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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 13.03.2008
Aktenzeichen: 4 WF 2/08
Rechtsgebiete: ZPO, GVG, BGB, UVG


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 115
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 3
ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 568 S. 1
ZPO § 569
GVG § 119 Abs. 1 Nr. 1 a
BGB §§ 1601 ff.
BGB § 1602
BGB § 1603 Abs. 1
BGB § 1603 Abs. 2
BGB § 1612 a n. F.
BGB § 1613 Abs. 1
UVG § 7 Abs. 1
UVG § 7 Abs. 4 Satz 3
Wird der auf den UVG-Träger übergegangene Unterhaltsanspruch zur Geltendmachung zurück übertragen, kann für diesen Teil keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden, da insoweit ein Erstattungsanspruch gegen die Unterhaltsbehörde besteht.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

4 WF 2/08 (PKH) OLG Naumburg

In der Familiensache

der minderjährigen

hat der 4. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Richter am Oberlandesgericht Stroot als Einzelrichter am

13. März 2008

beschlossen:

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Wernigerode vom 4. Dezember 2007, Az.: 11 F 480/07 UK, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).

Gründe:

Die gemäß den §§ 127 Abs. 2 Satz 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte und auch im übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 569 ZPO in Verb. mit § 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO eingelegte sofortige Beschwerde der Antragsteller vom 17. September 2007 gegen die teilweise Versagung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Wernigerode vom 4. Dezember 2007, über die gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1 a GVG das Oberlandesgericht und dort gemäß § 568 S. 1 ZPO der Einzelrichter zu befinden hat, weil die angefochtene Entscheidung in einer Familiensache von einem Amtsrichter und damit einem Einzelrichter (vgl. Zöller/Gummer, 26. Aufl. 2007, Rn. 2 zu § 568 ZPO) erlassen worden ist, hat in der Sache keinen Erfolg.

Den Antragstellern ist jedenfalls nicht in einem weiteren Umfang Prozesskostenhilfe zu bewilligen als dies bereits durch den angegriffenen Beschluss erfolgt ist.

Das Amtsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Antragsgegner den Antragstellern unterhaltsverpflichtet ist und ihm in diesem Zusammenhang ein fiktives Einkommen zuzurechnen ist. Der Antragsgegner ist gemäß den §§ 1601 ff. BGB zu Unterhaltszahlungen gegenüber den Antragstellern als seinen minderjährigen Kindern verpflichtet, weil diese nach § 1601 BGB unterhaltsberechtigt und auch bedürftig im Sinne von § 1602 BGB sind. Er kann sich unterhaltsrechtlich nicht auf eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit gemäß § 1603 Abs. 1 und 2 BGB berufen. Denn er hat weder vorgetragen noch nachgewiesen, dass er alles Erdenkliche und von ihm zu Erwartende getan hätte, um eine Arbeitsstelle zu finden, die ihn in die Lage versetzt hätte, den Kindesunterhalt ohne Gefährdung seines eigenen Bedarfs aufzubringen. Er muss sich daher ein Einkommen fiktiv zurechnen lassen. Allerdings ist dem Antragsgegner entgegen der Auffassung der Antragsteller kein Einkommen zuzurechen, dass ihn in die Lage versetzen würden, den Mindestunterhalt vollständig abzudecken.

1.

Selbst unter der Annahme des für die Antragsteller günstigsten Falls, dass ihre vorgeblichen Unterhaltsansprüche gegen den Antragsgegner für den Zeitraum vom 1. April 2004 bis zum 30. Juni 2007 nicht verwirkt sind, ist den Antragstellern für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen für diesen Zeitraum schon deshalb keine Prozesskostenhilfe zu bewilligen, weil sie mangels Zahlungsverzuges des Antragsgegners insoweit keinen Unterhaltsanspruch gegen ihn haben, der über die geleisteten Unterhaltsvorschusszahlungen des Landkreises H. hinausgeht und sie im Hinblick auf die Geltendmachung von Unterhaltszahlungen, die bereits durch Unterhaltsvorschusszahlungen abgedeckt sind, nicht bedürftig im Sinne der §§ 114, 115 ZPO sind.

Gemäß § 1613 Abs. 1 BGB kann Unterhalt für die Vergangenheit grundsätzlich nur von dem Zeitpunkt an gefordert werden, zu welchem ein Auskunftsanspruch erhoben worden, Zahlungsverzug eingetreten oder die Klage rechtshängig geworden ist. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Denn die Geltendmachung eines Auskunftsanspruchs oder eine Inverzugsetzung des Antragsgegners durch die Antragsteller, deren diesem Verfahren zugrundeliegender Prozesskostenhilfeantrag erst am 24. August 2007 bei dem Amtsgericht eingegangen ist, liegt nicht vor. Bezüglich vermeintlich über der Höhe der geleisteten Unterhaltsvorschüsse liegender Unterhaltsansprüche der Antragsteller konnten die entsprechenden Voraussetzungen auch nicht durch die Rechtswahrungsanzeige der Unterhaltsvorschussbehörde herbeigeführt werden, weil gemäß § 7 Abs. 1 UVG Unterhaltsansprüche nur insoweit übergehen, wie Unterhaltsvorschuss geleistet wird. Dementsprechend hat der Landkreis H. auch mit Schreiben vom 2. August 2007 (Bl. 71 d. A.) mitgeteilt, dass der Antragsgegner mit der Rechtswahrungsanzeige vom 22. Juli 2003 lediglich in Höhe der Unterhaltsvorschusszahlungen in Verzug gesetzt worden ist. Eine Inverzugsetzung hinsichtlich eines vermeintlich überschießenden Unterhaltsanspruches der Antragsteller liegt jedenfalls nicht vor.

Im Hinblick auf die Verfolgung des Anspruchsteils, der den Antragstellern vom Landkreis H. (zurück) abgetreten worden ist, ist ihnen jedenfalls deswegen keine Prozesskostenhilfe zu bewilligen, weil sie insoweit nicht bedürftig im Sinne der §§ 114, 115 ZPO sind. Jedenfalls wenn wie im vorliegenden Fall ausgeschlossen ist, dass der Unterhaltsanspruch eines Berechtigten über den ihm in der Vergangenheit gewährten Unterhaltsvorschuss hinausgehen kann, ist ihm für die Geltendmachung des ihm von der Unterhaltsvorschussbehörde zurückabgetretenen Teils mangels Bedürftigkeit keine Prozesskostenhilfe zu bewilligen, weil er gemäß § 7 Abs. 4 Satz 3 UVG insoweit die Prozesskosten von der Unterhaltsvorschussbehörde ersetzt verlangen kann und dieser Anspruch als insoweit einzusetzendes Vermögen einzustufen ist (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 29. Januar 2004, 18 WF 11/04, FamRZ 2004, 149; OLG Oldenburg, Beschluss vom 6. Februar 2003, 12 WF 22/03, ZFE 2003, 222; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 31. Juli 2000, 2 WF 100/00, FamRZ 2001, 926; jeweils zitiert nach Juris).

2.

Vergleichbares gilt im Hinblick auf die für den Zeitraum vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2007 geltend gemachten Unterhaltsansprüche, weil der Antragsgegner jedenfalls nicht in einem Maße als leistungsfähig anzusehen ist, das es ihm ermöglichen könnte, höhere Unterhaltsleistungen an die Antragsteller vorzunehmen als diese bereits im Rahmen von Unterhaltsvorschusszahlungen erhalten. Die beiden Antragsteller haben in diesem Zeitraum zusammen 258 € monatlich (109 € und 149 €) Unterhaltsvorschusszahlungen erhalten. Der Antragsgegner ist nicht als in einem Umfang als leistungsfähig anzusehen, dass er merklich höhere Unterhaltszahlungen leisten könnte. Denn dem nunmehr 59jährige Antragsgegner, der seit 2002 arbeitslos ist und in der Zeit davor über viele Jahre als ungelernter Arbeiter berufstätig war, kann im vorliegenden Fall kein höherer Nettoverdienst als 1.000 € monatlich zuzüglich eines Nebeneinkommens in Höhe von 150 € monatlich fiktiv zugerechnet werden. Bei einem fiktiven Gesamtnettoeinkommen von 1.150 € monatlich verbleibt unter Berücksichtigung des notwendigen Selbstbehalts eines (fiktiv) erwerbstätigen Unterhaltsschuldners und unter Abzug (fiktiver) berufsbedingter Aufwendungen in Höhe von 5 % in diesem Zeitraum im wesentlichen kein Raum für einen höheren Unterhaltsbetrag, als die Antragsteller bereits als Unterhaltsvorschuss erhalten haben.

 fiktives Nettoeinkommen im Monat 1.150,00 €
./. 5 % (fiktive) berufsbedingte Aufwendungen - 57,50 €
./. notwendiger Selbstbehalt eines (fiktiv) Erwerbstätigen - 820,00 €
Leistungsfähigkeit des Antragsgegners 272,50 €

Ein höheres Nettoeinkommen als 1.150 € monatlich kann der nunmehr 59jährige Antragsgegner, der seit 2002 arbeitslos ist und in der Zeit davor als ungelernter Arbeiter berufstätig war, im vorliegenden Fall indes nicht erzielen.

Eine andere Beurteilung ist auch nicht auf Grund des Vortrages der Antragsteller geboten, der Antragsgegner könne als Industriemaurer bei der Firma J. GmbH in Sch. ein Nettoeinkommen von monatlich 4.000 € bis 5.000 € bzw. als Arbeiter in der Glaserei D. ein Nettoeinkommen von monatlich 1.200 € und zudem durch das Austragen von Zeitungen bzw. Werbebroschüren weitere 300 € monatlich erzielen. Denn diese Behauptungen sind ersichtlich ins Blaue hinein und insbesondere ohne konkreten Bezug zu der Person des Antragsgegners aufgestellt worden, so dass sich die Erhebung der insoweit angebotenen Beweise durch Zeugenvernehmungen verbietet, weil sich dies als Erhebung eines Ausforschungsbeweises darstellen würde.

3.

Schließlich haben die Antragsteller auch in der Zeit ab dem 1. Januar 2008 keinen höheren Unterhaltsanspruch gegen den Antragsgegner, als das Amtsgericht angenommen hat. Unter Zugrundelegung des vom Amtsgericht angenommenen Anspruchs in Höhe von 45 % des Mindestunterhalts nach § 1612 a BGB n. F. beläuft sich der Unterhaltsanspruch des am 5. April 2000 geborenen Antragstellers zu 1 (A. ) nach der 2. Alterstufe auf etwa 111 € monatlich (45 % von 245 € = 110,25 €) und der Unterhaltsanspruch des am 4. April 2002 geborenen Antragstellers zu 2 (F. ) nach der 1. Alterstufe auf etwa 91 € monatlich (45 % von 202 € = 90,90 €). Die Unterhaltsansprüche beider Antragsteller summieren sich danach für die Zeit ab dem 1. Januar 2008 auf 202 € monatlich.

Unter Berücksichtigung des ab dem 1. Januar 2008 geltenden notwendigen Selbstbehalts eines (fiktiv) erwerbstätigen Unterhaltsschuldners in Höhe von 900 € monatlich müsste dem Antragsgegner unter Abzug (fiktiver) berufsbedingter Aufwendungen in Höhe von 5 % ab dem 1. Januar 2008 schon ein über 1150 € monatlich liegendes fiktives Nettoeinkommen zugerechnet werden, um Unterhaltsansprüche der Antragsteller in Höhe von 45 % des Mindestunterhaltes befriedigen zu können. Ein höheres monatliches Nettoeinkommen als 1.150 € ist der Antragsgegner jedoch nicht zu erzielen in der Lage.

 Fiktives Nettoeinkommen im Monat 1.150,00 €
./. 5 % (fiktive) berufsbedingte Aufwendungen - 57,50 €
./. notwendiger Selbstbehalt eines (fiktiv) Erwerbstätigen - 900,00 €
Leistungsfähigkeit des Antragsgegners 192,50 €



Ende der Entscheidung

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