Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 30.03.2006
Aktenzeichen: 2 U 127/05 (Lw)
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 596 Abs. 1
Hat der Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes am 15.05.2005 bestimmte landwirtschaftliche Nutzflächen aufgrund eines Pachtvertrages genutzt und hat er infolge der GAP-Reform unter Berücksichtigung dieser Flächen eine Betriebsprämie in Form von Zahlungsansprüchen erhalten, muss er diese Zahlungsansprüche bei Ende des Pachtverhältnisses nicht gemäß § 596 Abs. 1 BGB an den Verpächter übertragen.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

2 U 127/05 (Lw) OLG Naumburg

verkündet am: 30. März 2006

In der Landwirtschaftssache

hat der Senat für Landwirtschaftssachen des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Engel, die Richter am Oberlandesgericht Dr. Strietzel und Dr. Otparlik sowie die Landwirtin Gühne und den Landwirt Broszeit als ehrenamtliche Richter auf die mündliche Verhandlung vom 15.03.2006 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 20.09.2005 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgerichts - Magdeburg wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 20.09.2005 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgerichts - Magdeburg abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger folgende in der Gemarkung H. gelegenen Flurstücke zum 30.09.2008 geräumt herauszugeben: Flur 2, Flurstücke 112/30, 116/21, 27, Flur 3, Flurstücke 232, 647/231 sowie Flur 4, Flurstücke 103/56, 14, 27/1 und 131/56 mit einer Gesamtfläche von 36,2752 ha.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen, soweit die Anträge auf Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zur Übertragung sämtlicher Agrarförderrechte auf den Kläger abgewiesen worden sind (Klageanträge zu 2).

Gründe:

I.

Der Kläger hat von einer Erbengemeinschaft Pachtflächen erworben, welche diese bis zum 30.09.2008 an den Beklagen verpachtet hatte. Der Pachtvertrag enthält folgende Klausel: "Pachtabbrechung bei Eigenbedarf, Kündigungsfrist beträgt 6 Monate vor Jahresablauf". Gestützt auf diese Klausel kündigte der Kläger das Pachtverhältnis mit Schreiben vom 19.09.2004 zum 30.09.2005. Der Kläger nimmt den Beklagten auf Herausgabe der Pachtflächen zum jetzigen Zeitpunkt, hilfsweise zum 30.09.2008 in Anspruch. Den Hilfsantrag hat der Beklagte sofort anerkannt. Ferner begehrt der Kläger die Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet sei, die ihm im Rahmen der GAP-Reform zugeteilten Zahlungsansprüche bei Rückgabe der Flächen auf den Kläger zu übertragen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat der Räumungsklage nur im Hilfsantrag stattgegeben, weil die Eigenbedarfsklausel nach ständiger Rechtsprechung des Senats im Zweifel nur dem ursprünglichen Verpächter und nicht dem Erwerber zustehe. Dem Feststellungsantrag hat es stattgegeben und insoweit auf die seiner Auffassung nach vergleichbare Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verwiesen, wonach der Pächter nach dem Ende des Pachtvertrages die Zuckerrübenlieferrechte an den Verpächter übertragen muss. Hiergegen wenden sich die Berufungen beider Parteien.

Der Kläger meint, die Eigenbedarfsklausel sei ihrem Wortlaut nach nicht auf die Ausübung des Kündigungsrechts durch den ursprünglichen Verpächter beschränkt und beantragt,

das am 20.09.2005 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgerichts - Magdeburg in Ziff. 1 wie folgt abzuändern:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger folgende in der Gemarkung H. gelegenen Flurstücke geräumt herauszugeben: Flur 2, Flurstücke 112/30, 116/21, 27, Flur 3, Flurstücke 232, 647/231 sowie Flur 4, Flurstücke 103/56, 14, 27/1 und 131/56 mit einer Gesamtfläche von 36,2752 ha. und in Ziff. 2 wie folgt neu zu fassen:

2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger sämtliche Agrarförderrechte, welche dem Beklagten im Rahmen der sog. Entkoppelung der Agrarförderung auf Grund der Bewirtschaftung der in Ziff. 1 genannten Flächen zugeteilt werden, gegen Erstattung von Aufwendungen des Beklagten zu übertragen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen sowie (auf Berufung des Beklagten) das am 20.09.2005 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgerichts - Magdeburg dahingehend abzuändern, dass neben der Herausgabeklage im Hauptantrag auch der Feststellungsantrag abgewiesen wird.

Der Kläger beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt die vom Landwirtschaftsgericht vorgenommene Auslegung der Eigenbedarfsklausel. In Bezug auf den Feststellungsantrag vertritt er die Auffassung, dass nach EU-Recht - anders als bei den Zuckerrübenlieferrechten - nach dem Ende des Pachtverhältnisses keine Verpflichtung des Pächters zur Übertragung der im Rahmen der GAP-Reform erworbenen Zahlungsansprüche bestehe.

II.

Beide Berufungen sind zulässig. In der Sache hat lediglich die Berufung des Beklagten Erfolg.

1. Die Berufung des Klägers ist unbegründet, denn der Kläger konnte das Pachtverhältnis nicht auf Grund der Eigenbedarfsklausel vorzeitig beenden.

Wie das Landwirtschaftsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats eine in einem langfristigen Pachtvertrag enthaltene Eigenbedarfsklausel im Zweifel dahin auszulegen, dass das Kündigungsrecht nur dem ursprünglichen Verpächter, nicht aber demjenigen zusteht, der bei Veräußerung der Pachtsache in das Pachtverhältnis eintritt, denn andernfalls verlöre die Vereinbarung einer festen Vertragslaufzeit - ungewollt - erheblich an Bedeutung (vgl. Senat, AuR 2005, 93 f; bestätigt durch BGH, NL-BzAR 2005, 292 ff).

2. Die Berufung des Beklagten ist begründet, denn der Beklagte ist nicht verpflichtet, nach dem ordentlichen Ende der Pachtzeit die im Rahmen der GAP-Reform erworbenen Zahlungsansprüche gem. § 596 Abs. 1 BGB zu übertragen.

Ob eine derartige Verpflichtung besteht, ist allerdings umstritten.

a) Nach Auffassung der EU-Kommission, der Bundesregierung und eines Teils der Literatur (vgl. Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft in: Meilensteine der Agrarpolitik, Informationsbroschüre zur GAP-Reform, S. 22, Rz. 35; www.Verbraucherministerium.de; Stellungnahme vom 30.01.2006, abgedruckt in AuR 2006, 89 ff; Krüger/Schramm, NL-BzAR 10/2004, S. 403; Schmitte, MittBayNot 2004, 95, 97 f; Agrar- und Umweltrecht 2005, 80, 85; Krüger/Schmitte, AuR 2005, 84 ff; Studte, Land & Forst 2005, Heft 2, 48 f) besteht nach Pachtende aus folgenden Gründen kein Anspruch auf Übertragung der Zahlungsansprüche:

aa) Nach der GAP-Reform erhält ein landwirtschaftlicher Betriebsinhaber ab dem 01.01.2005 eine individuelle Betriebsprämie in Form von Zahlungsansprüchen, die zum Bezug von Direktzahlungen berechtigen. Die Zahlungsansprüche werden - unabhängig davon, ob er Eigentümer oder Pächter ist - dem Bewirtschafter zugewiesen (Art. 22 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 lit. a VO 1782/2003). Sie sind nicht mit der landwirtschaftlichen Nutzfläche akzessorisch verbunden. Vielmehr erhält der Antragsteller zwar eine der Hektarzahl seiner landwirtschaftlichen Nutzflächen zum 15.05.2005 entsprechende Anzahl von Zahlungsansprüchen (ein Zahlungsanspruch pro ha), deren spätere Aktivierbarkeit auch vom Nachweis der Bewirtschaftung einer entsprechenden Nutzfläche für einen 10-Monatszeitraum abhängig ist (Art. 44 Abs. 3 VO 1782/03, Art. 24 Abs. 2 VO 795/04; § 3 BetrPrämDVO). Dabei ist es aber irrelevant (vgl. Art. 44 Abs. 1 VO 1782/2003), welche landwirtschaftliche Nutzfläche zur Aktivierung der Zahlungsansprüche herangezogen wird (vgl. Krüger/Schramm, a.a.O., Schmitte, Agrar- und Umweltrecht 2005, 80, 82, 84). Die fehlende Flächenakzessorietät ergibt sich auch daraus, dass die Zahlungsansprüche unter Betriebsinhabern frei handelbar sind, d.h. auch ohne entsprechende Flächen veräußert werden können (Art. 46 VO 1782/03).

bb) Zudem bestehen die Zahlungsansprüche aus einem flächenbezogenen und einem betriebsindividuellen Betrag (§ 5 Abs. 3, Abs. 2 BetriebsprämiendurchführungsG), die beide untrennbar miteinander verbunden sind.

cc) Ferner wird es häufig der Fall sein, dass der Verpächter selbst keine landwirtschaftliche Tätigkeit mehr ausübt, sodass er kein Betriebsinhaber ist (Art. 2 lit. A VO 1782/2003), auf den Zahlungsansprüche übertragen werden können (vgl. Krüger/Schramm, a.a.O., S. 406; Krüger/Schmitte, AuR 2005, 84, 86; Studte, Land & Forst 2005, Heft 2, 48, 49).

dd) Stammen die Zahlungsansprüche im Einzelfall aus der nationalen Reserve, so ist ihre Übertragung für einen Zeitraum von fünf Jahren gem. Art. 42 Abs. 8 der VO 1782/2003 gänzlich ausgeschlossen, d.h. sie können dann auch nicht vom Pächter auf den Verpächter übertragen werden.

b) Anderer Auffassung nach sind die Zahlungsansprüche genauso zu behandeln, wie Milchreferenzmengen oder Zuckerrübenlieferrechte (vgl. Dehne, Wertermittlungsforum 2005, 126 ff, Jansen/Hannusch, AuR 2005, 245), bei denen eine Übertragungspflicht höchstrichterlich anerkannt ist (vgl. BGH, NJW 1997, 2316; NJW 2001, 2537 f). Teilweise wird die fehlende Flächenakzessorietät der streitgegenständlichen EU-Zahlungsansprüche in Abrede gestellt und behauptet, dass der Betrieb im Sinne der EU-rechtlichen Vorgaben identisch mit der beihilfefähigen Fläche sei (Jansen/Hannusch, AuR 2005, 245, 246). Jedenfalls seien aber auch die Milchreferenzmengen und die Zuckerrübenlieferquoten nicht flächenakzessorisch und frei handelbar. Sei der Verpächter kein Betriebsinhaber, könne er die Übertragung an einen Dritten verlangen (vgl. Dehne, Wertermittlungsforum 2005, 126, 127 f).

c) Der Senat schließt sich - wie er bereits in seinem Urteil 2 U 46/05 (Lw) angedeutet hat - der erstgenannten Auffassung an. Dies gebietet eine europarechtskonforme Auslegung des § 596 Abs. 1 BGB.

aa) Der wesentliche Unterschied der streitgegenständlichen Betriebsprämienregelung zur Milchquote und zu den Zuckerrübenlieferrechten besteht darin, dass bei der Milchquote nach Ablauf des Pachtverhältnisses eine ausdrückliche EU-rechtliche Zuweisung der Milchreferenzmenge an den Verpächter und bei den Zuckerrübenlieferrechten überhaupt keine EU-rechtliche Regelung besteht, wohingegen bei der Betriebsprämienregelung die Zuweisung der Prämien an den Betriebsinhaber ausdrücklich vom EU-Recht vorgegeben ist.

(1) Der EuGH hat zwar im Urteil vom 13.07.1989 in der Rechtssache 5/88 (Agrarrecht 1990, 118 f) dargelegt, dass die Milchquote bei Ablauf des Pachtvertrages dem Verpächter zuzuordnen ist. Dabei hat er jedoch aus einer Gesamtbetrachtung der damaligen Vorschriften, insbesondere Art. 7 Abs. 1 und Abs. 4 der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 und Artikel 5 der Verordnung (EWG) Nr. 1371/84 hergeleitet, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber die Milchreferenzmenge nach Ablauf des Pachtverhältnisses grundsätzlich dem Verpächter zukommen lassen wollte.

(2) Hinsichtlich der Zuckerrüben regelt die Verordnung (EG) Nr. 1260/2001 lediglich die Rahmenbedingungen für den Zuckerrübenkauf. Diese Regelungen betreffen allein das Verhältnis zwischen dem Hersteller von Zucker und dem Verkäufer von Zuckerrüben, also dem jeweiligen Betriebsinhaber. Die aus diesen Verträgen für den jeweiligen Betriebsinhaber "abgeleiteten" Zuckerrübenlieferrechte werden dagegen von der o.g. EG-VO gar nicht erfasst und geregelt.

(3) Die vorliegend streitgegenständlichen Betriebsprämien sind demgegenüber ausdrücklich nicht an die Flächen gebunden, sondern - unabhängig davon, ob er Eigentümer oder Pächter ist - dem Bewirtschafter zugewiesen und grundsätzlich frei handelbar. Insoweit wird auf die überzeugenden Ausführungen der herrschenden Auffassung verwiesen (siehe oben II. 2 a) aa).

bb) Bei dieser Sachlage würde die Gleichbehandlung der Betriebsprämien mit den Milchquoten und den Zuckerrübenlieferrechten das vorrangig vom Gemeinschaftsrecht vorgegebene Ziel der Entkoppelung, d.h. der Umwandlung der bisherigen produktionsgebundenen Direktzahlungen in eine einheitliche, nicht mehr produktionsgebundene Betriebsprämie (vgl. Ziff. 24 und 28 der Erwägungen zur VO 1782/2003) unterlaufen. Dem kann man auch nicht entgegenhalten, das Landpachtrecht sei Ausfluss des Eigentumsrechts und unterliege daher allein der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland (so aber Bremer/Sörgel/ Lüddecke, Land & Forst 2004, Heft 49, S. 56, 58), denn ansonsten wären die EU-rechtlichen Vorgaben weitgehend bedeutungslos.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 93, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 709 S. 2, 711 ZPO.

Der Senat hat die Revision hinsichtlich der Abweisung der Feststellungsanträge zugelassen, weil die Frage, ob die Zahlungsansprüche bei Pachtende auf den Verpächter zu übertragen sind, von grundsätzlicher Bedeutung ist. Zur Auslegung von sog. Eigenbedarfsklauseln durch den Senat hat der BGH hingegen bereits in seinem Urteil vom 05.11.2004 - LwZR 2/04 - Stellung genommen (NL-BzAR 2005, 292 ff), so dass insoweit eine - erneute - Zulassung der Revision nicht in Betracht kommt.

Ende der Entscheidung

Zurück