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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 27.06.2002
Aktenzeichen: 14 WF 83/02
Rechtsgebiete: GKG, ZPO


Vorschriften:

GKG § 5 Abs. 2
GKG § 5 Abs. 6
GKG § 8 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 286
ZPO § 144 Abs. 1
Die im Ermessen des Gerichtes stehende Beweisanordnung im Sinne des § 144 Abs. 1 ZPO setzt voraus, dass diese für eine sachgerechte Entscheidung unentbehrlich und insbesondere im Hinblick auf die durch ein schriftliches Sachverständigengutachten erfahrungsgemäß ausgelösten beträchtlichen Kosten auch angemessen und verhältnismäßig erscheint.

Die Anordnung ist jedenfalls ermessensfehlerhaft, wo ein entsprechender Beweisantrag der Partei nicht zulässig ist und z.B. als Ausforschungsbeweis zurückzuweisen wäre.

Hat eine Partei die Grundlagen des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens des Beklagten noch nicht schlüssig dargelegt und holt das Gericht dennoch ein Gutachten über das unterhaltsrechtlich relevante Einkommen ein, sind die Kosten nach § 8 GKG zu behandeln.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

14 WF 83/02 OLG Naumburg

In dem Beschwerdeverfahren

...

hat der 14. Zivilsenat - 3. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Deppe-Hilgenberg, die Richterin am Oberlandesgericht Hahn und den Richter am Landgericht Lentner am

27. Juni 2002

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Wernigerode vom 16.01.2002, Az.: 11 F 1394/96, abgeändert.

Die Gutachterkosten laut Rechnung des Rechtsanwalts/Steuerberaters N. U. vom 25.09.1998 werden niedergeschlagen.

Die Kostenrechnung - A 711 J - des Amtsgerichts Wernigerode vom 31.01.2000, Az.: 11 F 1394/96, EFNR 1224-257758-0, wird hinsichtlich der laufenden Nummer 2 betreffend den Betrag in Höhe von 2.309,40 DM (Zeugen- und Sachverständigenentschädigung) aufgehoben.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Die gemäß § 5 Abs. 2 GKG zulässige einfache Beschwerde (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 31. Aufl., § 8 GKG, Rdnr. 65) der Klägerin vom 06.02.2002 (Bl. 171 bis 174, Bd. II d. A.) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Wernigerode vom 16.01.2002 (Bl. 161 bis 163, Bd. II d. A.), ist in der Sache erfolgreich.

Denn entgegen der Auffassung des Amtsgerichts in dem angefochtenen Beschluss ist der Antrag der Klägerin vom 28.03.2000 (Bl. 111 bis 112, Bd. II d. A.), die Kosten des Rechtsanwalts N. U. gemäß seiner Rechnung vom 25.09.1998 (Bl. 148, 149, Bd. I d. A.) niederzuschlagen, begründet gewesen. Wegen unrichtiger Sachbehandlung durch das Amtsgericht sind nämlich diese in Höhe von 2.309,40 DM erstatteten Gutachterkosten gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG nicht zu erheben.

1. Zwar ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn die Einholung eines Sachverständigengutachtens von Amts wegen, also auch ohne einen entsprechenden Beweisantritt der Parteien, angeordnet wird (vgl. §§ 144 Abs. 1 Satz 1, 273 Abs. 2 Nr. 5 ZPO). So ist hier das Amtsgericht verfahren, als es mit Beweisbeschluss vom 19.06.1997 (Bl. 98, Bd. I d. A.) die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum unterhaltsrelevanten Einkommen des Beklagten für den Zeitraum 1993 bis 1995 angeordnet hat. Denn entsprechende Beweisanträge der Parteien haben nicht vorgelegen.

Allerdings setzt die im Ermessen des Gerichts stehende Beweisanordnung im Sinne des § 144 Abs. 1 ZPO voraus, dass diese für eine sachgerechte Entscheidung unentbehrlich und insbesondere im Hinblick auf die durch ein schriftliches Sachverständigengutachten erfahrungsgemäß ausgelösten beträchtlichen Kosten auch angemessen und verhältnismäßig erscheint (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 144, Rdnr. 1 und 2). Die Anordnung ist jedenfalls ermessensfehlerhaft, wo ein entsprechender Beweisantrag der Partei nicht zulässig und, z. B. als Ausforschungsbeweis, zurückzuweisen wäre oder das Gericht, ohne die Parteien darauf hinzuweisen, wegen einer nicht nachvollziehbaren Änderung der rechtlichen Beurteilung von der Verwertung des Beweisaufnahmeergebnisses oder gar von der Durchführung der Beweisaufnahme Abstand nimmt (vgl. Hartmann, a.a.O., § 8 GKG, Rdnr. 18, Stichwort: Beweisaufnahme).

So liegt es hier. Ausweislich der Akte hat nämlich das Amtsgericht Wernigerode vor Erlass des Beweisbeschlusses vom 19.06.1997 die Parteien nicht ansatzweise darüber aufgeklärt, dass es beabsichtige, ein Sachverständigengutachten zur Ermittlung des unterhaltsrelevanten Einkommens des Beklagten von Amts wegen einzuholen. Hätte aber eine der Parteien einen entsprechenden Beweisantrag gestellt, wäre ein solcher als reiner Ausforschungsbeweis zurückzuweisen gewesen, weil die Grundlagen des unterhaltsrelevanten Einkommens des Beklagten überhaupt noch nicht schlüssig dargelegt waren. Vielmehr hätte das Amtsgericht die Parteien hierüber aufklären und dafür Sorge tragen müssen (§ 139 ZPO), dass entsprechende Unterlagen des selbständigen Beklagten zur Akte gereicht worden wären. Entsprechende Hinweise an die Parteien sind jedoch nicht erteilt worden.

Die von Amts wegen mit Beschluss vom 19.06.1997 erfolgte Anordnung der Einholung eines Sachverständigengutachtens hätte bei richtiger Sachbehandlung durch das Amtsgericht schon unterbleiben müssen, weil es bei sorgfältiger und ordnungsgemäßer Prüfung der Sach- und Rechtslage erkannt hätte, dass eine solche Beweisaufnahme nicht nur für die Verschaffung der eigenen richterlichen Sachkunde nicht erforderlich gewesen ist, sondern darüber hinaus ausschließlich auf eine unzulässige Er- und Ausforschung des Einkommens des Beklagten hinauslaufen würde.

2. Hinzu kommt, dass es dem Amtsgericht im Hinblick auf die gerichtsbekanntermaßen durch die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens zu erwartenden hohen Kosten oblegen hätte, die Parteien, insbesondere die Klägerin, über dessen Erforderlichkeit oder Unentbehrlichkeit für die Entscheidungsfindung aufzuklären, zumal jene offensichtlich hiervon gerade nicht ausgegangen ist. Denn sie hatte das Einkommen des Beklagten aufgrund seiner spärlich erteilten Auskünfte zur Berechnung ihres Unterhaltsanspruchs bereits geschätzt.

Das gilt umso mehr, als das Amtsgericht, ohne die Parteien hierüber zu informieren, von sich aus mit Schreiben vom 23.09.1998 (Bl. 145, Bd. I d. A.) den Gutachtenauftrag gegenüber dem bestellten "Sachverständigen" U. wieder zurückgezogen hat, da "sich der Beklagte nicht auf die Beiziehung eines Gutachtens beruft und die Klägerin keine weiteren Anträge auf Auskunftserteilung stellt", und es daraufhin zu einer Gutachtenerstellung nicht mehr gekommen ist. Denn die zur Begründung der Abstandnahme von der Beweisaufnahme angeführten Umstände waren nicht neu aufgetreten, sondern hatten bereits zum Zeitpunkt der Beweisanordnung erkennbar vorgelegen.

Zumindest hätte aber das Amtsgericht vor der mit richterlicher Verfügung vom 11.01.1999 (Bl. 166, Bd. I d. A.) erfolgten Anweisung der mit Schreiben des Rechtsanwalts und Steuerberaters U. vom 25.09.1998 (Bl. 148, 149, Bd. I d. A.) in Rechnung gestellten Gebühren und Auslagen für rein vorbereitende Tätigkeiten in Höhe von 2.309,40 DM (!) deren Berechtigung im Sinne des ZSEG sorgfältig überprüfen müssen. Dass insofern die sachliche Richtigkeit, insbesondere der abgerechnete Stundenanfall, überhaupt einer Prüfung unterzogen worden ist, lässt sich jedenfalls der Akte nicht entnehmen.

3. Schließlich ergibt sich auch aus dem die erste Instanz beendenden Urteil des Amtsgerichts Wernigerode vom 10.11.1998 (Bl. 153 bis 160, Bd. I d. A.), dass die amtswegige Anordnung der Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Berechnung des unterhaltsrelevanten Einkommens des Beklagten vom 19.06.1997 überflüssig und entbehrlich gewesen ist. Denn offensichtlich hat sich das Amtsgericht - ohne Sachverständigenhilfe und ohne weitere eigene Ermittlungen - in der Lage gesehen, gemäß § 286 ZPO die unterhaltsrelevanten Grundlagen des Einkommens des beklagten Ehemannes zu schätzen.

Insbesondere dieser Verfahrensablauf belegt, dass von Anfang an das Amtsgericht bei sorgfältiger, richtiger Sachbehandlung unter Einbeziehung der Parteien aufgrund entsprechender richterlicher Hinweise sowie bei Erfüllung der gebotenen richterlichen Aufklärungspflichten (§ 139 ZPO) von der Anordnung der Einholung eines Sachverständigengutachtens hätte absehen müssen. Diese ist daher unrichtig und verfahrensfehlerhaft gewesen und hat zu Lasten der Klägerin Kosten in Form von Sachverständigengebühren ausgelöst, und zwar für ein letztlich überhaupt nicht erstelltes Gutachten.

Diese Kosten im Umfang von 2.309,40 DM wären aber bei richtiger Handhabung durch das Gericht nicht entstanden. Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG sind diese daher in erster Instanz nicht zu erheben bzw. niederzuschlagen.

Auf die Beschwerde der Klägerin war demnach der Beschluss des Amtsgerichts Wernigerode vom 16.01.2002, Az.: 11 F 1394/96, abzuändern und die ihr erteilte Kostenrechnung vom 31.01.2000 (Bl. III a, Bd. I d. A.) betreffend die laufende Nummer 2 über 2.309,40 DM ersatzlos aufzuheben.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 5 Abs. 6 GKG.

Ende der Entscheidung

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