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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 08.05.2008
Aktenzeichen: 2 U 9/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 631
1. Ein Vertrag zur Erstellung einer Biografie des Auftraggebers ist ein Werkvertrag gemäß § 631 BGB.

2. Zur Anwendung der Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung für den Vergütungsanspruch des Biografen bei fristgemäßer Kündigung durch den Auftraggeber.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

2 U 9/08 OLG Naumburg

Verkündet am 08. Mai 2008

In dem Rechtsstreit

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 25. April 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Engel, den Richter am Oberlandesgericht Rüge und den Richter am Oberlandesgericht Manshausen für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 20.12.2007 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.000, - EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 04.11.2006 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 7/17 und der Beklagte zu 10/17.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

II.

Dem Kläger steht gegen den Beklagten aufgrund der Vereinbarung der Parteien vom 05.10./ 01.11.2006 ein Anspruch auf Vergütung für die Aufnahme der Arbeiten an dem Projekt "Biographie T. M. " in Höhe von (nur) 10.000, - EUR zu.

1. Der von den Parteien am 05.10./ 01.11.2006 geschlossene, jeweils eigenhändig unterzeichnete Vertrag ist wirksam zustande gekommen. Insofern verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen in dem landgerichtlichen Urteil, gegen die der Beklagte in seiner Berufungsbegründung keine Einwände mehr erhoben hat. Insbesondere ist weder von dem Beklagten dargetan noch sonst ersichtlich, dass die - erst nach Vertragsabschluss bekannt gewordene - Zugehörigkeit des Klägers zur S. -Bewegung irgendeine Bedeutung für das Zustandekommen oder den Inhalt der Vereinbarung gehabt haben könnte. Eine Nichtigkeit des Vertrages gemäß § 138 Abs. 1 BGB wegen Sittenwidrigkeit scheidet daher aus.

2. Bei dem Vertrag der Parteien vom 05.10./ 01.11.2006 handelt es sich um einen Werkvertrag im Sinne des § 631 BGB, weil von dem Kläger ein bestimmter Erfolg, nämlich die Erstellung der "Biographie T. M. ", geschuldet wurde. Die weitere Frage, ob hier ein sog. Bestellvertrag gemäß § 47 Abs. 1 Verlagsgesetz vorliegt, kann dahingestellt bleiben. Denn der Bestellvertrag erfährt keine eigenständige rechtliche Behandlung, sondern auf ihn finden die Vorschriften des Werkvertragsrechts Anwendung (s. Dreier/ Schulze, Urheberrechtsgesetz, 2. Aufl., vor § 31, Rdn. 163 m.w.N.).

3. Nach der Kündigung des Vertrages durch das als Anlage K 3 vorgelegte Schreiben des Beklagten vom 30.11.2006 kann der Kläger die Hälfte der vereinbarten Gesamtvergütung beanspruchen.

a) Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung des Vertragsverhältnisses nach § 314 BGB hat allerdings nicht vorgelegen. Die Mitgliedschaft des Klägers in der S. -Bewegung reichte als Kündigungsgrund schon deshalb nicht aus, weil das Manuskript unter dem Namen des Beklagten - nicht des Klägers - publiziert werden sollte ("Coverautor: T. M. ") und sich aus der Verbindung zu der S. -Bewegung auch ansonsten keine erkennbare Belastung für die Zusammenarbeit der Parteien ergab. Mit Recht hat das Landgericht darauf hingewiesen, dass sich der Beklagte in einer E-Mail vom 23.11.2006 noch bereit erklärt hatte, 10 % seines (erhofften) Gewinns der S. -Bewegung zu spenden.

b) Dem Beklagten verblieb jedoch das allgemeine Kündigungsrecht des § 649 S. 1 BGB, das es ihm gestattete, den Vertrag mit dem Kläger bis zur Vollendung des Manuskripts jederzeit zu kündigen. Von diesem Kündigungsrecht hat er in seinem Schreiben vom 30.11.2006 Gebrauch gemacht.

c) Für den Fall einer solchen Kündigung vor Fertigstellung des Manuskripts enthält der Vertrag vom 05.10./ 01.11.2006 keine ausdrückliche Vergütungsregelung. Der Fall ist, wie die Klägervertreterin in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen vorgetragen hat, von den Parteien auch ansonsten nicht bedacht worden. Insofern besteht eine Regelungslücke, die im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) zu schließen ist. Zwar sieht das Gesetz für den Fall der voraussetzungslosen Kündigung gemäß § 649 S. 1 BGB vor, dass der Auftragnehmer die vereinbarte Vergütung verlangen kann und sich lediglich ersparte Aufwendungen oder die anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft anrechnen lassen muss (s. § 649 S. 2 BGB). Doch wird diese - im Übrigen dispositive - Vorschrift den Besonderheiten der vorliegenden Vertragsbeziehung nicht gerecht. Sie trägt vor allem dem Umstand nicht Rechnung, dass die zur Erstellung des Manuskripts erforderliche Leistung in ihrem Kern geistiger, also nicht quantifizierbarer Natur ist und die Leistung sich daher auch nicht zuverlässig in einen erbrachten und einen nicht erbrachten Teil unterscheiden lässt. Hält das dispositive Recht aber keine oder jedenfalls keine interessengerechte Regelung bereits, um eine bestehende Regelungslücke zu schließen, so ist der Rückgriff auf die ergänzende Vertragsauslegung geboten (s. Busche in MünchKomm, BGB, Bd. 1, 5. Aufl., § 157, Rdn. 45; Heinrichs in Palandt, a.a.O., § 157 Rdn. 6).

d) Im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung ist darauf abzustellen, was die Parteien bei angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie den nicht geregelten Fall bedacht hätten. Dabei ist zunächst an den Vertrag selbst anzuknüpfen, die in ihm enthaltenen Regelungen und Wertungen sind Ausgangspunkt der Vertragsergänzung (st. Rspr., etwa BGH NJW-RR 2005, 1421, 1422; BGH NJW 2002, 2310; BGH NJW 1988, 2099, 2100, jeweils m.w.N.). Im vorliegenden Fall bietet sich zur Ermittlung dessen, was die Parteien für den Fall der vorzeitigen Beendigung des Vertrages (hypothetisch) vereinbart hätten, insbesondere Ziff. 4 der Vereinbarung vom 05.10./ 01.11.2006 an.

Nach dieser Vertragsbestimmung sollte der Beklagte an den Kläger 10.000, - EUR bei Vertragsabschluss und weitere 10.000, - EUR bei Ablieferung des (vollständigen) Manuskripts zahlen. Allerdings wird die jeweils hälftige Zahlung der Vergütung in der Vereinbarung selbst lediglich als "Zahlungsmodalität" bezeichnet. Ihre Bedeutung geht jedoch nach Auffassung des Senats über eine bloße Festlegung des Fälligkeitszeitpunkts hinaus, vielmehr ist ihr zugleich auch eine bestimmte Risikoverteilung immanent.

Mit der Aufteilung der Vergütungszahlung ist das Risiko des Scheiterns des Vorhabens, das der Erarbeitung der Biographie unzweifelhaft innewohnte, beiden Beteiligten gleichermaßen zugewiesen. Einerseits wurde der Kläger durch die Zahlung der ersten Hälfte der Vergütung bei Vertragsabschluss von der Gefahr befreit, erhebliche Vorleistungen in das Projekt investieren zu müssen, ohne zumindest einen (teilweisen) finanziellen Ausgleich zu empfangen. Auf der anderen Seite blieb jedoch auch der Anreiz für ihn erhalten, das Werk zu vollenden, weil er nur auf diese Weise einen Anspruch auf die vereinbarte Vergütung in voller Höhe erwerben konnte. Der Beklagte seinerseits brauchte das Entgelt in Gänze erst zu zahlen, wenn er sich zuvor vergewissert hatte, dass die versprochene Leistung, nämlich die Erstellung eines Buchmanuskripts nach eigenen Vorgaben, tatsächlich erbracht worden war. Dadurch wird ein Ausgleich der wechselseitigen Interessen bewirkt, den die Parteien in Kenntnis des Problems der vorzeitigen Vertragsbeendigung auch redlicherweise vereinbart hätten und der außerdem der besonderen Natur der zugesagten Manuskripterstellung Rechnung trägt.

e) Ob dem Kläger die bei Vertragsabschluss fälligen 10.000, - EUR auch dann endgültig zustünden, wenn er mit den Arbeiten für das Manuskript überhaupt noch nicht begonnen oder aber ein völlig anderes als das geplante Buchprojekt zu verwirklichen versucht hätte, lässt der Senat ausdrücklich dahinstehen. Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben.

aa) Ausweislich Ziff. 1. des Vertrages sollte der Kläger die "Biographie T. M. ", also eine Autobiographie des Beklagten verfassen und nicht etwa, wie das Landgericht angenommen hat, die Biographie irgendeiner Person. Dabei ging es den Parteien jedoch nicht um eine mehr oder weniger chronologische Wiedergabe des bisherigen Lebensweges des Beklagten, sondern vielmehr darum, dem gefühlsmäßigen Erleben, den Reflexionen und Phantasien des Beklagten vor dem Hintergrund seiner Zugehörigkeit zu der Gothic-Szene einen adäquaten künstlerischen Ausdruck zu verleihen. Das lässt sich vor allem der vorgelegten E-Mail-Korrespondenz der Parteien entnehmen, in deren Verlauf der Beklagte die Schilderungen seiner Gefühls- und Bewusstseinslage immer wieder mit Hinweisen auf die von ihm gewünschte Darstellung in dem Buchprojekt verband. Auch der Titel des Manuskripts ("Schwarze Kunst") hat die ausdrückliche Billigung des Beklagten gefunden, wie seine E-Mail vom 01.11.2006 belegt. Soweit der Beklagte in zweiter Instanz nunmehr erstmals geltendmachen will, dass die schriftstellerische Verarbeitung seiner Informationen durch den Kläger bereits ihrer Art nach als "Biographie" im Sinne des ursprünglichen Vertrages ungeeignet gewesen sei, ist er mit diesem Einwand gemäß §§ 529 Abs. 1, 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen.

bb) Für den Senat bestehen keine Zweifel daran, dass der Kläger sich mit dem vereinbarten Projekt ernsthaft befasst und bereits einen nicht unerheblichen Zeit- und Arbeitsaufwand investiert hat. Ein Beleg hierfür ist vor allem die umfangreiche, im Rechtsstreit auszugsweise vorgelegte E-Mail-Korrespondenz der Parteien. Nach den unbestrittenen Angaben der Klägervertreterin sind - neben einer Vielzahl von telefonischen Kontakten - etwa 200 Nachrichten per E-Mail gewechselt worden. Dies entspricht dem unter Ziff. 5. des Vertrages in Aussicht genommenen "Zeithorizont", nach dem in den ersten ca. 3 Monaten "Interviews" - telefonisch und per E-Mail - stattfinden sollten. Auf die Bewertung des in der erstinstanzlichen Verhandlung vom 09.08.2007 eingereichten Manuskriptfragments kommt es daneben nicht an. Der Senat enthält sich einer abschließenden Beurteilung, ob die teilweise abgehobene und von sexuellen Phantasien dominierte Erzählung den Vorstellungen und der Person des Beklagten hinreichend nahe gekommen wäre und ob es sich gar - wie die Prozessbevollmächtigte des Klägers in ihrer Berufungserwiderung gemeint hat - um einen "Schlüsselroman" handelt. Ebenso wenig braucht auch den Ausführungen des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung nachgegangen zu werden, es erscheine durchaus möglich, das Manuskript in einschlägigen Zeitschriften noch zu veröffentlichen. Jedenfalls hat der Kläger, wie der E-Mail-Verkehr zeigt, nachvollziehbare Anstrengungen zur Erfüllung der ihm nach dem Vertrag vom 05.10./01.11.2006 obliegenden Pflichten unternommen, die der Beklagte mit der ersten Hälfte der vereinbarten Vergütung - nämlich 10.000, - EUR - zu entgelten hat.

4. Der zuerkannte Zinsanspruch rechtfertigt sich aus §§ 286 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 1 BGB.

III.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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