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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 13.11.2003
Aktenzeichen: 4 U 136/03
Rechtsgebiete: BGB, PflVG, StVO


Vorschriften:

BGB § 247 Abs. 1
BGB § 288 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 2
BGB § 847
PflVG § 3
PflVG § 12
StVO § 5 Abs. 4 S. 1
Bei der Gesamtwürdigung der das Schmerzensgeld beeinflussenden Umstände ist ein zögerliches Regulierungsverhalten der Haftpflichtversicherung und die Art und Weise der Prozessführung (hier: Vorwurf der Schwarzarbeit) in erheblichem Umfang zu Gunsten des Geschädigten zu berücksichtigen.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 U 136/03 OLG Naumburg

verkündet am: 13.11.2003

In dem Berufungsrechtsstreit

wegen Schmerzensgeldes

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 20. Oktober 2003 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Klußmann, des Richters am Oberlandesgericht Feldmann und der Richterin am Oberlandesgericht Mertens

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 11. Juli 2003 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Dessau wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung tragen die Beklagten. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer der Beklagten übersteigt 20.000,00 Euro nicht.

Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 15.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.

Im Berufungsrechtszug streiten die Parteien noch um die Höhe des Schmerzensgeldes, das der Kläger von den Beklagten beanspruchen kann.

Der damals 34 Jahre alte Kläger befuhr am 4. Mai 1999 mit seinem Motorrad die L 131 von D. in Richtung O. . Auch der Beklagte, der nicht im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis war, fuhr mit dem PKW Mazda, der seit dem 14. Januar 1999 stillgelegt war und bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert war, die L 131 in Richtung D. . Ausgehend von einer Geschwindigkeit von 90 km/h entschloss sich der Beklagte zu 1), eine vor ihm fahrende Kolonne von 5 PKW zu überholen. Dabei beachtete er nicht, dass sich der Kläger mit seinem Motorrad ebenfalls zum Überholen entschlossen hatte und schon in Höhe des auf der Fahrerseite befindlichen Außenspiegels neben dem PKW des Beklagten zu 1) war. Das Motorrad des Klägers und der PKW des Beklagten zu 1) kollidierten. Der Kläger wurde in der Folge in den Straßengraben geschleudert.

Der Kläger erlitt durch den Unfall ein schweres Schädel-Hirntrauma (Zellriss mit Doppelbildsehen), eine erstgradige offene Unterschenkeltrümmerfraktur links, eine Hüftgelenksluxation links verbunden mit einem hinteren Pfannenrandausriss, diverse Verletzungen der Muskel- und Nervenbahnen des linken Beins, beidseitige Knieverletzungen und eine Kontusion des Mittelgesichtsbereichs.

Er befand sich nach der operativen Erstversorgung vom 4. Mai bis 5. Juni 1999 in stationärer Behandlung. Wegen auftretender Komplikationen und der Notwendigkeit von mehrfachen Revisionsoperationen befand er sich vom 1. Juli 1999 bis zum 5. August 1999 erneut in stationärer Behandlung. Weitere stationäre Behandlungen erfolgten vom 20. bis zum 23. August, 25. November bis 8. Dezember 1999 und 19. Oktober 2000 bis 1. November 2000.

Diesbezüglich wird auf die ärztlichen Berichte des Städtischen Klinikums D. vom 5. August 1999, des Chirurgen Dr. S. vom 26. März 2001, des Arztes für Neurologie B. vom 18. März 2001 und des Kreiskrankenhauses K. vom 16. Oktober 2001 Bezug genommen.

Am 13. August 1999 wandte sich der Kläger, vertreten durch seinen nunmehrigen Prozessbevollmächtigten, erstmals an die Beklagte zu 2). Diese lehnte jedoch eine Einstandspflicht ab und berief sich darauf, Versicherungsschutz habe für das Fahrzeug des Beklagten zu 1) zur Unfallzeit nicht mehr bestanden. Daraufhin wandte sich der Kläger an den Verein V. e.V., der Geschädigten eines Verkehrsunfalls unter anderem Hilfe gewährt, wenn der Unfallgegner an einem Unfall mit einem nicht haftpflichtversicherten Fahrzeug beteiligt ist. Dieser beauftragte die P. - Versicherung mit der erforderlichen Schadensbearbeitung, was diese unter dem 10. Dezember 1999 bestätigte. Diese teilte dem Kläger mit Schreiben vom 17. November 2000 mit, dass die Beklagte zu 2) nunmehr ihre Einstandspflicht für das Unfallereignis anerkenne. Unter dem 19. Februar 2001 forderte die Beklagte zu 2) von dem Kläger weitere Auskünfte zu seinem Gesundheitszustand. Der Kläger reagierte mit anwaltlichem Schreiben vom 26. Februar 2001. Am 16. Mai 2001 zahlte die Beklagte zu 2) als Schadensausgleich 20.000,00 DM an den Kläger.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 3. Januar 2002 forderte der Kläger die Beklagte zu 2) auf, ein weiteres Schmerzensgeld von 50.000,00 DM bis zum 18. Januar 2002 zu zahlen.

Die Beklagte zu 2) beauftragte ein Detektivbüro mit der Überwachung des Klägers. Wegen des Berichts vom 20. November 2002 wird auf Bd. I Bl. 138 ff. d. A. Bezug genommen.

Der Kläger hat die Auffassung,

unter Berücksichtigung seiner Verletzungen, den Verletzungsfolgen und dem Regulierungsverhalten der Beklagten zu 2) sei ein Schmerzensgeld von insgesamt mindestens 70.000,00 DM angemessen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen,

an ihn unter Berücksichtigung einer bereits erfolgten Zahlung in Höhe von 20.000,00 DM ein angemessenes Schmerzensgeld in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß §§ 288 Abs. 1, 247 Abs. 1 BGB seit dem 1. Mai 2000 zu zahlen,

an ihn 40.693,87 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen,

festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, ihm sämtliche materiellen und immateriellen Schäden - letztere soweit sie nach der letzten mündlichen Verhandlung entstehen - aus dem Unfallereignis vom 4. Mai 1999 auf der Landstraße 131 in Richtung O. in Höhe Abschnitt 27, Kilometer 6,2 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben behauptet,

der Kläger sei trotz seiner zwischenzeitlich erfolgten Heilung nicht arbeitswillig gewesen. Er habe die verzögerte Bearbeitung durch die Beklagte zu 2) zu vertreten, da ihm die maßgeblichen Haftungsbestimmungen unbekannt gewesen seien. Ferner gehe er einer Schwarzarbeit in einer Spielothek nach und habe sich auch zu Schwarzarbeit für ein Wohnungsunternehmen bereit erklärt.

Die 4. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Dessau hat auf der Grundlage des Beweisbeschlusses vom 24. Juni 2002 (Bd. I Bl. 33 d. A.) Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Dr. med. K. R. , Direktor des Zentrums für Rückmarkverletzte und der Klinik für Orthopädie B. , H. . Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten vom 24. Januar 2003 (Anlagenband) Bezug genommen. Wegen seiner mündlichen Anhörung wird auf die Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung vom 26. März 2003 (Bd. I Bl. 88 f. d. A.) Bezug genommen.

Die Kammer hat die Beklagten mit dem am 11. Juli 2003 verkündeten Urteil unter anderem verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld von 34.774,16 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 1. Mai 2002 zu zahlen. Der Anspruch des Klägers belaufe sich auf 45.000,00 Euro. Unter Berücksichtigung bereits gezahlter 20.000,00 DM (10.225,84 Euro) verbleibe der restliche Zahlungsanspruch von 34.774,16 Euro. Für das einheitlich zu bemessende Schmerzensgeld seien folgende Erwägungen maßgeblich.

Unstreitig sei, dass der Kläger durch den Unfall bereits schwere primäre Verletzungen erlitten habe. Ferner stehe im Ergebnis der Beweisaufnahme fest, dass dem Kläger noch schwerwiegendere gesundheitliche Dauerschäden verblieben seien, als er auf der Grundlage der bis dahin eingeholten ärztlichen Gutachten selbst vorgetragen habe. Ferner seien die Angaben des Klägers zu seinen mehrfachen stationären Behandlungen unbestritten geblieben. Insgesamt habe er sich über mehr als drei Monate in stationärer Behandlung befunden. Das wiederholte Leiden des Klägers ergebe sich auch aus der Notwendigkeit mehrfacher Revisionsoperationen. Auch sei davon auszugehen, dass der Kläger seit dem Unfall seinen Hobbys Tauchen und Motorradfahren nicht mehr freudebringend nachgehen könne. Ferner seien dem Kläger mehrere großflächige Narben geblieben. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass dem Kläger durch den Unfall die gerade erst erarbeitete berufliche Perspektive genommen worden sei. Im Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass der Kläger den Beruf des Schweißfacharbeiters nicht mehr ausüben könne.

Bereits für all diese Umstände sei ein Schmerzensgeld von 30.000,00 Euro angemessen. Unter Berücksichtigung des Regulierungsverhaltens der Beklagten zu 2) sei jedoch ein Schmerzensgeld von 45.000,00 Euro angemessen, denn insoweit sei die Zeit von September 1999 bis Dezember 2000 in Ansatz zu bringen. Auch müssten sich die Beklagten ihr Prozessverhalten schmerzensgelderhöhend anrechnen lassen. Das gesamte Vorbringen der Beklagten zur Bereitschaft des Klägers zur Schwarzarbeit sei für die Entscheidung des Rechtsstreits unerheblich, aber geeignet, den Kläger herabzuwürdigen. Diesbezüglich sei zu bedenken, dass der Kläger seinen Leistungsantrag ausdrücklich auf die Zeit bis zum 31. Mai 2002 begrenzt habe. Der Feststellungsantrag sei nur für materielle Schäden nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung zulässig. Demnach müsse sich der Kläger Einkünfte aus der Zeit nach November 2002 nicht anspruchsmindernd anrechnen lassen. Auch habe die Beklagte zu 2) einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers zu vertreten, da sich ein Detektiv in ihrem Auftrag unter Vorgabe einer falschen Identität in die Wohnung des Klägers eingeschlichen habe.

Gegen dieses Urteil wenden sich die Beklagten mit der Berufung. Das Schmerzensgeld sei um weitere 15.000,00 Euro zu reduzieren, denn es sei nur ein Betrag in Höhe von insgesamt 30.000,00 Euro angemessen. Das Landgericht irre, wenn es meine, das Regulierungsverhalten sei schmerzensgelderhöhend heranzuziehen. Dieses sei nämlich nicht zu beanstanden. Der anwaltlich vertretene Kläger habe sich offenbar in Verkennung der Rechtslage auf eine Regulierung durch die P. - Versicherung eingelassen. Der Kläger müsse sich insbesondere Verzögerungen anrechnen lassen, die in die Zeit der Korrespondenz mit der P. - Versicherung gefallen seien. Ferner habe der Kläger ja dann auch Anfang 2000 eine erste Abschlagszahlung von 20.000,00 DM enthalten. Der Kläger habe in dieser Zeit ferner nicht mehr mit ihr korrespondiert, so dass nicht ersichtlich sei, wieso sie Zahlungen habe leisten sollen. Es stelle sich ja auch die Frage, wieso der Kläger die Beklagte zu 2) nicht verklagt habe, wenn ihre Haftung so unproblematisch gewesen sei.

Auch berufe sich das Landgericht zu Unrecht auf eine Entscheidung des OLG Nürnberg. Der dort entschiedene Fall habe den Fall der grundlos aufgestellten Behauptung eines Mitverschuldens wegen angeblicher Alkoholisierung betroffen. In Ansehung des Verhaltens des Klägers gegenüber dem Mitarbeiter der Firma M. habe die Vermutung nahe gelegen, dass der Kläger kein Interesse an einer Reintegration ins Berufsleben gehabt habe. Es habe insbesondere ein Anlass bestanden, einen Privatdetektiv einzuschalten. Dieser habe feststellen können, dass der Kläger umfangreiche Nebentätigkeiten ausgeübt habe.

Schmerzensgeld in Höhe von (weiteren) 15.000,00 Euro sei dem Kläger demnach zu Unrecht zuerkannt worden.

Die Beklagten beantragen sinngemäß,

das am 11. Juli 2003 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer - Einzelrichterin - des Landgerichts Dessau insoweit abzuändern, als sie als Gesamtschuldner verurteilt worden sind, an den Kläger ein Schmerzensgeld von mehr als 19.774,16 Euro nebst Zinsen zu zahlen, und insoweit die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf das angefochtene Urteil und die vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 511, 517, 519, 520 ZPO in ihrer seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung), in der Sache jedoch nicht begründet.

Mit dem Landgericht geht der erkennende Senat davon aus, dass der Kläger gegen die Beklagten als Gesamtschuldner einen Anspruch auf Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 45.000,00 Euro gemäß §§ 847, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB, 5 Abs. 4 S. 1 StVO, 3 Nr. 1 PflVG hat.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist allerdings im Hinblick auf die einzelnen Bewertungskriterien, die es für die Höhe des Schmerzensgeldes berücksichtigt hat, nicht jeweils auf Einzelbeträge abzustellen. Gleichwohl ist der erkennende Senat der Auffassung, dass die umfassenden und zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in einer Gesamtwürdigung den gemäß § 847 BGB bestehenden Schmerzensgeldanspruch des Klägers der Höhe nach rechtfertigen.

Die hiergegen gerichteten Angriffe der Berufung sind nicht geeignet, einen geringeren Schmerzensgeldbetrag zu bewirken.

Zunächst ist festzustellen, dass die Beklagten die Feststellungen des Landgerichts zum Ausmaß der bei dem Kläger durch den Unfall verursachten Gesundheitsbeeinträchtigungen nicht angreifen. Demnach ist davon auszugehen, dass der Kläger heute, vier Jahre nach dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall, nach den nicht in Zweifel zu ziehenden Feststellungen des Sachverständigen Dr. R. mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 % leben muss. Bei den nach wie vor bestehenden Dauerschäden liegt es, wobei auf die umfassende und zutreffende Begründung des angefochtenen Urteils Bezug genommen wird, auf der Hand, dass der Kläger, der zur Unfallzeit erst 33 Jahre alt war, in seiner Lebensqualität und -freude seit dem Verkehrsunfall erheblich eingeschränkt ist. Bereits die gesamten Umstände, die das Landgericht bezogen auf die Gesundheits- und Lebensführungsbeeinträchtigungen des Klägers ausführlich und von den Beklagten nicht angegriffen dargestellt hat, rechtfertigen ein Schmerzensgeld von erheblicher Höhe. Insbesondere ist festzuhalten, dass die streitgegenständlichen Verletzungsfolgen einen erheblichen Einschnitt in die berufliche Planung des Klägers bedeutet haben.

Ungeachtet dessen geht der Senat aber mit dem Landgericht davon aus, dass auch das zögerliche Regulierungsverhalten der Beklagten zu 2) bei der Gesamtwürdigung in einem erheblichen Umfang zu Lasten der Beklagten in Ansatz zu bringen ist.

Soweit sich die Beklagten erneut darauf berufen, der Klägervertreter habe offenbar die einschlägige Rechtsprechung zu einer Nachhaftung des Haftpflichtversicherers nicht gekannt, ist dies kein Umstand, der bei der Bemessung des Schmerzensgelds zu ihren Gunsten herangezogen werden kann; im Gegenteil: Der Hinweis auf eine Unkenntnis des Geschädigten von Rechtsvorschriften bestätigt die Rechtsauffassung des Landgerichts. Es ist nämlich kein Grund dafür ersichtlich, dass die Beklagte zu 2), für die die Bearbeitung von Versicherungsfällen tägliche Routine ist, über ihre Haftung nicht informiert war. Die Ablehnung des Versicherungsschutzes ist deshalb offensichtlich mit dem Ziel erfolgt, dass der Kläger diese hinnehmen würde und von dritter Seite nicht über seine wahren Rechte gegen die Beklagte zu 2) informiert werden würde. Dieses Verhalten der Beklagten zu 2) hatte eine erhebliche Zeitverzögerung zu Lasten des Klägers zur Folge, denn erst im Dezember 2000 teilte die von der V. beauftragte Versicherung dem Kläger mit, dass die Beklagte zu 2) nunmehr ihre Einstandspflicht bestätigt habe.

Dass die vorhandene Unkenntnis des seinerzeitigen Rechtsanwalts des Klägers die Verweigerungshaltung der Beklagten jedenfalls vorübergehend begünstigt hat, lässt das Fehlverhalten der Beklagten zu 2) nicht in einem milderen Licht erscheinen. Die Beklagte zu 2) verkennt, dass ihr der Gesetzgeber durch § 3 PflVG Pflichten gegenüber einem Unfallopfer auferlegt hat, denn diese Vorschrift hat einen gesetzlichen Schuldbeitritt zur Folge.

Die Beklagten verkennen auch, dass die Art und Weise der Korrespondenz des Klägers mit der P. - Versicherung für sie vollständig ohne Belang ist. Unstreitig hat sich der Kläger nach dem Ablehnen der Einstandspflicht der Beklagten zu 2) an den gemeinnützigen Verein V. e.V. gewandt. Diese gewährt zwar Geschädigten von Verkehrsunfällen Hilfe und Unterstützung, indes besteht hierzu lediglich eine subsidiäre Verpflichtung, wie sich aus § 12 PflVG ergibt. Insofern kann sich die Beklagte zu 2) nicht darauf berufen, dass der für den Kläger tätige Rechtsanwalt gegebenenfalls nicht zügig genug mit der von dem V. e.V. eingeschalteten P. - Versicherung kommuniziert hat. Eine Kommunikation mit der P. - Versicherung hätte sich erübrigt, wenn die Beklagte zu 2) ihre Haftung dem Grunde nach bereits im Jahr 1999 bestätigt hätte. In Ermangelung anderer Erkenntnisse ist nämlich entsprechend den obigen Ausführungen davon auszugehen, dass die Beklagte zu 2) seit der Schadensmitteilung im Jahr 1999 wusste, dass sie für die dem Kläger erwachsenen Schäden eintrittspflichtig war. Gleichwohl hat sie den Kläger durch ihre ablehnende Haltung veranlasst, letztlich überflüssige Korrespondenz mit dem V. verein und der von diesem eingeschalteten Versicherung zu führen. Die im Rahmen der Berufung wiederholte Auffassung, hierfür treffe den Kläger ein eigenes Verschulden, ist in keiner Weise nachzuvollziehen. Allein der Umstand, dass der Kläger von der Beklagten zu 2) über seine Rechte bereits im Jahr 1999 vorsätzlich im Unklaren gelassen worden ist, rechtfertigt es, dass der Kläger ein höheres Schmerzensgeld beanspruchen kann, als es ohne die Pflichtverletzung der Beklagten zu 2) der Fall wäre.

Auch ist mit dem Landgericht davon auszugehen, dass die Art und Weise der Prozessführung der Beklagten schmerzensgelderhöhend wirkt. Entgegen der Auffassung der Berufung hat das Landgericht dabei insbesondere den Inhalt des Urteils des Oberlandesgerichts Nürnberg (VersR 1997, 1108, 1109) nicht verkannt. Der vorliegende Fall, der die Besonderheit hat, dass die Beklagten dem Kläger eine Arbeitsverweigerungshaltung vorgeworfen und ihn der Schwarzarbeit bezichtigt haben, ist durchaus mit dem von dem Oberlandesgericht Nürnberg entschiedenen Fall, in dem es um den Vorwurf einer Alkoholisierung zur Tatzeit ging, zu vergleichen. Beiden Fallkonstellationen ist nämlich gemeinsam, dass die gegenüber dem Geschädigten erhobenen Vorwürfe geeignet sind, ihn herabzuwürdigen. Dabei kann der Beklagten zu 2) allerdings nicht vorgeworfen werden, dass sie sich überhaupt einer Detektei bedient hat, denn die Möglichkeiten der Aufklärung eines eventuellen Versicherungsbetrugs sind in der Tat nicht vielfältig.

Vielmehr wirkt vorliegend schmerzensgelderhöhend, dass die Beklagten das Ermittlungsergebnis in den hiesigen Rechtsstreit eingeführt haben. Sie haben mit Schriftsatz vom 20. Februar 2003 ausgeführt, Ermittlungen hätten ergeben, dass der Kläger regelmäßig arbeitete. Die Angaben zu dieser Behauptung waren indes vollständig unsubstantiiert und ließen den Schluss auf eine regelmäßige Tätigkeit nicht zu. Die Beklagten haben ausgeführt, der Kläger habe einem Ermittler gegenüber geäußert, dass er regelmäßig nach L. fahre, um zu arbeiten. Auch sei er bereit, dass er für eine Wohnungsbaugesellschaft schwarz arbeiten wolle. Diese Behauptung wäre einem Beweis bereits nicht zugänglich gewesen, denn die Beklagten haben die dargelegten Äußerungen des Klägers bereits nicht zeitlich eingegrenzt. Überdies gibt es vielfältige Gründe, wieso eine Person gegenüber einer ihm unbekannten Person angibt, einer Arbeitstätigkeit nachzugehen. Schließlich haben die Beklagten ihren diesbezüglichen Vortrag nach dem ausführlichen und substantiierten Bestreiten auch nicht ergänzt, sondern sind ausweislich Seite 4 ihres Schriftsatzes vom 27. Mai 2003 nicht auf die substantiierten Darlegungen des Klägers eingegangen.

Vertieft haben sie allerdings ihren Vortrag, der Kläger arbeite in einer Spielothek. Insoweit haben sie einen Detektivbericht vorgelegt. Die Feststellungen des Detektivs sind jedoch nicht geeignet, eine Schwarzarbeit des Klägers zu begründen. Es gibt durchaus einleuchtende Erklärungen dafür, daß ein Besucher einer Gaststätte oder einer Spielothek sich anlässlich seines Besuchs an der dort anfallenden, überdies leichten Arbeit beteiligt. Sollte der Kläger also tatsächlich beispielsweise das ein oder andere Getränk ausgeschenkt haben, kann dies zwanglos im Rahmen eines Freundschaftsdienstes erfolgt sein. Das Gleiche gilt im Hinblick auf leichtere Reparaturarbeiten. Nur weil eine Person einem Bekannten bei einer Reparatur hilft oder mit ihm Überlegungen zu einer technischen Ausstattung diskutiert, ist noch nicht der Schluss gerechtfertigt, dass sie einer unzulässigen Tätigkeit nachgeht. Überdies beziehen sich die Feststellungen des Detektivs ausschließlich auf den 14. November 2002. Ferner ist in dem Anlagenblatt zu dem Arztbericht des Kreiskrankenhauses K. aufgeführt, dass der Kläger von Februar 1997 bis Mai 1998 in der in Rede stehenden Spielothek gearbeitet hat. Dafür, dass er sich am 14. November 2002 nicht aufgrund seiner in dieser Zeit begründeten persönlichen Kontakte in der Spielothek aufgehalten hat, bestehen auch nach dem Beklagtenvortrag keine Anhaltspunkte.

Auch im übrigen bestanden keine Anhaltspunkte, dem Kläger Arbeitsunwilligkeit vorzuwerfen, wie im Ergebnis der Vernehmung des Zeugen V. feststeht. Der Kläger hatte im Jahr 2001 mindestens so erheblich unter den Verletzungsfolgen zu leiden wie heute. Seine Krankschreibung hatte zwar zunächst im April 2000 geendet, dass er aber in der Folge nicht aus Arbeitsunwilligkeit nicht gearbeitet hatte, hat der Zeuge V. bestätigt. Mit dem Berufsförderungswerk L. stand der Kläger seit März 2001 in Kontakt. Ferner sind auch andere als die von den Beklagten dargelegten Gründe denkbar, warum der Kläger einen weiteren Kontakt mit der von der Beklagten wohl im Sommer 2001 eingeschalten M. GmbH abgelehnt hat. Auch hat die Beklagte nicht dargelegt, dass diese dem Kläger eine schnellere berufliche Wiedereingliederung ermöglicht hätte, als dies dem Berufsförderungswerk möglich war. Noch mit Schreiben vom 17. Dezember 2001 wies die Firma M. darauf hin, dass aus ihrer Sicht noch umfangreiche Begutachtungen des Klägers stattzufinden hätten. Dass es dieser gelungen wäre, für den Kläger vor dem 15. April 2003 (an diesem Tag hat die Umschulungsmaßnahme des Berufsbildungswerks begonnen) eine Umschulungsmaßnahme zu finden, hat die Beklagte nicht vorgetragen; dafür sind auch keine Anhaltspunkte ersichtlich.

Nach alledem sieht der Senat keine Veranlassung, das angefochtene Urteil zu Gunsten der Beklagten abzuändern.

Sonstige Gründe, welche der Berufung der Beklagten zum Erfolg verhelfen könnten, sind nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Wertfestsetzung ergibt sich aus §§ 2, 3 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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