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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 30.08.2006
Aktenzeichen: 2 W 29/06
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 93
ZPO § 99 Abs. 2
ZPO § 276 Abs. 1 S. 1
BGB § 150 Abs. 2
BGB § 779
Ein Schuldner, der dem Gläubiger anbietet, vergleichsweise einen bestimmten Geldbetrag zu zahlen, und diesen Betrag auch tatsächlich zahlt, erfüllt, wenn aus den Gesamtumständen zu entnehmen ist, dass der Gläubiger den Geldbetrag nur bei Billigung des Vergleichs behalten soll, und wenn der Gläubiger das Vergleichsangebot nicht annimmt und den Geldbetrag zurück überweist, seine Verpflichtung nicht und gibt somit dem Gläubiger Anlass zur Klageerhebung.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

2 W 29/06 OLG Naumburg

In dem Rechtsstreit

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg am 30. August 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Engel als Einzelrichter (s. § 568 S. 1 ZPO) beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird die Kostenentscheidung unter Ziff. 4. des an 27.04.2006 verkündeten Teilanerkenntnis- und Schlussurteils des Einzelrichters der 11. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden ebenfalls dem Beklagten auferlegt.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 4.500, - EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin hat die Beklagte aus einer Bürgschaft vom 14.05.1993 für Verbindlichkeiten der B. eG, H. , auf Zahlung von 25.564,59 EUR in Anspruch genommen. In seiner Klageerwiderung vom 23.02.2006 hat der Beklagte den geltendgemachten Anspruch in Höhe von 20.000,- EUR anerkannt und im Übrigen die Abweisung der Klage beantragt. Seiner Auffassung nach war bereits der vorgerichtlichen Korrespondenz der Parteien eine vergleichsweise Einigung über die Erledigung der Bürgschaftsforderung durch Zahlung eines Betrages von 20.000,- EUR zu entnehmen.

Das Landgericht hat durch am 27.04.2006 verkündetes Teilanerkenntnis- und Schlussurteil der Klage in der Hauptsache in vollem Umfang stattgegeben. Die Kosten des Rechtsstreits hat es zu 4/5 der Klägerin und zu 1/5 dem Beklagten auferlegt. Die Belastung der Klägerin mit 4/5 der Kosten rechtfertige sich - so das Landgericht - aus § 93 ZPO, denn der Beklagte habe hinsichtlich des von ihm anerkannten Teilbetrages von 20.000,- EUR keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben. Die Klägerin habe ohne Not die ihr bereits vor Klageerhebung, nämlich am 18.10.2005 überwiesenen 20.000,- EUR wieder an den Bürgen zurücküberwiesen habe.

Gegen das ihr am 28.04.2006 zugestellte Urteil, soweit es eine Kostenentscheidung zu ihren Ungunsten enthält, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 04.05.2006, der am 05.05.2006 beim Oberlandesgericht einging, "Berufung" eingelegt. Auf einen entsprechenden richterlichen Hinweis hat die Klägerin mit weiterem Schriftsatz vom 15.05.2006 klargestellt, dass die "Berufung" als sofortige Beschwerde gemäß § 99 Abs. 2 ZPO behandelt werden solle, und hat ihr Rechtsmittel zugleich begründet. Das Landgericht hat die Gerichtsakte mit Verfügung vom 04.07.2006 dem Oberlandesgericht zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde übersandt.

II.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 99 Abs. 2 ZPO statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Die Kosten des Rechtsstreits insgesamt sind dem Beklagten gemäß § 91 Abs. 1 ZPO aufzuerlegen. Dies gilt auch insoweit, als der Beklagte den geltendgemachten Bürgschaftsanspruch in seiner Klageerwiderung vom 23.02.2006 in Höhe eines Teilbetrages von 20.000,- EUR anerkannt hat. Für eine Anwendung des § 93 ZPO ist entgegen der Auffassung des Landgerichts im vorliegenden Fall kein Raum.

1. Allerdings hat der Beklagte ein "sofortiges" Anerkenntnis im Sinne des § 93 ZPO abgegeben. Dass das Anerkenntnis nicht bereits in der Vertretungsanzeige seiner Prozessbevollmächtigten vom 25.01.2006 erklärt worden ist, sondern erst in dem Klageerwiderungsschriftsatz vom 23.02.2006, ist insofern unschädlich. Denn ein Beklagter kann jedenfalls dann, wenn er innerhalb der Frist gemäß § 276 Abs. 1 S. 1 ZPO zunächst nur seine Verteidigungsbereitschaft anzeigt, jedoch keinen Sachantrag ankündigt, noch innerhalb der anschließenden Frist zur Klageerwiderung "sofort" anerkennen (so ausdrücklich BGH NJW 2006, 2490, 2491 m.w.N.).

2. Der Beklagte hat der Klägerin jedoch durch sein Verhalten Veranlassung zur Erhebung der Klage gegeben, und zwar auch wegen des von ihm letztlich anerkannten Teilbetrages von 20.000,- EUR.

a) Veranlassung zur Klageerhebung gibt eine Partei, wenn ihr Verhalten vor dem Prozess aus der Sicht des Klägers bei vernünftiger Betrachtung hinreichenden Anlass für die Annahme bietet, er werde ohne Inanspruchnahme der Gerichte nicht zu seinem Recht kommen (s. BGH NJW 2006, 2490, 2491; BGH NJW-RR 2005, 1005, 1006; BGH NJW-RR 2004, 999; BGH NJW 1979, 2040).

b) Im vorliegenden Fall ist der Beklagte von der Klägerin vorprozessual mehrfach, beginnend mit dem "Kündigungsschreiben" vom 30.10.2004, zur Erbringung der Bürgschaftszahlung von 25.564,59 EUR aufgefordert worden. Gleichwohl hat er seine Bürgschaftsverpflichtung nicht erfüllt. Auch die Überweisung der 20.000, - EUR auf das Konto der Klägervertreter am 18.10.2005 hat keine (teilweise) Erfüllung bewirkt, weil die Überweisung konkludent mit einer Bedingung, nämlich der Billigung des Vergleichs durch die Sparkasse, verknüpft gewesen ist.

aa) Es ist allgemein anerkannt, dass mit der Leistungshandlung einseitig aufschiebende Bedingungen für die Tilgungswirkung - d. h. allein durch den Schuldner - verknüpft werden können. Dies gilt auch dann, wenn sich die vom Schuldner gesetzten Bedingungen nicht auf den Bestand der Forderung selbst, sondern auf den Eintritt weiterer, außerhalb der Forderung liegender Umstände beziehen (s. BGH NJW 1985, 376, 377; OLG Dresden NJW-RR1996, 625, 626; Grüneberg in Palandt, BGB, 65. Aufl., § 362 Rdn. 11).

bb) Ob zusätzliche Erklärungen des Schuldners bei der Leistungshandlung tatsächlich als Bedingungen gemeint sind und deshalb den Eintritt des Leistungserfolges zunächst verhindern, kann nur im jeweiligen Einzelfall anhand aller tatsächlichen Umstände entschieden werden (s. BGH NJW 1985, 376, 377). Eine Würdigung des Verhaltens des Beklagten im vorliegenden Fall, insbesondere der Schreiben seines Anwalts vom 11.08., 15.09. und 11.10.2005, führt zu dem Ergebnis, dass die Klägerin den Überweisungsbetrag nur behalten sollte, wenn die Angelegenheit damit endgültig erledigt, der ins Auge gefasste Vergleich also auch von ihrer Seite gebilligt würde.

(1) Gegenüber der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft vom 14.05.1993 hatte sich der Beklagte zunächst auf den Standpunkt gestellt, dass die weite Zweckbestimmung der Bürgschaft unwirksam sei und die geltendgemachten Darlehen aus dem Jahre 2001 daher von der Verbürgung nicht mit umfasst würden. Von diesem Ausgangspunkt her hätte der Beklagte der Klägerin an sich überhaupt keine Zahlung geschuldet. Wenn er in der Folge dennoch die Überweisung der 20.000,- EUR vornahm, so geschah dies ersichtlich (nur) zu dem Zweck, die sich aus der - bevorstehenden - Einigung der Parteien ergebende Zahlungsverpflichtung zu erfüllen. Nur diese Einigung und die damit erhoffte Erledigung der Angelegenheit konnte den Beklagten veranlassen, das wichtigste ihm zur Verfügung stehende Druckmittel, nämlich die Zurückhaltung jeglicher Zahlung, aus der Hand zu geben.

(2) Die Einigung der Parteien hätte, wenn sie tatsächlich zustande gekommen wäre, ihren Niederschlag in einem Vergleich im Sinne des § 779 BGB gefunden. Mit diesem Vergleich wäre allerdings, entgegen der Auffassung der Klägerin, im Zweifel keine Schuldumschaffung verbunden gewesen, sondern der Vergleich hätte lediglich den Bestand und die Höhe der Bürgschaftsverpflichtung dem Streit der Parteien entzogen (vgl. BGH NJW 2003, 3345, 3346; BGH NJW 2002, 1503; BGH NJW-RR 1987, 1426, 1427 jeweils m.w.N.).

(3) Zum Abschluss eines solchen Vertrages der Parteien über die vergleichsweise Regelung ihrer Geschäftsbeziehung ist es jedoch nicht gekommen, und das wusste letztlich auch der Beklagte im Zeitpunkt der Überweisung des Teilbetrages. Insofern teilt der Senat die in dem landgerichtlichen Urteil vertretene Auffassung, dass das Schreiben des Beklagtenvertreters vom 11.08.2005 als eine (Vertrags-)Annahme unter Änderungen und daher gemäß § 150 Abs. 2 BGB als ein neues Angebot aufzufassen war, das von der Klägerin im weiteren Verlauf der Korrespondenz nicht mehr angenommen worden ist. Der Beklagte bzw. sein anwaltlicher Vertreter war sich darüber, nämlich dass es noch einer abschließenden - wenn auch von ihm möglicherweise als sicher angesehenen - Zustimmung der Sparkasse bedurfte, auch bewusst. Ansonsten wäre es nicht erklärlich, warum der Beklagtenvertreter am Schluss seines Schreibens vom 11.08.2005 um eine Rückantwort gebeten und in einem weiteren Schreiben vom 25.09.2005 noch einmal ausdrücklich an die Beantwortung erinnert hat.

(4) Wenn nach dem Verständnis des Beklagten die endgültige Billigung des Vergleichs durch die Sparkasse noch ausstand, der Bürge aber nur im Hinblick auf diesen von ihm erwarteten Vergleichsabschluss - und zu dessen Beförderung - die Überweisung der 20.000, - EUR getätigt hat, ist im Zweifel davon auszugehen, dass er die Zahlung nur unter der Bedingung erbringen wollte, dass der Vergleich in der Folge auch tatsächlich rechtsverbindlich zustande kam. In dieser Weise musste jedenfalls die Klägerin die ihr offerierte Überweisung verstehen.

cc) Die - konkludente - Verknüpfung der Leistungshandlung mit einer zusätzlichen Bedingung, nämlich dem endgültigen Zustandekommen des Vergleichs, entsprach nicht den Erfordernissen einer vertragsgemäßen Erfüllung der Bürgschaftsverpflichtung. Infolgedessen war die Klägerin als Gläubigerin berechtigt, die Leistung (Überweisung) ohne Rechtsnachteile zurückzuweisen und von ihrem Vertragspartner, dem Beklagten, die unbedingte Erfüllung des Bürgschaftsvertrages zu verlangen (s. BGH NJW 1985, 376, 377; OLG Dresden NJW-RR 1996, 625, 626). Von dieser Möglichkeit hat die Klägerin mit dem Schreiben ihres Anwalts vom 13.10.2005 und der anschließenden Rücküberweisung der 20.000, - EUR zulässigerweise Gebrauch gemacht. Eine Erfüllungswirkung ist damit nicht eingetreten; der Beklagte hat mangels Erbringung einer vertragsgemäßen, d. h. unbedingten Leistung vor Beginn des Prozesses Veranlassung zur Klageerhebung gegeben.

III.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 91 ZPO. Die Festsetzung des Streitwertes richtet sich nach § 48 Abs. 1 S. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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