Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 28.02.2002
Aktenzeichen: 2 U 146/01
Rechtsgebiete: VOB/B, ZPO


Vorschriften:

VOB/B § 16
VOB/B § 9 Nr. 1
VOB/B § 9 Nr. 2
VOB/B § 8 Ziff. 2
ZPO § 91
ZPO § 711
ZPO § 708 Nr. 10
Auf Grund des besonderen Verhältnisses zwischen Abschlags- und Schlusszahlungsforderung beim Bauvertrag kann der Schlussrechnungseinwand im Scheckprozess dem Anspruch aus einem zur Erfüllung einer Abschlussforderung begebenen Scheck nicht entgegengehalten werden.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

2 U 146/01 OLG Naumburg

verkündet am: 28. Februar 2002

In dem Rechtsstreit

IM SCHECKPROZESS

...

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Richter am Oberlandesgericht Dr. Engel als Vorsitzenden, den Richter am Oberlandesgericht Grimm sowie den Richter am Landgericht Hachtmann auf die mündliche Verhandlung vom 13. Februar 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg - Kammer für Handelssachen - vom 23. Oktober 2001 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 42.600,60 Euro (= 83.319,54 DM) nebst Zinsen in Höhe von 2 % über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank, mindestens aber 6 % seit dem 28.06.2001 sowie Scheckunkosten in Höhe von 5,11 Euro (= 10,00 DM) und Scheckprovision in Höhe von 51,13 Euro (= 100,00 DM) zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Beklagten wird die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorbehalten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 54.000,00 Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt, im Scheckprozess klagend, Zahlung aus einem von der Beklagten ausgestellten Scheck.

Am 26.06.2001 stellte die Beklagte einen auf ihr Konto bei der O. -Sparkasse H. bezogenen Scheck über eine Schecksumme in Höhe von 83.319,54 DM aus. Der Scheck wurde zum Ausgleich einer Abschlagsrechnung für von der Klägerin erbrachte Straßenbauleistungen übergeben. Die Klägerin legte den Scheck am 28.06.2001 zur Zahlung vor, dieser wurde jedoch nicht eingelöst. Vorlegung und Nichteinlösung wurden auf dem Scheck vermerkt. Mit Beschluss des Amtsgerichts Stendal - Insolvenzgericht - vom 27.06.2001 wurde der Dipl.-Kaufmann F. L. zum vorläufigen Insolvenzverwalter für die Klägerin bestellt, der der Klageerhebung zugestimmt hat. Unter dem 31.07.2001 erstellte die Klägerin ihre Schlussrechnung. Mit Schreiben vom 08.08.2001 kündigte die Beklagte den Bauvertrag unter Hinweis auf § 8 Ziff. 2 VOB/B.

Die Klägerin begehrt nunmehr von der Beklagten Zahlung der Schecksumme sowie von Scheckzinsen, Scheckunkosten und Scheckprovision. Sie ist der Auffassung, die zwischenzeitliche Erstellung der Schlussrechnung für das Bauvorhaben stehe einer Geltendmachung des Anspruchs aus dem zur Begleichung der Abschlagsrechnung überreichten Scheck nicht entgegen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 83.319,54 DM nebst Zinsen in Höhe von 2 % über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank, mindestens aber 6 %, seit dem 28.06.2001 sowie Scheckunkosten in Höhe von 10,00 DM und Scheckprovision in Höhe von 100,00 DM zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hilfsweise hat die Beklagte beantragt,

ihr die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorzubehalten.

Die Beklagte hat sich im Urkundsverfahren darauf berufen, dass die Formalien des Art. 40 ScheckG nicht eingehalten seien. Dies ergebe sich daraus, dass die Zahlungsverweigerung auf dem Scheck - wie zwischen den Parteien unstreitig ist - nicht unterschrieben, sondern lediglich mit einem Namenskürzel versehen ist. Darüber hinaus hat sich die Beklagte darauf berufen, dass ihre Inanspruchnahme aus dem zur Begleichung einer Abschlagsrechnung überreichten Scheck nach Erstellung der Schlussrechnung nicht mehr zulässig sei.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass zwar die formalen Voraussetzungen für einen Rückgriff vorlägen, die Beklagte gegen den Anspruch aus dem Scheck aber einwenden könne, dass der Anspruch, zu dessen Erfüllung der Scheck begeben wurde, nicht mehr bestehe, da ein Auftragnehmer Abschlagszahlungen von dem Auftraggeber dann nicht mehr verlangen könne, wenn er wie hier bereits eine Schlussrechnung erstellt habe.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie vertritt die Auffassung, der Schlussrechnungseinwand könne dem abstrakten Scheckanspruch nicht entgegengehalten werden.

Die Klägerin beantragt - weiterhin im Scheckprozess klagend -,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Magdeburg - Kammer für Handelssachen - vom 23.10.2001 die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 83.319,54 DM nebst Zinsen in Höhe von 2 % über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank, mindestens aber 6 %, seit dem 28.06.2001 sowie Scheckunkosten in Höhe von 10,00 DM und Scheckprovision in Höhe von 100,00 DM zu zahlen;

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und begründet.

I.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Scheckanspruch aus Art. 12, 40 ScheckG zu.

1. Die Klägerin ist Inhaberin eines formgültig von der Beklagten ausgestellten Schecks. Entgegen der Auffassung der Beklagten sind die Rückgriffsvoraussetzungen des Art. 40 ScheckG erfüllt, insbesondere befindet sich auf dem Scheck ein wirksamer Nichteinlösungsvermerk gemäß Art. 40 Nr. 3 ScheckG. Für die Wirksamkeit des Vermerks nach Art. 40 Nr. 3 ScheckG ist erforderlich, dass er in schriftlicher Form erstellt wurde, datiert, auf den Scheck selbst gesetzt und aus ihm der die Nichtannahme Erklärende erkennbar ist (vgl. Baumbach/Hefermehl, WG, SchG , 22. Aufl. Rdnr. 4 zu Art. 40 SchG). Dagegen bedarf es keiner Unterschrift unter dem auf den Scheck gesetzten Vermerk über die Nichtzahlung. Für eine schriftliche Erklärung genügt, dass sich in dem Vermerk eine Namenszeichnung befindet, die eindeutig auf den Urheber des Vermerks hinweist (Baumbach/Hefermehl a.a.O. unter Hinweis auf OLG Hamm WM 95, 1101). Diese Voraussetzungen erfüllt der hier auf dem Scheck befindliche Zahlungsverweigerungsvermerk. Er enthält Vorlegungs- und Erklärungsdatum, lässt im Text die Sparkasse O. als Bezogene erkennen und ist mit einem - leserlich geschriebenen - Namenskürzel versehen. Damit ist auch die für die Sparkasse O. handelnde Person identifizierbar.

2. Dem Scheckanspruch steht auch keine urkundlich belegte Einwendung der Beklagten aus dem der Scheckbegebung zugrundeliegenden Vertragsverhältnis entgegen.

a) Dem Anspruch aus dem Scheck kann allerdings dann, wenn nichts anderes vereinbart ist, seitens des ersten Schecknehmers entgegengehalten werden, dass die Forderung aus dem Grundgeschäft, für die der Scheck erfüllungshalber begeben worden ist, noch nicht durchsetzbar sei (BGHZ 85, 346). Dies gilt nicht nur dann, wenn ein Erfüllungsanspruch nicht oder noch nicht besteht, sondern auch dann, wenn der Erfüllungsanspruch nicht mehr besteht (vgl. OLG Düsseldorf, OLGR Düsseldorf 1998, 343).

b) Indessen kann auf Grund des besonderen Verhältnisses zwischen Abschlags- und Schlusszahlungsforderung beim Bauvertrag der Schlussrechnungseinwand dem Anspruch aus einem zur Erfüllung des Anspruchs auf eine Abschlagszahlung begebenen Scheck zumindest im Scheckprozess nicht entgegengehalten werden. Zwar geht das Recht auf die Abschlagszahlung unter, wenn die Schlussrechnung übersandt ist oder die Voraussetzungen für die Erstellung einer Schlussrechnung wegen Fertigstellung des Bauwerks gegeben sind (Heiermann in: Heiermann/Riedel/Rusam, Handkommentar zur VOB, 9. Aufl., Rdnr. 9 a zu § 16 VOB/B m. w. N.). Der Übergang zur Schlussrechnung hat zur Folge, dass ein bereits fällig gewordener Anspruch auf Abschlagszahlung in dem fällig zu stellenden Schlusszahlungsanspruch aufgeht (Heiermann, a. a. O., BGH BauR 1985, 456, 457). Dem Werkunternehmer entsteht durch diese Sichtweise grundsätzlich kein unzumutbarer Nachteil, denn er kann eine etwa bereits eingereichte Klage auf Leistung der Abschlagszahlung auf eine Klage auf Zahlung der Schlussforderung umstellen (BGH ZfBR 1999, 98). Eine solche Klageänderung ist regelmäßig als sachdienlich anzusehen. Dem Auftragnehmer bleibt es hingegen verwehrt, bei Vorliegen der Voraussetzung für die Schlussrechnungserstellung weiter aus Abschlagsrechnungen vorzugehen, weil mit Abschluss der Arbeiten die Rechtfertigung dafür, den Auftraggeber mit einer Vielzahl von Einzelabrechnungen zu belasten weggefallen ist, und ihm zugemutet werden kann, abschließend abzurechnen und seinem Auftraggeber damit einen Überblick über die Gesamtwerklohnforderung zu verschaffen.

c) Diese Erwägungen rechtfertigen es aber nicht, dem Auftragnehmer bei Geltendmachung der Abschlagsforderung erlangte Vorteile rückwirkend wieder zu nehmen. Dementsprechend entfällt auch eine Verzinsung der Forderung in Höhe der berechtigten Abschlagsrechnung mit Schlussrechnungsreife nicht (Heiermann a. a. O.). In gleicher Weise müssen dem Auftragnehmer auch die Vorteile einer Scheckbegebung zur Begleichung einer Abschlagsforderung bei Schlusszahlungsreife erhalten bleiben (vgl. Heiermann a. a. O.; OLG Hamm NJW-RR 1998, 164).

d) Ein solches Ergebnis entspricht im Übrigen auch regelmäßig dem mutmaßlichen Willen der Beteiligten zum Zeitpunkt der Scheckbegebung. Der Auftraggeber erfüllt mit der Begebung eines Schecks zum Ausgleich der Abschlagsforderung seine werkvertragliche Verpflichtung, auch und gerade um den Unternehmer zur zügigen Fortsetzung und Fertigstellung der Arbeiten anzuhalten. Die Scheckbegebung enthält aus Sicht der Beteiligten dabei mehr als ein bloßes Zahlungsversprechen. Dem Werkunternehmer soll eine Möglichkeit zur Befriedigung seiner Abschlagsforderung gegeben werden, von der sich der Auftraggeber nicht ohne weiteres lösen kann und die eine zügige Durchsetzung ermöglichen soll. Im Vertrauen hierauf nimmt der Werkunternehmer den Scheck regelmäßig erfüllungshalber an, und er verhält sich seinerseits zunächst so, als habe der Auftraggeber bereits erfüllt. Die unterlassene Bezahlung einer fälligen Abschlagsrechnung würde den Auftragnehmer an sich nach § 9 Nr. 1 u. 2 VOB/B unter den dort genannten Voraussetzungen zur Arbeitsniederlegung und zur Kündigung des Werkvertrages berechtigen. Mit der Scheckbegebung sollen diese Folgen aus Sicht des Auftraggebers verhindert werden. Er begibt daher den Scheck, der den Unternehmer in die beschriebene günstige Rechtsposition versetzt, es diesem insbesondere ermöglicht, bei Nichteinlösung einen schnellen - zumindest vorläufigen - Titel gegen den Auftraggeber zu erlangen. Auch im Hinblick auf diese Wirkung akzeptiert der Werkunternehmer den Scheck "wie Bargeld", sieht von Maßnahmen gemäß § 9 VOB ab und ist bereit, in der vertragsgemäßen Leistungserbringung fortzufahren. Ließe sich der Anspruch aus dem Scheck mit Schlussrechnungsreife dagegen nicht mehr durchsetzen, so müsste der Unternehmer darauf bedacht sein, bis zur Klärung der Scheckeinlösung jeden weiteren erheblichen (Arbeits-)Aufwand zu vermeiden. Ein solches Verhalten widerspräche aber ersichtlich den Interessen auch des Auftraggebers. Nach dem mutmaßlichen Willen aller an der Scheckbegebung Beteiligten ist deshalb der Schlussrechnungseinwand zumindest im Scheckverfahren nicht zuzulassen.

3. Die von der Klägerin geltend gemachten Nebenansprüche ergeben sich aus Art. 45 ScheckG.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat sieht keine Veranlassung, die Revision zuzulassen, da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (s. § 543 Abs. 2 ZPO n. F.).

Ende der Entscheidung

Zurück