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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 15.05.2002
Aktenzeichen: 3 UF 58/02
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, FGG


Vorschriften:

BGB § 1618
ZPO § 621
ZPO § 621 e
ZPO § 236 Abs. 2
FGG § 12
FGG § 50 a Abs. 2
FGG § 50 a Abs. 3
FGG § 50 a Abs. 2 Satz 1
FGG § 50 a Abs. 1 Satz 2
1. Erfolgt in einem Verfahren zur Einbenennung eine unzutreffende Rechtsmittelbelehrung durch das Amtsgericht, ist Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn die Beschwerdeschrift so rechtzeitig bei dem - unzuständigen - Erstgericht eingeht, dass bei ordnungsgemäßer Weiterleitung der Eingang beim Oberlandesgericht rechtzeitig gewesen wäre.

2. Von einer persönlichen Anhörung eines Beteiligten kann abgesehen werden, wenn dessen Aufenthalt unbekannt und nicht ermittelt werden kann. Hierzu sind jedoch Nachfragen außer der Anfrage bei der Meldebehörde auch solche bei Verwandten und den Sozialversicherungsbehörden erforderlich.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

3 UF 58/02 OLG Naumburg

In Sachen

hat das Oberlandesgericht Naumburg durch den Richter am Oberlandesgericht Wiedenlübbert, den Richter am Oberlandesgericht Hellriegel und die Richterin am Amtsgericht Schöllmann

am 15. Mai 2002

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Zerbst vom 21.01.2002 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Der Beschwerdewert beträgt 3.000,00 EUR.

Gründe:

Durch die angefochtene Entscheidung hat das Amtsgericht den Antrag der Antragstellerin auf Ersetzung der Zustimmung zur Namensänderung für das Kind M. St. auf ihren Ehenamen zurückgewiesen. Die Entscheidung wird ausschließlich darauf gestützt, dass der Kindesvater, Herr I. St. , nicht angehört werden konnte, da sein derzeitiger Aufenthalt nicht ermittelt werden konnte. Seine Anhörung sei jedoch nach § 50 a Abs. 1 Satz 2 FGG zwingend vorgeschrieben.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der als Beschwerde auszulegende Einspruch der Antragstellerin vom 18.02.2002. Das Rechtsmittel der Antragstellerin ist als befristete Beschwerde nach § 621 ZPO zulässig. Gem. § 236 Abs. 2 ZPO war der Antragstellerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Beschwerdefrist zu gewähren. Die Antragstellerin war ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Beschwerdefrist gehindert. Der angefochtene Beschluss enthält eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung. Gegen die Entscheidung des Familiengerichts über die Ersetzung der Einwilligung des nicht sorgeberechtigten Elternteils in die Einbenennung des Kindes ist das Rechtsmittel der befristeten Beschwerde gegeben (§ 621 e Abs. 1 ZPO), da es sich um eine die elterliche Sorge betreffende Entscheidung handelt (vgl. BGH FamRZ 1999, Seite 1648). Die Beschwerde nach § 621 e ZPO wird durch Einreichen der Beschwerdeschrift bei dem Beschwerdegericht binnen einer Notfrist von einem Monat eingelegt. Hinzu kommt, dass die Beschwerde der Antragstellerin vom 18.02.2002 gegen den ihr am 15.02.2002 zugestellten Beschluss vom 21.01.2002 nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge noch innerhalb der Monatsfrist bei dem Oberlandesgericht in Naumburg eingegangen wäre. Obwohl das Schreiben bereits am 19.02.2002 beim Amtsgericht in Zerbst eingegangen ist, ist das Verfahren nicht an das Oberlandesgericht Naumburg weitergeleitet worden, sondern vielmehr zunächst auf Frist gelegt worden, bevor über eine - für eine Beschwerde im Sinne von § 621 e ZPO nicht vorgesehene - Abhilfe entschieden wurde. Wiedereinsetzung ist zu gewähren, wenn der Schriftsatz so rechtzeitig bei dem unzuständigen Gericht eingegangen ist, dass eine fristgerechte Weiterleitung an das zuständige Gericht im ordentlichen Geschäftsgang erwartet werden konnte (Zöller/Greger, ZPO Kommentar, 22. Aufl., § 233 Rn. 22 b). Die Versäumung der Beschwerdefrist wäre bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt seitens des Amtsgericht nicht eingetreten.

Das Rechtsmittel der Antragstellerin führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung an das Amtsgericht zur erneuten Prüfung und Entscheidung. Die angefochtene Entscheidung hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Sie beruht zudem auf einem nicht gem. § 12 FGG ausreichend aufgeklärten Sachverhalt.

Zutreffend ist, dass der Rechtspfleger grundsätzlich den anderen Elternteil im Verfahren auf Ersetzung der Einwilligung im Rahmen der Regelung des § 1618 BGB persönlich anzuhören hat. Nach § 50 a Abs. 2 Satz 1 FGG ist grundsätzlich vorgeschrieben, dass in Angelegenheiten der Personensorge die Eltern persönlich anzuhören sind. Dieses gilt gem. § 50 a Abs. 2 FGG auch für den Elternteil, dem die elterliche Sorge nicht zusteht (OLG Bamberg, FamRZ 2000 Seite 691). Jedoch ist eine persönliche Anhörung des Kindesvaters - wie sich bereits aus § 50 a Abs. 2 und 3 FGG ergibt - nicht ausnahmslos erforderlich (vgl. OLG Celle, NJW-RR 2000, Seite 667). Insbesondere stellt die tatsächliche Unerreichbarkeit einen schwerwiegenden Grund dar, aus dem sich im Einzelfall die Entbehrlichkeit einer Anhörung ergeben kann (Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 13. Aufl., § 50 a Rn. 23, BayObLG FamRZ 1987, Seite 1080 [1082]). Bei einem tatsächlich unbekannten Aufenthalt des Anzuhörenden kann im Einzelfall von einer Anhörung abgesehen werden. Allerdings darf sich das Gericht nicht mit einer Feststellung der Unerreichbarkeit begnügen, sondern ist vielmehr verpflichtet, den Aufenthalt des Anzuhörenden zu ermitteln (Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.O., § 50 a Rn. 23). Die Anfrage an das Einwohnermeldeamt in L. stellt nach Ansicht des Senats keine ausreichende Nachforschung über den Verbleib des Kindesvaters dar. Unbekannt ist der Aufenthalt, wenn er nicht nur dem Gegner und dem Gericht, sondern allgemein unbekannt ist (vgl. Zöller-Stöber, ZPO-Kommentar, 22. Aufl., § 203 Rn. 2). Insbesondere dürften Anfragen bei Verwandten des Kindesvaters und bei den Sozialversicherungsbehörden geboten sein, um den aktuellen Aufenthaltsort des Kindesvaters zu ermitteln. Das Amtsgericht wird somit weitere Ermittlungen vornehmen müssen, um abzuklären, ob der Aufenthalt des Kindesvaters ermittelt werden kann bzw. ob seine Anhörung ausnahmsweise wegen unbekannten Aufenthalts entbehrlich ist.

Ende der Entscheidung

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