenbaren Kindergeldanteiles zu zahlen.

Dem Ganzen liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der Beklagte ist der Vater der minderjährigen Kläger. Diese leben bei der Kindesmutter und verfügen weder über Einkommen noch Vermögen.

Die anfänglichen Zahlungen von Unterhaltsvorschussleistungen zu Gunsten der Kläger wurden seitens des Jugendamtes des Landkreises Köthen mit Bescheiden vom 10.02.2003 bzw. 12.02.2003 (Bl. 10 - 12 d. A.) infolge der Eheschließung der Kindesmutter eingestellt.

Der am 26.04.1983 geborene Beklagte hat die Schule nach Abschluss der 8. Klasse verlassen und besitzt demzufolge keinen Schulabschluss. Einen Beruf hat er nicht erlernt. Zudem verfügt er über keine Fahrerlaubnis. In der Zeit vom 01.02.2002 bis 31.01.2003 arbeitete er befristet bei der Jugendhilfe B. in der Metallverarbeitung und erzielte hierbei ein monatliches Nettoeinkommen von 776,73 Euro. Derzeit ist der Beklagte arbeitslos und erhält ausweislich des vorliegenden Bewilligungsbescheides des Arbeitsamtes D. , Geschäftsstelle B. , vom 07.08.2003 (Bl. 23 d. A.) eine tägliche Arbeitslosenhilfe in Höhe von 13,38 Euro.

Die Kindesmutter ist ebenfalls erwerbslos und erhält Sozialhilfe.

Die Kläger haben die Ansicht vertreten,

der Beklagte könne sich nicht auf seine Arbeitslosigkeit und eine hierdurch bedingte angebliche Leistungsunfähigkeit berufen. Vielmehr sei ihm ein fiktives Erwerbseinkommen zuzurechnen, mit dem er aber ausreichend leistungsfähig sei, den von ihnen geforderten Kindesunterhalt in Höhe von jeweils 100 % des Regelbetrages der jeweils geltenden Altersstufe nach § 2 der RegelbetragVO zu zahlen. Denn der Beklagte sei gerade 21 Jahre alt, sodass es ihm zumutbar sei, sich bundesweit um eine Anstellung bewerben. Dass er dies indes getan hätte, sei nicht ersichtlich. Mangels ausreichender Erwerbsbemühungen sei ihm deshalb ein fiktives Einkommen zuzurechnen, mit der Folge, dass er als ausreichend leistungsfähig anzusehen sei.

Die Kläger haben beantragt,

den Beklagten zu verurteilen,

1. an den Kläger zu 1 monatlich im voraus

a) für die Zeit vom 01.07.2003 bis 31.01.2007 monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des jeweiligen Regelbetrages der 1. Altersstufe nach § 2 Nr. 1 RegelbetragVO abzüglich des jeweils anteiligen staatlichen Kindergeldes, derzeit 12,00 Euro,

b) für die Zeit vom 01.02.2007 bis 31.01.2013 monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des jeweiligen Regelbetrages der 2. Altersstufe nach § 2 Nr. 2 RegelbetragVO abzüglich des jeweils anteiligen staatlichen Kindergeldes, derzeit 0,00 Euro,

c) ab dem 01.02.2013 monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des jeweiligen Regelbetrages der 3. Altersstufe nach § 2 Nr. 3 RegelbetragVO abzüglich des jeweils anteiligen staatlichen Kindergeldes, derzeit 0,00 Euro,

zu zahlen,

2. an die Kläger zu 2 und 3 monatlich im voraus jeweils,

a) für die Zeit vom 01.07.2003 bis 30.06.2008 monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des jeweiligen Regelbetrages der 1. Altersstufe nach § 2 Nr. 1 RegelbetragVO abzüglich des jeweils anteiligen staatlichen Kindergeldes, derzeit 12,00 Euro,

b) für die Zeit vom 01.07.2008 bis 30.06.2014 monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des jeweiligen Regelbetrages der 2. Altersstufe nach § 2 Nr. 2 RegelbetragVO abzüglich des jeweils anteiligen staatlichen Kindergeldes, derzeit 0,00 Euro,

c) ab dem 01.07.2014 monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des jeweils geltenden Regelbetrages der 3. Altersstufe nach § 2 Nr. 3 RegelbetragVO abzüglich des jeweils anteiligen staatlichen Kindergeldes, derzeit 0,00 Euro,

zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten,

er sei nicht leistungsfähig. Ohne abgeschlossene Schul- und Berufsausbildung und ohne Fahrerlaubnis sei es für ihn praktisch unmöglich, auf dem derzeitigen Arbeitsmarkt bei einer Arbeitslosenquote von allein 20 % in Sachsen-Anhalt eine Anstellung zu finden. Überdies habe er sich ausreichend um Arbeit beworben, und zwar bundesweit. Seine Bemühungen seien indes erfolglos geblieben. In Anbetracht dessen könne ihm auch kein fiktives, zu einer Leistungsfähigkeit führendes Einkommen zugerechnet werden. Im Übrigen sei bei Zurechnung eines fiktiven Einkommens zu berücksichtigen, dass ihm nur Einkommen in Höhe des von ihm tatsächlich Erzielbaren angerechnet werden könne. Unter Berücksichtigung der mangelnden schulischen und beruflichen Qualifikation sowie der eingeschränkten Mobilität könne er auf dem derzeitigen Arbeitsmarkt bestenfalls als Hilfskraft ein unterhalb des notwendigen Selbstbehaltes liegendes Monatseinkommen erzielen, sodass er auf jeden Fall nicht in der Lage sei, den geforderten Kindesunterhalt zu zahlen.

Das Amtsgericht - Familiengericht - Köthen hat mit am 16.03.2004 verkündetem Urteil (Bl. 53 - 57 d. A.) den Beklagten antragsgemäß verurteilt, an die Kläger, beginnend ab dem 01.07.2003 jeweils 100 % des Regelbetrages der jeweils für sie geltenden Altersstufe nach § 2 RegelbetragVO abzüglich eines etwaig gemäß § 1612 b Abs. 1 und 5 BGB anrechenbaren Kindergeldanteiles zu zahlen.

Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dem Beklagten sei wegen unzureichender Erwerbsbemühungen ein fiktives Erwerbseinkommen zuzurechnen, sodass er so zu behandeln sei, als ob er in der Lage sei, ab dem 01.07.2003 den von den Klägern begehrten Kindesunterhalt zu zahlen.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner formell nicht zu beanstandenden Berufung.

Unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens sowie Vorlage diverser, nach seiner Behauptung erfolglos gebliebener Bewerbungsschreiben für die Zeit von Februar bis Mai 2004 meint der Beklagte nach wie vor, nicht leistungsfähig zu sein. Darüber hinaus verweist er erneut darauf, dass ihm ein fiktives Einkommen, so ihm ein solches überhaupt zuzurechnen sei, nur in dem Umfange angerechnet werden könne, als er aufgrund seiner subjektiven Voraussetzungen ein solches auf dem Arbeitsmarkt tatsächlich erzielen könne. In Anbetracht seiner mangelnden schulischen und beruflichen Qualifikation und der vorhandenen Immobilität habe er aber auf dem Arbeitsmarkt keine realen Chancen. Unbeschadet dessen sei für ihn bestenfalls ein unterhalb des Selbstbehaltes liegendes Einkommen erzielbar.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens verteidigen sie das angefochtene Urteil. Darüber hinaus sind sie der Ansicht, dass die vorgelegten Bewerbungsschreiben weder qualitativ noch quantitativ den Anforderungen genügten, die an gehörige Erwerbsbemühungen im Rahmen der den Beklagten treffenden gesteigerten Erwerbsobliegenheit zu stellen seien. Im Übrigen habe der Beklagte mit erst 21 Jahren auf dem Arbeitsmarkt weit bessere Erwerbschancen als ältere Arbeitssuchende.

II.

Die statthafte und zulässige Berufung des Beklagten hat auch in der Sache teilweise Erfolg, denn der Beklagte ist aufgrund eingeschränkter Leistungsfähigkeit lediglich verpflichtet, in dem aus der Entscheidungsformel des Berufungsurteils ersichtlichen Umfang Kindesunterhalt gemäß den §§ 1601, 1612 a Abs. 1 und 3 BGB in Verb. mit § 2 RegelbetragVO zu zahlen.

Die eingeschränkte Leistungsfähigkeit des Beklagten ergibt sich nicht etwa daraus, dass er derzeit lediglich eine Arbeitslosenhilfe von (13,38 Euro x 365 Tage : 12 Monate =) 406,98 Euro bezieht. Vielmehr war dem Beklagten wegen völlig unzureichender Erwerbsbemühungen ein fiktives Einkommen in Höhe von zumutbarerweise erzielbaren 1000,00 Euro aus einer Haupt- und Nebentätigkeit zuzurechnen.

Gemäß § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB unterliegt der Beklagte seinen minderjährigen unverheirateten Kindern gegenüber, also den Klägern, einer gesteigerten Erwerbsverpflichtung. Demzufolge hatte er, da er für seine mangelnde Leistungsfähigkeit darlegungs- und beweispflichtig ist, soweit er wie hier auf Zahlung des Mindestunterhaltes in Anspruch genommen wird, vorzutragen und nachzuweisen, dass er sich in ausreichendem Maße erfolglos um Arbeit bemüht hat.

Diesen Beweis ist der Beklagte schuldig geblieben.

Die von ihm erstmals in der Berufungsinstanz vorgelegten Bewerbungsschreiben für den Zeitraum vom 4. Februar 2004 bis 24. Mai 2004 (Bl. 91 - 101, 103 d. A.) sowie die Absage seiner Bewerbung bei der Firma O. GmbH & Co. KG in P. vom 22.04.2004 (Bl. 102 d. A.) genügen weder quantitativ noch qualitativ den gesetzlichen Anforderungen des § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB. So lassen sich für den Monat Februar 2004 lediglich vier Bewerbungen, für den Monat März 2004 sechs Bewerbungen, für den Monat April 2004 zwei Bewerbungen und für den Monat Mai 2004 zwei Bewerbungen feststellen. Von einem zur gesteigerten Erwerbsobliegenheit verpflichteten Unterhaltsschuldner kann aber erwartet werden, dass er die Zeit für die Arbeitssuche aufwendet, die ein Erwerbstätiger täglich für seine Arbeit aufwenden muss. Dies bedeutet aber, dass von dem arbeitslosen Unterhaltsschuldner im Rahmen der ihn treffenden Erwerbsobliegenheitsverpflichtung gemäß § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB verlangt werden kann, dass er monatlich 20 bis 30 gezielte schriftliche Bewerbungen auf konkret ausgeschriebene Stellenangebote - Blindbewerbungen reichen grundsätzlich nicht - verfasst und absendet (vgl. Diederichsen in: Palandt, BGB, 63. Aufl., 2004, § 1603 Rdnr. 38; Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 8. Aufl., 2002, Rdnr. 619, 620).

Diesen Anforderungen genügen die wenigen, dazu noch stereotypen Bewerbungen des Beklagten nicht ansatzweise. Hinzu kommt, dass nicht einmal erkennbar ist, dass es sich bei den Bewerbungen des Beklagten überhaupt um solche auf konkret ausgeschriebene Arbeitsstellen handelt. Soweit der Beklagte darauf verweist, allein in Sachsen-Anhalt gebe es eine Arbeitslosenquote von durchschnittlich 20 %, sodass er als minder qualifizierte Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt gar keine reale Beschäftigungschance habe, vermag dies nicht zu überzeugen. Denn es gibt, worauf das Amtsgericht zutreffend hingewiesen hat, keinen allgemeinen Erfahrungsgrundsatz, wonach für einen Arbeitsuchenden generell auf dem Arbeitsmarkt keine Beschäftigungschance besteht. Dies gilt umso mehr, wenn der arbeitslose Unterhaltsschuldner, wie hier der Beklagte, sich nicht einmal ausreichend intensiv um eine Arbeit bemüht hat.

Zutreffend allerdings hebt der Beklagte hervor, ein fiktives Einkommen sei ihm lediglich in dem Umfange anzurechnen, wie er es auf dem Arbeitsmarkt in Anbetracht seiner subjektiven Voraussetzung tatsächlich zu erzielen im Stande sei.

Da der Beklagte weder eine abgeschlossene Schul- noch Berufsausbildung besitzt, muss davon ausgegangen werden, dass er bei gehörigen Erwerbsbemühungen als Hilfsarbeiter am Bau oder in der Industrie durchaus ein durchschnittliches Monatsnettoeinkommen von rund 800,00 Euro verdienen könnte, welches ihm nunmehr mangels ausreichender Bewerbungen fiktiv zuzurechnen ist. Bei der Bemessung der Höhe des erzielbaren Einkommens konnte unter anderem berücksichtigt werden, dass der Beklagte bereits im Jahre 2002/Anfang 2003 im Rahmen seiner befristeten Anstellung bei der Jugendhilfe B. ein Monatsnettoeinkommen von rund 777,00 Euro erzielt hat.

Soweit dieses Einkommen nicht ausreicht, den geforderten Mindestbedarf der Kläger abzudecken, ist der Beklagte darüber hinaus verpflichtet gewesen, im Rahmen der ihn treffenden gesteigerten Erwerbsobliegenheit nach § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB einer entgeltlichen Nebentätigkeit nachzugehen. Bei entsprechenden Erwerbsbemühungen hätte aber der Beklagte zum Beispiel durch Austragen von Werbepostillen am Wochenende ohne weiteres ein zusätzliches Nebeneinkommen von 200,00 Euro netto je Monat erzielen können, welches ihm in Anbetracht des pflichtwidrigen Unterlassens entsprechender Anstrengungen ebenfalls fiktiv zuzurechnen ist.

Bei einem danach insgesamt zur Verfügung stehenden - fiktiven - Monatsnettoeinkommen von 1.000,00 Euro war und ist der Beklagte aber in der Lage, zumindest die zweitinstanzlich ausgeurteilten monatlichen Unterhaltsrenten an seine Söhne zu zahlen. Denn ihm steht lediglich ein reduzierter notwendiger Selbstbehalt in Höhe von 715,85 Euro anstelle der sonst üblichen 775,00 Euro monatlich zu.

Ausweislich der Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Bl. 1 Rs. PKH-Beiheft des Beklagten) zahlt der Beklagte lediglich eine monatliche Warmmiete von 300,85 Euro. Im notwendigen Selbstbehalt von 775,00 Euro ist indes ein Warmmietekostenanteil von 360,00 Euro enthalten, den aber der Beklagte mithin in Höhe von monatlich 59,15 Euro nicht ausschöpft. Deshalb war der notwendige Selbstbehalt von gewöhnlich 775,00 Euro um nicht verbrauchte Mietkosten von 59,15 Euro auf 715,85 Euro zu kürzen.

Demzufolge verfügt aber der Beklagte über ein verteilungsfähiges, mithin zur Befriedigung von Unterhaltsansprüchen seiner Kinder zur Verfügung stehendes Einkommen von monatlich (1000,00 Euro - 715,85 Euro =) 284,15 Euro.

Wenngleich dieses Einkommen nicht ausreicht, die den Klägern erstinstanzlich zuerkannten Unterhaltsrenten von monatlich 100 % des Regelbetrages der jeweiligen Altersstufe nach § 2 RegelbetragVO zu zahlen, so können diese gleichwohl im Rahmen der Mangelfallberechnung den nachstehend errechneten monatlichen Unterhalt je Kind beanspruchen:

1. Monatliche Unterhaltsansprüche des Klägers zu 1 , geboren am 08.02.2001

a) Zeitraum vom 01.07.2003 bis 31.01.2007

Entsprechend der Formel "Verteilungsfähiges Einkommen des Unterhaltsschuldners : Gesamtunterhaltsansprüche aller Unterhaltsberechtigten nach vollen Regelbeträgen der jeweiligen Altersstufe nach § 2 RegelbetragVO x voller Regelbetrag des jeweiligen Unterhaltsberechtigten" ergeben sich für den Kläger zu 1 folgende monatlichen Unterhaltsrenten:

284,15 Euro : (3 x 183,00 Euro =) 549,00 Euro x 183,00 Euro = 94,72 Euro, aufgerundet 95,00 Euro

Das entspricht einem monatlichen Unterhaltsanspruch von 51,9 % des Regelbetrages der 1. Altersstufe nach § 2 Nr. 1 RegelbetragVO.

b) Zeitraum vom 01.02.2007 bis 30.06.2008

Für diesen Zeitraum ist zu berücksichtigen, dass der Kläger zu 1 ab 01.02.2007 in die 2. Altersstufe aufrückt, weshalb ihm nach der RegelbetragVO eigentlich ein monatlicher Unterhaltsanspruch in Höhe von 222,00 Euro zustünde. Demnach ergibt sich im Rahmen einer Mangelfallberechnung folgender monatlicher Unterhaltsanspruch des Klägers zu 1:

284,15 Euro : (222,00 Euro + 2 x 183,00 Euro =) 588,00 Euro x 222,00 Euro = 107,28 Euro, aufgerundet 108,00 Euro

Dies entspricht einer monatlichen Unterhaltsrente in Höhe von 48,6 % des Regelbetrages der 2. Altersstufe nach § 2 Nr. 2 RegelbetragVO.

c) Zeitraum vom 01.07.2008 bis 31.01.2013

Am 01.07.2008 rücken auch die Kläger zu 2 und 3 in die 2. Altersstufe auf. Unter Berücksichtigung dessen errechnet sich folgender monatlicher Unterhaltsanspruch für den Kläger zu 1:

284,15 Euro : (3 x 222,00 Euro =) 666,00 Euro x 222,00 Euro = 94,72 Euro, aufgerundet 95,00 Euro

Dies entspricht einem monatlichen Unterhaltsbetrag von 42,7 % des Regelbetrages der 2. Altersstufe nach § 2 Nr. 2 RegelbetragVO.

d) Zeitraum vom 01.02.2013 bis 30.06.2014

Ab 01.02.2013 rückt der Kläger zu 1 in die 3. Altersstufe auf, während die Kläger zu 2 und 3 sich immer noch in der 2. Altersstufe der RegelbetragVO befinden. Im Rahmen der vorzunehmenden Mangelfallberechnung ermittelt sich mithin folgender monatlicher Unterhaltsanspruch des Klägers zu 1:

284,15 Euro : (262,00 Euro + 2 x 222,00 Euro =) 706,00 Euro x 262,00 Euro = 105,45 Euro, aufgerundet 106,00 Euro

Das entspricht einer monatlichen Unterhaltsrente in Höhe von 40,4 % des Regelbetrages der 3. Altersstufe nach § 2 Nr. 3 RegelbetragVO.

e) Zeit ab dem 01.07.2014

Ab 01.07.2014 befinden sich sämtliche Kläger in der 3. Altersstufe. Unter Beachtung dessen errechnet sich für den Kläger zu 1 folgender monatlicher Kindesunterhaltsanspruch:

284,15 Euro X (3 x 262,00 Euro = ) 786,00 Euro x 262,00 Euro = 94,72 Euro, aufgerundet 95,00 Euro

Das entspricht einer monatlichen Kindesunterhaltsrente in Höhe von 36,2 % des Regelbetrages der 3. Altersstufe nach § 2 Nr. 3 RegelbetragVO.

2. Kindesunterhaltsansprüche der Kläger zu 2 und 3, beide geboren am 10.07.2002

Für die Kläger zu 2 und 3 errechnen sich jeweils monatliche nachstehende Unterhaltsrenten:

a) Zeitraum vom 01.07.2003 bis 31.01.2007

284,15 Euro : (3 x 183,00 Euro =) 549,00 Euro x 183,00 Euro = 94,72 Euro, aufgerundet 95,00 Euro

Das entspricht einer monatlichen Unterhaltsrente in Höhe von 51,9 % des Regelbetrages der 1. Altersstufe nach § 2 Nr. 1 RegelbetragVO für jeden dieser beiden Kläger.

b) Zeitraum vom 01.02.2007 bis zum 30.06.2008

284,15 Euro : (222,00 Euro + 2 x 183,00 Euro = ) 588,00 Euro x 183,00 Euro = 88,43 Euro, aufgerundet 89,00 Euro

Das entspricht einer monatlichen Kindesunterhaltsrente in Höhe von 48,6 % des Regelbetrages der 1. Altersstufe nach § 2 Nr. 1 RegelbetragVO für jeden der beiden jüngsten Kläger.

c) Zeitraum vom 01.07.2008 bis 31.01.2013

284,15 Euro : (3 x 222,00 Euro =) 666,00 Euro x 222,00 Euro = 94,72 Euro, aufgerundet 95,00 Euro

Das entspricht einer monatlichen Unterhaltsrente in Höhe von 42,7 % des Regelbetrages der 2. Altersstufe nach § 2 Nr. 2 RegelbetragVO für die beiden jüngsten Kläger.

d) Zeitraum vom 01.02.2013 bis zum 30.06.2014

284,15 Euro : (1 x 262,00 Euro + 2 x 222,00 Euro = ) 706,00 Euro x 222,00 Euro = 89,35 Euro, aufgerundet, 90,00 Euro

Das entspricht einer monatlichen Kindesunterhaltsrente in Höhe von 40,5 % des Regelbetrages der 2. Altersstufe nach § 2 Nr. 2 RegelbetragVO für jeden der beiden Kläger zu 2 und 3.

e) Zeit ab dem 01.07.2014

284,15 Euro : (3 x 262,00 Euro =) 786,00 Euro x 262,00 Euro = 94,72 Euro, aufgerundet 95,00 Euro

Das entspricht einer monatlichen Unterhaltsrente von 36,2 % des Regelbetrages der 3. Altersstufe nach § 2 Nr. 3 RegelbetragVO für jeden der beiden jüngsten Kläger.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.

Danach waren die Kosten des Rechtsstreits entsprechend dem jeweils annähernd hälftigen Obsiegen und Unterliegen der Parteien gegeneinander aufzuheben.

IV.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils entspricht den §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO in Verb. mit § 713 ZPO und § 26 Nr. 9 EGZPO.

Die in § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO gesetzlich definierten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision sind nicht erfüllt.

Ende der Entscheidung

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