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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 17.04.2003
Aktenzeichen: 2 Ww 39/01
Rechtsgebiete: LwAnpG, LwVG, KostO, ZPO, GKG


Vorschriften:

LwAnpG § 44 Abs. 1
LwAnpG § 65
LwVG § 20 Abs. 1 Nr. 7
LwVG § 33
LwVG § 34
KostO § 14 Abs. 5 S. 1
KostO § 30 Abs. 1
KostO § 30 Abs. 2
KostO § 31 Abs. 1 S. 3
KostO § 31 Abs. 3 S. 1, 2. Hs.
KostO § 31 Abs. 3 S. 2
ZPO § 254
GKG § 15
GKG § 23 Abs. 2
1. Grundsätzlich ist bei der Bemessung des Geschäftswertes eines Stufenantrags, der zur Durchsetzung eines Anspruchs gemäß § 44 Abs. 1 LwAnpG gestellt wird, auf die Antragsschrift abzustellen; denn durch diese wird der Gegenstand des Verfahrens bestimmt. Jedoch sind Erkenntnisse über den Wert der vom Antragsteller begehrten Leistung, die das Gericht bis zum Ende einer Instanz gewinnt, bei der Wertfestsetzung zu berücksichtigen, wenn durch diese Erkenntnisse das bereits zur Zeit der Stellung des noch unbezifferten Stufenantrags bestehende Interesse des Antragstellers näher konkretisiert wird.

2. Sofern jedoch solche Anhaltspunkte erst vorgebracht werden, wenn eine Sachentscheidung des Gerichts der betreffenden Instanz nicht mehr veranlasst ist, weil das Gericht die Hauptsache schon entschieden hat, weil der Antrag zurückgenommen worden ist oder weil die Parteien den Streit übereinstimmend für erledigt erklärt oder sich verglichen haben, sind diese Anhaltspunkte bei der Streitwert- bzw. Geschäftswertfestsetzung nicht mehr zu berücksichtigen. Denn für den Streitwert bzw. Geschäftswert eines auf eine Entscheidung in der Hauptsache abzielenden Verfahrens kann nur solcher Sachvortrag maßgeblich sein, der dem Gericht auch tatsächlich zur Entscheidung in der Hauptsache unterbreitet worden ist. Derartiger Sachvortrag liegt nicht vor, wenn Anhaltspunkte, die auf das mit dem Verfahren verfolgte Interesse des Antragstellers hindeuten, erstmals und ausschließlich aus Anlass einer Beschwerde gegen eine Streitwert- bzw. Geschäftswertfestsetzung geltend gemacht werden.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

2 Ww 39/01 OLG Naumburg

In der Landwirtschaftssache

hat der Senat für Landwirtschaftssachen des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Engel, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Strietzel und den Richter am Amtsgericht Brünninghaus - gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 LwVG ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter - am 17. April 2003 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des früheren Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers wird der am 30.10.2001 verkündete Beschluss des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgerichts - Magdeburg teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Gegenstandswert für das Verfahren der I. Instanz wird auf 5.112,92 EUR (10.000 DM) festgesetzt.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Mit Schriftsatz vom 28.12.2000 beantragte der vom jetzigen Beschwerdeführer vertretene Antragsteller beim Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - Magdeburg, die Antragsgegnerin zu verpflichten, einen Abfindungsanspruch aus beendetem LPG-Mitgliedschaftsverhältnis auszurechnen, mitzuteilen und zu erläutern. Außerdem beantragte er, vorbehaltlich der zu erteilenden Auskunft die Antragsgegnerin zur Zahlung eines noch zu beziffernden Abfindungsbetrages zu verpflichten. Als Geschäftswert gab der Antragsteller an:

"10.000 DM vorläufig - vorbehaltlich endgültiger Festsetzung durch das Gericht -"

Mit am 30.10.2001 verkündetem Beschluss wies das Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - Magdeburg den Antrag zurück; in demselben Beschluss setzte es den Geschäftswert entsprechend § 30 Abs. 2 KostO auf 5.000 DM fest.

Die gegen die Antragsabweisung gerichtete sofortige Beschwerde wurde durch den erkennenden Senat mit auf die mündliche Verhandlung vom 27.03.2002 ergangenem Beschluss zurückgewiesen. Den Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren setzte der Senat auf 5.112,92 EUR (= 10.000 DM) fest.

Mit Schriftsatz vom 15.01.2002 hat der Beschwerdeführer gegen die im Beschluss vom 30.10.2001 enthaltene Geschäftswertfestsetzung Rechtsmittel eingelegt; er regt an, den Geschäftswert für die I. Instanz auf 10.225,84 EUR festzusetzen. Er meint, der Geschäftswert bei Abweisung einer Stufenklage bemesse sich nach dem Wert des Hauptanspruchs. Für 37 Jahre Nutzung landwirtschaftlicher Fläche bei anzunehmenden 35 Bodenpunkten ergebe sich ein Geschäftswert von mindestens 10.225,84 EUR.

Das Amtsgericht hat das Rechtsmittel mit Verfügung vom 11.02.2003 dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Der Antragsteller und die Antragsgegnerin haben zur Geschäftswertbeschwerde nicht Stellung genommen.

II.

Das Rechtsmittel des früheren Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers ist als Beschwerde gemäß §§ 31 Abs. 3 S. 2, Abs. 1 S. 3 KostO, 33, 34 LwVG, 65 LwAnpG zulässig. Die Beschwerde ist auch teilweise begründet; der Geschäftswert für das Verfahren I. Instanz ist gemäß § 30 Abs. 1 KostO auf 5.112,92 EUR (10.000 DM) festzusetzen.

1. Über die Beschwerde des früheren Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers entscheidet der Senat abschließend, obwohl nicht ersichtlich ist, dass das Amtsgericht von der ihm durch §§ 31 Abs. 3 S. 1, 2. Hs., 14 Abs. 5 S. 1 KostO, 33 LwVG, 65 LwAnpG eingeräumten Befugnis, die Wertfestsetzung zu prüfen und gegebenenfalls der Beschwerde abzuhelfen, Gebrauch gemacht hat. Der Senat hält es jedoch im vorliegenden Fall im Interesse der Verfahrensbeteiligten nicht für sachdienlich, die Sache zur Nachholung der Entscheidung über die Abhilfe oder Nichtabhilfe an das Amtsgericht zurückzugeben.

2. Die in der Rechtsprechung für den Streitwert einer Stufenklage gemäß § 254 ZPO entwickelten Grundsätze gelten entsprechend für Stufenanträge auf der Grundlage des Landwirtschaftsverfahrensgesetzes, bei denen sich der Geschäftswert nach der KostO i.V.m. § 33 LwVG richtet. Denn das Verhältnis zwischen Auskunftsantrag einerseits und Leistungsantrag andererseits im Verfahren nach dem LwVG und dem FGG unterscheidet sich in der Sache nicht von dem Verhältnis von Auskunftsantrag und Leistungsantrag bei einer Stufenklage gemäß § 254 ZPO.

3. Maßgeblich für den Streitwert der Stufenklage ist, welche Vorstellungen der Kläger zur Zeit der Klageerhebung von dem Leistungsanspruch hat (OLG Bamberg, JurBüro 1994, 114) und welche Leistungen er nach seiner Klagebegründung objektiv zu erwarten hat (OLG Karlsruhe, FamRZ 1999,609; OLG Frankfurt, JurBüro 1985,443; Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 11. Auflage, Rn. 4256).

a) Das Kammergericht vertritt demgegenüber die Auffassung, dass sich der Gebührenstreitwert eines im Wege der Stufenklage eingeklagten, zunächst unbezifferten Leistungsanspruchs nicht nach den Erwartungen des Klägers zu Beginn, sondern nach den Erkenntnissen des Gerichts am Ende der Instanz richte (KG NJW-RR 1998, 418 ff.). Hierbei beruft sich das Kammergericht auf § 23 Abs. 2 GKG, demzufolge der Wert des bei jedem Antrag anzugebenden Streitwertes jederzeit berichtigt werden könne. Dass § 15 GKG für die Wertberechung auf den Zeitpunkt der Antragstellung abstelle, besage nur, dass es auf Änderungen des Wertes des Streitgegenstandes, die während der Instanz eintreten, nicht ankommen solle. Daraus sei aber nicht abzuleiten, dass bei der am Ende der Instanz erfolgenden Wertfestsetzung nicht auch alle zu diesem Zeitpunkt bekannten Umstände zu berücksichtigen seien, die für die Bewertung maßgebend seien und schon zu Beginn der Instanz tatsächlich vorhanden, wenn auch möglicherweise noch unbekannt gewesen seien.

b) Der Senat folgt grundsätzlich der Auffassung, dass bei der Bemessung des Geschäftswertes eines Stufenantrags auf die Antragsschrift abzustellen ist. Denn durch diese wird der Gegenstand des Verfahrens bestimmt; und aus der Antragsschrift ergeben sich bei einstufigen Verfahren, wenn die Anträge nicht ohnehin beziffert sind, in der Regel die objektiven Anhaltspunkte, die für die Wertfestsetzung maßgeblich sind. Auch bei Stufenanträgen enthält bereits die Antragsschrift im Verfahren der Auskunftsstufe zuweilen objektive Anhaltspunkte, die auf das quantitative Interesse des Antragstellers und damit auf den Wert des Streitgegenstands hindeuten. Dies kann der Fall sein, wenn der Antragsteller in seiner Antragsschrift einen vorläufigen Geschäftswert angibt, aber auch, wenn er konkrete Berechnungen anstellt, in welcher Größenordnung sich ein etwaiger Leistungsanspruch bewegen könnte.

c) Andererseits stimmt der Senat dem Kammergericht insoweit zu, als die Erkenntnisse über den Wert der vom Antragsteller begehrten Leistung, die das Gericht bis zum Ende einer Instanz gewinnt, bei der Wertfestsetzung zu berücksichtigen sind, wenn durch diese Erkenntnisse das bereits zur Zeit der Stellung des zunächst noch unbezifferten Stufensantrags bestehende Interesse des Antragstellers näher konkretisiert wird. Gerade bei zunächst unbezifferten Stufenanträgen ist es nicht ungewöhnlich, wenn sich zwar nicht aus der Antragsschrift als solcher, wohl aber im weiteren Verfahrensverlauf bis zum Abschluss der Instanz Anhaltspunkte ergeben, die Rückschlüsse auf das bereits bei Antragstellung vorhandene Interesse des Antragstellers zulassen.

d) Sofern jedoch solche Anhaltspunkte erst vorgebracht werden, wenn eine Sachentscheidung des Gerichts der betreffenden Instanz nicht mehr veranlasst ist, weil das Gericht die Hauptsache schon entschieden hat, weil der Antrag zurückgenommen worden ist oder weil die Parteien den Streit übereinstimmend für erledigt erklärt oder sich verglichen haben, sind diese Anhaltspunkte bei der Streitwert- bzw. Geschäftswertfestsetzung nicht mehr zu berücksichtigen. Denn für den Streitwert bzw. Geschäftswert eines auf eine Entscheidung in der Hauptsache abzielenden Verfahrens kann nur solcher Sachvortrag maßgeblich sein, der dem Gericht auch tatsächlich zur Entscheidung in der Hauptsache unterbreitet worden ist. Derartiger Sachvortrag liegt nicht vor, wenn Anhaltspunkte, die auf das mit dem Verfahren verfolgte Interesse des Antragsstellers hindeuten, erstmals und ausschließlich aus Anlass einer Beschwerde gegen eine Streitwert- bzw. Geschäftswertfestsetzung geltend gemacht werden.

4. Im vorliegenden Fall hat der Antragsteller bereits in der Antragsschrift, mit der er Auskunftserteilung begehrt hat, einen Betrag in Höhe von 10.000 DM als vorläufigen Geschäftswert mitgeteilt. Damit hat er zu erkennen gegeben, dass er eine Abfindung in einer Größenordnung von 10.000 DM erwartete. Die Wertangabe stellt insofern einen Anhaltspunkt für die Schätzung der Begehrensvorstellung des Antragstellers und damit für die Ermittlung des für die Gebühren des Bevollmächtigten des Antragstellers maßgeblichen Geschäftswertes dar.

Soweit der frühere Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers mit seiner Beschwerdeschrift erstmals Anhaltspunkte aufzeigt, die auf einen Geschäftswert von 10.225,84 EUR hindeuten sollen, ist dieses Vorbringen bei der Geschäftswertfestsetzung nicht zu berücksichtigen. Eine Begehrensvorstellung in Höhe von 10.225,84 EUR ist bis zum Abschluss der ersten Instanz nicht in das Verfahren eingeführt worden; auf eine Begehrensvorstellung in dieser Größenordnung hat der dem Landwirtschaftsgericht zur Sachentscheidung unterbreitete Sachverhalt nicht hingedeutet. Im Übrigen hat der Antragsteller auch dem erkennenden Senat im Verfahren über die sofortige Beschwerde gegen die erstinstanzliche Sachentscheidung nicht zu erkennen gegeben, dass sich sein Interesse auf 10.225,84 EUR belief.

III.

Die Kostenfolge beruht auf §§ 31 Abs. 4 KostO, 33 LwVG, 65 LwAnpG.

Ende der Entscheidung

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