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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 30.07.2007
Aktenzeichen: 2 U 62/07 (Hs)
Rechtsgebiete: BetrAVG


Vorschriften:

BetrAVG § 2 Abs. 1 S. 1 letzter Halbs.
BetrAVG § 5 Abs. 2 S. 2
1. Für die Berechnung der Versorgungsbezüge eines ausgeschiedenen Arbeitnehmers aus betrieblicher Alterversorgung tritt an die Stelle des 65. Lebensjahres nach § 2 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz BetrAVG nur dann ein früherer Zeitpunkt, wenn dieser in der Versorgungsregelung als feste Altersgrenze vorgesehen ist. Das ist bei einem Pensionsvertrag, der die Möglichkeit vorsieht, vorzeitig in den Ruhestand zu treten und der für diesen Fall Rentenkürzungen regelt, nicht der Fall. Darin liegt lediglich die Bestimmung einer flexiblen Altersgrenze.

2. Zur Auslegung des § 5 Abs. 2 Satz 2 BetrAVG


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

2 U 62/07 (Hs)

In dem Rechtsstreit

...

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch die Richter am Oberlandesgericht Rüge und Dr. Otparlik sowie die Richterin am Oberlandesgericht Engelhard auf die mündliche Verhandlung vom 27.07.2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 27.03.2007 verkündete Urteil des Landgerichts Magdeburg abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.428,99 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.07.2005 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte i.H.v. 143.381 Euro auf Aufstockung einer kapitalisierten Betriebsrente in Anspruch, wobei sich der Rechtsstreit im Kern um die Auslegung der §§ 5 Abs. 2, 2 Abs. 1 S. 1 BetrAVG dreht.

Nach § 5 Abs. 2 BetrAVG dürfen Leistungen der betrieblichen Altersversorgung "durch Anrechnung oder Berücksichtigung anderer Versorgungsbezüge, soweit sie auf eigenen Beiträgen des Versorgungsempfängers beruhen, nicht gekürzt werden. Dies gilt nicht für Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, soweit sie auf Pflichtbeiträgen beruhen, sowie für sonstige Versorgungsbezüge, die mindestens zur Hälfte auf Beiträgen oder Zuschüssen des Arbeitgebers beruhen". Insoweit vertritt der Kläger den Standpunkt, die Beiträge oder Zuschüsse müssten von der Beklagten gezahlt worden sein. Die Beklagte meint hingegen, es reiche auch aus, wenn diese von einem anderen Arbeitgeber gezahlt worden seien.

Nach der in § 2 Abs. 1 S. 1 BetrAVG normierten ratierlichen Berechnung hat ein "ausgeschiedener Arbeitnehmer ... einen Anspruch mindestens in Höhe des Teils der ohne das vorherige Ausscheiden zustehenden Leistung, der dem Verhältnis der Dauer der Betriebszugehörigkeit zu der Zeit von Beginn der Betriebszugehörigkeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahrs entspricht; an die Stelle des 65. Lebensjahrs tritt ein früherer Zeitpunkt, wenn dieser in der Versorgungsregelung als feste Altersgrenze vorgesehen ist". Insoweit meint der Kläger, da man sich auf ein Ausscheiden bei Vollendung des 60. Lebensjahrs geeinigt habe, seien seine 96 Monate Betriebszugehörigkeit nur zu der Zeit von Beginn der Betriebszugehörigkeit bis zur Vollendung des 60. Lebensjahrs (159 Monate) ins Verhältnis zu setzen, womit sich eine für ihn günstigere Quote i.H.v. 60,38 % (96/159) ergebe. Die Beklagte vertritt demgegenüber die Auffassung, dass auf die Vollendung des 65. Lebensjahrs abzustellen sei, wodurch sich eine Quote i.H.v. 43,84 % (96/219) ergibt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Landgericht hat sich der Rechtsauffassung der Beklagten angeschlossen und die Klage dementsprechend abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er sein Klagebegehren in vollem Umfang weiterverfolgt. Der Kläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache nur in geringem Umfang Erfolg. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von noch 3.428,99 Euro. Die Ausführungen des Landgerichts sind im Wesentlichen zutreffend. Ergänzend ist lediglich auf Folgendes hinzuweisen:

1. Der Einwand des Klägers, bei der Berechnung des unverfallbaren Anspruchs (vgl. Bl. 37 Anlagenband) dürfe die Rente der BVV gem. § 5 Abs. 2 S. 1 BetrAVG nicht angerechnet werden, ist unberechtigt.

Dies gilt nach § 5 Abs. 2 S. 2 BetrAVG nämlich nicht für Renten aus Versorgungsbezügen, die mindestens zur Hälfte auf Beiträgen oder Zuschüssen des Arbeitgebers beruhen. Dass es insoweit unerheblich ist, von welchem Arbeitgeber diese erbracht wurden, ergibt sich nicht nur aus der vom Landgericht zitierten Kommentarstelle, sondern entspricht auch der Rechtsprechung des BAG (vgl. Urt. v. 30.04.1991, 3 AZR 291/90, Rn. 36, zitiert nach juris) sowie dem Sinn und Zweck des Gesetzes: Durch § 5 Abs. 2 S. 1 BetrAVG soll verhindert werden, dass der Arbeitgeber Maßnahmen der Eigenvorsorge des Arbeitnehmers ausnutzt und bei der Bemessung seiner Leistungen berücksichtigt (vgl. BAG, Urt. 08.12.1992, 3 AZR 121/92, Rn. 29, zitiert nach juris). Dies ist aber nicht zu befürchten, wenn die Rente aus Versorgungsbezügen mindestens zur Hälfte auf Beiträgen oder Zuschüssen der Arbeitgeberseite beruht (§ 5 Abs. 2 S. 2 BetrAVG), und zwar unabhängig davon, von welchem Arbeitgeber sie erbracht wurden.

2. Die Rente der Volksbank H. ist bei der Berechnung des unverfallbaren Anspruchs (vgl. Bl. 37 Anlagenband) nicht i.H. der jetzt gezahlten 1.153,55 Euro entsprechend dem Schreiben der Volksbank vom 28.10.2005 (Anlage K 7a) anzurechnen, sondern in der Höhe, die nach Vollendung des 65. Lebensjahres gezahlt worden wäre. Dies wären an sich 1.711,93 Euro, welche ausweislich des vom Kläger selbst vorgelegten Schreibens vom 07.02.2005 (Anlage B 5) vereinbarungsgemäß um 20 % auf 1.369,54 Euro reduziert worden sind; auf dieser Grundlage hat die Beklagte dann auch gerechnet.

3. Der zentrale Einwand des Klägers, wonach die Beklagte bei der sog. ratierlichen Berechnung nach § 2 Abs. 1 BetrAVG die tatsächliche Betriebszugehörigkeit (96 Monate) nicht zur Betriebszugehörigkeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres (219 Monate), sondern zur Betriebszugehörigkeit bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres (159 Monate) hätte ins Verhältnis setzen müssen, ist unzutreffend.

a) Dies wäre nur dann richtig, wenn der Pensionsvertrag vom 15.12.1994 eine frühere "feste Altersgrenze" als das 65. Lebensjahres vorsehen würde. Damit ist nicht die bloße Möglichkeit gemeint, vorzeitig in den Ruhestand zu treten, denn diese besteht gem. § 6 BetrAVG bereits ohne Rücksicht auf die in der Versorgungszusage festgelegte Altersgrenze und wird als "flexible Altersgrenze" von dieser unterschieden. Deshalb sind Versorgungszusagen, die für den Fall der vorzeitigen Pensionierung Rentenkürzungen vorsehen, nicht so zu verstehen, dass damit die regelmäßige Altersgrenze vorverlegt wird. Eine vorgezogene feste Altersgrenze ist vielmehr nur dann anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer zu einem bestimmten Zeitpunkt vor der Vollendung des 65. Lebensjahres in den Ruhestand treten können und bereits von diesem Zeitpunkt an seine ungekürzte Betriebsrente erhalten soll (BAG, BB 1984, 1749, 1750 = ZIP 1984, 1391). Der Begriff der festen Altersgrenze erfordert demnach einen festen vertraglich vorgesehenen Endtermin im vorgenannten Sinne (vgl. Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht-Steinmeyer, 6. Aufl. 2006, § 2 BetrAVG, Rn. 6, Rn. 56). Einen solchen Endtermin beinhaltet weder der in Abschn. I. (1) des Pensionsvertrages vom 15.12.1994 enthaltene Hinweis, wonach auch "nach Inanspruchnahme des vorgezogenen Altersruhegeldes" eine Altersversorgung gewährt wird, noch die in Abschn. IV geregelte Anrechnung von sonstigen Einnahmen; er ergibt sich auch nicht aus der Gesprächsnotiz vom 01.11.1994.

b) Die Ausführungen des Klägers im Schriftsatz vom 10.07.2007 rechtfertigen keine andere Beurteilung; insbesondere geben die vom Klägervertreter zitierten Entscheidungen BAG, DB 2001, 1887 ff und BAG, DB 2004, 1375 f, nichts für die Beantwortung der Frage her, was unter fester Altersgrenze i.S.d. § 2 Abs. 1 BetrAVG zu verstehen ist.

4. Auf Grund der Tatsache, dass der Kläger erst nach Vollendung des 60. Lebensjahres das Ruhegeld in Anspruch genommen hat, ist dieses gem. III. (4) des Pensionsvertrages allerdings nicht um 5 %, sondern nur um 4 % zu kürzen. Insoweit rechtfertigen die nach § 529 ZPO zu Grunde zu legende Tatsachen eine andere als die angefochtene Entscheidung, § 513 Abs. 1 Fall 2 ZPO.

5. Damit ergibt sich folgende Berechnung:

a) Berechnung des unverfallbaren Anspruchs:

aa) Betriebsrentenanspruch im Alter von 65 Jahren:

 Volles Ruhegehalt (17.613 DM x 12 x 67 %)141.608,52 DM
abzgl. 1/2 der Sozialversicherungsrente15.447,50 DM
abzgl. 2/3 der BVV-Rente (§ 5 Abs. 2 S. 2 BetrAVG)13.722,67 DM
abzgl. Volksbank-Rente32.143,00 DM
ergibt80.295,35 DM

 bb) Davon - bedingt durch das vorzeitige Ausscheiden - 43,84 % (96/219) gem. § 2 Abs. 1 S. 1 BetrAVG5.201,48 DM
cc) Davon - bedingt durch den vorzeitigen Bezug - 94,03 % (statt 92,54 %) gem. Ziff. III 4 des Pensionsvertrags33.099,95 DM

= 16.923,74 Euro = 101,61 % der von der Beklagten errechneten 16.655 Euro.

b) Berechnung des Abfindungsbetrages:

Barwert zum 30.06.2005:

Von der Beklagten errechnete 212.981 Euro x 101,61 % = 216.409,99 Euro

c) gezahlt 212.981,00 Euro

d) Differenz: 3.428,99 Euro

III.

Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1 BGB. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gem. §§ 708 Nr. 10, 709 S. 2, 711 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO).



Ende der Entscheidung

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