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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 25.11.2005
Aktenzeichen: 2 W 37/05
Rechtsgebiete: AGBG, BGB


Vorschriften:

AGBG § 9
AGBG § 10 Nr. 3
BGB § 779
1. Hat sich ein Kreditinstitut, das einem Verbraucher zur Finanzierung von Anteilen an einem Fonds einen Kredit gewährt hatte, bei Abschluss eines Vergleichsvertrages mit dem Kreditnehmer einen Rücktrittsvorbehalt einräumen lassen für den Fall, dass "nicht mindestens 80 % der von uns finanzierten Fonds-Gesellschafter den ihnen einzeln unterbreiteten Vergleichsangeboten zustimmen", ist dieser Rücktrittsvorbehalt nicht gemäß § 10 Nr. 3 AGBG oder gemäß § 9 AGBG unwirksam; dies gilt auch dann, wenn eine konkrete Frist für die Ausübung des Rücktrittsrechts nicht vorgesehen ist.

2. Zu den Voraussetzungen einer Anwendung des § 779 BGB auf einen Vergleichsvertrag.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

2 W 37/05 OLG Naumburg

In dem Rechtsstreit

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg am 25. November 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Engel als Einzelrichter (s. § 568 Abs. 1 ZPO) beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Halle vom 15.06.2005 geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägern auferlegt.

Die Kläger haben außerdem die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 8.000, - EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Kläger haben mit ihrer Klage die Rückabwicklung zweier Darlehensverträge verlangt, die von einer Treuhänderin in ihrem Namen mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der H. Landesbank Girozentrale, abgeschlossen wurden und der Finanzierung der Beteiligung der Kläger an einem geschlossenen Immobilienfonds dienten; bei dem Immobilienfonds handelte es sich um den "A. -Gewerbefonds ". Die Kläger haben im Einzelnen beantragt, die Beklagte zur Rückerstattung der von ihnen in der Vergangenheit erbrachten Zahlungen von 7.513,51 EUR sowie kapitalisierter Zinsen von weiteren 2.576,45 EUR zu verurteilen; außerdem festzustellen, dass die zwischen der Treuhänderin und der H. Landesbank getroffenen kreditvertraglichen Vereinbarungen keine Darlehensrückzahlungsverpflichtungen für die Kläger auslösen; schließlich festzustellen, dass die Beklagte keine Rechte an der - als Sicherheit gedachten - Lebensversicherung der Kläger bei der S. Lebensversicherung a.G. besitzt.

Der Auffassung der Kläger, die Darlehensverträge seien nicht wirksam zustande gekommen, ist die Beklagte entgegengetreten. Zugleich hat sie ihrerseits im Wege der Widerklage die Kläger auf Rückzahlung der - von ihr mit Schreiben vom 07.02.2005 fristlos gekündigten - Darlehen in Anspruch genommen; die Höhe der noch offenstehenden Forderungen hat die Beklagte mit 19.341,19 EUR beziffert.

Der Rechtsstreit ist von den Parteien durch einen schriftlichen Vergleich beendet worden, dessen Zustandekommen und Inhalt das Landgericht durch Beschluss vom 15.06.2005 (Bd. II Bl. 48 f d.A.) festgestellt hat. Der Vergleich lautet:

1. Die Kläger verpflichten sich, ihre Beteiligung am "A. -Gewerbefonds in Höhe von DM 50.000, - (EUR 25.564,59) an die Beklagte oder einen von der Beklagten benannten Dritten mit Wirkung ab 01.01.2005 abzutreten. Die bis zur Abtretung noch auszuschüttenden Beträge stehen der Beklagten zu.

2. Die Beklagte verpflichtet sich, nach Abtretung des Gesellschaftsanteils gemäß Ziffer 1 die Rechte aus der Lebensversicherung der Kläger Nr. ... bei der S. Lebensversicherung a.G., die ihr zur Sicherheit abgetreten wurden, nicht in Anspruch zu nehmen und ungeschmälert an die Kläger rückabzutreten.

3. Die Parteien erteilen sich darüber hinaus Generalquittung, insbesondere verzichten die Parteien auf die von ihnen mit der Klage und der Widerklage geltend gemachten Beträge und auf Erstattungsansprüche wegen der den Klägern entstandenen vorgerichtlichen Geschäftsgebühr. Ausgenommen sind etwaige Kostenerstattungsansprüche, die sich aus Ziffer 5 ergeben.

4. Die Parteien vereinbaren, über den Vergleichsabschluss Stellschweigen zu bewahren.

5. Das Gericht entscheidet über die Kosten gemäß § 91 a ZPO.

In einem weiteren Beschluss vom 15.06.2005 (Bd. I Bl. 51 ff. d.A.) hat das Landgericht der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

Gegen die ihr am 17.06.2005 zugestellte Entscheidung hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 29.06.2005, der am 30.06.2005 beim Oberlandesgericht eingegangen ist, sofortige Beschwerde eingelegt und das Rechtsmittel mit Schriftsatz vom 09.08.2005 näher begründet. Das Landgericht hat der Beschwerde in seinem Beschluss vom 15.08.2005 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist zulässig und begründet.

1. Das Rechtsmittel ist gemäß § 91 a Abs. 2 ZPO statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt. Soweit die Parteien die Kosten in einem Vergleich - wie hier - dem § 91 a ZPO unterstellt haben, gelten die allgemeinen Regeln zur Anfechtbarkeit (so ausdrücklich Baumbach/ Lauterbach/ Hartmann, ZPO, 63. Aufl., § 91a, Rdn. 156). Das ergibt sich schon daraus, dass sich die vergleichsweise Beilegung eines Rechtsstreits in der Hauptsache nicht grundlegend von der Abgabe übereinstimmender Erledigungserklärungen durch die Parteien unterscheidet. Denn der von den Parteien abgeschlossene Vergleich führt ebenfalls zu einer Erledigung der Hauptsache kraft privatautonomer Gestaltung, ohne dass die Kostenverteilung bereits mit geregelt wäre (vgl. Bork in Stein/ Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 98 Rdn. 13).

2. Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Über die Kosten des Rechtsstreits ist gemäß § 91 a Abs. 1 ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Ausgehend von diesem Maßstab, haben die Kläger die Kosten des Rechtsstreits im vorliegenden Fall in vollem Umfang zu tragen, weil sie bei einer Fortführung des erstinstanzlichen Verfahrens voraussichtlich unterlegen wären.

Zwischen den Parteien ist im Jahre 1999 ein neues, wirksames Darlehensverhältnis zustande gekommen, dessen Inhalt dem Vergleichsangebot der H. Landesbank vom 10.11.1999 entsprach und das erst mit der - durch Beschluss vom 15.06.2005 festgestellten - Einigung der Parteien im jetzigen Rechtsstreit beendet worden ist.

a) Die Parteien haben im Jahre 1999 zumindest konkludent einen Vertrag mit dem Inhalt des Schreibens der H. Landesbank vom 10.11.1999 (Bd. I Bl. 54 ff. d.A.) geschlossen.

Mit dem genannten Schreiben hat die Rechtsvorgängerin der Beklagten den Klägern ein Angebot zum Abschluss eines entsprechenden Vergleichs unterbreitet. Dieses Angebot war in der Weise befristet, dass die Annahmeerklärung der Kläger innerhalb eines Monats nach dem im Briefkopf genannten Tag, also dem 10.11.1999, zugehen musste. Möglicherweise ist diese Annahmefrist von den Klägern jedoch nicht gewahrt worden. Der - beinahe unleserliche - Eingangsstempel soll den 14.12.1999 als Datum des Zugangs des Schreibens bei der Landesbank ausweisen; die Kläger haben dies jedenfalls unwidersprochen behauptet.

Damit war das ursprüngliche Angebot der Landesbank zum Abschluss einer Vergleichsvereinbarung zwar erloschen. Die verspätete Annahme des Angebots durch die Kläger galt jedoch gemäß § 150 Abs. 1 BGB als neuer Antrag. Diesen Antrag hat die Landesbank wiederum dadurch konkludent angenommen, dass sie die Zinsbeträge per Lastschrift entsprechend der Regelung in dem Vergleich von dem Konto der Kläger abgebucht hat, während bis dahin die Einzugsermächtigung dem Geschäftsführer des Fonds erteilt war (s. Schreiben vom 10.11.1999, S. 4). Darauf, ob die Kläger die Abbuchungen von ihrem Konto auch tatsächlich in diesem Sinne verstanden haben (vgl. Schriftsatz vom 29.03.2005, S. 3), kommt es nicht an. Denn jedenfalls ein objektiver Dritter in der Position der Kläger, dem der Inhalt des Schreibens vom 10.11.1999 in vollem Umfang bekannt war, hätte in dem Vorgehen der Landesbank deren Willen zur Umsetzung des Vergleichsabschlusses erkennen können.

b) Den Klägern stand hinsichtlich des Vergleichsvertrages kein Widerrufsrecht nach § 1 des Haustürwiderrufsgesetzes (HWiG) zu.

aa) Ohne Erfolg berufen die Kläger sich zunächst darauf, dass sie bei Abschluss des Geschäftsbesorgungsvertrages und Erteilung der Treuhändervollmacht im Jahre 1992 in ihrer Entschließungsfreiheit beeinträchtigt gewesen seien, weil sie für die Beteiligung an dem Kapitalanlagemodell unter Verstoß gegen § 1 HWiG in einer Haustürsituation geworben worden seien.

(1) Die beiden Darlehensverträge mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten sind unstreitig nicht von den Klägern selbst, sondern jeweils von der J. Steuerberatungsgesellschaft mbH im Namen der Anleger unterzeichnet worden. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH kommt es aber für das Vorliegen einer Haustürsituation im Sinne des § 1 HWiG grundsätzlich auf die Situation des Vertreters bei Abschluss des Darlehensvertrages und nicht auf diejenige des Vertretenen bei der Vollmachtserteilung an (s. BGH WM 2005, 127, 132; BGH WM 2003, 1064, 1065). Dass sich im vorliegenden Fall (auch) die Treuhänderin in einer Haustürsituation befunden haben könnte, wird jedoch weder von den Klägern behauptet, noch sind für eine solche Annahme irgendwelche Anhaltspunkte ersichtlich.

(2) Darüber hinaus wäre der auf der Grundlage des Schreibens der Landesbank vom 10.11.1999 zustande gekommene Vergleichsvertrag auch nicht mehr ursächlich auf einen Überrumpelungseffekt zurückzuführen, den die Vermittlerin B. bei einem Besuch in der Klägerwohnung sieben Jahre zuvor möglicherweise zunächst hervorgerufen hatte.

Zwar setzt § 1 Abs. 1 HWiG nicht den Abschluss des Vertrages in der Haustürsituation voraus, sondern es genügt eine Haustürsituation bei der Vertragsanbahnung, die für den späteren Vertragsschluss ursächlich war. Auch wird ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der mündlichen Verhandlung gemäß § 1 Abs. 1 HWiG und der Vertragserklärung vom Gesetz nicht gefordert. Bei zunehmendem zeitlichen Abstand wird aber die Indizwirkung für die Kausalität entfallen. Ob sich der Darlehensnehmer auch bei einem größeren zeitlichen Abstand zwischen der mündlichen Verhandlung und dem Vertragsschluss durch einen Verstoß gegen § 1 HWiG in einer Lage befindet, in der er in seiner Entschließungsfreiheit beeinträchtigt ist, den ihm später angebotenen Vertrag zu schließen oder davon Abstand zu nehmen, ist eine Frage der Würdigung des Einzelfalles (s. BGH WM 2003, 919, 920 f. und 1370, 1372).

Wenn sich im vorliegenden Fall überhaupt ein ursächlicher Zusammenhang herstellen ließe, so bestünde dieser allenfalls in der Weise, dass die Kläger sich zur Rückzahlung der im Jahre 1992 aufgenommenen Darlehen verpflichtet glaubten und aus diesem Grund ihre Zustimmung zu dem Vergleichsvorschlag der Landesbank vom 10.11.1999 erteilt haben. Die Darlehensverträge aus dem Jahre 1992 sind jedoch, wie unter (1) ausgeführt, nicht in einer Haustürsituation zustande gekommen. Gegen eine Fortwirkung der Haustürsituation spricht darüber hinaus vor allem der Umstand, dass die Kläger sich einer Interessengemeinschaft der Fonds-Gesellschafter angeschlossen hatten, diese Interessengemeinschaft sich anwaltlicher Unterstützung bedient und die anwaltliche Beratung sich ganz wesentlich auf die Möglichkeiten einer Rückabwicklung der Beteiligungen, einschließlich der Finanzierungsdarlehen, erstreckt hat; insofern wird auf das Schreiben des Rechtsanwalts Ht. vom 12.10.1999 verwiesen. Ihre Zustimmung zu dem ausgehandelten Vergleichsvertrag haben die Kläger deshalb im Zweifel nicht unter dem Eindruck eines Besuchs der Vermittlerin im Jahre 1992 erteilt, sondern im Hinblick auf die Annahmeempfehlung der Geschäftsführung der Interessengemeinschaft und der von ihr beauftragten Anwälte.

bb) Ob die Kläger - wie sie nunmehr behaupten - das Zweitexemplar des Vergleichsvorschlags nur deshalb unterzeichnet und an die Landesbank zurückgesandt haben, weil die Vermittlerin B. ihnen dies bei einem Hausbesuch empfohlen hatte, kann dahingestellt bleiben. Denn das Gespräch mit Frau B. soll, den eigenen Angaben der Kläger zufolge, erst stattgefunden haben, nachdem sie - die Kläger - sich hilfesuchend an die Vermittlerin gewandt hatten. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 HWiG besteht aber unter anderem dann kein Recht zum Widerruf des Vertrages, wenn die mündlichen Verhandlungen im Bereich der Privatwohnung "auf vorhergehende Bestellung des Kunden" geführt wurden. So verhielt es sich im vorliegenden Fall. Im Übrigen hatte das ausführliche schriftliche Vergleichsangebot der Landesbank den Klägern zum Zeitpunkt des (angeblichen) Besuchs der Vermittlerin B. bereits mehre Wochen vorgelegen, so dass die Kläger mit dem Vertragsabschluss ohnehin nicht in einer Haustürsituation überrumpelt worden sind.

c) Der Rücktrittsvorbehalt, den die Landesbank sich für den Fall hat einräumen lassen, dass "nicht mindestens 80 % der von uns finanzierten Fonds-Gesellschafter den ihnen einzeln unterbreiteten Vergleichsangeboten zustimmen", ist wirksam; aus ihm lassen sich daher ebenfalls keine Einwände gegen die Verbindlichkeit des Vergleichs, den die Parteien auf der Grundlage des Schreibens vom 10.11.1999 geschlossen haben, herleiten. Dass es sich bei dem Inhalt des Schreibens um Allgemeine Geschäftsbedingungen i. S. des § 1 Abs. 1 AGBG gehandelt hat oder sich die Anwendbarkeit des AGB-Gesetzes jedenfalls aus dessen § 24 a ("Verbraucherverträge") ergibt, kann dabei zugunsten der Kläger unterstellt werden.

aa) Auf den Vergleichsvertrag der Parteien findet, da er vor dem 01.01.2002 abgeschlossen worden ist, noch das AGB-Gesetz - und nicht die §§ 305 ff. BGB n.F. - Anwendung (Art 229 § 5 EGBGB). Nach § 10 Nr. 3 AGBG ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders unwirksam, sich ohne sachlich gerechtfertigten und im Vertrag angegebenen Grund von seiner Leistungspflicht zu lösen. Diesem Prüfungsmaßstab hält der im vorliegenden Fall zugunsten der Landesbank vereinbarte Rücktrittsvorbehalt stand.

(1) Entsprechend den in dem Schreiben vom 10.11.1999 formulierten Bedingungen sollte die Landesbank gegenüber jedem ihrer Kreditnehmer - also auch gegenüber den Klägern - zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt sein, wenn "nicht mindestens 80 % der von uns finanzierten Fonds-Gesellschafter den ihnen einzeln unterbreiteten Vergleichsangeboten zustimmen". Damit waren die Voraussetzungen, unter denen das Rücktrittsrecht ausgeübt werden durfte, hinreichend bestimmt bezeichnet. Maßgebend sollte die Zustimmung von 80 % der damaligen Gesellschafter, die zugleich Kreditnehmer der Landesbank waren, sein, wobei für die Ermittlung des Quorums die Höhe der Gesellschaftsbeteiligung den Ausschlag geben sollte; letzteres ergibt sich aus der Erläuterung auf Seite 2 (Mitte) des Schreibens vom 10.11.1999. Außerdem bezog sich das Quorum von 80 % auch nur auf die Beteiligung an dem hier in Rede stehenden A.-Gewerbefons . Insofern standen die Kriterien, anhand derer eine etwaige Ausübung des Rücktrittsrechts durch die Landesbank zu messen gewesen wäre, von vornherein objektiv fest. Eine Möglichkeit der Kläger, die Erfüllung der Rücktrittsvoraussetzungen auch jederzeit eigenständig nachzuprüfen zu können, war für die Wirksamkeit des Rücktrittsvorbehalts demgegenüber nicht erforderlich. Im Streitfall hätte es vielmehr der Rechtsvorgängerin der Beklagten oblegen, bei einem Rücktritt von dem Vergleichsvertrag die Voraussetzungen für die Ausübung des Rücktrittsrechts darzulegen und gegebenenfalls auch nachzuweisen.

(2) Dass sich die Landesbank - und nur diese - bei einem Zustimmungsquorum von weniger als 80 % der Gesellschafter von dem Vergleichsvertrag hätte lösen dürfen, fand seine sachliche Rechtfertigung in der unterschiedlichen Interessenlage der Parteien.

Die vergleichsweise Einigung beinhaltete unter anderem die Verpflichtung der Landesbank, in der Zeit bis zum 30.09.2004 einen Zuschuss bis zur Höhe von 1 Mio. DM zur Tilgung etwaiger Vorsteuerberichtigungsansprüche und zur Bezahlung von Umbau- und Renovierungskosten des Objekts zu erbringen (s. Schreiben vom 10.11.1999, S. 2, unter Ziff. 3.). Diese Aufwendungen sollten dem Fonds als solchem und damit sämtlichen Anteilsinhabern zugute kommen. Ein solches Zugeständnis war aber aus der Sicht der Landesbank nur dann sinnvoll, wenn sich im Gegenzug auch die große Mehrheit der Gesellschafter ihrerseits bereiterklärte, der Bank entgegen zu kommen und an einer Neuordnung der Kreditverhältnisse mitzuwirken.

Darüber hinaus musste der Landesbank an einer Gleichbehandlung möglichst vieler Kreditnehmer, die sich hinsichtlich der Anteilsfinanzierung in einer vergleichbaren Lage befanden, gelegen sein. Denn anderenfalls hätten nicht nur rechtliche Schwierigkeiten gedroht, weil die Landesbank außer mit den einzelnen Anlegern auch mit dem Fonds selbst eine begleitende Vereinbarung geschlossen hatte (s. Bd. I Bl.60 f. d.A.). Vielmehr wären auch persönliche Spannungen unter den Anteilsinhabern befördert worden, was schon deshalb nicht im Interesse der Bank liegen konnte, weil die Gesellschafter gleichzeitig bei der Rettung und Fortentwicklung des Fonds zusammenwirken mussten.

Die vorstehenden Gesichtspunkte hatten jedoch Bedeutung ausschließlich für die Entscheidung der Landesbank, an den mit den Gesellschaftern geschlossenen Vergleichsverträgen festzuhalten oder nicht. Hingegen hingen für den einzelnen Kreditnehmer die Vor- und Nachteile des Vergleichsabschlusses nicht davon ab, welches Maß an Zustimmung der Vergleich bei den übrigen Anteilsinhabern fand. Vor diesem Hintergrund begegnet es keinen Bedenken, dass nur der Landesbank, nicht aber den Klägern ein (einseitiges) Rücktrittsrecht in dem Vergleichsvertrag vorbehalten wurde.

bb) Auch die konkrete Ausgestaltung des Rücktrittsrechts stellt keine unangemessene Benachteiligung der Kreditnehmer dar und verstößt nicht gegen § 9 Abs. 1 AGBG. Entgegen der Auffassung der Kläger ist es insbesondere nicht zu beanstanden, dass in dem Schreiben vom 10.11.1999 keine konkrete Frist für die Ausübung des Rücktrittsrechts durch die Landesbank vorgesehen war. Denn das Gesetz selbst eröffnete den Klägern in § 355 BGB a.F. (= § 350 BGB n.F.) ausdrücklich die Möglichkeit, der Landesbank eine angemessene Frist für die Ausübung ihres Rücktrittsrechts zu setzen; nach ergebnislosem Ablauf dieser Frist wäre das Rücktrittsrecht erloschen gewesen.

cc) Selbst wenn aber der zugunsten der Landesbank vereinbarte Rücktrittsvorbehalt oder dessen konkrete Ausgestaltung hier gegen Vorschriften des AGB-Gesetzes verstieße, so wäre lediglich diese Vertragsbestimmung unwirksam. Der Vergleichsvertrag im Übrigen bliebe hingegen gemäß § 6 Abs. 1 AGBG wirksam, und die Klägern könnten auch nicht - wie sie im Prozess gemeint haben - ihrerseits ein gleiches Rücktrittsrecht für sich beanspruchen (s. BGH NJW 1985, 855, 857 u. 2271, 2272).

dd) Von dem ihr (rechtswirksam) eingeräumten Rücktrittsrecht hat die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin unstreitig keinen Gebrauch gemacht. Der Vergleichsvertrag, den die Parteien auf der Grundlage des Schreibens der Landesbank vom 10.11.1999 geschlossen haben, ist daher nicht infolge Rücktritts entfallen.

d) Die Unwirksamkeit des Vergleichsvertrages lässt sich auch nicht aus § 779 BGB herleiten. Nach dieser Vorschrift wäre die im Jahre 1999 erzielte Einigung der Parteien unwirksam, wenn der nach dem Inhalt des Vertrags als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entsprochen hätte und der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde.

a) In diesem Zusammenhang machen die Kläger insbesondere geltend, dass den Parteien bei Abschluss des Vergleichsvertrages noch nicht die - erst mit Urteil vom 28.09.2000 (BGHZ 145, 265 ff.) begründete - Rechtsprechung des BGH zum Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz bekannt gewesen sein konnte. Nach dieser Rechtsprechung bedarf derjenige, der ausschließlich oder hauptsächlich die rechtliche Abwicklung eines Grundstückserwerbs oder Fondsbeitritts im Rahmen eines Steuersparmodells für den Erwerber besorgt, der Erlaubnis nach Art. 1 § 1 RBerG. Ein ohne diese Erlaubnis abgeschlossener Geschäftsbesorgungsvertrag, der so umfassende Befugnisse wie hier enthält, ist nichtig. Die Nichtigkeit erfasst nach dem Schutzgedanken des Art. 1 § 1 RBerG auch die der Geschäftsbesorgerin erteilte umfassende Abschlussvollmacht (st. Rspr., zuletzt BGH ZIP 2005, 1361, 1363; BGH ZIP 2005, 1357, 1358; BGH ZIP 2005, 69, 72, jeweils m.w.N.). Infolgedessen sind die ursprünglichen Darlehensverträge von der Treuhänderin zwar im Namen der Kläger, jedoch ohne eine (wirksame) Bevollmächtigung abgeschlossen worden.

b) Der hier auf der Grundlage des Schreibens der Landesbank vom 10.11.1999 zustande gekommene Vergleichsvertrag verfolgte jedoch gerade das Ziel, im Verhältnis der Parteien zueinander die Unsicherheiten bei der rechtlichen Behandlung fremdfinanzierter Fondsbeteiligungen auszuräumen. Damit ist den Klägern auch die Berufung auf einen Verstoß des ursprünglichen Geschäftsbesorgungsvertrages gegen das Rechtsberatungsgesetz versagt, zumal sie ihre Zustimmung zu dem Vergleichsvorschlag nunmehr persönlich, also nicht durch Vermittlung einer dritten Person, erklärt haben.

aa) Allerdings hat ein Vergleich, worauf das Landgericht im Ansatz zu Recht hingewiesen hat, in der Regel keine schuldumschaffende Wirkung. Durch einen Vergleich wird das ursprüngliche Schuldverhältnis also nicht etwa in der Weise umgestaltet, dass die alte Forderung untergeht und eine neue Forderung an ihre Stelle tritt. Vielmehr besteht grundsätzlich das alte Rechtsverhältnis unverändert fort, sofern von den Parteien nicht etwas anderes vereinbart wurde (st. Rspr., etwa BGH NJW 2003, 3345, 3346; BGH NJW 2002, 1503; BGH NJW-RR 1987, 1426, 1427).

bb) Anders verhält es sich aber dann, wenn es gerade um einen solchen Umstand geht, der vor dem Vergleich als streitig oder ungewiss angesehen wurde und deshalb Gegenstand der Streitbeilegung war. Das führt nicht zur Anwendung des § 779 BGB (so BGH NJW 2000, 2497, 2498).

(1) Von welchen Überlegungen die Beteiligten bei Abschluss des Vergleichsvertrages ausgingen, bringt vor allem das Schreiben des von der Interessengemeinschaft beauftragten Rechtsanwalts Ht. vom 12.10.1999 (Bd. I Bl. 133 ff. d.A.) zum Ausdruck; dieses Schreiben lag den Klägern bei Vertragsunterzeichnung vor. Ziel der Verhandlungen mit der Landesbank ist es danach gewesen, eine Rückabwicklung der Fondsbeteiligungen oder - sofern dies nicht gelingen sollte - jedenfalls eine Entlastung der Anleger herbeizuführen. So heißt es etwa auf Seite 4 des Schreibens:

" . . . im Ergebnis wollten wir vor dem Hintergrund einer schlechten Vermietungssituation eine möglichst sofortige liquide Entlastung der Fondszeichner ebenso erreichen wie einen grundlegenden "Einschnitt" in die Darlehenssumme, um nicht auf einen Endwert zahlen zu müssen, der auf absehbare Zeit vom Wert des Fondsobjekts nicht gedeckt sein würde.

Weiterhin wollten wir "Rahmenbedingungen" erreichen, die dem Fonds eine Entwicklungschance geben sollten."

Im Vordergrund der Gespräche standen also die nach der Insolvenz der A. aufgetretenen erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten und die mangelnde Rentabilität des Fonds Nr.... (und der übrigen Fonds). Den Verhandlungsführern der Anleger ging es um eine Lösung für diese wirtschaftlichen Probleme, während die von den Instanzgerichten und in der Literatur zwischenzeitlich diskutierten rechtlichen Bedenken zwar die Grundlage für entsprechende Ansprüche an die Landesbank bildeten, nicht aber den Auslöser und Zweck der Verhandlungen darstellten. Schon aus diesem Grund liegt die Annahme nahe, dass die von den Parteien gefundene Einigung sich nicht nur auf einzelne rechtliche Gesichtspunkte bezog, sondern für sämtliche denkbaren Einwände gegen die Darlehensforderungen gelten sollte. Die - anwaltlich beratenen - Parteien hätten eine etwa gewollte Beschränkung der vergleichsweisen Regelung in der einen oder anderen Weise schriftlich festgehalten, was tatsächlich jedoch nicht geschehen ist.

(2) In den mit den Anlegern geschlossenen Vergleichen hat die Rechtsvorgängerin der Beklagten ganz erhebliche finanzielle Zugeständnisse gemacht; die Zugeständnisse wurden von Rechtsanwalt Ht. in dessen Schreiben vom 12.10.1999 (S. 5) insgesamt auf "weit über DM 150 Mio." beziffert. Auch die Fondsanleger konnten aber nicht ernsthaft annehmen, dass die Bank zur Erbringung eines derart hohen Sanierungsbeitrags bereit sein würde, wenn die Wirksamkeit der Rückzahlungsverpflichtung jederzeit mit einem neuen rechtlichen Argument wieder hätte in Frage gestellt werden können.

(3) Im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses war den Parteien und ihren Anwälten sehr wohl bewusst, dass sich die Meinungsbildung in Rechtsprechung und Literatur noch im Fluss befand und sich insbesondere die zukünftige Beurteilung der Rechtslage durch den BGH nicht vorhersehen ließ. So führte Rechtsanwalt Ht. auf Seite 8 seines Schreibens vom 12.10.1999 unter anderem aus:

"Wie jeder Vergleich steht aber auch dieser Abschluß vor dem generellen Problem, daß eines Tages der Bundesgerichtshof ein Urteil fällen könnte, mit dem eines (oder gar mehrere) der von uns vorgebrachten juristischen Argumente für die Schadensersatzpflicht der Bank endgültig zugunsten des Anlegers/ Darlehensnehmers geklärt wird; ebenso können jedoch höchstrichterliche Entscheidungen die Banken stärken und damit den Vergleich zu einem einmaligen "Glücksfall" werden lassen.

Wesentlich ist nämlich bis zum heutigen Tage, daß es noch zu keinem der uns zur Verfügung stehenden Haftungsansätze klare höchstrichterliche Entscheidungen gibt und damit beiderseits die (eine Vergleichsbereitschaft grundsätzlich fördernde) Unsicherheit besteht, wie denn letztlich der Bundesgerichtshof einzelne Fragen entscheiden wird."

Die Beteiligten sind also davon ausgegangen, dass hinsichtlich der Rechtslage eine erhebliche Ungewissheit bestehe, die erst in einer noch nicht überschaubaren Zukunft geklärt sein würde. Von dieser Ungewissheit sollten die Parteien durch den Vergleichsabschluss gerade befreit werden, wobei die Landesbank bereit war, sich die zugesagte Rechtssicherheit mit einem erheblichen finanziellen Nachgeben gegenüber den Anlegern zu "erkaufen". Diese Ausgangslage schloss es aber aus, die Wirksamkeit der Darlehensvereinbarungen unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BGH zum Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz nunmehr wieder in Zweifel zu ziehen.

(4) In seinem Schreiben vom 12.10.1999 (Seite 8/9) hat Rechtsanwalt Ht. unter anderem die seinerzeit in Rechtsprechung und Literatur diskutierte Frage angesprochen, ob die Abschlussvollmacht der Treuhänderin den Anforderungen des § 4 VerbrKrG genügen müsse und ob sie, wenn sie - wie regelmäßig - diese Bedingungen nicht erfülle, unwirksam sei. Die Wirkungen des Vergleichs sollten sich gleichwohl nicht auf diesen einen Grund für die Unwirksamkeit der Vollmacht beschränken. Vielmehr hat Rechtsanwalt Ht. den Streit um die Anwendbarkeit des § 4 VerbrKrG ausdrücklich nur als ein Beispiel für die Risiken einer möglichen gerichtlichen Auseinandersetzung dargestellt. Die Ausführungen des Anwalts der Interessengemeinschaft belegen einerseits, dass es den Beteiligten um eine umfassende Beilegung der nur beispielhaft dargestellten Meinungsverschiedenheiten ging, und sie machen zugleich deutlich, dass der Vergleich auch nach den Vorstellungen der Beteiligten unter anderem die Folgen eines etwaigen vollmachtlosen Handelns der Treuhänderin beseitigen sollte. Im Ergebnis muss dies dann aber auch für den - vom BGH erst später festgestellten - Verstoß des Geschäftsbesorgungsvertrages gegen das Rechtsberatungsgesetz und für die damit verbundene Nichtigkeit der Treuhändervollmacht gelten.

III.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 91 ZPO. Die Festsetzung des Streitwerts richtet sich nach § 48 Abs. 1 S. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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