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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 18.12.2002
Aktenzeichen: 14 WF 225/02
Rechtsgebiete: BRAGO


Vorschriften:

BRAGO § 19
Grundsätzlich ist eine Festsetzung nach § 19 BRAGO abzulehnen, wenn der Antragsgegner außergebührenrechtliche Einwände "erhebt". Über die Begründetheit ist nicht im Festsetzungsverfahren zu entscheiden. Es ist daher weder eine nähere Substantiiertheit noch Schlüssigkeit dieser Einwendung zu verlangen.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

14 WF 225/02 OLG Naumburg

In dem Beschwerdeverfahren

betreffend die Vergütungsfestsetzung gemäß § 19 Abs. 1 BRAGO

hat der 14. Zivilsenat - 3. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg durch die Richterin am Oberlandesgericht Hahn als Vorsitzende, den Richter am Oberlandesgericht Materlik und die Richterin am Landgericht Ewald am

18. Dezember 2002

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss der Rechtspflegerin des Amtsgerichts - Familiengerichts - Quedlinburg vom 04.10.2002, Az.: 4 F 526/00, aufgehoben. Der Antrag des Antragstellers vom 08.05.2002 auf Festsetzung der Vergütung gegen die Antragsgegnerin als Auftraggeberin (§ 19 Abs. 1 BRAGO) wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.

3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.294,42 Euro festgesetzt.

Gründe:

1.

Die Antragsgegnerin wurde in dem Verfahren des Amtsgerichts - Familiengerichts - Quedlinburg, Az.: 4 F 526/00, von den minderjährigen Kindern ihres Lebensgefährten unter dem Gesichtspunkt des § 419 BGB a. F. auf Unterhalt in Anspruch genommen. Mit Schriftsatz vom 19.07.2000 (Bl. 165 d. A.) zeigte Rechtsanwalt C. W. , L. straße 10 , Q. , an, dass er die (hiesige Antragsgegnerin und dortige) Beklagte vertrete. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht Quedlinburg am 01.02.2001 (Bl. 196 d. A.) trat Rechtsanwalt W. für die Antragsgegnerin auf, das Verfahren 4 F 526/00 wurde durch übereinstimmende Erledigungserklärungen der Parteien in diesem Termin beendet. Das Amtsgericht entschied sodann über die Kosten des Verfahrens gemäß § 91 a Abs. 1 ZPO, der entsprechende Kostenbeschluss vom 22.02.2001 (Bl. 199, 200 d. A.), aufgrund dessen die jetzige Antragsgegnerin und damalige Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hatte, wurde Rechtsanwalt W. - ausweislich sowohl seines Kanzleistempels auf den jeweiligen Empfangsbekenntnissen als auch des Briefkopfes sämtlicher im Verfahren eingereichter Schriftsätze als Einzelanwalt tätig - am 28.02.2001 (Bl. 203 d. A.) zugestellt, ebenso wie der zugunsten der damaligen Kläger ergangene Kostenfestsetzungsbeschluss vom 16.07.2001, welcher jenem am 19.07.2001 (Bl. 212 d. A.) zuging.

Mit Schriftsatz vom 08.05.2002 (Bl. 234, 235 d. A.) hat der Antragsteller, Rechtsanwalt Tr. aus Q. , beantragt, anwaltliche Gebühren und Auslagen in Höhe von insgesamt 1.294,42 Euro gemäß § 19 Abs. 1 BRAGO gegen die Antragsgegnerin als Auftraggeberin festzusetzen. Als Briefkopf ist in diesem Schriftsatz Folgendes aufgeführt:

,,Rechtsanwälte T. Tr. & C. W. , L. straße 10 , Q. ", wobei am Rande unter dem Namen C. W. , Rechtsanwalt, der Zusatz ,,(bis 07.01.2002)" vermerkt ist (vgl. Schriftsatz vom 08.05.2002, Bl. 234 d. A.).

Nachdem das Amtsgericht der Antragsgegnerin Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt hat, hat die zuständige Rechtspflegerin mit Beschluss vom 04.10.2002 (Bl. 252 d. A.) antragsgemäß die Vergütung in Höhe von 1.294,42 Euro gemäß § 19 Abs. 1 BRAGO gegen die Antragsgegnerin festgesetzt. Hiergegen hat diese am 15.11.2002 (B1. 255 d. A.) Widerspruch eingelegt, welchen die Rechtspflegerin als sofortige Beschwerde gewertet und - nach ihrer Nichtabhilfeentscheidung vom 29.11.2002 (Bl. 256 d. A.) - dem Oberlandesgericht Naumburg vorgelegt hat.

II.

Der als sofortige Beschwerde auszulegende Widerspruch der Antragsgegnerin vom 16.10.2002, beim Amtsgericht eingegangen am 15.11.2002 (Bl. 255 d. A.), gegen den ihr am 13.11.2002 zugestellten (Bl. 254 d. A.) Beschluss der Rechtspflegerin des Amtsgerichts - Familiengerichts - Quedlinburg vom 04.10.2002 (Bl. 252 d. A.) ist nach den §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 ZPO, § 19 Abs. 2 Satz 3 BRAGO, §§ 11 Abs. 1, 21 Nr. 2 RPflG zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

Die mit dem angefochtenen Beschluss vom 04.10.2002 zugunsten des Antragstellers vorgenommene Vergütungsfestsetzung ist nämlich zu Unrecht erfolgt. Denn das Amtsgericht hätte die mit Schriftsatz des Antragstellers vom 08.05.2002 (Bl. 234, 235 d. A.) gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 BRAGO beantragte Kostenfestsetzung ablehnen müssen, da die Antragsgegnerin im Rahmen ihrer gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 BRAGO durchgeführten Anhörung Einwendungen erhoben hat, die ihren Grund nicht im Gebührenrecht haben (vgl. § 19 Abs. 5 Satz 1 BRAGO).

1. Die Antragsgegnerin hat geltend gemacht, sie habe an Rechtsanwalt W. , der sie nicht ,,verteidigt" habe, bereits eine Summe von mehr als 1.398,00 Euro gezahlt, im Übrigen kenne sie den Antragsteller, Rechtsanwalt Tr. gar nicht (vgl. Schreiben der Antragsgegnerin vom 18.06.2002, Bl. 239 d. A.). Ferner habe sie einen weiteren Betrag von 1.775,00 Euro auch schon an die Landeskasse Dessau geleistet (vgl. Schreiben der Antragsgegnerin, eingegangen am 31.07.2002, Bl. 247 d. A.). Schließlich verstehe sie ohnehin nicht, was sie mit den Kindern ihres Lebensgefährten, den Klägern im Hauptsacheverfahren des Amtsgerichts Quedlinburg, Az.: 4 F 526/00, überhaupt zu tun gehabt und dass sie keine Prozesskostenhilfe erhalten habe.

Hiermit hat die Antragsgegnerin Einwendungen geltend gemacht, die ihren Grund nicht im Gebührenrecht haben. Denn in ihnen ist einerseits der Vorwurf enthalten, dass sie im Hauptsacheverfahren als beklagte Partei nicht hinreichend über die mangelnde Erfolgsaussicht ihrer Rechtsverteidigung aufgeklärt und damit anwaltlich nicht ordnungsgemäß vertreten worden sein könnte. Andererseits hat die Antragsgegnerin nach ihren Angaben Zahlungen - neben denjenigen an die Gerichtskasse - von mehr als 1.300,00 Euro an ihren vormaligen Rechtsanwalt W. geleistet, ein Umstand, der auch von dem Antragsteller nicht in Abrede gestellt worden ist, sodass hier ggfs. der Erfüllungseinwand (§ 362 Abs. 1 BGB) - eine nähere Prüfung vorausgesetzt - in Betracht kommen dürfte.

Dass die vorstehend aufgeführten Einwände, aus denen sich möglicherweise ein Schadensersatzanspruch wegen einer pVV des Anwaltsvertrages bzw. die Erfüllung der anwaltlichen Gebührenansprüche herleiten lassen könnte, im Übrigen sämtlich ihren Grund nicht im Gebührenrecht haben, bedarf an sich keiner weiteren näheren Darlegung. Denn nicht gebühren-rechtlich ist jeder Einwand, der sich nicht nur gegen die Richtigkeit einzelner Ansätze, sondern gegen den Gebührenanspruch als solchen nach Grund und/oder Höhe richtet (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 31. Aufl., § 19 BRAGO, Rdnr. 52).

2. Unabhängig davon, ob diese Einwände der Antragsgegnerin schlüssig dargelegt oder überhaupt begründet sein könnten, hätte das Amtsgericht die beantragte Gebührenfestsetzung ablehnen müssen. Grundsätzlich ist nämlich nach § 19 Abs. 5 BRAGO eine beantragte Kostenfestsetzung immer schon dann abzulehnen, wenn der Antragsgegner derartige außergebührenrechtliche Einwendungen oder Einreden nur ,,erhebt". Da über die Begründetheit gerade nicht im Festsetzungsverfahren zu entscheiden ist, kann weder nähere Substantiiertheit noch Schlüssigkeit dieser Einwendungen verlangt werden.

Allerdings gilt dieser Grundsatz nicht bei einem Einwand, der offensichtlich aus der Luft gegriffen oder gänzlich haltlos und unverständlich ist (vgl. Senat, MDR 2001, 114; Hartmann, Kostengesetze, 31. Aufl., BRAGO, § 19 Rdnr. 56 und 57 m. w. N.). Nur ein solcher Einwand kann demgegenüber unbeachtet bleiben.

Das ist er aber nicht schon, wenn er unschlüssig oder widerlegt erscheint, denn über materiell-rechtliche Einwendungen soll im Vergütungsfestsetzungsverfahren auf keinen Fall entschieden werden (vgl. OLG Düsseldorf, Rechtspfleger 1994, 5. 82, 83; Hartmann, a.a.O., Rdnr. 57). Die Einwendung oder Einrede muss nur erkennen lassen, dass der Antragsgegner sie aus konkreten Umständen herleitet, die ihren Grund nicht im Gebührenrecht haben. So liegt es hier bei den oben näher aufgezeigten Einwendungen der Antragsgegnerin, die ihre Grundlagen im materiellen Recht haben könnten.

Dass daneben die weiteren Erwägungen der Antragsgegnerin, wie z. B. ihre Behauptung, dass Rechtsanwalt W. sie nicht verteidigt habe oder dass er ihrem Lebensgefährten gegenüber unentgeltlich tätig geworden sei, möglicherweise absurd und völlig aus der Luft gegriffen sind, ist demgegenüber nicht erheblich.

3. Aufgrund der in § 19 Abs. 5 BRAGO festgehaltenen gesetzgeberischen Intention, das Vergütungsfestsetzungsverfahren von Würdigungen der sachlichen Berechtigung der erhobenen Einwände ganz freizuhalten, sieht sich der Senat an einer abschließenden Bewertung der Behauptungen der Antragsgegnerin gehindert, auch wenn er es im Hinblick auf die Ausführungen der Antragstellerin im Beschwerdeschriftsatz vom 16.10.2002 für eher wahrscheinlich hält, dass letztlich der gegen jene erhobene Gebührenanspruch, sollte der Antragsteller Forderungsinhaber sein, berechtigt sein dürfte.

Denn abschließend sei noch bemerkt, dass insbesondere das Vorbringen der Antragsgegnerin, ihr sei der Antragsteller gänzlich unbekannt, nicht völlig aus der Luft gegriffen ist, wie dieser meint. Damit hat sie als juristischer Laie nämlich geltend gemacht, dass dem Antragsteller die begehrte Gebührenforderung nicht zustehen dürfte, anders ist ihr Vorbringen, sie kenne diesen gar nicht, bei verständiger Würdigung des Sachverhaltes nicht zu verstehen.

Gerade der letztgenannte Einwand ist aber nicht, wie der Antragsteller meint, völlig neben der Sache liegend, denn bis zur Beendigung des Hauptsacheverfahrens ist der Antragsgegnerin gegenüber ausschließlich Rechtsanwalt W. , den sie auch als Einzelanwalt mandatiert hat, aufgetreten. Ob daher dem Antragsteller der etwaige Vergütungsanspruch des Rechtsanwaltes W. , den dieser offensichtlich - zumindest ausweislich der sich aus der Akte ergebenden Hinweise - vor dem Zusammenschluss der Anwaltssozietät Tr. /W. aufgrund des Anwaltsvertrages mit der Antragsgegnerin erarbeitet hat, überhaupt zusteht oder von ihm geltend gemacht werden kann, ist nämlich nicht frei von Zweifeln.

Zwar steht grundsätzlich der Vergütungsanspruch den Sozien zur gesamten Hand zu, da es sich bei einer Sozietät von Rechtsanwälten in der Regel (falls keine Partnerschaft oder GmbH vorliegt) um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff. BGB) handelt (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 61. Aufl., § 705, Rdnr. 49 mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs). Das gilt jedoch nicht für solche Vergütungen, die ein Sozius vor dem Zusammenschluss erarbeitet hat, weil es hierfür einer besonderen Vereinbarung zwischen den Rechtsanwälten bedarf (vgl. BGH, NJW-RR 1987, 5. 1137). An einer solchen fehlt es hier. Denn ob der Antragsteller aufgrund einer gesonderten - schriftlichen oder mündlichen - Vereinbarung mit Rechtsanwalt W. , der nicht mehr in der Kanzlei und/oder Sozietät des Antragstellers tätig ist, berechtigt sein könnte, dessen Vergütungsansprüche geltend zu machen, ist der Akte - jedenfalls bislang - nicht zu entnehmen.

Der angefochtene Beschluss des Amtsgerichts Quedlinburg vom 04.10.2002 war nach alledem aufzuheben und der Antrag des Antragstellers auf Vergütungsfestsetzung gemäß § 19 Abs. 1 BRAGO gegen die Antragsgegnerin vom 08.05.2002 zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Der Wert des Beschwerdeverfahrens war gemäß den §§ 14, 12 Abs. 1 GKG, § 6 ZPO in Höhe der streitgegenständlichen Gebühren von 1.294,42 Euro festzusetzen.

Ende der Entscheidung

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