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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 21.12.2004
Aktenzeichen: 14 WF 227/04
Rechtsgebiete: ZPO, RVG, BRAGO


Vorschriften:

ZPO § 568 Satz 2 Nr. 2
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 569
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 3
ZPO § 121 Abs. 3
ZPO § 78
ZPO § 91 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 91 Abs. 2 Satz 2
RVG § 46 Abs. 1
BRAGO § 126
Nach der Grundsatzentscheidung des BGH (FamRZ 2003, 524) kann eine auswärtige Partei an ihrem Wohn- oder Geschäftsort einen Prozessbevollmächtigte bestellen. Eine Einschränkung der Beiordnung ist nur dann zulässig, wenn absehbar ist, dass die mit der Beiordnung eines auswärtigen Anwalts notwendigerweise verbundenen Reisekosten wesentlich höher sind als die Kosten eines vor Ort beauftragten Unterbevollmächtigten.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

14 WF 227/04 OLG Naumburg

In dem Prozesskostenhilfeverfahren

...

hat der 14. Zivilsenat - 3. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg, nach Übertragung der Sache vom Einzelrichter auf das Beschwerdegericht gemäß § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO, durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Deppe-Hilgenberg, die Richterin am Oberlandesgericht Hahn und den Richter am Oberlandesgericht Materlik am 21. Dezember 2004 beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Wernigerode vom 29.09.2004, Az.: 11 F 1213/04, teilweise abgeändert und der Antragstellerin für die erste Instanz ratenfreie Prozesskostenhilfe unter uneingeschränkter Beiordnung von Rechtsanwältin F. aus G. zu ihrer Vertretung bewilligt.

2. Eine Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren ist nicht entstanden. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO in Verb. mit § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen gemäß § 569 ZPO in Verb. mit § 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 04.11.2004 (Bl. 21, 22 d. A.) gegen den ihr Prozesskostenhilfe zwar grundsätzlich, jedoch nur unter eingeschränkter Beiordnung ihrer Verfahrensbevollmächtigten zu den Bedingungen einer ortsansässigen Anwältin bewilligenden Beschluss des Amtsgerichts Wernigerode vom 29.09.2004 (Bl. 16, 17 d. A.), zugestellt am 03.11.2004 (Bl. 20 d. A.), hat in der Sache Erfolg.

Gemäß § 121 Abs. 3 ZPO kann zwar ein nicht bei einem Prozessgericht zugelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen. Nachdem mittlerweile allerdings seit geraumer Zeit jeder an einem Amts- oder Landgericht zugelassene Rechtsanwalt erstinstanzlich gemäß § 78 ZPO postulationsfähig ist, kann und darf auch eine ihre Belange vernünftig und kostenbewusst wahrnehmende Partei für das zur Verfolgung ihrer Interessen notwendige persönliche Beratungsgespräch mit einem Rechtsanwalt den für sie einfacheren und nahe liegenden Weg wählen, einen an ihrem Wohnort ansässigen Rechtsanwalt mit der Übernahme des Mandats zu beauftragen (eingehend dazu BGH, FamRZ 2003, 441, 443 r. Sp. sub 2 b bb). Eine allenfalls in besonders gelagerten Ausnahmefällen in Betracht kommende Ausnahme von diesem Grundsatz ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich und kann insbesondere wegen der für eine rechtsunkundige Partei generell nicht überschaubaren Weiterungen bzw. Schwierigkeiten eines Rechtsstreites nicht aus einem - hier ohnedies nicht gegebenen - einfach gelagerten Sachverhalt hergeleitet werden.

Die vom Bundesgerichtshof (vgl. hierzu grundlegend BGH, FamRZ 2003, 441, sowie ergänzend BGH, FamRZ 2003, 524 und 1088) in gefestigter Rechtssprechung im Rahmen des § 91 Abs. 2 Satz 1 und 2 ZPO grundsätzlich bejahte Frage, ob die auswärtige Partei an ihrem Wohn- oder Geschäftsort einen Prozessbevollmächtigten beauftragen und dessen Gebühren und Auslagen gemäß § 91 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz ZPO erstattet verlangen kann, muss zutreffenderweise auch im Rahmen der Prozesskostenhilfe mittels zweckgerichteter Auslegung des § 121 Abs. 3 ZPO wie auch des § 126 BRAGO ebenfalls positiv beantwortet werden.

Wenn die Antragstellerin also von vornherein, da zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig, einem Prozessbevollmächtigten an ihrem Wohnort die abschließende Wahrnehmung des Mandats hat übertragen können, ohne prozessual kostenrechtliche Nachteile befürchten zu müssen, sind folgerichtig auch die Reisekosten des Rechtsanwalts zur auswärtigen Terminswahrnehmung grundsätzlich als notwendig und damit als erstattungsfähig im Rahmen der Prozesskostenhilfebeiordnung anzusehen, wie sich jetzt auch aus der Neuregelung des § 46 Abs. 1 RVG ableiten lässt.

Eine Einschränkung der Beiordnung eines auswärtigen Rechtsanwalts im Prozesskostenhilfeverfahren zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts ist damit nach der insoweit im Rahmen des § 126 BRAGO a. F. auch entsprechend anwendbaren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Regelung des § 91 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz ZPO allenfalls dann noch möglich, wenn absehbar ist, dass die mit der Beiordnung eines auswärtigen Anwaltes notwendigerweise verbundenen Reisekosten deutlich höher sind als die Kosten eines vor Ort beauftragten Unterbevollmächtigten. Allein dafür bestehen im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte.

II.

Die - rein deklaratorische - Entscheidung zu den Gerichtskosten ergibt sich aus Nr. 1811 des Kostenverzeichnisses der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG, wonach nur im Falle der Zurückweisung oder Verwerfung einer Beschwerde im Verfahren über die Prozesskostenhilfe eine Gebühr anfällt.

Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet im Beschwerdeverfahren zur Prozesskostenhilfe gemäß § 127 Abs. 4 ZPO generell nicht statt.



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