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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 30.06.2004
Aktenzeichen: 14 WF 64/04
Rechtsgebiete: ZPO, HausratsVO, FGG, BGB


Vorschriften:

ZPO § 606 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 620
ZPO § 620 a
ZPO § 620 a Abs. 2
ZPO § 620 b
ZPO § 620 c
ZPO § 620 c Satz 1
ZPO § 620 d
ZPO § 620 e
ZPO § 620 f
ZPO § 620 g
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 3
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 7
ZPO § 621 a Abs. 1 Satz 1
ZPO § 621 g Satz 1
ZPO § 621 g Satz 2
ZPO § 621 g
ZPO § 644
HausratsVO § 11 Abs. 4 a. F.
FGG § 19
BGB § 1684 Abs. 2 Satz 2
BGB § 1684 Abs. 2 Satz 1
BGB § 1684 Abs. 4 Satz 1
BGB § 1684 Abs. 4 Satz 2
Ergeht in einem isolierten FGG-Verfahren aufgrund mündlicher Verhandlung eine einstweilige Anordnung, ist hiergegen die sofortige Beschwerde zulässig, denn nach § 621g ZPO finden die Vorschriften der §§ 620a ff ZPO nur entsprechende Anwendung.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

14 WF 64/04 OLG Naumburg

In der Familiensache

betreffend das Umgangsrecht

...

hat der 14. Zivilsenat - 3. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Deppe-Hilgenberg, den Richter am Landgericht Kawa und den Richter am Oberlandesgericht Materlik am 30. Juni 2004

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Beschwerde des Amtsvormundes und der Verfahrenspflegerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Wittenberg, Az.: 5 F 463/02 UG, vom 19. März 2004 aufgehoben.

2. Der Antrag des Kindesvaters auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgewiesen.

3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen nach einem Streitwert von 500,-- Euro dem Kindesvater zur Last.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten im Beschwerdeverfahren über das dem Kindesvater im Rahmen eines selbständigen, Anfang Juli 2002 eingeleiteten Umgangsrechtsverfahrens mittels einstweiliger Anordnung des Amtsgerichts vom 19. März dieses Jahres (Bl. 147/148 Bd. II d. A.) ab dem 7. April wöchentlich sonnabends von 15.00 Uhr bis 17.00 Uhr gewährte Recht zum Umgang mit dem minderjährigen, am 25. August 1999 in L. nichtehelich geborenen Kind C. F. , nachdem zuvor mit Beschluss des Amtsgerichts vom 30. September 2003 (Bl. 9 Sonderheft betr. einstweilige Anordnung zum Umgang) ein diesbezüglicher Antrag des Kindesvaters vom 21. Januar 2003 abgewiesen worden war.

Einen Tag nach der Geburt gab die leibliche Kindermutter, K. C. F. , das Kind zur Adoption frei und erklärte erstmals mit notarieller Urkunde vom 01. November 1999 ihre - zwischenzeitlich (im Hinblick auf § 1750 Abs. 4 Satz 2 BGB) am 24. September 2002 wiederholte - Einwilligung zur Adoption durch die Pflegeeltern R. und H. B. , bei denen sich das - (gemäß § 1751 Abs. 1 Satz 2 BGB) kraft Gesetzes unter der Vormundschaft des Jugendamtes stehende - Kind seit dem 29. August 1999 aufhält. Die Einwilligung des Vaters in die Adoption wurde durch Beschluss des Vormundschaftsgerichts Wittenberg vom 28. Dezember 2001, Az.: 14 XVI 16/99, ersetzt, nachdem der Senat durch rechtskräftig gewordenen Beschluss vom 20. Juni 2001, Az.: 14 UF 52/01, den Antrag des Kindesvaters auf Übertragung des Sorgerechts abgewiesen hatte. Das vom Kindesvater gegen die Entscheidung des Vormundschaftsgerichts beim Landgericht Dessau, Az.: 8 (9) T 47/02, angestrengte Beschwerdeverfahren ist durch Beschluss des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts vom 24. Juli 2003, Az.: 10 Wx 9/02 bzw. 11/02, bis zur rechtskräftigen Entscheidung des mittlerweile ebenfalls in der Beschwerdeinstanz beim Oberlandesgericht, Az.: 14 UF 60/04, anhängigen, neuerlich vom Kindesvater angestrengten Sorgerechtsverfahrens (Az.: 5 F 741/02 - AG Wittenberg) ausgesetzt worden.

Erst im Oktober 1999 hatte der Kindesvater, infolge vorheriger Trennung von der Kindesmutter, von der Geburt seines Kindes und dessen Adoptionsfreigabe seitens der Mutter erfahren. Die Vaterschaft wurde aufgrund seiner Klage mit sog. Teilurteil des Amtsgerichts Wittenberg vom 20. Juni 2000, rechtskräftig seit dem 08. August 2000, gerichtlich festgestellt.

Der Beschluss des Amtsgerichts Wittenberg vom 09. März 2001, demzufolge antragsgemäß die elterliche Sorge für den Jungen auf den Kindesvater übertragen worden war, wurde auf Beschwerde des Jugendamtes des Landkreises W. als Amtsvormund durch Beschluss des Senats vom 20. Juni 2001, Az.: 14 UF 52/01, aufgehoben und der Antrag des Kindesvaters, ihm die elterliche Sorge zu übertragen, zurückgewiesen. Zugleich wurde von Amts wegen das Umgangsrecht zwischen dem Kindesvater und dem Jungen aus Gründen des Kindeswohls bis zum 30. Juni 2002 ausgeschlossen.

Eine gegen den Senatsbeschluss gerichtete Verfassungsbeschwerde des Kindesvaters wurde vom Bundesverfassungsgericht gemäß Beschluss vom 31. Juli 2001 einstimmig nicht zur Entscheidung angenommen.

Demgegenüber entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit Urteil vom 05. Februar 2004, Az.: 74969/01 (Auszug: Bd. II, Bl. 114 - 121 d. A., und Bd. III, Bl. 48 - 49 d. A.), dass sowohl die vom Senat am 20. Juni 2001 getroffene Sorgerechtsentscheidung als auch der Ausschluss des Umgangsrechts zwischen dem Kindesvater und seinem nichtehelichen Sohn eine Verletzung von Artikel 8 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) darstelle.

Aufgrund dieser Entscheidung hat das Amtsgericht - Familiengericht - Wittenberg einerseits mit Beschluss vom 19. März 2004 im Parallelverfahren zum Sorgerecht, Az.: 5 F 741/02 SO (Bd. II, Bl. 195 ff. jener Akte), antragsgemäß unter Abänderung der Sorgerechtsentscheidung des Senats vom 20. Juni 2001 dem Kindesvater das alleinige Sorgerecht übertragen und andererseits, unter Bezugnahme auf die Gründe des Sorgerechts-Beschlusses und dem angeblich rund zwei Jahre zurückliegenden letzten Umgang zwischen Vater und Sohn, zugleich mit weiterem Beschluss vom 19. März 2004 (Bd. II, Bl. 147/148 d. A.) in dem hier streitgegenständlichen Umgangsverfahren mit Wirkung ab dem 3. April 2004 eine einstweilige Anordnung zum Umgang, jeweils samstags für zwei Stunden bis zum rechtskräftigen Abschluss des Sorgerechtsverfahrens, erlassen.

Gegen diese - durch Beschluss des Senats vom 30. März 2004 (Bl. 182/183 Bd. II d. A.) außer Vollzug gesetzte - einstweilige Anordnung richten sich die Beschwerden des Amtsvormundes (Bd. II, Bl. 158 - 163 d. A.) und der Verfahrenspflegerin (Bd. II, Bl. 168 - 171 d. A.), die allesamt der Meinung sind, der Umgang zwischen dem Kind und dem Kindesvater laufe dem Kindeswohl zuwider, sodass die einstweilige Anordnung aufzuheben sei.

Der Kindesvater meint, die - ohnedies auch in der Sache unbegründeten - Beschwerden seien bereits nicht statthaft und deshalb als unzulässig zu verwerfen. Er beantragt darüber hinaus, den Beschluss des Senats vom 30. März 2004 aufzuheben sowie ihm bis zum rechtskräftigen Abschluss des Sorgerechtsverfahrens einstweilen den Umgang mit C. an jedem Sonnabend in der Zeit von 15.00 Uhr bis 17.00 Uhr zu gewähren und für die ersten Termine die Diplom-Sozialpädagogin K. Fr. zur Umgangspflegerin zu bestellen (Bl. 42 Bd. III d. A.).

II.

Die Beschwerden des Amtsvormundes und der Verfahrenspflegerin gegen den das Umgangsrecht im Wege der einstweiligen Anordnung regelnden Beschluss des Amtsgerichts Wittenberg vom 19. März 2004 sind sowohl zulässig (1) als auch in der Sache begründet (2).

1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig und insbesondere, was einzig problematisch sein kann, auch gemäß § 620 c Satz 1 in Verb. mit § 621 g Satz 2 ZPO statthaft.

a) Wenn, wie hier, ein eigenständiges Verfahren zur Regelung des Umgangs mit einem Kind nach § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO anhängig ist, kann das Gericht gemäß § 621 g Satz 1 ZPO auf Antrag Regelungen im Wege der einstweiligen Anordnung treffen. Die §§ 620 a bis 620 g ZPO gelten insoweit nach § 621 g Satz 2 ZPO entsprechend, sodass auch die eine sofortige Beschwerdemöglichkeit gegen einstweilige Anordnungen aufgrund mündlicher Verhandlung eröffnende Regelung des § 620 c Satz 1 ZPO Anwendung, und zwar, notabene, entsprechende Anwendung findet. Das bedeutet, die zu Recht aus Gründen der Verfahrenskonzentration streitgegenständlich gemäß § 620 c Satz 1 ZPO beschränkte Beschwerdebefugnis im Rahmen eines originären Ehesachen- bzw. Scheidungsverbundverfahrens gemäß § 620 a Abs. 2 in Verb. mit § 606 Abs. 1 Satz 1 ZPO mit den weitreichenden Möglichkeiten einstweiliger Anordnungen verschiedenster Provenienz nach Maßgabe des § 620 ZPO kann mangels Vergleichbarkeit der prozessualen Gegebenheiten - deren es für eine entsprechende Heranziehung bedurft hätte - keine Geltung beanspruchen bei der entsprechenden Anwendung im Rahmen einer eigenständig geltend gemachten FGG-Sache gemäß § 621 g Satz 2 ZPO, wo von vornherein nur eine einstweilige Anordnung zur jeweiligen Hauptsache selbst und nicht, wie bei einer Ehesache, gleichsam x-beliebige einstweilige Anordnungen zu anderen Streitgegenständen in Betracht kommen ( a. A. Philippi, in: Zöller, ZPO, 24. Aufl., 2004, § 621 g Rdnr. 5).

Diese dem Wortlaut und dem prozessökonomisch bestimmten Zweck der nur entsprechende Anwendung findenden Norm verpflichtete Gesetzesauslegung findet eine nachdrückliche Bestätigung in der Gesetzeshistorie und den nichts Gegenteiliges verlauten lassenden Gesetzesmaterialen zur gleichsam en passant mit Art. 4 Nr. 7 des so genannten Gewaltschutzgesetzes vom 11. Dezember 2001 (BGBl. I, S. 3513, 3515) zum 1. Januar 2002 neu in die Zivilprozessordnung eingefügten Regelung des § 621 g ZPO. Denn bis dahin waren, auch bei den Anordnungen nach § 11 Abs. 4 HausratsVO a. F. (vgl. Brudermüller, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, 3. Aufl., 1998, § 11 HausratsVO, Rdnr. 10), die praeter legem als vorläufige Anordnungen ergangenen Eilmaßnahmen zu selbständigen Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit mittels unbefristeter Beschwerde nach § 19 FGG in Verb. mit § 621 a Abs. 1 Satz 1 und § 621 Abs. 1 Nr. 1, 2, 3 oder 7 ZPO uneingeschränkt anfechtbar. Dass mit der gesetzlichen Neuregelung als einstweilige Anordnung außer der befristeten Möglichkeit der Beschwerde auch, bei einem Teil der FGG-Sachen jedenfalls, die Beschwerdemöglichkeit generell nach Maßgabe des § 620 c Satz 1 ZPO ausgeschlossen werden sollte, ist weder anhand der Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 14/5429, S. 23, 34) feststellbar noch bei einer sachgerechten Auslegung im Lichte der Entstehungsgeschichte annehmbar. Die Möglichkeit der einstweiligen Anordnung in selbständigen FGG-Sachen sollte lediglich, entsprechend der bisherigen Praxis in der Rechtsprechung, in erweiterter und einheitlicher Form positiviert (Finger, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 2. Aufl., Aktualisierungsband, 2002, § 621 Rdnr. 2, 4; BT-Drs. 14/5429, S. 23, 34) und das dagegen gerichtete Rechtsmittel befristet, aber nicht, wie bei der hier in Frage stehenden Umgangssache, partiell - in sachwidriger und von daher untauglicher Analogie zum vollen Regelungsgehalt des § 620 c Satz 1 ZPO - von vornherein ausgeschlossen werden.

b) Unbeschadet jener grundsätzlichen Erwägungen zur Beschwerdebefugnis nach § 621 g ZPO - Entsprechendes wird auch im Falle des gesetzessystematisch konkordant heranziehbaren § 644 ZPO zu erwägen sein - muss jedenfalls in den Fällen, wo, wie hier, die vorläufige Regelung zum Umgangsrecht im Wesentlichen mit der Übertragung des Sorgerechts gerechtfertigt wird - das Amtsgericht nimmt in der angefochtenen Entscheidung vollen Umfanges auf die Sorgerechtsentscheidung vom gleichen Tage Bezug (Bl. 148 Bd. II d. A.) - , ob des untrennbaren Sachzusammenhanges zwischen Sorge- und Umgangsrechtentscheidung auch die zugleich aufgrund mündlicher Verhandlung ergehende einstweilige Anordnung zum Umgangsrecht nach § 620 c Satz1 ZPO, zumindest im Verein mit der hier allenfalls eine entsprechende Anwendung anordnenden Regelung des § 621 g Satz 2 ZPO, der befristeten Beschwerde unterliegen.

c) Schließlich ergibt sich auch bei prinzipiell strikter Anwendung des § 620 c Satz 1 ZPO im Rahmen des § 621 g ZPO eine Anfechtungsmöglichkeit mittels befristeter Beschwerde daraus, dass die Entscheidung des Amtsgerichts ohne den nach § 621 g Satz 1 ZPO für eine einstweilige Anordnung zum Umgang nach § 621 Abs. 1 Nr. 2 ZPO unabdingbaren Antrag ergangen ist (ebenso nam. Sedemund-Treiber, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, 4. Aufl., 2003, § 620 c ZPO, Rdnr. 8).

Der ursprüngliche Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist mit Beschluss des Amtsgerichts vom 30. September 2003 abgewiesen worden. Der mit Schriftsatz vom 01. März 2004 (Bd. II, Bl. 110 d. A.) lediglich angekündigte Hilfsantrag für den Fall, dass das Amtsgericht das Umgangsrechtsverfahren noch nicht als endgültig entscheidungsreif ansehen sollte, ist ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 15. März 2004 - wo nur noch auf "den Antrag vom 01.03.2004" verwiesen und "beim Antrag" verblieben wird (Bd. II, Bl. 145/146 d. A.) - gerade nicht mehr gestellt worden.

Die ohne notwendigen Antrag ergangene Entscheidung des Amtsgerichts zum Umgangsrecht unterliegt mithin, unabhängig von ihrer sachlichen Richtigkeit oder Unrichtigkeit, prozessual dem Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde.

2. Die statthafter- und zulässigerweise angefochtene Anordnung des Amtsgerichts zum Umgangsrecht erweist sich auch in der Sache mangels Regelungsbedürfnisses für eine nicht beantragte Eilmaßnahme nach rund eindreivierteljähriger Verfahrensdauer auch unter Berücksichtigung der zwischenzeitlichen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) als ungerechtfertigt, sodass auf die begründete Beschwerde des Amtsvormundes und der Verfahrenspflegerin die Beschluss-Anordnung des Amtsgerichts vom 19. März 2004 aufzuheben war.

a) Mittels einstweiliger Anordnung kann gemäß § 621 g Satz 1 ZPO in Verb. mit § 621 Abs. 1 Nr. 2 ZPO eine Umgangsregelung nur "auf Antrag" getroffen werden. Da es an diesem gleichermaßen konstitutiven wie unabdingbaren Erfordernis, wie bereits ausgeführt, fehlt bzw. gefehlt hat, entbehrt die gleichwohl ohne Antrag erlassene Beschluss-Anordnung des Amtsgerichts ihrer prozessual notwendigen Grundlage. Dies gilt erst recht in Anbetracht dessen, dass bereits am 30. September 2003 der Antrag des Kindesvaters auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wegen der fortbestehenden Spannungen zwischen den Beteiligten und der unklaren Rechtslage abgewiesen worden war. Vor Erlass einer gegenteiligen Entscheidung, zumal nach fast eindreivierteljähriger Verfahrensdauer bei grundsätzlich unveränderter Fortgeltung der seinerzeit maßgeblichen Ablehnungsgründe, hätte auch bei Gewährleistung eines rechtsstaatlich fairen Verfahrens der Anspruch der Gegenseite auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in hinreichendem Maße beachtet werden müssen und nicht gleichsam Hals über Kopf, ohne Gelegenheit zur Stellungnahme, über einen nicht gestellten und allemal für die Gegenseite in der mündlichen Verhandlung nicht erkennbar gewordenen Antrag respektive Hilfsantrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung befunden werden dürfen.

b) Auch unbeschadet der fehlenden Antragstellung bestand in Anbetracht der nachgerade jahrelangen Verfahrensdauer und erst recht aufgrund der vorherigen Antragsablehnung aus nach wie vor sachlich unverändertem Grund per se kein Anlass mehr für eine ihrer Rechtsnatur gemäß als Eilmaßnahme des vorläufigen Rechtsschutzes fungierende einstweilige Anordnung, die auch nicht etwa von Amts wegen (c) oder infolge der Entscheidung des EGMR vom 5. Februar dieses Jahres (d) hätte ergehen müssen oder hätte ergehen dürfen.

c) Von Amts wegen kann das Familiengericht nach § 1684 Abs. 4 Satz 1 und 2 BGB lediglich, nötigenfalls auch im Wege der einstweiligen Anordnung, das Umgangsrecht aus Gründen des Kindeswohls einschränken oder ausschließen, wenn dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist.

Eine Gewährung des Umgangsrechts von Amts wegen ist hingegen generell ausgeschlossen und hätte auch allenfalls nur zum Wohle des - nach der Anhörung in erster Instanz (Bl. 53 Bd. II d. A.) allerdings voll in der Pflegefamilie integrierten und sich dort offensichtlich wohl fühlenden, ja sogar stolz über seine Familie berichtenden - Kindes, nicht aber im hier ausschließlich berührten Interesse des Kindesvaters angeordnet werden dürfen, der sich zudem - höchst kontraproduktiv, indes faktisch zugestandenermaßen (Bl. 155 - 165 Bd. I d. A.) - ab Mitte letzten Jahres ohne Rücksicht auf den Verfahrensablauf, die Proteste des Amtsvormundes und die Ablehnung der einstweiligen Anordnung seitens des Amtsgerichts wie auch unter Hinwegsetzung über die ihm gerade nach § 1684 Abs. 2 Satz 2 und 1 BGB obliegende Pflicht, alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zu den Pflegeeltern beeinträchtigen oder die Erziehung erschweren könnte, kontinuierlich unerwünscht, ja sogar in rechtswidriger Weise auf dem Grundstück der Pflegeeltern eingefunden und dort in Begleitung anderer Personen Observationen angestellt hat.

d) Der Erlass der einstweiligen Anordnung lässt sich auch nicht mit dem Anfang Februar dieses Jahres zugunsten des Kindesvaters ergangenen Urteil des EGMR rechtfertigen.

Zwar lässt sich der Entscheidung entnehmen, dass der seinerzeit im Juni 2001 angeordnete Ausschluss des Umgangs nach Ansicht des Gerichtshofs das Recht des Kindesvaters auf Achtung seines Familienlebens nach Art. 8 EMRK verletzt habe, und unter Ziffer 64 des Urteils (Bl. 48 Bd. III d. A.) ist ausgeführt, dass sich die Bundesrepublik Deutschland als beteiligter Vertragsstaat gemäß Art. 46 EMRK verpflichtet habe, den Urteilen des EGMR Folge zu leisten, was hier bedeute, dass durch geeignete Maßnahmen zur Anpassung der Rechtsprechung dem Kindesvater zumindest das Recht auf Umgang zu ermöglichen sei. Doch bindet dieser Urteilsspruch unmittelbar nur die Bundesrepublik Deutschland als Völkerrechtssubjekt, nicht aber deren Organe oder Behörden und namentlich nicht die Gerichte als nach Art. 97 Abs. 1 GG unabhängige Organe der Rechtsprechung. Die Wirkung des Urteilsspruchs erschöpft sich mithin de iure und de facto, vorbehaltlich einer innerstaatlichen Gesetzesänderung, in der Feststellung und Sanktionierung einer in der Vergangenheit nach Ansicht des EGMR liegenden Rechtsverletzung, sodass einem wie immer zu wertenden, jedenfalls für die Gerichte unverbindlichen Ausspruch hinsichtlich einer künftig nach Ansicht des Gerichtshofs hierzulande gesetzlich gebotenen Änderung des Umgangs- und Sorgerechtes nichtehelicher Väter ebenso wenig Bedeutung, geschweige denn bindende Wirkung zukommt wie die Entscheidung selbst ohne Einfluss auf die Rechtskraft der beanstandeten Entscheidung bleibt (s. dazu unlängst Glauben, Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, in: DRiZ 2004, 129, 131).

Weder die Europäische Menschenrechtskonvention noch das Grundgesetz verpflichten dazu, einem Urteil des EGMR, in dem festgestellt wird, dass die Entscheidung eines deutschen Gerichts unter Verletzung der Konvention zustande gekommen sei, eine die Rechtskraft dieser Entscheidung beseitigende Wirkung oder die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens gebietende Bedeutung beizumessen (BVerfG, NJW 1986, 1425; BVerwG, NJW 1999, 1649 f.). Nach Art. 46 EMRK sind die Vertragsstaaten verpflichtet, sich nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu richten. Der EGMR kann jedoch Hoheitsakte der Vertragsstaaten nicht aufheben; seine Urteile haben nur feststellende, aber keine kassatorische Wirkung (BVerwG, a.a.O.).

Da in der Bundesrepublik die Europäische Menschenrechtskonvention im Jahre 1952 lediglich kraft einfachen Zustimmungsgesetzes Eingang in die deutsche Rechtsordnung gefunden hat, rangieren die dort normierten Rechte unterhalb der Verfassung bzw. des Grundgesetzes. Funktionell ist der EGMR im Verhältnis zu den Gerichten der Mitgliedsstaaten kein höherrangiges Gericht, weshalb die nationalen Gerichte weder bei der Auslegung der Menschenrechtskonvention noch bei der Auslegung nationaler Grundrechte an dessen Entscheidung gebunden sein können. Sie unterliegen lediglich der immanenten Kontrolle des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, ZöRV 46, S. 289 ff.), das ebenso wie der Senat in der Vergangenheit keinen grundrechts- oder menschenrechtsrelevanten Verstoß in dieser Sache zu sehen vermochte.

Unbeschadet dessen hat sich allein infolge des zwischenzeitlichen Zeitablaufs von mehr als drei Jahren seit der vom EGMR inkriminierten Entscheidung aus dem Jahre 2001 der maßgebliche Sachstand ebenso wie die materielle und prozessuale Rechtslage mit dem zwischenzeitlich in zweiter Instanz ausgesetzten Adoptionsverfahren und dem neuerlich vom Kindesvater angestrengten Sorgerechtsverfahren nachhaltig verändert, sodass auch von daher eine irgendwie geartete Bindung an die ohnedies rein prozessuale Fragen des einstweiligen Rechtsschutzes nicht ventilierende noch überhaupt behandelnde Entscheidung des EGMR nicht gegeben sein kann.

III.

Der mit Schriftsatz vom 01. Juni 2004 (Bd. III, Bl. 42 d. A.) gestellte Antrag des Kindesvaters, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Sorgerechtsverfahrens eine einstweilige Umgangsregelung zu seinen Gunsten zu treffen, enträt der sachlichen Notwendigkeit, da in wenigen Tagen auch über die parallel laufende Sorgerechtsbeschwerde abschließend in zweiter Instanz befunden werden wird.

IV.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens findet, ausgehend von den §§ 620 g, 621 g Satz 2 und 1, 621 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, ihre Grundlage in § 96 ZPO.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf den §§ 14 Abs. 1 und 2, 12 Abs. 2 Satz 1 GKG in Verb. mit § 8 Abs. 3 Satz 1 BRAGO analog.

Die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof ist im Rahmen des einstweiligen Anordnungsverfahrens generell nicht eröffnet (BGH, FamRZ 2003, 92, 232; Sedemund-Treiber, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, 4. Aufl., 2003, § 620 c ZPO, Rdnr. 8), sodass sich eine Entscheidung zur Zulassung der Rechtsbeschwerde erübrigt.

Ende der Entscheidung

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