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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 28.02.2006
Aktenzeichen: 3 UF 7/06
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 1618 Satz 4
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 621 e Abs. 1
Wenn am 28.11.05 die Rechtsmittelfrist abläuft und geht am 11. November beim FamG - unzulässig - eine Rechtsmittelschrift ein, ist das FamG gehalten, im normalen Geschäftsgang das Rechtsmittel an das OLG weiterzuleiten.

Erfolgt eine Weiterleitung an das OLG erst am 17.1.2006 (1 1/5 Monate später) und ist ein sachlicher Grund für diese Verzögerung aus der Akte nicht ersichtlich, ist wegen unverschuldeter Fristversäumung Wiedereinsetzung zu gewähren.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

3 UF 7/06 OLG Naumburg

In der Familiensache

hat der 3. Zivilsenat - 1. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Goerke-Berzau und die Richter am Oberlandesgericht Hellriegel und Thole

am 28.02.2006

beschlossen:

Tenor:

1. Der Antragstellerin und der Beteiligten zu 1. und 2. wird gegen die Versäumung der Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand bewilligt.

2. Der Antrag der Antragstellerin und der Beteiligten zu 1. und 2. auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Beschwerde wird zurückgewiesen.

3. Die Beschwerden der Antragstellerin und der Betroffenen zu 1. gegen den Beschluss des Amtsgerichts Osterburg vom 27.10.2005 werden zurückgewiesen, die Beschwerde der Betroffenen zu 2. wird als unzulässig verworfen.

4. Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; die außergerichtlichen Kosten der Beschwerde haben die Antragstellerin und die Betroffenen zu 1. und 2. zu tragen.

5. Der Beschwerdewert wird auf 6.000 € festgesetzt.

6. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin war mit dem Antragsgegner verheiratet. Aus ihrer Ehe, die im Jahre 2000 vor dem Amtsgericht Osterburg geschieden worden ist, sind die beteiligten minderjährigen Kinder M. und J. hervorgegangen. Die Antragstellerin hat ihren Geburtsnamen wieder angenommen. Sie beabsichtigt, die Ehe mit M. L. , mit dem sie mit den beteiligten Kindern zusammen lebt, einzugehen.

Die Antragstellerin hat zunächst beantragt, die Einwilligung des Antragsgegners in die Einbenennung zu ersetzen und später weiter, ihr das alleinige Sorgerecht für die beiden gemeinsamen Kinder zu übertragen.

Das Amtsgericht hat nach Anhörung der Eltern, der Kinder und des Jugendamtes den Antrag auf Ersetzung der Einwilligung in die Einbenennung zurückgewiesen, der Kindesmutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die beteiligten Kinder übertragen und den auf die Alleinsorge gerichteten Antrag der Antragstellerin zurückgewiesen.

Gegen diese Entscheidung richten sich die Beschwerden der Antragstellerin und der beteiligten Kinder.

II.

1. Zulässigkeit der Rechtsmittel und Wiedereinsetzung

Gegen amtsgerichtliche Entscheidungen, die die Ersetzung der Einwilligung in die Einbenennung nach § 1618 Satz 4 BGB betreffen, ist die befristete Beschwerde nach §§ 621 e Abs. 1, 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zulässig (vgl. BGH FamRZ 1999, 1648), das gilt gleichsam für Entscheidungen betreffend die elterliche Sorge insgesamt oder teilweise.

Gegen eine ablehnende Entscheidung betreffend die Ersetzung der Einwilligung in die Einbenennung kann allerdings nur derjenige Beschwerde einlegen, der durch die Entscheidung in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Das ist hier die gemeinsam mit dem Beschwerdegegner sorgeberechtigte Kindesmutter. Die beteiligten Kinder sind nach allgemeiner Auffassung nur dann beschwerdeberechtigt, wenn das Gericht die Einwilligung des anderen Elternteils ersetzt hat, was hier nicht der Fall ist, und weshalb ihnen kein Beschwerderecht zusteht (vgl. Zöller/ Philippi, ZPO, 25. Auflage, § 621e, Rn 14 g, m. w. N..

Gegen Entscheidungen betreffend das Sorgerecht für minderjährige Kinder können neben der Kindesmutter nach § 59 I und III FGG auch Kinder Beschwerde einlegen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben. Deshalb war die Beteiligte zu 1. berechtigt, neben ihrer Mutter Beschwerde gegen die Entscheidung des Amtsgerichts einzulegen, nicht aber ihre Schwester J. .

Die Beschwerde ist nach §§ 621 e Abs. 1 und 3, 517 ZPO allerdings innerhalb eines Monats ab Zustellung beim Beschwerdegericht, welches nach § 119 Abs. 1 Nr. 1a GVG ausschließlich das Oberlandesgericht ist, einzulegen.

Wegen der Zustellung am 28.10.2005 hätte die Beschwerde daher bis zum Ablauf des 28.11.2005 beim Oberlandesgericht Naumburg eingehen müssen. Das ist nicht geschehen, sodass die Rechtsmittel der Antragstellerin und der Beteiligten zu 1. und 2. deshalb unzulässig wären.

Die Beschwerden der Antragstellerin und der Beteiligten zu 1. und 2. sind jedoch rechtzeitig in der Beschwerdefrist, und zwar am 11.11.2005, beim Amtsgericht eingegangen, das - nicht nachvollziehbar- die Beschwerden nebst Akten erst mit Verfügung vom 17.01.2006 zur Übersendung an das Rechtsmittelgericht gebracht hat, obgleich eine Weiterleitung ohne Mühen zeitnah hätte erfolgen können und müssen.

Daher ist der Antragstellerin und den Beteiligten zu 1. und 2. nach § 236 Abs. 2 ZPO von Amts wegen gegen die Versäumung der Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu bewilligen.

Hinsichtlich der Beteiligten zu 2. Ist allerdings die Beschwerde gleichwohl als unzulässig zu verwerfen, da ihr aus den oben genannten Gründen ein Beschwerderecht nicht zusteht.

2. Prozesskostenhilfe

Den Beschwerdeführerinnen ist Prozesskostenhilfe zu verweigern, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht hinreichend erfolgversprechend erscheint.

Soweit es die Beteiligte zu 2. angeht, ergibt sich die fehlende Erfolgsaussicht bereits aus dem unter 1. Gesagten. Sie ist noch nicht 14 Jahre alt und hat deshalb kein eigenes Beschwerderecht gegen den zurückgewiesenen Sorgerechtsantrag. Die Entscheidung zum Einbenennungsantrag beeinträchtigt sie auch nicht in ihren Rechten; das gilt gleichermaßen für ihre Schwester, die Beteiligte zu 1.

Dieser steht jedoch ebenso wenig Prozesskostenhilfe zu, wie der Kindesmutter.

Denn für eine Korrektur der amtsgerichtlichen Entscheidung im Ganzen oder in Teilen trägt auch die Beschwerde nichts Gewichtiges vor und ist aus den Akten auch sonst nichts ersichtlich.

Dass die ablehnende Ersetzungsentscheidung der Amtsrichter getroffen hat, obgleich die Sache Rechtspflegersache (§ 14 RPflG) ist, lässt sie nicht als verfahrensfehlerhaft oder gar wirkungslos erscheinen; der Amtsrichter darf Geschäfte des Rechtspflegers ohnehin jederzeit wahrnehmen.

Der BGH hat dazu ausgeführt:

"...Die dem Familiengericht zugewiesene Entscheidung über die Ersetzung der Einwilligung des nicht sorgeberechtigten Elternteils in die Einbenennung nach § 1618 Satz 4 BGB ist eine Familiensache im Sinne des § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, da das Recht der Eltern zur Bestimmung des Kindesnamens Ausfluss der elterlichen Sorge ist (vgl. Senatsbeschluß vom 29. September 1999 - XII ZB 139/99 - FamRZ 1999, 1648).

Da § 14 RpflG für die Ersetzung nach § 1618 Satz 4 BGB keinen Richtervorbehalt aufführt, ist nach § 3 Nr. 2a RpflG im ersten Rechtszug funktionell der Rechtspfleger zuständig. Der Umstand, daß im vorliegenden Fall nicht der Rechtspfleger des Familiengerichts, sondern der Richter über den Ersetzungsantrag entschieden hat, steht jedoch, wie das Beschwerdegericht zutreffend erkannt hat, gemäß § 8 Abs. 1 RpflG der Wirksamkeit der Entscheidung nicht entgegen..." (vgl. BGH FamRZ 2002, 94).

Die Ersetzung der Einwilligung des Kindesvaters in die Einbenennung scheitert, wie der angefochtene Beschluss nachvollziehbar darlegt, hier bereits daran, dass das Vorbringen der Beschwerdeführer den Anforderungen des Gesetzes nicht genügt.

Mit der Kindschaftsrechtreform im Juli 1998 hat der Gesetzgeber die Anforderungen an die Einbenennung wesentlich erhöht und darauf abgestellt, dass die Einbenennung zum Kindeswohl erforderlich sein muss.

Dazu hat der BGH im Einzelnen in seiner Entscheidung vom 24.10.2001 ausgeführt:

"...Grundsätzlich ist nämlich davon auszugehen, daß Kindes- und Elterninteressen gleichrangig sind (vgl. OLG Naumburg FamRZ 2001, 1161, 1162; OLG Saarbrücken ZfJ 2000, 437, 438; OLG Stuttgart FamRZ 1999, 1375, 1376; OLG Frankfurt FamRZ 1999, 1376, 1377; Wagenitz FamRZ 1998, 1545, 1552; Willutzki aaO). Eine Ersetzung der Einwilligung in die Einbenennung setzt daher eine umfassende Abwägung der Interessen der Beteiligten voraus. Auch wenn es grundsätzlich dem Wohl des Kindes entspricht, den gleichen Namen zu tragen wie die neue Familie, in der es jetzt lebt (so bereits BVerfG FamRZ 1992, 1284, 1285), darf dabei nicht übersehen werden, daß diese Wertung regelmäßig ihrerseits das Ergebnis einer Abwägung einander widerstreitender Interessen des Kindes ist. Denn auch die Kontinuität der Namensführung ist ein wichtiger Kindesbelang (vgl. Wagenitz aaO S. 1545; Staudinger/Coester, BGB <2000> § 1618 Rdn. 32), ebenso wie die für das Wohl des Kindes wichtige Aufrechterhaltung seiner Beziehung zu dem nicht sorgeberechtigten Elternteil, auch und insbesondere dann, wenn der Kontakt zu diesem weitgehend abgebrochen ist und durch die Einbenennung als nach außen sichtbarer endgültiger Ablösung von ihm verfestigt würde (vgl. OLG Hamm FamRZ 1999, 1380, 1381).

Eine Einbenennung kann daher nicht schon dann als erforderlich angesehen werden, wenn die Beseitigung der Namensverschiedenheit innerhalb der neuen Familie des sorgeberechtigten Elternteils zweckmäßig und dem Kindeswohl förderlich erscheint (vgl. OLG Saarbrücken aaO). Vielmehr ist stets zu prüfen, ob die Trennung des Namensbandes aus Gründen des Kindeswohls unabdingbar notwendig ist (vgl. OLG Jena NJ 2001, 487) und ein milderer Eingriff in das Elternrecht, nämlich die sogenannte "additiven Einbenennung" durch Voranstellung oder Anfügung des Ehenamens des sorgeberechtigten Elternteils (§ 1618 Satz 2 BGB), nicht ausreicht (vgl. OLG Celle NJW 1999, 1374, 1375; OLG Jena aaO S. 487; Willutzki aaO S. 78; Oelkers/Kreutzfeldt FamRZ 2000, 645, 649; Staudinger/Coester aaO § 1618 Rdn. 35)...

Als für das Kindeswohl erforderlich ist eine Einbenennung aber nur anzusehen, wenn andernfalls schwerwiegende Nachteile für das Kind zu befürchten wären oder die Einbenennung zumindest einen so erheblichen Vorteil für das Kind darstellen würde, daß ein sich verständig um sein Kind sorgender Elternteil auf der Erhaltung des Namensbandes nicht bestehen würde (vgl. OLG Bamberg FamRZ 2000, 243; OLG Rostock FamRZ 2000, 695, 696; OLG Oldenburg EzFamR 2000, 69, 70; OLG Celle FamRZ 1999, 1374, 1375; OLG Stuttgart OLG-Report 1999, 298; Wagenitz aaO S. 1552; Oelkers/Kreutzfeldt aaO S. 648; Staudinger/Coester aaO § 1618 Rdn. 27; Hohloch JuS 2000, 921)..." (vgl. BGH a.a.O)

Auch für das alleinige Sorgerecht der Mutter trägt die Beschwerde nichts Gewichtiges vor, sodass es bei der angefochtenen Entscheidung zu verbleiben hat.

Zu bekräftigen ist, dass allein Streitigkeiten der Eltern es nicht rechtfertigen, einem Elternteil die Sorge allein zu übertragen. Das gilt hier um so mehr, als es die Parteien offenbar über Jahre hinweg geschafft haben, sich in wichtigen Kindesfragen zu verständigen und der Sorgerechtsantrag auch erst Monate nach dem Einbenennungsbegehren gestellt wurde.

Aus diesen Gründen waren die Beschwerden der Kindesmutter und der Betroffenen zu 1. als unbegründet zurückzuweisen. Die Beschwerde der Betroffenen zu 2. war, weil ihr aus keinem Grunde ein Recht zur Beschwerde zur Seite gestellt ist, als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 131 I und III KostO, § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG; Die Wertfestsetzung ergibt sich aus §§ 131 II, 30 III und berücksichtigt, dass zwei Verfahrensgegenstände zur Entscheidung standen.

Die Rechtsbeschwerde war mangels Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 621e Abs. 2 Nr. 1, 543 Abs.2, 544 ZPO nicht zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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