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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 15.04.2009
Aktenzeichen: 3 UF 10/09
Rechtsgebiete: ZPO, FGG, BGB, KostO


Vorschriften:

ZPO § 517
ZPO § 538
ZPO § 572 Abs. 3
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 7
ZPO § 621 a Abs. 1 Satz 1
ZPO § 621 e
ZPO § 621 e Abs. 3
FGG § 14
FGG § 22 Abs. 2
BGB § 1361 b
KostO § 131 Abs. 1 Satz 2
Wird bei einem Amtsgericht am 22. Dezember ein Rechtsmittel eingereicht, das aber beim Oberlandesgericht bis zum 11. Januar einzureichen war, und erfolgt die Weiterleitung so spät, dass bei Eingang beim Oberlandesgericht die Rechtsmittelfrist abgelaufen ist, ist auf Antrag Wiedereinsetzung zu gewähren.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

3 UF 10/09 OLG Naumburg

In dem Beschwerdeverfahren

hat der 3. Zivilsenat - 1. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richterin am Oberlandesgericht Goerke-Berzau und die Richter am Oberlandesgericht Thole und Materlik

15. April 2009

beschlossen:

Tenor:

1. Dem Antragsgegner wird wegen der Versäumung der Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

2. Auf die befristete Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Wittenberg vom 8. Dezember 2008, Az.: 4 F 701/08 WA, hinsichtlich der Hauptsacheentscheidung (erster Absatz des Tenors - Verpflichtung des Antragsgegners die bisherige Ehewohnung in R. , F. -Straße 25, von seinen persönlichen Sachen zu räumen und zur alleinigen Nutzung an die Antragstellerin herauszugeben) aufgehoben und zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes und erneuten Entscheidung an das Amtsgericht - Familiengericht - Wittenberg zurückverwiesen, das auch über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden hat.

Im Übrigen ergeht die Entscheidung über die befristete Beschwerde gerichtsgebührenfrei. 3. Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen die mit oben genanntem Beschluss vom 8. Dezember 2008 erlassene einstweilige Anordnung (zweiter Absatz des Tenors) wird zurückgewiesen, sodass es bei der amtsgerichtlichen Regelung mit der klarstellenden Maßgabe verbleibt, dass diese lediglich vorläufig bis zur abschließenden Hauptsacheentscheidung in dieser Sache gelten soll.

Die Kosten des Verfahrens der sofortigen Beschwerde trägt der Antragsgegner.

4. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren über die Hauptsache wird auf 3.000,00 € und für das über die einstweilige Anordnung auf 500,00 € festgesetzt.

5. Dem Antragsgegner wird für das Verfahren über die befristete Beschwerde ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Sch. aus W. zu seiner Vertretung bewilligt. Im Übrigen wird der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Dem Antragsgegner war wegen der Nichteinhaltung der einmonatigen Beschwerdefrist der §§ 621 e Abs. 3, 517 ZPO auf seinen Antrag hin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach §§ 22 Abs. 2 FGG, 621 Abs. 1 Nr. 7, 621 a Abs. 1 Satz 1 ZPO zu bewilligen, da die angefochtene amtsgerichtliche Entscheidung, welche dem Antragsgegner persönlich bereits am 11.12.2008 zugestellt worden ist, mit der beim - unzuständigen - Amtsgericht Wittenberg eingegangenen befristeten Beschwerde am 22. Dezember 2008 angefochten worden ist. Damit bestand aber noch ausreichend Zeit für das Amtsgericht, die bei ihm unzuständigerweise eingegangene Beschwerdeschrift nebst Beschwerdebegründung auch binnen der laufenden Beschwerdefrist rechtzeitig, also bis zum 11.01.2008, dem zuständigen Oberlandesgericht vorzulegen. Soweit dies nicht geschehen ist, war daher dem Antragsgegner wegen unverschuldeter Versäumung der Beschwerdefrist auf seinen Antrag hin Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zu gewähren.

II.

Die überdies gemäß den §§ 621 e, 621 Abs. 1 Nr. 7, 621 a Abs. 1 Satz 1 ZPO statthafte und auch nunmehr nach gewährter Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdefrist zulässige befristete Beschwerde des Antragsgegners hatte auch in der Sache insoweit Erfolg, als dass nämlich die angefochtene amtsgerichtliche Hauptsacheentscheidung, die Zuweisung der ehelichen Wohnung an seine Ehefrau zur alleinigen Nutzung, aufzuheben war und die Sache zur erneuten Verhandlung und Beweisaufnahme entsprechend § 572 Abs. 3 ZPO bzw. § 538 ZPO an das zuständige Amtsgericht - Familiengericht - Wittenberg zurückzuverweisen war.

Zu Recht weist der Antragsgegner darauf hin, dass das Amtsgericht seine Entscheidung lediglich auf den fälschlicherweise als unstreitig zugrunde gelegten bzw. auf die vom minderjährigen Sohn der Parteien M. anlässlich seiner erstinstanzlichen Vernehmung bekundeten Angaben beruht, während die übrigen, von beiden Parteien benannten Zeugen, B. L. , die 16jährige Tochter der Parteien, A. K. , sowie die Freundin der Mutter, die Mitbewohnerin und Zeugin S. W. vom Amtsgericht nicht vernommen worden sind. Dies ist umso schwerwiegender, weil nämlich die vom Antragsgegner zum Gegenbeweis dafür, dass er die ihm zur Last gelegten Störattacken des häuslichen Friedens gerade nicht begangen hat, benannten Zeugen L. und die Tochter A. nicht vom Vordergericht vernommen worden sind, obgleich letztere bereits schriftlich klarstellte, dass die vom Antragsgegner geschilderten abweichenden Tagesabläufe und Geschehnisse zutreffend seien. Dies wird auch noch durch einen, nach Beschlussfassung am 09.12.2008, von der Zeugin A. K. an die Amtsrichterin geschriebenen Brief verstärkt zum Ausdruck gebracht, in dem diese ausführte, dass sie der Auffassung sei, dass ihre Mutter, die Antragstellerin, mit ihrer Darstellung der Auseinandersetzung übertreibe.

Vor dem Hintergrund der das Amtsgericht im Rahmen des FGG-Verfahrens treffenden Pflicht zur amtswegigen Ermittlung des wahren Sachverhaltes nach § 14 FGG erfordert aber eine abschließende Entscheidung noch die Einvernahme der vorgenannten Zeugen, wobei es zudem in besonderer Weise auf die Glaubwürdigkeit der Zeugen ankommen wird. In Anbetracht des noch notwendigen Umfangs der Beweisaufnahme zwecks vollständiger Aufklärung des Sachverhaltes und Regelung des Rechtsverhältnisses an der Ehewohnung nach § 1361 b BGB wird die Vernehmung sämtlicher Zeugen, nicht nur die des von der Antragstellerin benannten 12jährigen minderjährigen Sohnes, der - wie der Antragsgegner schildert - unter dem vollständigen Einfluss seiner Mutter, der Antragstellerin, stehen soll, dem Amtsgericht übertragen.

Vor diesem Hintergrund und in Anbetracht des Umfangs der nachzuholenden Beweisaufnahme war die angefochtene Entscheidung des Amtsgerichtes in der Hauptsache (vollständige Wohnungszuweisung) aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Beweisaufnahme an das Amtsgericht - Familiengericht - zurückzuverweisen.

Die Entscheidung hinsichtlich der Gerichtsgebühren folgt aus § 131 Abs. 1 Satz 2 KostO.

III.

Soweit das Amtsgericht darüber hinaus dem Antragsgegner einstweilen bis zum vollständigen Auszug den Mehrzweckraum im Erdgeschoss und der Antragstellerin die weiteren Wohnräume zur alleinigen Nutzung zugewiesen hat und dem Antragsgegner die Mitbenutzung des Bades nach Bedarf und der Küche nach vorheriger Absprache gestattet hat und für den Fall, dass diese nicht einvernehmlich stattfindet, eine konkrete zeitliche Regelung für seine ihm zustehende jeweilige alleinige Nutzung der vorgenannten Räumlichkeiten getroffen hat, und ihm darüber hinaus in den übrigen Zeiten die Benutzung untersagt hat, bleibt es einstweilen, allerdings nur bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache über die Wohnungszuweisung, bei der einstweiligen Anordnung des Amtsgerichts.

Denn der Senat verkennt nicht, dass - nach der bisherigen Aktenlage - zwischen den Parteien erhebliche Spannungen bestehen, die eine eindeutige Regelung der Nutzungsmöglichkeiten an der bisherigen gemeinsamen ehelichen Wohnung erfordern. Um sicherzustellen, dass hier einstweilen der Rechtsfrieden gewahrt wird und gleichwohl beide Parteien die Möglichkeit haben, die Wohnung weiterhin zu nutzen, erscheint es zur Vorbereitung der abschließenden Hauptsacheentscheidung betreffend die Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung notwendig die entsprechende einstweilige Anordnung aufrechtzuerhalten.

Dabei wird darauf hingewiesen, dass das Amtsgericht für den Fall der Nichteinhaltung der vorstehend genannten Nutzungsregelung, die Androhung bzw. Verhängung angemessener Zwangsmittel zu prüfen haben wird.

Die Kostenentscheidung folgt hier aus § 97 Abs. 1 ZPO.

IV.

Die Festsetzung des Geschäftswertes für das Beschwerdeverfahren hat ihre Rechtsgrundlage in § 131 Abs. 2 in Verb. mit § 30 KostO. Danach war der Gegenstandswert für die gegen die Hauptsache gerichtete Beschwerde mit dem gewöhnlichen Gegenstandswert von 3.000,00 € und diejenige betreffend die amtsgerichtliche einstweilige Anordnung mit einem Teilwert von 500,00 € zu bemessen.

V.

Überdies war dem Antragsgegner für das Verfahren über die befristete Beschwerde aufgrund seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gemäß den §§ 114, 115, 121 Abs. 2 ZPO ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten zu bewilligen, bietet doch seine zweitinstanzliche Rechtsverfolgung - wie den vorstehenden Gründen entnommen werden kann - die hinreichende Aussicht auf Erfolg, deren es für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe bedarf. Für die sofortige Beschwerde konnte Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussichten nicht bewilligt werden.

Ende der Entscheidung

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