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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 03.03.2009
Aktenzeichen: 3 UF 150/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 538 Abs. 2 Nr. 7
Gibt das Familiengericht dem Scheidungsantrag vor der Entscheidung über eine Folgesache statt, ohne dass die Voraussetzungen für eine Abtrennung vorliegen, handelt es sich um ein unzulässiges Teilurteil, das nach § 538 Abs. 2 Nr. 7 ZPO der Aufhebung unterliegt.

Bei mehreren Scheidungsfolgesachen kann nur diejenige abgetrennt werden, bei der die Voraussetzungen vorliegen.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG Im Namen des Volkes URTEIL

3 UF 150/08 OLG Naumburg

verkündet am 03.03.2009 In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat - 1. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Richter am Oberlandesgericht Hellriegel als Vorsitzenden und die Richter am Oberlandesgericht Thole und Materlik auf die mündliche Verhandlung vom 24. Februar 2009 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengerichts - Stendal vom 10. Juni 2008 aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das vorbezeichnete Amtsgericht - Familiengericht - zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Rechtsmittelverfahrens übertragen werden.

Im Übrigen werden Gerichtskosten für das Berufungsverfahren nicht erhoben.

Die Revision wird nicht zugelassen.

und beschlossen:

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf insgesamt 18.200,- Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Parteien sind getrennt lebende Ehegatten.

Mit Schriftsatz vom 31.08.2007 hat der Antragsteller beantragt, die am 10.08.1974 vor dem Standesbeamten des Standesamtes B. , Kreis T. , zur Heiratsregister-Nummer 6/1974 geschlossene Ehe zu scheiden und den Versorgungsausgleich durchzuführen, weil die Parteien seit dem 2. Quartal 2006 dauerhaft getrennt lebten und er, der Antragsteller, nicht mehr bereit sei, die eheliche Lebensgemeinschaft wiederherzustellen.

Die Antragsgegnerin hat beantragt, das Scheidungsgesuch zurückzuweisen.

Sie hat bestritten, dass die Parteien überhaupt getrennt leben würden. So bewohne der Antragsteller keine separate Einliegerwohnung. Vielmehr handele es sich bei dem Einfamilienhaus um ein Haus mit nicht abgeschlossenen Räumen, die beiden Ehepartnern zugänglich seien. Auch sei das Getrenntleben der Parteien frühestens ab dem 05.04.2007 festzustellen.

Im Termin vom 18.06.2008 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Stendal durch Beschluss die Folgesache Ehewohnung und Hausrat unter Bezugnahme auf "§ 628 Abs. 1 Nr. 4 ZPO" abgetrennt, weil mit der Einholung eines Sachverständigengutachtens zu rechnen sei. Des Weiteren hat es gemäß den "§ 628 Abs. 1 Nr. 1 und 4 ZPO" die am "13.06.2008" anhängig gemachte "Auskunftsklage zum Zugewinnausgleichsverfahren" abgetrennt (Bl. 29 d. A.).

Mit Urteil vom 18.06.2008 (Bl. 36 ff. d. A.) hat das Amtsgericht - Familiengericht - Stendal sodann die am 10.08.1974 von den Parteien vor dem Standesbeamten des Standesamtes B. geschlossene Ehe geschieden und den Versorgungsausgleich ausgesetzt. Zur Begründung für den Scheidungsausspruch hat das Amtsgericht angegeben, die Scheidung habe gemäß den §§ 1564, 1565 Abs. 1 BGB erfolgen müssen. Denn die Ehe der Parteien sei gescheitert und die Ehepartner lebten seit mehr als einem Jahr getrennt. So lehne der Antragsteller die Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft vehement ab und beide Parteien lebten - so ihre nach Ansicht des Amtsgerichts glaubhafte Anhörung - seit mindestens April 2007 getrennt.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe der vorbezeichneten Entscheidung (Bl. 37 ff. d. A.) Bezug genommen.

Gegen dieses ihr am 16.07.2008 zugestellte Urteil hat die Antragsgegnerin mit am 15.08.2008 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie nach gewährter Fristverlängerung mit am 15.10.2008 eingegangenem Schriftsatz fristgerecht begründet hat.

Die Antragsgegnerin vertritt die Ansicht,

die vom Amtsgericht vorgenommene Abtrennung des im Scheidungsverbund noch anhängigen Verfahrens auf Zuweisung der Ehewohnung und des Hausrats sowie des Zugewinnausgleichsverfahrens verstoße gegen § 628 ZPO und sei demzufolge rechtswidrig erfolgt. Denn es könne schon nicht festgestellt werden, dass die Entscheidung über die weiteren Folgesachen den Scheidungsausspruch so lange hinauszögern würde, dass dies für den Antragsteller eine unzumutbare Härte im Sinne der vorgenannten Norm darstellen würde. Im Übrigen sei auch zu berücksichtigen, dass sie, die Antragsgegnerin, dem Scheidungsantrag des Antragstellers nicht zugestimmt habe. Zudem sei für eine streitige Scheidung zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung die notwendige Trennungszeit noch nicht abgelaufen gewesen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

das am 18.06.2008 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengerichts - Stendal aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht - Familiengericht - Stendal zurückzuverweisen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Berufung der Antragsgegnerin zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene amtsgerichtliche Entscheidung und meint, die Scheidung sei zu Recht erfolgt. Denn nachdem beide Parteien im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht mit der Abtrennung der Folgesachen einverstanden gewesen seien, habe das Amtsgericht zu Recht die Folgesachen wegen der in den Folgesachen zu erwartenden Verzögerung abgetrennt. Im Übrigen sei die Auskunftsklage im Zugewinnausgleichsverfahren nicht einmal rechtshängig gewesen. Auch habe der Antragsteller der Antragsgegnerin seit dem Jahre 2006 zu verstehen gegeben, dass er die eheliche Lebensgemeinschaft nicht wiederherzustellen gedenkt.

II.

Die statthafte und zulässige Berufung der Antragsgegnerin ist in der Sache begründet. Denn die Abtrennung der Folgesachen über die Zuweisung der Ehewohnung und des Hausrats sowie die Abtrennung des Zugewinnausgleichsverfahrens und die damit eröffnete Möglichkeit einer außerhalb des vom Gesetzgeber nach § 623 ZPO gewollten Scheidungsverbundes zu treffenden Entscheidung erfolgte unter Verstoß gegen § 628 ZPO und ist damit zugleich verfahrensfehlerhaft erfolgt.

Gibt das Familiengericht dem Scheidungsantrag vor der Entscheidung über eine Folgesache statt, ohne dass die Voraussetzungen des § 628 ZPO vorliegen, dann handelt es sich um ein unzulässiges Teilurteil, das nach § 538 Abs. 2 Nr. 7 ZPO der Aufhebung unterliegt (OLG Koblenz, FamRZ 2008, 1965 - 1967; Philippi, in: Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 628 Rdnr. 14 m.w.N.).

Im Termin vom 18.06.2008 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Stendal das Verfahren auf Zahlung von Zugewinnausgleich, welches sich in der Auskunftsstufe befand, nach § 628 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 4 ZPO, und das Verfahren über die Zuweisung der Ehewohnung und des Hausrats nach § 628 Satz 1 Nr. 4 ZPO abgetrennt und sodann aufgrund des von der Antragsgegnerin angefochtenen Urteils isoliert über das Scheidungsgesuch und den Versorgungsausgleich entschieden, ohne indes hierfür eine ausreichende Begründung zu nennen, geschweige denn, dass die Voraussetzung für diese Verfahrensweise hier überhaupt rechtlich erfüllt wären.

Die Abtrennung der Folgesachen ist nicht von den Voraussetzungen des § 628 Satz 1 Nr. 4 ZPO gedeckt. Nach der vorgenannten Norm kann das Gericht dem Scheidungsantrag ausnahmsweise schon vor der Entscheidung über die Folgesache stattgeben, wenn die gleichzeitige Entscheidung über die Folgesache den Scheidungsausspruch so außergewöhnlich verzögern würde, dass der Aufschub auch unter Berücksichtigung der Bedeutung der Folgesache eine unzumutbare Härte darstellen würde.

Zur Herbeiführung des Scheidungsverbundes reicht es aus, dass die Folgesachenanträge bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz anhängig gemacht werden, eine Rechtshängigkeit dieser Anträge wird hingegen nicht vorausgesetzt (OLG Koblenz, a.a.O., m.w.N.). Vielmehr wird sogar für ausreichend erachtet, dass vor Schluss der letzten mündlichen Verhandlung ein Prozesskostenhilfegesuch für einen noch anhängig zu machenden Scheidungsfolgenantrag gestellt wird (OLG Koblenz, a.a.O. mit Ausführungen zum Meinungsstand).

Termin zur letzten mündlichen Verhandlung im Scheidungsverfahren war der 18.06.2008. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich die Parteien im Folgeverfahren über die Zuweisung der Ehewohnung und zum Hausrat durch Vergleich vom 25.01.2008 nur für die Dauer des Scheidungsverfahrens - und damit noch nicht abschließend - über die Nutzung der ehelichen Wohnung und des Hausrates geeinigt (Bl. 114 UA Ehewohnung und Hausrat). Ferner stand auch noch die Entscheidung über den von der Antragsgegnerin im Wege der Stufenklage am 12.06.2008 anhängig gemachten Antrag betreffend den Zugewinnausgleich aus (Bl. 1 ff. UA Ansprüche aus Güterrecht).

Demzufolge waren zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Scheidungssache am 18.06.2008 mindestens noch zwei Scheidungsfolgesachen anhängig (Zugewinnverfahren) bzw. sogar rechtshängig (Zuweisung des Hausrats und der Ehewohnung für die Dauer ab Rechtskraft der Scheidung). Selbst wenn die Abtrennung des Verfahrens auf Zugewinnausgleich nach § 628 Satz 1 Nr. 1 ZPO wegen des voraussichtlich notwendigen Aufwandes (ggf. Einholung eines Sachverständigengutachtens) und der hierdurch zu erwartenden eventuellen erheblichen Verzögerung noch gerechtfertigt wäre, so war doch die damalige Abtrennung des noch rechtshängigen Teils des Hausrats- und Wohnungszuweisungsverfahrens nicht mit § 628 Satz 1 Nr. 4 ZPO zu rechtfertigen. Denn es sind von keiner Seite substantielle Tatsachen vorgetragen, die die gleichzeitige Entscheidung über diese sehr wesentliche Scheidungsfolgesache mit dem Scheidungsausspruch wegen der hierdurch zu befürchtenden Verzögerung als unzumutbare Härte darstellen könnte. Tatsache ist (wohl) vielmehr, dass zunächst beide Parteien im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht gegen die von der Amtsrichterin angeregte Abtrennung der Folgesachen keine Einwendungen erhoben haben.

Gleichwohl hindert dies nach gängiger Rechtsprechung die Antragsgegnerin nicht, gegen die dann erfolgte Abtrennung mit der Berufung unter Hinweis auf eine Verletzung der §§ 623, 628 ZPO vorzugehen, und zwar selbst dann wenn sie zuvor, was zwischen den Parteien streitig ist, mit der Abtrennung der Folgesache einverstanden war (OLG Koblenz, a.a.O., BGH, FamRZ 1991, 687; Philippi, a.a.O., § 628 Rdnr. 13).

Da nach alledem die Voraussetzungen für die vom Amtsgericht vorgenommene Abtrennung der Folgesachen und den vorgezogenen (isolierten) Scheidungsauspruch nicht vorlagen, ist die angefochtene Entscheidung auf den Berufungsantrag der Antragsgegnerin hin aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung im Verbund mit den Folgesachen an das Amtsgericht - Familiengericht - Stendal zurückzuweisen.

III.

Da die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens bei richtiger Sachbehandlung durch das Amtsgericht nicht entstanden wären, waren die Gerichtskosten für die zweite Instanz nach § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG nicht zu erheben.

Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Rechtsmittelverfahrens ist derzeit noch nicht möglich, weil die Grundlagen hierfür erst durch die abschließende Entscheidung des Amtsgerichts geschaffen werden. IV.

Die in § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO gesetzlich definierten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision sind nicht gefüllt.

V.

Die Festsetzung des Streitwerts für die Berufungsinstanz beruht auf den §§ 46 Abs. 1, 47 Abs. 1 und Abs. 2, 48 Abs. 3 Satz 1, 49 Nr. 3 GKG und bemaß sich für den Scheidungsantrag nach dem Monatseinkommen der Parteien für 3 Monate ([3.000,-- Euro + 2.400,-- Euro] x 3 Monate = 16.200,-- Euro) sowie dem Gegenstandswert für den ausgesetzten Versorgungsausgleich (2.000,-- Euro).

Ende der Entscheidung

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