Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 11.11.2004
Aktenzeichen: 4 U 150/04
Rechtsgebiete: SortenschutzG, SortG, GemSortV, ZPO, NachbauVO


Vorschriften:

SortenschutzG § 10 Abs. 6
SortenschutzG § 10 a Abs. 6
SortG § 10 Abs. 1
GemSortV Art. 13 Abs. 1
GemSortV Art. 13 Abs. 2
ZPO §§ 148 f.
NachbauVO § 8
Der Auskunftsanspruch des Sortenschutzinhabers gegen den Landwirt beschränkt sich auf die Sorte hinsichtlich der ein Anhaltspunkt für einen Nachbau besteht.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 U 150/04 OLG Naumburg

verkündet am: 11.11.2004

In dem Rechtsstreit

wegen sortenschutzrechtlicher Auskünfte

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 21. Oktober 2004 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Zettel, des Richters am Oberlandesgericht Feldmann und des Richters am Oberlandesgericht Baumgarten

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 29. April 2004 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg - 7 O 825/01 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Und beschlossen:

Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 1.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um Auskunftsansprüche aus dem Sortenschutzrecht.

Die Klägerin und Berufungsklägerin ist eine Vereinigung von Sortenschutzinhabern. Ihr gehören - unmittelbar oder mittelbar - über den Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e. V. (BDP) eine Vielzahl von Sortenschutzinhabern und Nutzungsberechtigten an Sortenschutzrechten an. Die Beklagte zu 2) und Berufungsbeklagte ist Landwirtin und führt einen landwirtschaftlichen Betrieb.

Im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft verlangt die Klägerin von der Beklagten zu 2) Auskunft darüber, hinsichtlich welcher der im Klageantrag aufgeführten, teils nach dem Gemeinschaftssortenschutzrecht teils nach dem inländischen Sortenschutzrecht geschützten Sorten sie in den Wirtschaftsjahren 1997/1998, 1998/1999, 1999/2000, 2000/2001 sowie 2001/2002 Nachbauhandlungen - gegebenenfalls in welchem Umfang - vorgenommen hat.

Die Klägerin hat zunächst die Ansicht vertreten, die Beklagte zu 2) sei neben dem Beklagten zu 1), dem Eigentümer der von der Beklagten zu 2) landwirtschaftlich genutzten Flächen, bereits infolge ihrer Tätigkeit als den Pflanzenbau betreibende Landwirtin - bzw. der Beklagte zu 1) als Eigentümer der dabei genutzten landwirtschaftlichen Flächen - zur Auskunft verpflichtet. Nach Erlass des Urteils des Europäischen Gerichtshofes - Rs-C 305/00 - vom 10.04.2003 ist die Klägerin der Auffassung, ausreichende Anhaltspunkte für den Nachbau vorgetragen zu haben.

Nachdem die Beklagte zu 2) hinsichtlich der Sorte "Theresa" Auskunft erteilt hat, haben die Parteien den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt.

Die Beklagte zu 2) hat die Meinung vertreten, die Klägerin habe den ihr nach der EuGH-Entscheidung obliegenden Sachvortrag zu Anhaltspunkten für Nachbau nicht gehalten, soweit sie eine Auskunft begehre, die über die von der Beklagten zu 2) erteilte Auskunft hinausgehe.

Mit ihrer Widerklage hat die Beklagte zu 2) die Feststellung begehrt, dass sie auch für weitere in diesem Rechtsstreit nicht berücksichtigte Vegetationsperioden der Klägerin keine Auskunft über den Umfang des von ihr als Landwirtin betriebenen Nachbaus zu erteilen habe.

Wegen des weitergehenden Sachverhaltes wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Ziffer 1 ZPO).

Die 7. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg hat mit dem angefochtenen Urteil sowohl die Klage als auch die Widerklage abgewiesen.

Zur Begründung hat das Landgericht u. a. ausgeführt, die Klägerin sei zwar berechtigt, die Auskunftsansprüche im Wege gewillkürter Prozessstandschaft geltend zu machen, da es sich bei den Sortenschutzinhabern um Gesellschafter der Klägerin oder Mitglieder der BDP handele. Die Klägerin könne unter den in der Entscheidung des BGH vom 13.11.2001 - X ZR 134/00 - genannten Voraussetzungen die Auskunftsansprüche im eigenen Namen geltend machen. Die Klage sei deshalb zulässig.

Sie sei jedoch unbegründet.

Wegen der Abweisung des Auskunftsanspruchs gegen den Beklagten zu 1) wird auf A.II.1. (S. 12) der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 ZPO).

Soweit sich die Klage gegen die Beklagte zu 2) richte, würden der Klägerin Auskunftsansprüche über die von der Beklagten zu 2) erteilte Auskunft bezüglich der Weizensorte "Theresa" hinaus nicht zustehen. Soweit Gemeinschaftssorten betroffen seien, seien die Voraussetzungen des Art. 8 der Verordnung (EG) Nr. 1768/95 der Kommission vom 24.07.1995 (NachbauVO) i. V. m. Art. 14 Abs. 3 der VO (EG) Nr. 2100/94 des Rates vom 27.07.1994 (GemSortVO) nicht erfüllt. Soweit inländische Sorten betroffen seien, seien die Voraussetzungen des § 10 a Abs. 6 SortenschutzG nicht erfüllt. Die Beklagte zu 2) sei zwar Landwirtin im Sinne des Art. 8 NachbauVO bzw. § 10 a Abs. 6 SortenschutzG, gleichwohl seien die Voraussetzungen für einen Auskunftsanspruch nach diesen Vorschriften nicht gegeben.

Hinsichtlich der Gemeinschaftssorten sei nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 10.04.2003 - C-305/00 (GRUR Int. 03, 736 - Christian Schulin) - für den Auskunftsanspruch nach Art. 8 NachbauVO erforderlich, aber auch ausreichend, dass Anhaltspunkte für eine Nachbauhandlung durch den Landwirt vorliegen würden, wofür etwa der Erwerb von Vermehrungsmaterial einer dem Sortenschutzrechtsinhaber gehörenden, geschützten Pflanzensorte ausreiche. "Anlasstatsachen", die Anhaltspunkte für einen Nachbau rechtfertigen würden, seien immer dann gegeben, wenn feststehe, dass der Landwirt über Vermehrungsmaterial einer geschützten Sorte in seinem Betrieb tatsächlich verfügt habe und deshalb jedenfalls die Möglichkeit gehabt habe, daraus gewonnene Ernteerzeugnisse zum Nachbau einzusetzen. Die Kammer stehe mit dem OLG München (GRUR-RR 03, 361 Carola/Saatgut) und dem OLG Frankfurt (Urteil vom 29.03.2004 - 6 U 25/00) auf dem Standpunkt, dass der EuGH in seiner Entscheidung den Auskunftsanspruch auf die Nachbauhandlungen beschränkt habe, die der Landwirt (möglicherweise) mit derjenigen Sorte vorgenommen habe, auf die sich die "Anlasstatsache" beziehe. Demnach bestehe die Auskunftspflicht nur insoweit, als eine Anlasstatsache für eine geschützte Gemeinschaftssorte nachgewiesen sei.

Gegen die von der Klägerin vertretene Auffassung, dass Nachbau mit einer (oder mehrerer) geschützten Sorten "Anlasstatsache" für eine Auskunftspflicht gegenüber allen Sortenschutzinhabern zur Folge habe, spreche schon, dass dies den Umfang des Auskunftsanspruchs ins Unermessliche steigern würde. Der Auskunftsanspruch müsste nach dieser Auffassung in einem Umfang gewährt werden, wie die Klägerin ihn ursprünglich begehrt habe, als sie die Beklagte zu 2) allein wegen ihrer Stellung als Landwirtin für auskunftspflichtig gehalten habe.

Für die Auslegung von § 10 a Abs. 6 SortenschutzG betreffend den Auskunftsanspruch über den Nachbau inländischer Sorten seien dieselben Grundsätze anzuwenden. Die Kammer sehe keine Veranlassung, den Auskunftsanspruch für das nationale Recht anders - umfangreicher - zu bemessen als für das Gemeinschaftsrecht. Daraus folge, dass nationales Recht und Gemeinschaftsrecht in gemeinschaftskonformer Anwendung bezüglich der Frage, welchen Nachweis der Sortenschutzinhaber zu erbringen habe, damit der Anspruch begründet sei, gleich zu behandeln seien.

Bei Anwendung dieser Grundsätze sei kein weiterer Auskunftsanspruch der Klägerin gegeben, da sie "Anlasstatsachen" nur hinsichtlich der Weizensorte "Theresa" nachgewiesen habe. Hinsichtlich dieser Sorte habe die Beklagte zu 2) auch Auskunft erteilt. Bei sämtlichen übrigen Sorten fehle es an dem Nachweis solcher "Anlasstatsachen". Eine Grundlage für eine weitergehende Auskunftsverpflichtung der Beklagten zu 2) hinsichtlich des Nachbaus mit geschützten Sorten sei deshalb nicht gegeben.

Die Widerklage der Beklagten zu 2) sei zulässig, aber ebenfalls unbegründet. Für den Fall, dass die Klägerin "Anlasstatsachen" für den Nachbau mit einer bestimmten geschützten Sorte darlege, stehe ihr ein Auskunftsanspruch bezüglich der jeweiligen Sorte zu. Das Feststellungsbegehren der Widerklage sei deshalb nicht gerechtfertigt.

Gegen dieses der Klägerin am 27. Mai 2004 zugestellte Urteil hat sie am 24. Juni 2004 das Rechtsmittel der Berufung eingelegt und dieses durch einen am 26. Juli 2004 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Sie verfolgt ihren Auskunftsanspruch nur noch gegen die Beklagte zu 2) weiter. Die Klägerin trägt dazu ergänzend und vertiefend u. a. vor, ihr sei der mit der Klage geltend gemachte Auskunftsanspruch zu gewähren. Die Auskunftsverpflichtung der Beklagten beziehe sich nicht nur auf die Sorten, für welche der vorherige Erwerb zertifizierten Vermehrungsgutes oder ein anderer auf die konkrete Sorte bezogener Anhaltspunkt dargelegt worden sei, sondern auf sämtliche von der Klägerin administrierten Sorten. Dem vom EuGH in seiner Entscheidung vom 10.04.2003 aufgestellten Erfordernis eines Anhaltspunktes komme keine sortenspezifische Wirkung zu. Es gehe nicht um den betreffenden Sortenschutzinhaber und den betreffenden Landwirt und die daraus resultierende Rechtsbeziehung. Dem EuGH sei es bei der Aufstellung des Erfordernisses eines Anhaltspunktes für betriebenen Nachbau allein um die Feststellung gegangen, dass Art. 14 Abs. 3, 6. Gedankenstrich GemSortV nicht jeden beliebigen Landwirt erfasse, sondern nur solche, die überhaupt zu ihrem eigenen Vorteil von der Möglichkeit des Nachbaues Gebrauch machen würden. Eine darüber hinausgehende Feststellung, nach der dem Erfordernis des Anhaltspunktes nur eine sortenspezifische Wirkung zukomme, habe der EuGH nicht getroffen. Lediglich unter Ziffer 61 der Entscheidung des EuGH vom 10.04.2003 nehme der EuGH unter Verweis auf Art. 8 Abs. 2 GemNachbauVO Bezug auf den Sortenschutzinhaber und den betreffenden Landwirt. Diese Ausführungen seien aber im Zusammenhang mit Ziffer 62 zu sehen und dürften nicht isoliert betrachtet werden. Sie würden nur die unmittelbare Begründung für die in Ziffer 62 getroffene Feststellung darstellen, wonach Art. 14 Abs. 3 GemSortV und Art. 8 Abs. 2 GemNachbauVO nicht dahin ausgelegt werden könnten, dass sie den Sortenschutzinhabern das Recht gäben, von jedem Landwirt zu verlangen, dass er auf entsprechende Aufforderung alle relevanten Informationen liefere. Das Erfordernis eines Anhaltspunktes gebe dem einzelnen Sortenschutzinhaber also nicht nur eine Beweiserleichterung für die Durchsetzung des Entschädigungsanspruchs an die Hand. Das Erfordernis eines Anhaltspunktes stelle vielmehr auch eine Schutzfunktion für den einzelnen Landwirt dar. Es ginge fehl und entspreche auch keineswegs der Rechtstradition in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, wenn der Sortenschutzinhaber den tatsächlich erfolgten Nachbau der für ihn geschützten Sorte nachzuweisen hätte, um seinen Auskunftsanspruch gemäß Art. 14 Abs. 3 6. Gedankenstrich GemSortV durchzusetzen. Bei dem Auskunftsanspruch gemäß § 10 a Abs. 6 SortenschutzG Art. 14 Abs. 3 6. Gedankenstrich GemSortV handele es sich nicht um einen Auskunftsanspruch auf Grund einer Rechtsverletzung, sondern um einen selbstständigen von einer Sortenschutzrechtsverletzung unabhängigen Auskunftsanspruch, der den Besonderheiten des Sortenschutzes Rechnung trage. Nach § 10 Abs. 1 SortG, Art. 13 Abs. 1 und 2 GemSortV stehe das Recht, Vermehrungsmaterial einer geschützten Sorte zu erzeugen, grundsätzlich dem Sortenschutzinhaber zu. Eine Ausnahme von dieser Regel bilde der Nachbau. Im Rahmen des Nachbaus sei es einem Landwirt ohne Erlaubnis des Sortenschutzinhabers gestattet, Erntegut, das er in seinem Betrieb erzeugt habe, dort wieder als Vermehrungsmaterial zu verwenden. Die Ausnahme des Nachbaus greife allerdings nur dann zu Gunsten des Landwirts, wenn er dem Inhaber des Sortenschutzes auf Verlangen Auskunft über den Nachbau erteile und ihm eine angemessene Entschädigung für den Nachbau zahle. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt seien, unterliege die Nachbauhandlung des Landwirts nicht den Wirkungen des Sortenschutzes. In dieser Schutzrechtseinschränkung liege auch der Unterschied zu den sonstigen gewerblichen Schutzrechten. Der EuGH habe in seiner Entscheidung vom 10.04.2003 dieser Besonderheit Rechnung getragen. Er habe trotz der schutzrechtsbezogenen Vorlagefrage eine derartige Beschränkung in seiner Antwort nicht aufgenommen. Er habe auf diese Weise einen interessengerechten Auskunftsanspruch gewahrt. Mit dem Urteil des EuGH vom 10.04.2003 hätten sich insbesondere das Landgericht Braunschweig in diversen Entscheidungen und das Landgericht Bad Kreuznach in seiner Entscheidung vom 28.04.2004 auseinandergesetzt. Diese Gerichte hätten zu Recht den umfassenden Auskunftsanspruch bejaht.

Insgesamt sei festzuhalten, dass der EuGH keine sortenspezifischen Einschränkungen vornehme. Er habe zwar den in Art. 14 Abs. 3 6. Gedankenstrich GemSortV verankerten Auskunftsanspruch von einem Anhaltspunkt abhängig gemacht; er habe diesem jedoch keine sortenspezifische Wirkung zugesprochen. Die Beklagte sei daher unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Magdeburg vom 29.04.2004 zur Auskunft über sämtliche der im Klagantrag aufgeführten Sorten zu verurteilen. Eine Aussetzung wegen der beim Bundesgerichtshof anhängigen Revisionsverfahren zu den Entscheidungen des Oberlandesgerichts München, des Oberlandesgerichts Frankfurts/Main und des Oberlandesgerichts Düsseldorf komme nicht in Betracht. Aussetzungsgründe der §§ 148 f. ZPO würden nicht vorliegen. Eine Aussetzung sei auch nicht zweckmäßig.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Magdeburg vom 29.04.2004 - 7 O 825/01 - zur Auskunft über sämtliche der im Klagantrag aufgeführten Sorten zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Die Beklagte weist darauf hin, dass die von der Klägerin angegriffene Entscheidung des Landgerichts Magdeburg inzwischen ihre Bestätigung in zahlreichen weiteren Gerichtsentscheidungen gefunden habe. In Übereinstimmung mit weiteren Landgerichten hätten sich die bislang mit der Sache befassten Oberlandesgerichte München, Frankfurt/Main und Düsseldorf gegen die Rechtsauffassung der Klägerin ausgesprochen. Insbesondere hätten die Senate der Oberlandesgerichte Frankfurt/Main und Düsseldorf, die jeweils den EuGH um eine Vorabentscheidung ersucht gehabt hätten, auf der Grundlage der Urteile des EuGH vom 10.04.2003 und vom 11.03.2004 sowie vor dem Hintergrund des Urteils des BGH vom 13.11.2001 (X ZR 134/00) entschieden, dass sich die Auskunftsverpflichtung der Beklagten lediglich auf die einzelne Sorte beziehe, für die die Klägerin in ihrem pauschalen Auskunftsersuchen eine Anlasstatsache dargelegt habe. Der EuGH habe bei der Beantwortung der Vorlagefrage der Senate der Oberlandesgerichte Frankfurt/Main und Düsseldorf gemäß den im gewerblichen Schutzrecht geltenden Grundsätzen auf die Rechtsbeziehung des Landwirts zum Inhaber des gemeinschaftlichen Sortenschutzes abgestellt. Es gehe also um den "betreffenden" Landwirt, um den "betreffenden" Schutzrechtsinhaber und um die "fragliche" Sorte im Sinne der Vorlagebeschlüsse. An sich müsse der Schutzrechtsinhaber den Nachbau mit der fraglichen Sorte darlegen. In Übereinstimmung mit den Überlegungen der Oberlandesgerichte Frankfurt/Main und Düsseldorf berücksichtige der EuGH, dass dem Sortenschutzrechtsinhaber die Untersuchung und damit die Unterscheidung zwischen Anbau oder Nachbau mit einer bestimmten Sorte nicht möglich sei. Deshalb habe er den "schutzrechtsbezogenen Anhaltspunkt" eingeführt, was für den einzelnen Sortenschutzinhaber eine erhebliche Beweiserleichterung bedeute. Der Anhaltspunkt müsse sich stets auf eine bestimmte Sorte des betreffenden Sortenschutzinhabers beziehen. Für die Beschaffung des Anhaltspunktes räume der EuGH dem Schutzrechtsinhaber keinerlei Beweiserleichterung ein. Vielmehr verweise der EuGH diesen auf die Möglichkeit, "gebührende Vorkehrungen" zu schaffen. Die von der Klägerin in dem vorliegenden Rechtsstreit vorgelegten Anlasstatsachen seien nur dann als Anhaltspunkte im Sinne des Urteils des EuGH geeignet, wenn sie die theoretische Möglichkeit des Nachbaus mit diesem Material der fraglichen Sorte im klagegegenständlichen Zeitraum aufzeigen würden. Insoweit habe die Beklagte aber Auskunft erteilt. Der von der Klägerin geltend gemachte umfassende Auskunftsanspruch sei nicht gerechtfertigt.

Die Rechtsfragen, die Gegenstand des vorliegenden Verfahrens seien, seien Bestandteil dreier Verfahren, die beim X. Zivilsenat des BGH anhängig seien. Die Beklagte rege deshalb an, das vorliegende Verfahren bis zum Abschluss der beim BGH anhängigen Verfahren auszusetzen bzw. ruhen zu lassen.

Wegen weiterer Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Inhalt der gerichtlichen Sitzungsniederschriften und des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Klägerin gegen das am 29. April 2004 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und auch begründet worden (§§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO). In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung erweist sich als richtig. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Die Klägerin ist zwar aktivlegitimiert (vgl. BGH, AgrarR 2002, 21 ff. und GRUR 2004, 763 ff.).

Ihr stehen die geltend gemachten Auskunftsansprüche aber nicht zu, da - soweit Gemeinschaftssorten betroffen sind - die Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 6. Gedankenstrich der Verordnung Nr. 2100/94 des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 27.07.1994 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz (Abl. L 227, Seite 1) - GemSortVO - i. V. m. Art. 8 der Verordnung der Kommission Nr. 1768/95 vom 24.07.1995 über die Ausnahmeregelung gemäß Art. 14 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2100/94 (Abl. L 173, Seite 14) - NachbauVO - und - soweit inländische Sorten betroffen sind - die Voraussetzungen des § 10 Abs. 6 Sortenschutzgesetz nicht erfüllt sind.

Der Senat folgt bei der Auslegung der genannten Vorschriften den Ausführungen des Oberlandesgerichts München im Urteil vom 25.09.2003 - 6 U 3623/02 - Carola/Saatgut (OLG-R München 2004, 114), des Oberlandesgerichts Frankfurt/Main im Urteil vom 29.03.2004 - 6 U 99/01 - Mager/StV (Bl. 34 ff. Bd. VII d. A. mit Anm. dazu in Neue Landwirtschaft Briefe zum Agrarrecht, 2004, 217 f.) sowie des Oberlandesgerichts Düsseldorf im Urteil vom 15.07.2004 - 2 U 56/00 - Crapp/StV (Bl. 47 Bd. VII d. A.). Der Senat tritt diesen Ausführungen nach eigener Prüfung in vollem Umfang bei. Der Klägerin steht danach hinsichtlich der gemeinschaftsrechtlich geschützten Sorten und der nach nationalem Recht geschützten Sorten nur ein schutzrechtsbezogener Auskunftsanspruch über Nachbauhandlungen zu. Der von der Klägerin geltend gemachte umfassende Auskunftsanspruch ist nicht gerechtfertigt.

Hinsichtlich der gemeinschaftsrechtlich geschützten Sorten ergibt sich dies aus den folgenden allgemeinen Grundsätzen:

Nach den Entscheidungen des EuGH vom 10. April 2003 in der Rechtssache C 305/00 -Christian Schulin - (GRUR 2003, 868 ff. besprochen von Würtenberger , GRUR 2003, 838 ff.) und vom 11. März 2004 in der Rechtssache C 182/01 - Werner Schäfer (Volltext zitiert nach juris Nr. 601J0182; auch Neue Landwirtschaft Briefe zum Agrarrecht, 2004, 216 f.) setzt ein Auskunftsanspruch nach Art. 8 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1768/95 voraus, dass der Sortenschutzinhaber bzw. der ausschließlich Nutzungsberechtigte über einen "Anhaltspunkt" dafür verfügt, dass der Landwirt von der Ausnahmeregelung des Art. 14 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2100/94 Gebrauch macht oder Gebrauch machen wird (vgl. TZ. 63 des Urteils des EuGH vom 10.04.2003 - C 305/00 -Christian Schulin -). In TZ. 65 dieser Entscheidung des EuGH wird als ein solcher Anhaltspunkt der Erwerb von Vermehrungsmaterial einer dem Sortenschutzinhaber gehörenden geschützten Pflanzensorte genannt. Die Ausführungen des EuGH können dahin verallgemeinert werden, dass "Anlasstatsachen" im Sinne der Rechtsprechung des EuGH für einen Nachbau immer schon dann gegeben sind, wenn feststeht, dass der Landwirt über Vermehrungsmaterial einer geschützten Sorte in seinem Betrieb tatsächlich verfügt hat und deshalb die Möglichkeit hatte, daraus gewonnene Ernteerzeugnisse zum Nachbau einzusetzen. Neben dem Erwerb von Vermehrungsmaterial einer geschützten Sorte durch den Landwirt bietet auch die Aufbereitung, d. h. die Reinigung und Beizung, einen Anhaltspunkt dafür, dass dieser von der Ausnahmeregelung des Art. 14 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2100/94 Gebrauch macht oder Gebrauch machen wird, vgl. OLG München (a.a.O.), OLG Frankfurt/Main (a.a.O.) und OLG Düsseldorf (a.a.O.).

Ist aber eine die Möglichkeit des Nachbaus eröffnende "Anlasstatsache" im oben dargelegten Sinne gegeben, so beschränkt sich der dadurch begründete Auskunftsanspruch auf die Nachbauhandlungen, die der Landwirt (möglicherweise) mit derjenigen Sorte vorgenommen hat, auf die sich die "Anlasstatsache" bezieht. Die gegenteilige Auffassung der Klägerin, wonach der Landwirt in diesem Fall zur Auskunft über Nachbauhandlungen mit allen geschützten Sorten, und zwar nicht nur des betroffenen Sortenschutzinhabers, sondern auch anderer Sortenschutzinhaber verpflichtet sei, findet in den EuGH-Entscheidungen vom 10.04.2003 - C 305/00 und vom 11. März 2004 - C 182/01 keine Grundlage. Dies gilt auch für die Entscheidung des EuGH vom 14.10.2004 - C 336/02 - Brangewitz/StV (Volltext zitiert nach juris Nr. 602J0336).

Das Oberlandesgericht Frankfurt hat in seiner Entscheidung zu Recht darauf hingewiesen, dass es in dem zu der Entscheidung des EuGH vom 10.04.2003 führenden Vorlagebeschluss vom 01.08.2000 mit der Formulierung seiner Vorlagefrage klar zu erkennen gegeben habe, dass nach seiner Auffassung eine Auskunftsverpflichtung ohnehin nur für die "fragliche Sorte" in Betracht komme, hinsichtlich derer Anhaltspunkte für einen Nachbau bestünden und dass dann, wenn der EuGH diese Ausgangsauffassung nicht geteilt und gemeint hätte, Anhaltspunkte für den Nachbau einer bestimmten Sorte könnten einen Auskunftsanspruch auch für andere Sorten begründen, dies in seiner Entscheidung unmissverständlich deutlich gemacht hätte. Auch die Formulierung der Fragestellung des Senats des Oberlandesgerichts Düsseldorf in seinem zur Entscheidung des EuGH vom 11. März 2004 führenden Vorlagebeschluss vom 22. März 2001 macht eindeutig klar, dass nach Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf eine Auskunftsverpflichtung nur insoweit in Betracht kommen konnte, als der Landwirt eine Benutzungshandlung in Bezug auf die fragliche Sorte vorgenommen und die fragliche Sorte zumindest sonst in seinem Betrieb verwertet hatte. Die Senate der Oberlandesgerichte Frankfurt/Main und Düsseldorf sind bei ihrem Vorlagebeschluss an den EuGH von einem schutzrechtsbezogenen Auskunftsanspruch ausgegangen. Der EuGH hat in seinen Entscheidungen nicht ausgeführt, dass diese erkennbare Ausgangsauffassung der Senate der Oberlandesgerichte Frankfurt/Main und Düsseldorf unzutreffend sei. Der EuGH hat insbesondere auch nicht in seinem Urteil vom 11.03.2004 - C 182/01 - Werner Schäfer - ausgeführt, Anhaltspunkte für den Nachbau einer bestimmten Sorte könnten einen Auskunftsanspruch auch für sämtliche andere Sorten desselben Sortenschutzinhabers oder auch für sämtliche Sorten anderer Sortenschutzinhaber begründen. Eine derartige Auffassung wie sie von der Klägerin und u. a. dem Landgericht Braunschweig in seinem Urteil vom 19.11.2003 - 9 O 2378/01 (594) - unveröffentlicht - (Anlagenkonvolut BK 1 zum Schriftsatz vom 26.07.2004 des Klägers) vertreten wird, kann auch nicht mittelbar den Urteilen des EuGH vom 10. April 2003, 11. März 2004 und 14. Oktober 2004 entnommen werden.

Zutreffend weisen das OLG Frankfurt in seiner Entscheidung vom 29.03.2004 - 6 U 99/01 und das Oberlandesgericht Düsseldorf in seinem Urteil vom 15.07.2004 - 2 U 56/00 darauf hin, dass das von der Klägerin vertretene Verständnis der Entscheidung des EuGH vom 10.04.2003 auch mit dessen Ausführungen zum möglichen Aufbau und zur Erforderlichkeit eines Systems zur Erfassung der Käufer von geschütztem Saatgut, mit dem die Sortenschutzberechtigten die Durchsetzung ihrer Auskunftsansprüche sichern könnten (vgl. TZ. 66 f. des Urteils vom 10.04.2003), nicht zu vereinbaren sei. Wenn nämlich die Verwendung von Vermehrungsmaterial einer einzigen geschützten Sorte eine umfassende Auskunftsverpflichtung des Landwirts über Nachbauhandlungen mit allen geschützten Sorten für sämtliche Sortenschutzinhaber auslösen würde, wäre das vom EuGH empfohlene Erfassungssystem im Ergebnis überflüssig. Das Verständnis, das die Klägerin den Entscheidungen des EuGH beimessen möchte, würde letztlich den Auskunftsanspruch in einer Weise ausweiten, dass er einem "abstrakten" Auskunftsanspruch nahe käme.

Die Ausführungen des EuGH in den oben mehrfach genannten Entscheidungen sprechen eindeutig dafür, dass auch der EuGH davon ausgeht, dass es nur einen schutzrechtsbezogenen Auskunftsanspruch gibt, sodass auch die "Anhaltspunkte", von denen der EuGH spricht, schutzrechtsbezogen zu verstehen sind.

Hätte der EuGH dasjenige aussprechen wollen, was die Klägerin diesen Entscheidungen entnimmt, würde dies in völligem Gegensatz zu den "bei Verletzungen gewerblicher Schutzrechte üblichen Regelungen" in der Bundesrepublik Deutschland stehen. Zu den "bei Verletzung gewerblicher Schutzrechte üblichen Regelungen" gehört es in der Bundesrepublik Deutschland, dass Auskunftsansprüche in der Regel nur schutzrechtsbezogen zuerkannt werden. Insgesamt steht der Klägerin hinsichtlich der gemeinschaftsrechtlich geschützten Sorten deshalb nur ein schutzrechtsbezogener Auskunftsanspruch über Nachbauhandlungen zu. Der von der Klägerin geltend gemachte umfassende Auskunftsanspruch ist nicht gerechtfertigt. Da die Klägerin über den von der Beklagten anerkannten Auskunftsanspruch hinaus keine schutzrechtsbezogenen "Anhaltspunkte" für Nachbauhandlungen dargelegt hat, sind die Voraussetzungen für eine Auskunftspflicht der Beklagten nicht gegeben.

Das gilt auch für die nach nationalem Recht geschützten Sorten. Auch insoweit steht der Klägerin nach § 10 a Abs. 6 SortenschutzG nur ein schutzrechtsbezogener Auskunftsanspruch und nicht der von der Klägerin geltend gemachte umfassende Auskunftsanspruch zu. Für die Auslegung von § 10 a Abs. 6 SortenschutzG betreffend den Auskunftsanspruch über den Nachbau inländischer Sorten sind dieselben Grundsätze wie für den Nachbau von gemeinschaftsrechtlich geschützten Sorten anzuwenden. Für die übereinstimmende Beurteilung der ohnehin gleichgelagerten Auskunftsansprüche spricht nicht zuletzt, dass der Gesetzgeber mit der Neuregelung des § 10 Abs. 6 SortenschutzG ohnehin das Ziel verfolgt hat, das inländische Sortenschutzrecht dem europäischen Sortenschutzrecht anzupassen. Es gibt deshalb keine Veranlassung, den Auskunftsanspruch für das nationale Recht anders - umfangreicher - zu bemessen als für das Gemeinschaftsrecht. Daraus folgt, worauf das Landgericht bereits in der angefochtenen Entscheidung hingewiesen hat, dass nationales Recht und Gemeinschaftsrecht in gemeinschaftskonformer Anwendung bezüglich der Frage, welchen Nachweis der Sortenschutzinhaber zu erbringen hat, damit der Anspruch begründet ist, gleich zu behandeln sind. § 10 Abs. 6 SortenschutzG ist deshalb ebenso auszulegen wie die entsprechende Regelung in § 8 NachbauVO. Auch hinsichtlich der im nationalen Recht geschützten Sorten hat die Klägerin deshalb lediglich einen schutzrechtsbezogenen Auskunftsanspruch über Nachbauhandlungen. Die Klägerin hat jedoch insoweit keine schutzrechtsbezogenen "Anhaltspunkte" über Nachbauhandlungen vorgetragen. Der von der Klägerin geltend gemachte Auskunftsanspruch ist daher nicht gerechtfertigt.

Die Berufung der Klägerin ist damit als unbegründet zurückzuweisen.

Mit dieser Entscheidung setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zu seiner eigenen Entscheidung vom 23.12.2003 - 7 U 86/03 (OLG-R Naumburg, 2004, 257 ff.). Die beiden Verfahren betreffen unterschiedliche Sachverhalte. Während in dem Verfahren 7 U 86/03 die Beklagte ein so genannter Aufbereiter war, ist im vorliegenden Fall die Beklagte eine Landwirtin. Der Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 23.12.2003 auf die Unterschiede beim Auskunftsbegehren gegenüber einem Aufbereiter und gegenüber einem Landwirt hingewiesen. Auf die Ausführungen wird Bezug genommen.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 3 ZPO.

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil die Fragen der Voraussetzungen und der Reichweite der Auskunftspflicht des Landwirts gegenüber Sortenschutzrechtsinhabern von grundsätzlicher Bedeutung sind.

Ende der Entscheidung

Zurück