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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 28.02.2002
Aktenzeichen: 3 U 51/01
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 649
BGB § 812
ZPO § 301
ZPO § 145 Abs. 2
Zum Verbot der Abtrennung von Klage und Widerklage, wenn zwischen beiden ein rechtlicher Zusammenhang besteht.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 51/01 OLG Naumburg

verkündet am: 28.02.2002

In dem Rechtsstreit

...

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 7. Februar 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kleist, den Richter am Oberlandesgericht Hellriegel und den Richter am Amtsgericht Thole für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 6. Juli 2001 verkündete Urteil des Landgerichts Halle und das zugrunde liegende Verfahren aufgehoben und die Sache an das Landgericht Halle zur erneuten Prüfung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsmittels - zurückverwiesen.

Der Rechtsmittelstreitwert beträgt 29.773,90 EUR.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Senat nimmt zunächst auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug.

Das Landgericht hat durch das angefochtene Urteil den Beklagten verurteilt, an den Kläger 58.232,68 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 21.03.2000 zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Gegen das ihm am 16. Juli 2001 zugestellte Urteil hat der Beklagte Berufung eingelegt und das Rechtsmittel begründet.

Der Beklagte ist der Auffassung, das Landgericht habe dem Klageantrag zu Unrecht stattgegeben.

Die Gemeinschuldnerin habe den Architektenvertrag gekündigt; die Kündigung habe er nicht zu vertreten. Er habe Schlussrechnung am 09.06.1997 gestellt. Er habe auch sämtliche vertraglich geschuldeten Leistungen erbracht und Aufwendungen im Zeitraum zwischen Kündigung und Schlussrechnung nicht erspart.

Die nach Vertragskündigung von der B. Gmbh auch errichteten Bauten seien nach seiner Planung mit dem gleichen Planungs- und Erarbeitungsstand gebaut worden.

Die Klageforderung sei im Übrigen nicht begründet. Die Leistungen nach dem Vertrag seien pauschalisiert gewesen. Bei einem vereinbarten Pauschalhonorar genüge für die Prüffähigkeit der Schlussrechnung die Angabe der Pauschalsumme und der erhaltenen Abschlagszahlungen; andere Gesichtspunkte spielten für die Prüfung des geforderten Honorars keine Rolle.

Dass er schon die Leistungsphasen 1 bis 3 vollständig erbracht habe, werde auch vom Sachverständigen nicht widerlegt. Daher stehen ihm schon nach dem Rechnungswerk der Klägerin unter Berücksichtigung der vereinbarten 2 % Nebenkosten insgesamt 131.224,68 DM zu, sodass nicht eine Über- sondern eine Unterzahlung von 9.328,68 DM vorliege.

Im Übrigen habe das Landgericht die Widerklage zu Unrecht von der Klage abgetrennt. Es handele sich um ein einheitliches Prozess- und Rechtsverhältnis, sodass eine Abtrennung nicht möglich sei.

Der Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Hilfsweise beantragt er,

den Rechtsstreit unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das erstinstanzliche Gericht zur Entscheidung mit dem Verfahren 9 O 277/01 zurück zu verweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und meint, auch die Abtrennung sei zu Recht erfolgt. Der Kläger könne nicht Honorar für die Phasen 3 und 4 beanspruchen, weil die eingereichte Genehmigungsplanung nicht genehmigungsfähig gewesen sei.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf die vorgetragenen und gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist zulässig, denn sie ist statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und auch begründet worden.

Die Berufung führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und des zugrunde liegenden Verfahrens und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht zur erneuten Prüfung und Entscheidung. Denn das angefochtene Urteil und das ihm zugrunde liegende Verfahren leiden an einem wesentlichen Mangel (I); eine eigene Entscheidung des Senats ist nicht sachdienlich. Überdies begegnet das angefochtene Urteil auch in materiell-rechtlicher Hinsicht durchgreifenden Bedenken (II).

I. Wesentlicher Mangel:

Das Landgericht hat verfahrensfehlerhaft durch Beschluss vom 06.07.2001 angeordnet, dass Klage und Widerklage in getrennten Prozessen verhandelt werden und die Insolvenzverwalter im Widerklageprozess des Klägers sind.

An der Verfahrensfehlerhaftigkeit der Abtrennung von Klage und Widerklage ändert zunächst nichts, dass ein Insolvenzverwalter grundsätzlich die Möglichkeit hat, einen Rechtsstreit über zur Insolvenzmasse gehörendes Vermögen, der zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens anhängig ist, in der Lage, in der er sich befindet, aufzunehmen.

Zwar ist gegen die nach § 145 Abs.2 ZPO angeordnete (ebenso wie die ablehnende) Trennung von Klage und Widerklage ein Rechtsmittel im Gesetz nicht vorgesehen. Allerdings rügt der Beklagte mit seiner Berufung, was er in erster Instanz schon getan hat, zugleich die Trennung als verfahrensfehlerhaft. Deshalb ist der Senat zur Überprüfung der isoliert nicht anfechtbaren Zwischenentscheidung des Landgerichts in der Lage (vgl. BGH NJW 1995, 3120; Zöller/Greger, ZPO, 22. Aufl., § 145 Rz. 6 a).

Dabei kann dahinstehen, ob die Trennung von Klage und Widerklage hier bereits gegen den Grundsatz verstößt, dass der gesamte Prozessstoff in einem Verhandlungstermin zu erledigen ist (vgl. BGH, a.a.O.). Denn allgemeines Ziel einer Verfahrenstrennung ist es, den Prozessstoff zu ordnen und übersichtlicher zu gestalten und einer Prozessverschleppung entgegen zu wirken.

Jedenfalls verbot sich die Trennung von Klage und Widerklage hier deshalb, weil zwischen beiden Ansprüchen, nämlich dem Werklohn - (= Honorar -)Anspruch des Beklagten und der Rückforderung aus Überzahlung wegen ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 BGB), ein rechtlicher Zusammenhang besteht (vgl. Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 20. Aufl., § 145 Rn. 6). Dabei ist ein rechtlicher Zusammenhang zwischen den beiden Ansprüchen dann gegeben, wenn die beiden Ansprüche als Rechtsfolgen aus demselben Tatbestand (demselben Rechtsverhältnis) abgeleitet werden, sei es mit derselben, wenn auch entgegen gesetzt gerichteten rechtlichen Beurteilung, sei es mit verschiedenartiger (vgl. Stein/Jonas, a.a.O.). Darauf hat bereits das Reichsgericht hingewiesen und für den rechtlichen Zusammenhang genügen lassen, dass beide Ansprüche in demselben Rechtsverhältnis ihre tatsächliche Begründung finden (vgl. RGZ 25, 398).

So liegt die Sache hier.

Der Beklagte hat aus dem mit der Rechtsvorgängerin des Klägers am 17.02.1997 geschlossenen Architektenvertrag das vereinbarte Gesamthonorar eingeklagt; der Kläger hingegen widerklagend mit der Behauptung, die Klägerin sei durch Akontozahlungen auf das vereinbarte Gesamthonorar mangels darüber hinaus erbrachter Leistungen überzahlt, auf Herausgabe unberechtigt erlangter Leistungen nach § 812 BGB.

Beide Forderungen haben also ihre Grundlage in ein und demselben Lebenssachverhalt, weshalb eine Abtrennung unzulässig war.

Die Abtrennung führte faktisch zum Erlass eines unzulässigen (horizontalen) Teilurteils. Denn durch diese ist, obgleich die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen nicht ausgeschlossen war - ausreichend für eine derartige Divergenzgefahr zwischen Teil- und Schlussurteil ist bereits die Möglichkeit einer abweichenden Entscheidung (vgl. BGH NJW 91, 2699) - auch der unterbrochenen Hauptprozess vorweg entschieden worden.

Besteht aber eine derartige Gefahr einer Divergenzentscheidung, fehlt es an der in § 301 ZPO vorausgesetzten Entscheidungsreife, weil die Beurteilung des Teilanspruchs dem Ausgang des Streits über den Streitteil nicht vorgreifen darf (vgl. BGH NJW 96, 3216 m.N.). Ein Rechtskraftproblem stellt sich insoweit allerdings nicht (vgl. BGHZ 123, 139).

II. Materiell-rechtliche Bedenken

Auch wenn es wegen der wesentlichen Prozessmängel nicht mehr darauf ankommt, weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass das Urteil auch in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht nachvollziehbar ist. Das Landgericht ist der Auffassung, dem jetzigen Kläger stünde der schlüssig dargelegte Bereicherungsanspruch deshalb zu, weil der Beklagte einen höheren Honoraranspruch nicht vorgetragen habe. Zur Beweislast insoweit vgl. BGH NJW 1989, 161. Überdies stehe nach der Beweisaufnahme fest, dass der Beklagte nicht die gesamte vereinbarte Leistung erbracht und deshalb keinen Anspruch auf das gesamte Honorar habe. Denn der Beklagte hätte nach Kündigung des Vertrages die von ihm erbrachten Leistungen nach § 649 BGB abrechnen müssen.

Die entscheidungserhebliche Frage, ob der Vertrag vom Besteller aus wichtigem Grund oder nicht aus einem solchen gekündigt worden ist, die Frage also, die Auswirkungen auf die Darlegungs- und Beweislast und die Art der Abrechnung hat, lässt das Landgericht damit ersichtlich offen. Auch deshalb ist die Entscheidung nicht hinnehmbar.

Da weder für die Abtrennung noch für den Erlass des angefochtenen Urteils die Voraussetzungen vorgelegen haben, war die Sache unter Aufhebung des Urteils und des zugrunde liegenden Verfahrens an das Landgericht zurück zu verweisen.

Der Senat lässt die Revision nicht zu, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsanwendung eine revisionsgerichtliche Entscheidung nicht erfordert.

Ende der Entscheidung

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