Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 08.03.2004
Aktenzeichen: 4 W 6/04
Rechtsgebiete: ZPO, GG


Vorschriften:

ZPO § 380
GG Art. 104 Abs. 1 S. 1
GG Art. 104 Abs. 2
Die sofortige Beschwerde gegen die Vorführung gem. § 380 ZPO ist auch dann zulässig, wenn die Vorführung bereits abgeschlossen ist, der Beschwerdeführer aber einen Grundrechtseingriff geltend machen kann.

Ist ein Spruchkörper zur Entscheidung in der Hauptsache berufen, ist er auch für Beschlüsse über die Vorführung selbst sowie über die Art und Weise ihrer Durchführung berufen.

Eine Vorführung im Sinne des § 380 ZPO ist im Regelfall lediglich eine Freiheitsbeschränkung. Im Falle des Aufenthalts eines Zeugen in einer Justizvollzugsanstalt für eine Nacht ist eine Freiheitentziehung anzunehmen, bei der gemäß Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG der Gesetzesvorbehalt und gemäß Art. 104 Abs. 2 GG der Richtervorbehalt zu beachten ist.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

4 W 6/04

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg am 8. März 2003 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Klußmann, des Richter am Oberlandesgericht Feldmann und der Richterin am Oberlandesgericht Mertens beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers wird feststellt, dass das Vorführungsersuchen des Vorsitzenden der 3. Zivilkammer des Landgerichts Stendal vom 17. Oktober 2003 rechtswidrig war. Der Beschluss der Kammer vom 12. Januar 2004 wird aufgehoben.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Eine Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeführers ist nicht veranlasst.

Der Beschwerdewert wird auf bis zu 600,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

Nachdem der Beschwerdeführer zu den Verhandlungsterminen vor der 3. Zivilkammer des Landgerichts Stendal vom 10. April 2002, 18. September 2002 und 26. Februar 2003 trotz ordnungsgemäßer Ladung unentschuldigt nicht erschienen war, hat die Kammer mit Beschluss vom 26. Februar 2003 ein Ordnungsgeld gegen ihn festgesetzt und zudem seine Vorführung zum nächsten Verhandlungstermin angeordnet. Gegen diesen Beschluss hat sich der Beschwerdeführer mit der sofortigen Beschwerde gewandt, die der beschließende Senat mit Beschluss vom 23. April 2003 (Geschäftszeichen 4 W 20/03) zurückgewiesen hat.

Der Vorsitzende der Kammer hat sich mit Schreiben vom 3. März 2003 an die Gerichtsvollzieherverteilerstelle beim Amtsgericht Naumburg gewandt und um Vorführung des Beschwerdeführers zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 26. Mai 2003 ersucht. Da der Beschwerdeführer zwischenzeitlich Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des beschließenden Senats eingelegt hatte, befanden sich die Sachakten beim Bundesgerichtshof; der Termin vom 26. Mai 2003 wurde aufgehoben. Nach der Rücknahme der Rechtsbeschwerde und dem Eingang der Akten beim Landgericht wurde Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 15. Oktober 2003, 13.00 Uhr, bestimmt. Der beauftragte Gerichtsvollzieher teilte der

Geschäftsstelle des Landgerichts um 11.10 Uhr telefonisch mit, dass er den Beschwerdeführer nicht gefunden habe. Der Vorsitzende bestimmte sodann den neuen Verhandlungstermin auf den 13. Januar 2004 und ermächtigte den zuständigen Gerichtsvollzieher durch das Vorführersuchen vom 17. Oktober 2003, den Zeugen bereits am 12. Januar 2004 in Gewahrsam zu nehmen. Für diesen Fall sei er durch den Gerichtsvollzieher in die nächste Justizvollzugsanstalt zur Aufnahme bis zum Tag der Vorführung zu überstellen.

Der Beschwerdeführer wurde am 12. Januar 2004 vom Gerichtsvollzieher festgenommen und zur Justizvollzugsanstalt Naumburg verbracht. Mit Schriftsatz vom selben Tage legte er jedwedes Rechtsmittel gegen die Vorführung ein. Die Kammer hat dieses mit Beschluss vom 12. Januar 2004 als unzulässig verworfen.

Mit undatiertem, aber noch am 12. Januar 2004, 15.17 Uhr, bei dem Landgericht eingegangenem Schriftsatz hat der Beschwerdeführer ergänzend ausgeführt, das Rechtsmittel wende sich nicht gegen die Anordnung der Vorführung, sondern gegen die Art und Weise der Ausführung der Vorführung, nämlich gegen die Inanspruchnahme der polizeilichen Vollzugsorgane sowie gegen die Unterbringung in die Justizvollzugsanstalt bereits am 12. Januar 2004. Mit Beschluss vom 12. Januar 2004 hat die Kammer die Beschwerde als unzulässig verworfen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 13. Januar 2004 kam es zur Vernehmung des Beschwerdeführers, nachdem dieser von dem Gerichtsvollzieher nach Stendal verbracht worden war.

Mit am 26. Januar 2004 bei dem Landgericht Stendal eingegangenem Schriftsatz hat der Beschwerdeführer Rechtsmittel gegen den Beschluss des Landgerichts vom 12. Januar 2004 eingelegt. Die Kammer hat dem Rechtsmittel mit Beschluss vom 27. Januar 2004 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Mit Beschluss vom 28. Januar 2004 hat die Kammer der Beschwerde des Beschwerdeführers vom 12. Januar 2004 in der Fassung der Klarstellung vom selben Tage nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Mit dem am 17. Februar 2004 bei dem Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz hat der Beschwerdeführer ergänzend klar gestellt, dass er sich auch gegen die Beschlüsse vom 12., 27. und 28. Januar 2004 wende. Ferner hat er seine Auffassung, das Vorführungsersuchen vom 17. Oktober 2003 sei rechtswidrig, vertieft.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 380 Abs.3, 567, 568, 569, 571 ZPO), wobei der beschließende Senat davon ausgeht, dass die von dem Beschwerdeführer ausdrücklich erhobenen Angriffe gegen die Verfügung des Kammervorsitzenden vom 17. Oktober 2003 sowie gegen die Beschlüsse vom 12. Januar 2004, 27. Januar 2004 und 28. Januar 2004 letztlich als einheitliche Beschwerde gegen die Art und Weise der angeordneten Vorführung gemäß § 380 Abs.2 ZPO vom 17. Oktober 2003 anzusehen sind. Der Beschwerdeführer wendet sich nämlich dagegen, dass er bereits am 12. Januar 2004 von dem zuständigen Gerichtsvollzieher verhaftet worden ist und die Nacht zum 13. Januar 2004 bis zur Verbringung nach Stendal in der Justizvollzugsanstalt Naumburg verbracht hat. Diese Vorfälle gehen auf die Verfügung des Kammervorsitzenden vom 17. Oktober 2003 zurück, die durch die in der Folge ergangenen Beschlüsse der Kammer im Ergebnis bestätigt worden ist.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts geht der beschließende Senat davon aus, dass die sofortige Beschwerde zulässig ist, obwohl die Vorführung bereits abgeschlossen und damit erledigt ist. Dies steht dem Rechtsschutzbedürfnis des Beschwerdeführers nicht entgegen. Der Beschwerdeführer hat nämlich vorliegend durch den erlittenen Vollzug der Vorführung ein besonderes Interesse an der Feststellung einer möglichen Rechtswidrigkeit der getroffenen Maßnahme. In Fällen, in denen sich die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene die gerichtliche Entscheidung in der von der Prozessordnung vorgegebenen Instanz kaum erlangen kann, ist jedenfalls bei einem Grundrechtseingriff grundsätzlich von einem Rechtsschutzinteresse auszugehen (BVerfG, NJW 1999, 3773; NJW 1997, 2163). Ein solcher ist zu Lasten des Beschwerdeführers vorliegend anzunehmen, weil jedenfalls in der Zeit ab seiner Verhaftung am 12. Januar 2004 bis zum Beginn der Fahrt nach Stendal am 13. Januar 2004 erheblich in sein Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 GG eingegriffen worden ist. Ferner war es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, noch am 12. Januar 2004 einen Beschluss des zuständigen Oberlandesgerichts über seine Beschwerde vom selben Tage zu erwirken, da die Kammer diese verfahrensfehlerhaft als unzulässig verworfen und nicht an das zur Entscheidung berufene Oberlandesgericht abgegeben hatte.

Der Zulässigkeit der hier in Rede stehenden sofortigen Beschwerde steht auch nicht entgegen, dass der beschließende Senat über die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Ordnungsgeldbeschluss und die Vorführungsanordnung der 3. Zivilkammer des Landgerichts Stendal vom 26. Februar 2003 bereits mit Beschluss vom 23. April 2003 entschieden hat. Nach den eindeutigen Ausführungen des Beschwerdeführers in seinen diversen Beschwerdeschriften richtet er sich nicht gegen die Vorführung an sich, sondern gegen die Art und Weise ihrer Durchführung.

Die sofortige Beschwerde ist auch begründet, da die Anordnung der Vorführung des Kammervorsitzenden vom 17. Oktober 2003 rechtswidrig war.

Der Kammervorsitzende hätte die in Rede stehende Anordnung bereits nicht allein treffen dürfen. Vielmehr wäre eine Beschlussfassung des in dem Rechtsstreit zur Entscheidung berufenen Gerichts erforderlich gewesen.

Dabei ist nicht zu verkennen, dass § 380 ZPO, der die Folgen des Ausbleibens eines Zeugen regelt, in Abs.2 lediglich ausführt, dass die zwangsweise Vorführung angeordnet werden kann. Indirekt ergibt sich aber aus § 380 Abs.3 ZPO, dass dies im Beschlusswege zu erfolgen hat. Die 3. Zivilkammer des Landgerichts Stendal hatte zwar mit Beschluss vom 26. Februar 2003 die grundsätzliche Entscheidung getroffen, dass der Beschwerdeführer zum Verhandlungstermin vorzuführen sei, indes hatte sie sich im Hinblick auf die Art und Weise der Durchführung in keiner Weise geäußert. Wegen der besonderen Fallkonstellation wäre aber vorliegend zusätzlich zu der Vorführungsanordnung ein Beschluss der Kammer über die Verhaftung des Beschwerdeführers bereits am Vortag des Termins zur mündlichen Verhandlung erforderlich gewesen. Dies ergibt sich letztlich aus Art. 104 Abs.2 S.1 GG, wonach über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung der Richter zu entscheiden hat.

Eine Vorführung im Sinne des § 380 ZPO ist im Regelfall lediglich eine sogenannte Freiheitsbeschränkung. Zwar findet ein Eingriff in die Bewegungsfreiheit des Betroffenen statt, indes nur über einen kurzfristigen Zeitraum (BGHZ 82, 261, 263).Der Betreffende wird beispielsweise vor dem Gerichtstermin zuhause abgeholt und sodann zum Gerichtsort verbracht. Im hier in Rede stehenden Fall hatte die Anordnung des Kammervorsitzenden des Landgerichts vom 17. Oktober 2003 aber nicht lediglich eine Freiheitsbeschränkung, sondern sogar eine Freiheitsentziehung im Sinne des Art. 104 Abs.2 GG des Beschwerdeführers zur Folge.

Eine Freiheitsentziehung ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die körperliche Bewegungsfreiheit auf einen eng umgrenzten Raum beschränkt (BVerwGE 62, 325, 327; BGHZ 82, 261, 266 f.), in jede Richtung aufgehoben (BVerfGE 94, 166, 198) und ein Festhalten über eine mehr als kurzfristige Zeit gegeben ist; insbesondere in allen Fällen der Haft (BVerfGE 58, 208, 220 f.). Vorliegend ist der Beschwerdeführer am 12. Januar 2004, 14.00 Uhr, festgenommen und zur Justizvollzugsanstalt Naumburg verbracht worden. Jedenfalls während der Zeit vom Beginn seines Aufenthalts dort bis zur Fahrt nach Stendal am Vormittag des 13. Januar 2004 ist von einer Freiheitsentziehung im Sinne der dargelegten Grundsätze auszugehen. Die Bewegungsfreiheit des Beschwerdeführers war nämlich über eine Zeit von mindestens 15.00 Uhr (12. Januar) bis 8.00 Uhr (13. Januar), also 15 Stunden, in der er sich gegen seinen Willen in der Justizvollzugsanstalt Naumburg befand, also nicht nur unwesentlich kurz, umfassend aufgehoben.

Nach Art. 104 Abs.1 S.1 GG kann die Freiheit der Person nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Für den schwersten Eingriff in die Freiheit der Person, für die Entziehung der Freiheit, bedarf es nach Art. 104 Abs.2 S.1 GG außerdem einer richterlichen Entscheidung. Selbst wenn ein entsprechendes Gesetz einen Richtervorbehalt nicht enthält, wird dieses durch Art. 104 Abs.2 GG dahin ergänzt, dass die betreffende Maßnahme auch der richterlichen Entscheidung bedarf (BVerfGE 51, 97, 114). Dabei hat die richterliche Anordnung der Freiheitsentziehung grundsätzlich vorauszugehen. Eine nachträgliche richterliche Entscheidung lässt Art. 104 GG nur zu, wenn der mit der Freiheitsentziehung verfolgte verfassungsrechtlich zulässige Zweck andernfalls nicht zu erreichen wäre (BVerfGE 22, 311, 317).

Vorliegend enthält § 380 ZPO keine gesetzliche Grundlage im Sinne des Art. 104 Abs.1 GG für die Inhaftierung eines Zeugen zum Zwecke einer Vorführung, denn - wie ausgeführt - besagt der dort enthaltene Begriff der Vorführung nur, dass der Zeuge zum Zwecke seiner Vernehmung vorgeführt werden kann. Von einer Inhaftierung des Zeugen in einer Justizvollzugsanstalt, also einer freiheitsentziehenden Maßnahme, ist in ihr keine Rede. § 191 GVollzGA verweist im Zusammenhang mit den Vorschriften zur Durchführung der Vorführung zwar auf §§ 186, 187 GVollzGA. Indes stellen die Bestimmungen der GVollzGA nur innerdienstliche Bestimmungen für die Tätigkeit eines Gerichtsvollziehers dar. Gesetzescharakter haben sie nicht. Ferner findet sich in den genannten Bestimmungen keinerlei Hinweis, unter welchen Voraussetzungen ein Zeuge zur Vorbereitung seiner Vernehmung inhaftiert werden kann. Wenn indes das Erfordernis besteht, dass zur Durchführung der Vorführung eine Verhaftung eines unentschuldigt nicht erschienenen Zeugen erforderlich ist, wird jedoch eine analoge Anwendung von §§ 901 ff. ZPO möglich sein, so dass den Anforderungen des Art. 104 Abs.1 GG genügt wäre. Letztlich kann dies jedoch dahinstehen.

Der Vorsitzende der Kammer hätte nämlich die Vorführungsanordnung gegen den Beschwerdeführer nicht allein erlassen dürfen. Wie über die Vorführung hätte auch über den diese ermöglichende Inhaftierung des Beschwerdeführers gemäß §§ 380, 901 ZPO das zur Entscheidung berufene Gericht, also die 3. Zivilkammer des Landgerichts Stendal durch drei Mitglieder unter Mitwirkung des Vorsitzenden (§ 75 GVG) entscheiden müssen.

Art. 104 Abs.2 S.2 GG erfordert, dass die vor der Inhaftnahme des Beschwerdeführers nicht eingeholte richterliche Anordnung unverzüglich nachzuholen ist. Auch dies ist vorliegend unterblieben. Die Kammer hatte sich zwar ausweislich ihres Beschlusses vom 12. Januar 2004 noch mit der Beschwerde des Beschwerdeführers gegen seine Verhaftung befasst, die Beschwerde indes als unzulässig erachtet. Offenbar war sich die Kammer in keiner Weise bewusst, dass die Vorgehensweise des Vorsitzenden eine Freiheitsentziehung zu Lasten des Beschwerdeführers dargestellt hat, die dem Richtervorbehalt unterlag und eine die reine Vorführungsanordnung gemäß § 380 ZPO übersteigende Entscheidung dargestellt hat.

Ergänzend sei bemerkt, dass der genannte Beschluss der Kammer der Vollständigkeit halber ausweislich des Tenors dieses Beschlusses aufzuheben ist, da er eine Kostenentscheidung zu Lasten des Beschwerdeführers enthält, die entsprechend den obigen Ausführungen zur Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde nicht gerechtfertigt ist. Die Kammer hätte über die gemäß § 380 Abs.3 ZPO statthafte sofortige Beschwerde; selbst wenn sie unzulässig gewesen wäre; nicht selbst entscheiden dürfen (§ 572 Abs.2 S.2 ZPO).

Nach alledem kommt es bei der hiesigen Entscheidung auf die Frage, ob der Erlass eines Haftbefehls gegen den Beschwerdeführer vorliegend gerechtfertigt gewesen wäre, nicht an.

Allerdings sei bemerkt, dass Zweifel an den Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls zu Lasten des Beschwerdeführers bestehen.

Dem Vorführungsersuchen des Vorsitzenden vom 17. Oktober 2003 ist in Ermangelung einer Begründung, die grundsätzlich für mit der sofortigen Beschwerde anfechtbare Entscheidungen erforderlich ist, in keiner Weise zu entnehmen, was Grund für die Anordnung der Inhaftierung des Beschwerdeführers war. Die den Akten zu entnehmenden Gründe sind nach Auffassung des beschließenden Senats indes wohl nicht ausreichend, um - ungeachtet der formalen Erfordernisse - die Anordnung vom 17. Oktober 2003 zu rechtfertigen.

Die Mitteilung des Gerichtsvollziehers vom 9. April 2003, wonach bei dem Beschwerdeführer damit zu rechnen sei, dass er sich einer Vorführung widersetzen oder während der Fahrt aus dem Auto aussteigen werde (Bd.II Bl. 180 d.A.), hat sich offensichtlich in der Folge nicht bestätigt, da letztlich die Überführung des Beschwerdeführers nach Stendal unter Zuhilfenahme des Dienstwagens und -fahrers des Oberlandesgerichts erfolgen konnte. Allein der Umstand, dass ein Zeuge unentschuldigt nicht zu einem Gerichtstermin erscheint, rechtfer-tigt ebenfalls nicht die Annahme, dass er dies auch durch den Einsatz von körperlicher Gewalt zu verhindern versuchen wird. Bei den Akten findet sich ferner eine Aktennotiz der Justizangestellten St. , wonach der Gerichtsvollzieher R. am 15. Oktober 2003, 11.10 Uhr, mitgeteilt habe, den Zeugen nicht gefunden zu haben. Er schicke die Unterlagen zurück und bitte darum, eventuell einen Haftbefehl zu erlassen. Des Weiteren findet sich auf Bd.II Bl. 53 d.A. ein handschriftlicher Vermerk des Kammervorsitzenden, wonach der Gerichtsvollzieher mitgeteilt habe, dreimal versucht zu haben, den Zeugen zu Hause anzutreffen. Auch habe er versucht, den Zeugen in der Kanzlei (Anm.: an seinem Arbeitsplatz) anzutreffen. Es gibt indes vielfältige Gründe, wieso eine Person zu einer bestimmten Tageszeit nicht an einem bestimmten Ort ist. Der Gerichtsvollzieher hätte vorliegend den Beschwerdeführer nach dem Ende der Nachtzeit, also nach 6.00 Uhr, in seiner Wohnung aufsuchen und sodann nach Stendal bringen können. Dafür, dass dies nicht hätte gelingen können, bestehen, wie gesagt, keine Anhaltspunkte. Insbesondere ist nicht bekannt, ob sich der Beschwerdeführer im fraglichen Zeitraum nicht in seiner Wohnung aufgehalten und ständig wechselnde Übernachtungsmöglichkeiten genutzt hat. Das Scheitern der Vorführung am 15. Oktober 2003 kann jedenfalls für sich betrachtet, die Anordnung der Inhaftierung des Beschwerdeführers bereits am Vortag nicht rechtfertigen.

Da die sofortige Beschwerde erfolgreich ist, ergeht sie gemäß § 1 GKG, 1957 KV gerichtsgebührenfrei. Einer Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Zeugen bedarf es nicht, da diese als Auslagen gemäß § 11 ZuSEG zu Lasten der nach dem Urteil kostenpflichtigen Partei gehen (OLG Zweibrücken, MDR 1996, 533; OLG Düsseldorf, MDR 1985, 60; OLG Frankfurt, MDR 1984, 322; Zöller, ZPO-Kommentar, 24. Auflage, § 380 ZPO, Rn. 10). Soweit teilweise die Auffassung vertreten wird, die außergerichtlichen Kosten des Zeugen fielen in analoger Anwendung von § 467 Abs.1 StPO, § 46 Abs.1 OWiG der Staatskasse zur Last (OLG Bamberg, MDR 1982, 585; OLG Hamm, MDR 1980, 322; OLG Koblenz, NJW 1967, 1240), folgt der Senat dem nicht. Für eine analoge Anwendung der genannten Vorschriften ist kein Raum, da die Entschädigung von Zeugen nach § 401 ZPO in dem ZSEG geregelt ist. Leistet die Staatskasse an einen Zeugen Zahlungen nach ZSEG, so handelt es sich um Auslagen, die im Rahmen des Rechtsstreits gegen den Kostenschuldner in Ansatz zu bringen sind.



Ende der Entscheidung

Zurück