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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 26.02.2002
Aktenzeichen: 14 WF 19/02
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 284
BGB § 1605
ZPO §§ 91 ff.
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 93
ZPO § 93 d
ZPO § 114
ZPO § 115
ZPO § 276 Abs. 1
ZPO § 269 Abs. 3
1. In Unterhaltssachen verdrängt die Sondernorm des § 93d ZPO die allgemeinen Kostenvorschriften.

2. Der Beklagte gibt Anlass zur Klageerhebung, wenn er außergerichtlich nicht oder nicht vollständig Auskunft erteilt. Ob der Gläubiger seine Rechte danach als Leistungs- oder Stufenklage geltend macht ist für die Kostenentscheidung ohne rechtliche Relevanz.

3. Das Prozessergebnis ist letztlich nicht für die Anwendung des § 93d ZPO relevant, denn bewertet wird vorrangig des vorprozessuale Verhalten des Unterhaltsschuldners im Hinblick auf seine Mitwirkung an der außergerichtlichen Klärung etwaiger Unterhaltsansprüche durch bereit- und freiwillige Erteilung von Auskünften.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

14 WF 19/02 OLG Naumburg

In dem Familienrechtsstreit

hat der 14. Zivilsenat - 3. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg durch die Richterin am Oberlandesgericht Hahn als Einzelrichterin am

26. Februar 2002

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird die Kostenentscheidung in Ziffer 2 des Tenors des Anerkenntnisurteils des Amtsgerichts Wittenberg vom 03.01.2002, Az.: 4 F 510/01, wie folgt abgeändert:

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 158,92 Euro festgesetzt.

4. Der Klägerin wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsverpflichtung unter Beiordnung von Rechtsanwältin Sch. aus W. zu ihrer Vertretung bewilligt.

Gründe:

Die gemäß den §§ 99 Abs. 2 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 569 ZPO zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Klägerin ist auch begründet.

Denn das Amtsgericht hat zu Unrecht der Klägerin die Kosten des Verfahrens auferlegt.

Entgegen der zwar nicht ausdrücklich begründeten, jedoch sich offenkundig an § 93 ZPO orientierenden Auffassung des Amtsgerichts in der angefochtenen Kostenentscheidung kommt hier nämlich eine Anwendung des § 93 ZPO zu Gunsten des Beklagten nicht in Betracht. Vielmehr sind diesem die Verfahrenskosten gemäß § 93 d ZPO aufzuerlegen.

I.

Der Beklagte hat zwar, nachdem er mit Schriftsatz vom 13.08.2001 im Rahmen der von der Klägerin erhobenen Stufenklage seine Einkommenssituation betreffend den Zeitraum Juni 2000 bis Mai 2001 unter Vorlage von Gehaltsbescheinigungen dargelegt hat, den sodann von der Klägerin aufgrund der Auskunftserteilung mit Schriftsatz vom 29.08.2001 (Bl. 31 ff. d. A.) bezifferten, ihm am 19.11.2001 gemäß § 276 Abs. 1 ZPO im Rahmen des angeordneten schriftlichen Vorverfahrens zugestellten (Bl. 44 d. A.) Unterhaltsabänderungsantrag mit am 22.11.2001 (Bl. 47 d. A.) beim Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz sofort anerkannt (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 22. Aufl., § 93, Rdnr. 4).

Gleichwohl ist hier eine Kostenentscheidung nach § 93 ZPO zu Gunsten des Beklagten nicht veranlasst, da diese Norm in Unterhaltssachen durch die die allgemeinen Kostenvorschriften gemäß den §§ 91 ff. ZPO verdrängende Sonderregelung des § 93 d ZPO ausgeschlossen wird (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 91 a, Rdnr. 7 am Ende).

Danach können bei einem Verfahren, das die gesetzliche Unterhaltspflicht betrifft, die Kosten abweichend von den §§ 91 - 93 a ZPO und § 269 Abs. 3 ZPO der in Anspruch genommenen Partei nach billigem Ermessen ganz oder teilweise auferlegt werden, wenn sie dadurch Anlass zur Klage gegeben hat, dass sie der Verpflichtung, über ihre Einkünfte und ihr Vermögen Auskunft zu erteilen, nicht oder nicht vollständig nachgekommen ist. Der Gesetzeszweck indiziert, dass ein Auskunftspflichtiger regelmäßig die Kosten zu tragen hat, wenn er vorprozessual keine oder ungenügende Auskunft gegeben hatte, sodass das Klageverfahren eingeleitet werden musste, und er seine Unterlassung nicht hinreichend und nachgewiesen entschuldigen kann (vgl. Zöller/Herget, a.a.O., § 93 d, Rdnr. 2).

So liegt es hier.

Denn der Beklagte hat Veranlassung zur Klage gegeben, da er sich mit seiner Auskunftspflicht gemäß § 1605 BGB bereits vorgerichtlich in Verzug befunden hat, § 284 BGB. Er ist nämlich von der Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 13.06.2001 (Bl. 6 d. A.) unter Fristsetzung bis zum 22.06.2001 aufgefordert worden, Auskunft über seine Einkommensverhältnisse für die zurückliegenden zwölf Monate zu erteilen. Diesem Auskunftsverlangen ist er jedoch vorprozessual nicht nachgekommen. Vielmehr hat er erst mit Schriftsatz vom 13.08.2001 (Bl. 8 ff. d. A.) seine Einkommensverhältnisse mitgeteilt.

Damit steht fest, dass der Beklagte nicht in hinreichendem Maße vorgerichtlich Auskunft erteilt und daher Anlass zur Klageerhebung geboten hat, zumal nach dem von ihm nicht in Abrede gestellten Vortrag der Klägerin auch schon frühere außergerichtliche Bemühungen, Auskunft über das aktuelle Einkommen des Beklagten zu erlangen, mangels jedweder Reaktion ergebnislos verlaufen sind. Ferner ist überaus zweifelhaft, ob der Beklagte mit Schriftsatz vom 13.08.2001 überhaupt in hinreichendem Maße der ihm gegenüber der Klägerin, seiner minderjährigen Tochter, gemäß § 1605 BGB obliegenden Auskunftspflicht nachgekommen ist. Denn die Erteilung der Auskunft hat grundsätzlich durch Vorlage einer systematischen Aufstellung der erforderlichen Angaben zu erfolgen, die dem Berechtigten ohne übermäßigen Arbeitsaufwand die Berechnung des Unterhaltsanspruchs ermöglicht (vgl. BGH, NJW 1983, S. 2243; Palandt/Diederichsen, BGB, 61. Aufl., § 1605, Rdnr. 10). Von einer systematischen Aufstellung seiner Einkünfte kann aber hier nicht die Rede sein, da lediglich einzelne, näher nicht geordnete Gehaltsbescheinigungen und Kontoauszüge mit dem vorstehend genannten Schriftsatz übergeben worden sind.

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass das Prozessergebnis der Auskunft für die Anwendung des § 93 d ZPO nicht ausschlaggebend ist. Bewertet wird vielmehr vorrangig das vorprozessuale Verhalten des Unterhaltsschuldners im Hinblick auf seine Mitwirkung an der außergerichtlichen Klärung etwaiger Unterhaltsansprüche durch bereit- und freiwillige Erteilung von Auskünften über seine Einkünfte und sein Vermögen (vgl. Zöller/Herget, a.a.O., § 93 d, Rdnr. 3).

Nach alledem hält es der Senat gerechtfertigt, dem Beklagten gemäß § 93 d ZPO die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, unabhängig von der Frage, ob er nicht ohnehin auch im Sinne des § 93 ZPO Veranlassung zur Klageerhebung gegeben haben könnte, sodass eine Anwendung des § 93 ZPO zu seinen Gunsten ebenso ausscheiden würde.

II.

Die Kosten des sofortigen Beschwerdeverfahrens trägt der Beklagte gemäß § 91 Abs. 1 ZPO.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens entspricht der Beschwer der Klägerin durch die angefochtene Kostenentscheidung, nach welcher sie die Kosten des Rechtsstreits zu tragen gehabt hätte (= wegen der Wirkung der ihr gewährten Prozesskostenhilfe gemäß den §§ 122 Abs. 1 Nr. 1 und 3, 123 ZPO ausschließlich die Anwaltsgebühren des Beklagten, hier eine Prozessgebühr und eine Verhandlungsgebühr gemäß den §§ 31 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2, 35 BRAGO, bei einem gemäß § 17 Abs. 1 und Abs. 4 GKG zu ermittelnden Streitwert von 1.476,00 DM/754,67 Euro - 12 Monate laufender Unterhalt in Höhe der Differenz zwischen dem sich aus der abzuändernden Urkunde ergebenden Unterhaltsbetrag in Höhe von 400,00 DM und dem von der Klägerin ab dem 01.06.2001 begehrten von 523,00 DM, somit 123,00 DM x 12 Monate - unter Berücksichtigung des Ermäßigungssatzes/Ost von 10 %, somit 58,50 Euro x 2 zuzüglich Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer, insgesamt daher 158,92 Euro).

III.

Schließlich war der Klägerin gemäß den §§ 114, 115 ZPO ihrem Antrag entsprechend für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, da sie bedürftig im Sinne des Prozesskostenhilferechts und ihre sofortige Beschwerde erfolgreich ist.

Ende der Entscheidung

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