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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 12.12.2002
Aktenzeichen: 14 WF 185/02
Rechtsgebiete: ZPO, GKG


Vorschriften:

ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 3
ZPO § 127 Abs. 4
ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 1
ZPO §§ 569 ff.
GKG § 11 Abs. 1
Hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO liegt für die Rechtsverfolgung schon dann vor, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt der antragstellenden Partei aufgrund ihrer Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht mindestens von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Es muss also aufgrund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage möglich sein, dass die antragstellende Partei mit ihrem Begehren durchdringen wird, wobei die Anforderungen an die rechtlichen und tatsächlichen Erfolgsaussichten nicht überspannt werden dürfen.

Deshalb darf hinreichende Erfolgsaussicht nicht verneint werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage schwierig und nicht eindeutig geklärt ist.

Die Frage, ob es sich bei den Kosten einer Konfirmation oder einer Klassenfahrt um Sonderbedarf eines Kindes im Sinne des § 1613 BGB handelt, ist in der Rechtsprechung streitig.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

14 WF 185/02 OLG Naumburg

In dem Prozesskostenhilfeverfahren

hat der 14. Zivilsenat - 3. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg durch die Richterin am Oberlandesgericht Hahn als Vorsitzende, den Richter am Oberlandesgericht Materlik und die Richterin am Landgericht Ewald am

12. Dezember 2002

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Wernigerode vom 12.09.2002, Az.: 11 F 1365/02, abgeändert.

Der Antragstellerin wird ratenfreie Prozesskostenhilfe für die erste Instanz unter Beiordnung von Rechtsanwalt H. aus W. zu ihrer Vertretung bewilligt.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Die gemäß den §§ 127 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den ihr Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des Amtsgerichts Wernigerode vom 12.09.2002, Az.: 11 F 1365/02 (Bl. 21 bis 23 d. A.), ist begründet.

Denn das Amtsgericht hat zu Unrecht das Vorliegen der Voraussetzungen, unter welchen einer Partei Prozesskostenhilfe gemäß den §§ 114, 115 ZPO zu bewilligen ist, verneint. Das Rechtsmittel der Antragstellerin führt dazu, ihr für ihre beabsichtigte Klage auf Erstattung der anlässlich der Konfirmation bzw. Klassenfahrten der gemeinsamen minderjährigen Kinder angefallenen Kosten in Höhe von 213,64 Euro unter dem Gesichtspunkt des Sonderbedarfs Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

Hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO liegt für die Rechtsverfolgung schon dann vor, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt der antragstellenden Partei aufgrund ihrer Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht mindestens von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 23. Aufl., § 114, Rdnr. 19). Es muss also aufgrund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage möglich sein, dass die antragstellende Partei mit ihrem Begehren durchdringen wird, wobei die Anforderungen an die rechtlichen und tatsächlichen Erfolgsaussichten nicht überspannt werden dürfen (vgl. Zöller/Philippi, a.a.O., Rdnr. 19).

Hier hat die Antragstellerin im Sinne der für die im Prozesskostenhilfeverfahren im oben näher bezeichneten Umfang erforderliche, jedoch auch ausreichende summarisch-prognostische Prüfung der Erfolgsaussichten hinreichend schlüssig dargelegt, dass ihr der begehrte Sonderbedarf zustehen könnte. Insbesondere ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass das Prozesskostenhilfeverfahren nicht dem Zweck dient, über zweifelhafte Rechtsfragen abschließend vorweg zu entscheiden. Deshalb darf hinreichende Erfolgsaussicht nicht verneint werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage schwierig und nicht eindeutig geklärt ist (vgl. Zöller/Philippi, a.a.O., Rdnr. 21 mit zahlreichen Nachweisen).

Die Frage jedoch, ob es sich bei den Kosten einer Konfirmation oder einer Klassenfahrt um Sonderbedarf eines Kindes im Sinne des § 1613 Abs. 2 BGB handelt, ist in der Rechtsprechung streitig (vgl. die Darstellung des Meinungsstandes bei Palandt/Diederichsen, BGB, 61. Aufl., § 1613, Rdnr. 20, 21). Daher wird das Amtsgericht im Hauptverfahren unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Einzelfalls zu prüfen haben, ob die geltend gemachten Aufwendungen als Sonderbedarf von dem Antragsgegner verlangt werden können oder nicht. Hierbei hat es auch die wirtschaftlichen Umstände beider Parteien zu beachten und konkret abzuwägen, ob im vorliegenden Fall der Sonderbedarf im Verhältnis zum laufenden Unterhalt außergewöhnlich hoch im Sinne des § 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist, wovon in der Regel bei sehr beengten finanziellen Verhältnissen, in denen der Mindestbedarf der Kinder mit dem laufenden Unterhalt lediglich annähernd gedeckt ist, auszugehen sein dürfte.

Nach alledem hat das Rechtsmittel der Antragstellerin in der Sache Erfolg und ist ihr für die erste Instanz Prozesskostenhilfe - aufgrund ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse ohne Anordnung von Ratenzahlungen - gemäß den §§ 114, 115 ZPO zu gewähren.

II.

Die Nebenentscheidung beruht auf § 11 Abs. 1 GKG, Anlage 1, KV Nr. 1956 und § 127 Abs. 4 ZPO.

Ende der Entscheidung

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