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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 11.09.2007
Aktenzeichen: 3 WF 260/07
Rechtsgebiete: ZPO, BerHG, GKG


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 114 Satz 1
ZPO § 127 Abs. 2
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 3
ZPO § 127 Abs. 3
ZPO §§ 166 ff.
ZPO § 253 Abs. 1
ZPO § 261 Abs. 1
ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 568 Satz 2
ZPO § 569
BerHG § 1
GKG § 1
GKG § 3 Abs. 2
Wird eine Klageschrift mit Prozesskostenhilfegesuch dem Beklagten formlos zur Stellungnahme übersandt, kann ihm auf seinen Antrag keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden, denn die setzt eine Prozessführung voraus.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

3 WF 260/07 OLG Naumburg

In der Familiensache

hat der 3. Zivilsenat - 1. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg, nach Übertragung der Sache vom Einzelrichter auf das Beschwerdegericht gemäß § 568 Satz 2 ZPO, durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Goerke-Berzau und die Richter am Oberlandesgericht Hellriegel und Materlik am

11. September 2007

beschlossen:

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Wittenberg vom 10. Juli 2007, Az.: 4a F 342/07 UK, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Gerichtsgebühr des Beschwerdeverfahrens; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Die Rechtsbeschwerde ist nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Mit am 18. Mai 2007 beim Amtsgericht - Familiengericht - Dessau eingegangenem Prozesskostenhilfeantrag nebst Klage (Bl. 1 ff. d. A.) begehrte der Kläger Prozesskostenhilfe für den Antrag, das Schlussurteil des Amtsgerichts Wittenberg vom 21.11.2006, Az.: 4a F 472/06 UK, dahingehend abzuändern, dass er ab Zustellung der Klage nur noch verpflichtet sein sollte, für seine minderjährigen Kinder einen reduzierten Kindesunterhalt zu zahlen.

Mit Verfügung vom 24. Mai 2007 (Bl. 13 d. A.) hat das Amtsgericht der Beklagten, also der betreuenden Kindesmutter, eine unbeglaubigte Abschrift der Klageschrift nebst Prozesskostenhilfeantrages mit der Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen ab Zugang formlos übermittelt.

Mit Schriftsatz vom 04.06.2007, eingegangen beim Amtsgericht am 11.06.2007 (Bl. 14 ff. d. A.), nahm die Beklagte zum Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe Stellung, indem sie unter anderem darauf hinwies, dass der "beabsichtigten" Rechtsverfolgung des Klägers keine Erfolgsaussichten beschieden seien, sodass sein Antrag zurückzuweisen sei. Zugleich beantragte sie, ihr selbst für das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

Mit Beschluss vom 13.06.2007 (Bl. 16 d. A.) wies das Amtsgericht den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels Passivlegitimation der Beklagten zurück. Überdies versagte es mit Beschluss vom 10.07.2007 (Bl. 19 PKH-Beiheft der Beklagten) sodann der Beklagten die begehrte Prozesskostenhilfe, da eine Zustellung der Klage bisher nicht veranlasst worden sei, sodass deshalb für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe kein Raum bleibe.

Gegen diesen Beschluss wendet sich nunmehr die Beklagte mit ihrer sofortigen Beschwerde (Bl. 21 ff. d. A.), der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat.

Die Beklagte ist der Ansicht, ihr sei auch für das Prozesskostenhilfeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Anwaltes zu bewilligen, folge doch bereits aus dem Wortlaut des § 114 ZPO, dass auch die hinreichende Erfolgsaussicht der "beabsichtigten" Rechtsverteidigung für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ausreiche.

Für diese Ansicht spreche, dass die Klage noch nicht rechtshängig geworden sei, sodass sie auch nicht nach dem Beratungshilfegesetz eine Erstattung ihrer Anwaltskosten verlangen könne, da danach lediglich für die außerprozessuale Vertretung ein Erstattungsanspruch aus der Staatskasse in Betracht komme. Für die Gewährung der Prozesskostenhilfe im Rahmen des Prozesskostenhilfeprüfungsverfahrens sei darüber hinaus die Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 10.08.1999, Az.: 2 F 144/98 (FamRZ 2000, 1022) einschlägig.

II.

Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO in Verb. mit § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte und zulässige, insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 569 ZPO in Verb. mit § 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO eingelegte sofortige Beschwerde der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

Der Beklagten ist nämlich für ihre Stellungnahme zum Prozesskostenhilfegesuch des Klägers zu Recht keine Prozesskostenhilfe nach § 114 ZPO durch das Amtsgericht bewilligt worden.

Nach § 114 Satz 1 ZPO kann einer Partei auf ihren Antrag hin durch das Gericht Prozesskostenhilfe bewilligt werden, wenn sie nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der "Prozessführung" nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Im Entscheidungsfall fehlt es schon an einer "Prozessführung" und damit auch an einer beabsichtigten Rechtsverteidigung der Beklagten im Sinne der vorgenannten Vorschrift.

Ausweislich der vorliegenden Prozessakte wurde der Beklagten der Prozesskostenhilfeantrag nebst Klage aufgrund Verfügung des Amtsgerichts vom 24. Mai 2007 lediglich formlos und in einfacher, unbeglaubigter Abschrift übermittelt und ihr Gelegenheit gewährt, hierzu binnen zwei Wochen ab Zugang Stellung zu nehmen. Zugleich hat das Amtsgericht in seiner Verfügung darauf hingewiesen, dass erst im Falle der Bewilligung von Prozesskostenhilfe eine förmliche Zustellung der Klageschrift erfolgen wird. Demzufolge fehlt es aber schon an einem wirksamen Prozessrechtsverhältnis der Parteien wie dies § 114 ZPO verlangt ("Prozessführung"), tritt doch ein solches nach § 261 Abs. 1 ZPO auch erst mit der Erhebung der Klage ein. Nach § 253 Abs. 1 ZPO erfolgt die Erhebung der Klage regelmäßig erst mit der Zustellung der Klageschrift, die aber nach den Förmlichkeiten der §§ 166 ff. ZPO zu erfolgen hat, was vorliegend nicht der Fall ist.

Im Übrigen ergab sich auch aus der an die Beklagte gerichteten amtsgerichtlichen Verfügung vom 24.05.2007, dass erst nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe (an den Kläger) eine förmliche Zustellung der Klageschrift erfolgen würde. Mithin musste der Beklagten klar sein, dass zunächst lediglich über das Prozesskostenhilfegesuch und nicht über den zwar beim Amtsgericht anhängigen, aber noch nicht rechtshängigen Klageantrag, hier die Unterhaltsabänderungsklage des Klägers, zu befinden war.

Demzufolge geht auch ein Großteil der Literatur und Rechtsprechung im Einklang mit dem entscheidenden Senat zutreffend davon aus, dass im Falle einer nur anhängigen, aber noch nicht rechtshängigen Klage dem Beklagten keine Prozesskostenhilfe für die Rechtsverteidigung bewilligt werden kann, da es bereits an einem Prozessrechtsverhältnis der Parteien und damit zugleich an einer beabsichtigten Rechtsverteidigung im Sinne von § 114 ZPO fehle (lediglich beispielhaft: Philippi in: Zöller, ZPO, 26. Aufl., 2007, § 114 Rdnr. 25; BGH, FamRZ 2004, 1708 m.w.N.; OLG Karlsruhe, FamRZ 1988, 1182, 1183). Ausgenommen hiervon ist lediglich der hier nicht gegebene Fall, dass das Gericht innerhalb dieses Verfahrens praktisch den Hauptsacheprozess betreibt (OLG Düsseldorf, FamRZ 1996, 416) oder im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren ein Vergleich zwischen den Parteien geschlossen wird (Philippi, a. a. O., § 118, Rdnr 8 m. w. N.).

Der Senat teilt nicht die hiervon abweichende, von der Beklagten ins Feld geführte Ansicht des Oberlandesgerichts Karlsruhe (OLG Karlsruhe, FamRZ 2000, 1022 = NJW-RR 2001, 643), wonach auch dann Prozesskostenhilfe zu bewilligen sein soll, wenn ein Beklagter zur Stellungnahme zum Prozesskostenhilfeantrag und zu einem Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung des Klägers aufgefordert worden sei. Hierfür - so das Oberlandesgericht Karlsruhe - spreche die Formulierung "beabsichtigte Rechtsverteidigung" in § 114 ZPO, sodass jemanden schon vor Rechtshängigkeit Prozesskostenhilfe bewilligt werden könne (OLG Karlsruhe, FamRZ 2000, 1022).

Gegen diese Auffassung steht indes der vollständige Wortlaut des § 114 Satz 1 ZPO, wonach eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe nur dann in Betracht kommen soll, wenn die beantragende Partei teilweise oder ganz außerstande ist, die Kosten der "Prozessführung" aufzubringen. Letzteres setzt aber begriffsnotwendig - wie schon ausgeführt - die Rechtshängigkeit des Klageanspruchs voraus.

Letztendlich könnte allerdings auch im Entscheidungsfalle der Beklagten nach der vorzitierten Ansicht des Oberlandesgerichts Karlsruhe die begehrte Prozesskostenhilfe nicht gewährt werden. Denn eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe scheidet auch nach Ansicht dieses Oberlandesgerichts ebenfalls dann aus, wenn der Prozesskostenhilfe begehrende Kläger mit Einreichung seiner Klage und des Prozesskostenhilfegesuches gleichzeitig klarstellt, dass er den Klageantrag nur unter der Bedingung stellen werde, dass ihm zuvor Prozesskostenhilfe bewilligt wird (OLG Karlsruhe, FamRZ 2000, 1022 m.w. N.).

In seiner am 18.05.2007 eingereichten Klageschrift hat der Kläger auf Seite 2 (Bl. 2 d. A.) ausdrücklich klargestellt, dass er lediglich für den Fall der Prozesskostenhilfebewilligung beantragen werde, seine sich aus dem Schlussurteil des Amtsgerichts Wittenberg vom 21.11.2006 zum Az.: 4a F 472/06 UK, gegenüber seinen minderjährigen unverheirateten Kindern ergebenden Unterhaltsverpflichtungen abzuändern. Demzufolge ist dieser Antrag auch nur als bedingt anzusehen, sodass für die Stellungnahme hierauf im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens grundsätzlich keine Prozesskostenhilfe zu gewähren ist.

Ohne Erfolg wendet die Beklagte ein, sie könne auch deshalb Prozesskostenhilfe für das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren beanspruchen, weil sie ansonsten nach § 1 BerHG ebenfalls keinen Erstattungsanspruch habe, werde doch Beratungshilfe nur für die Wahrnehmung von Rechten außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens gewährt (Anspruch auf Kostenerstattung nach dem BerHG wohl bejahend: AG Koblenz, Beschluss vom 14.10.2004, Az.: 40 UR II a 548/04).

Unbeschadet des bereits erwähnten, nach Ansicht des Senates eindeutigen Wortlauts des § 114 ZPO ("Kosten der Prozessführung"), der ein Prozessrechtsverhältnis zwischen den Parteien voraussetzt, erscheint es nicht unzumutbar, wenn der beklagten Partei in Fällen mangelnder Rechtshängigkeit des nur anhängigen Klageanspruchs, nach der Rechtsordnung ein Anspruch auf Erstattung der anwaltlichen Kosten des Prozesskostenhilfeprüfungsverfahrens versagt bleibt. Denn die Partei ist, jedenfalls hier, ausreichend darüber belehrt, dass zunächst nur über den Prozesskostenhilfeantrag des Klägers zu entscheiden ist, nicht aber über die Klage selbst. Gegen den Antrag auf Prozesskostenhilfe braucht sie sich aber nicht verteidigen, berührt doch die Gewährung von Prozesskostenhilfe an den Kläger keine ihrer geschützten Rechtspositionen. Gesetzessystematisch folgerichtig enthält demnach auch § 127 Abs. 2 und Abs. 3 ZPO kein eigenes Beschwerderecht der beklagten Partei, wenn dem Kläger die begehrte Prozesskostenhilfe bewilligt wird. Nach alledem hat die sofortige Beschwerde der Beklagten keinen Erfolg.

III.

Die Entscheidung hinsichtlich der Gerichtsgebühr des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 1 GKG in Verb. mit Nummer 1812 des Kostenverzeichnisses der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG.

Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet im Beschwerdeverfahren wegen versagter Prozesskostenhilfe, wie aus § 127 Abs. 4 ZPO folgt, grundsätzlich nicht statt.

Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde folgt aus § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 und Abs. 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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