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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 28.06.2001
Aktenzeichen: 2 U 15/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 516
ZPO § 233
ZPO § 117
ZPO § 117 Abs. 2
ZPO § 236 Abs. 2
ZPO § 294
1. Ein Rechtsanwalt hat im Falle des Einsatzes eines Telefaxgerätes - wie sonst auch - Rechtsmittelschriften vor ihrer Absendung auf ihre Vollständigkeit und Richtigkeit zu prüfen.

2. Die Versendung von Rechtsmittelschriften hat er so zu organisieren, dass der Sendebericht mit den maßgeblichen Daten, insbesondere zur Anzahl der versandten Seiten, ausgedruckt und unverzüglich kontrolliert wird.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

2 U 15/01 OLG Naumburg

In dem Rechtsstreit

...

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Richter am Oberlandesgericht Dr. Engel als Vorsitzenden, den Richter am Oberlandesgericht Handke und den Richter am Landgericht Galler am 28. Juni 2001

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Berufungsverfahrens wird abgelehnt.

Gründe:

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung im Berufungsverfahren bietet keine hinreichende Erfolgsaussicht (§§ 114, 119 Abs.1 S.1 ZPO).

Die von dem Kläger beabsichtigte Berufung ist bereits unzulässig, weil das Prozesskostenhilfegesuch nicht entsprechend § 516 ZPO innerhalb eines Monats nach Zustellung des landgerichtlichen Urteils ordnungsgemäß bei Gericht eingegangen ist und deshalb keine Gründe für eine Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist gemäß § 233 ZPO bestehen.

1. Sämtliche vom Kläger im Berufungsrechtszug vorgenommenen Verfahrenshandlungen betreffen nicht das Rechtsmittel der Berufung selbst, sondern lediglich ein Prozesskostenhilfegesuch zu dessen Vorbereitung. Dies ergibt sich schon daraus, dass die die Berufung und Berufungsbegründung betreffenden Schriftsätze als bloße Entwürfe gekennzeichnet und von der Prozessbevollmächtigten nicht unterschrieben worden sind.

2. Die einmonatige Notfrist des § 516 ZPO, die aufgrund der am 23.01.2001 erfolgten Zustellung des landgerichtlichen Urteils am 23.02.2001 abgelaufen ist, gilt zwar nur für die Einlegung des Rechtsmittels der Berufung selbst. Für einen zur Vorbereitung dieses Rechtsmittels gestellten Prozesskostenhilfeantrag ist sie allerdings insoweit von Bedeutung, als einer bedürftigen Partei die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Rechtsmittelfrist nur dann gewährt werden kann, wenn sie innerhalb dieser Frist einen den gesetzlichen Anforderungen genügenden Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe eingereicht hat (BGH, BGHR ZPO § 233 Prozesskostenhilfe; BGH, BGHR ZPO § 117 Abs. 1 Bewilligungsantrag 3).

a) Der einen Tag vor Ablauf der Berufungsfrist am 22.02.2001 als Telefax eingegangene Prozesskostenhilfeantrag des Klägers genügte bei Ablauf der Frist diesen Erfordernissen nicht. Denn ihm war ausweislich des Eingangsstempels, der als öffentliche Urkunde den Beweis der Richtigkeit erbringt (vgl. u.a. BGH, MDR 1998, 57), keine für das Berufungsverfahren bestimmte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beigefügt. Die Vorlage einer solchen Erklärung nach § 117 ZPO ist jedoch Voraussetzung für einen den gesetzlichen Anforderungen genügenden Prozesskostenhilfeantrag. Denn wird für ein beabsichtigtes Rechtsmittel die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt, so muss grundsätzlich innerhalb der Rechtsmittelfrist eine den Anforderungen des § 117 Abs. 2 ZPO entsprechende, vollständig ausgefüllte Erklärung eingereicht werden (vgl. BGH, DB 1983, 1251; BGH, NJW-RR 1993, 451).

b) Dass der Kläger bereits im ersten Rechtszug eine undatierte Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abgegeben hat, reicht hier für die Einhaltung des § 117 ZPO nicht aus. Denn nur ausnahmsweise kann die Bezugnahme auf eine im früheren Rechtszug abgegebene ordnungsgemäße Erklärung genügen, wenn die Verhältnisse unverändert sind und dies bei der Bezugnahme deutlich gemacht wird (vgl. BGH, DB 1983, 1251; BGH, NJW-RR 1993, 451). Ein solcher Ausnahmefall ist hier indes nicht gegeben, weil der Kläger eine Bezugnahme in der Antragsschrift vom 22.02.2001 nicht erklärt, sondern ausdrücklich auf eine neue Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse verwiesen hat. Darüber hinaus fehlt auch die unverzichtbare persönliche Versicherung des Klägers, dass sich seine wirtschaftlichen Verhältnisse seit dem in der ersten Instanz zugrunde gelegten Zeitpunkt nicht verbessert haben.

c) Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, die von seinen Prozessbevollmächtigten sehr gut ausgebildete und seit 21 Jahren in seiner Kanzlei nicht fehlsam handelnde Angestellte I. D. habe am 22.02.2001 die von ihm unterschriebene Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zusammen mit dem Prozesskostenhilfeantrag und den Entwürfen der Berufungs- und Berufungsbegründungsschrift an das Oberlandesgericht übersandt.

aa) Zwar kann ein Rechtsanwalt die Kontrolle im Zusammenhang mit der Versendung von Telefaxen seinen Kanzleiangestellten übertragen und hat dabei lediglich sicherzustellen, dass sein Personal in der Lage ist, seine Anweisungen auszuführen und die technischen Einrichtungen richtig zu bedienen, und dass darüber hinaus die Versendung so organisiert ist, dass der Sendebericht mit den maßgeblichen Daten, insbesondere zur Anzahl der versandten Seiten ausgedruckt wird (vgl. u.a. Zöller-Greger, ZPO, 22. Aufl., § 233, Rn 23 "Telefax"). Daneben hat der Rechtsanwalt im Falle des Einsatzes eines Telefaxgerätes - wie sonst auch - Rechtsmittelschriften vor ihrer Absendung auf ihre Vollständigkeit und Richtigkeit zu prüfen (vgl. u.a. BGH, VersR 1986, 1209). Insbesondere hat er sich vor der Absendung davon zu überzeugen, dass den Schriftsätzen alle fristwahrenden Unterlagen und Anlagen beigegeben sind (vgl. BGH, NJW-RR 1998, 1361, 1362, unter I.). Kommt ein Schriftsatz dennoch nicht oder nicht vollständig beim Empfänger an, hat der Rechtsanwalt nach §§ 236 Abs. 2, 294 ZPO glaubhaft zu machen, dass er diese Verhaltenspflichten beachtet hat.

bb) Die von den Prozessbevollmächtigten in diesem Zusammenhang vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen ihrer Anstellten D. und F. vom 15.05.2001 reichen für die erforderliche Glaubhaftmachung nicht aus. Regelmäßig genügen für eine erfolgreiche Glaubhaftmachung keine eidesstattlichen Versicherungen, die lediglich auf die Angaben im Wiedereinsetzungsgesuch Bezug nehmen. Eidesstattliche Versicherungen sind mit eigener Sachdarstellung vorzulegen (vgl. BGH, NJW 1988, 2045). Diesen Voraussetzungen werden die vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen nicht gerecht. Sie erschöpfen sich allein in der Wiedergabe der Behauptung der Prozessbevollmächtigten des Klägers. Es fehlt jede eigene Sachverhaltsdarstellung über die von den Prozessbevollmächtigten an ihre Angestellten erteilten Anweisungen in dieser Sache, das Zusammenstellen der Unterlagen, das Bedienen des Faxgerätes und den Gesprächsinhalt über die Nachfrage beim Oberlandesgericht und die dort erhaltenen Auskünfte. Daneben fehlen jedwede Angaben dazu, ob und in welcher Weise die Prozessbevollmächtigten des Klägers die Vollständigkeit der Schriftsätze vor ihrer Absendung geprüft haben. Die eidesstattlichen Versicherungen begründen daher nicht die Überzeugung von der überwiegenden Wahrscheinlichkeit des vorgetragenen Geschehensablaufs (vgl. BGH, VersR 1976, 928 f).

cc) Gegen die sachliche Richtigkeit spricht vielmehr die dienstliche Äußerung der Justizsekretärin Sch. , die angegeben hat, eine Überprüfung des Empfangsberichtes der Poststelle habe ergeben, dass an diesem Tage 12 Seiten aus der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten des Klägers per Telefax versandt worden seien, wobei 3 Wiederholungen stattgefunden hätten, so dass insgesamt vier Seiten, nämlich der Prozesskostenhilfeantrag und die Entwürfe der Berufungs- und Berufungsbegründungsschrift, an das Oberlandesgericht übermittelt worden seien. Dies deckt sich auch mit den bei der Akte befindlichen Überstücken. Daher kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass die Erklärung des Klägers über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse am 22.02.2001 durch die Kanzlei der Prozessbevollmächtigten an das Gericht übersandt worden sind.

Hinzu kommt, dass den im Anschluss an das Telefax übermittelten Originalschriftsätzen eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ebenfalls nicht beigefügt war, was letzte Zweifel darüber ausräumt, dass diese zuvor nicht gefaxt worden sind.

3. Danach sprechen hier die gesamten Umstände für ein Vertreterverschulden, so dass bereits die nicht ausschließbare Möglichkeit des Verschuldens der Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entgegenstehen würde (vgl. u.a. BGH, VersR 1981, 959; BGH, VersR 1993, 401). Allerdings sind die eidesstattlichen Versicherungen sogar zur Gewissheit des Senates widerlegt.

Ende der Entscheidung

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