Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 11.06.2007
Aktenzeichen: 4 WF 81/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 620 c Satz 2
ZPO § 621 g Satz 2
Für die Zulässigkeit reicht es aus, wenn eine über das normale Maß hinausgehende unzumutbare Verzögerung des Verfahrens schlüssig dargetan wird, die auf einen Rechtsverlust oder eine Rechtsverweigerung hinausläuft.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

4 WF 81/07 OLG Naumburg

In der Beschwerdesache

hat der 4. Zivilsenat - 3. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Deppe-Hilgenberg, die Richterin am Oberlandesgericht Joost und die Richterin am Amtsgericht Meier am 11. Juni 2007

beschlossen:

Tenor:

1. Die Untätigkeitsbeschwerde des Antragstellers vom 03. Mai 2007 wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Beschwerdewert für die außergerichtlichen Kosten beträgt 300 Euro.

Gründe:

I.

Die Untätigkeitsbeschwerde des Antragstellers vom 03. Mai 2007 hat in der Sache keinen Erfolg.

Es ist bereits fraglich, ob die Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Untätigkeitsbeschwerde erfüllt sind. Die weder in der ZPO noch im FGG gesetzlich geregelte Untätigkeitsbeschwerde ist von der Rechtsprechung als außerordentlicher Rechtsbehelf geschaffen worden. Sie dient dem Zweck, den verfassungsrechtlich geschützten Anspruch der Verfahrensbeteiligten auf einen effektiven Rechtsschutz gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in Verb. mit Art. 20 Abs. 3 GG zu gewähren. Das Rechtsstaatprinzip erfordert im Interesse der Rechtssicherheit insbesondere, dass strittige Rechtsverhältnisse in angemessener Zeit geklärt werden (vgl. hierzu etwa BVerfG, FamRZ 2005, 173/174 und FamRZ 2005, 1233/1234). Die Untätigkeitsbeschwerde setzt dabei nicht voraus, dass es bereits zu einem sachlich nicht mehr zu rechtfertigenden Verfahrensstillstand gekommen ist. Für die Zulässigkeit reicht es vielmehr aus, wenn eine über das normale Maß hinausgehende unzumutbare Verzögerung des Verfahrens schlüssig dargetan wird, die auf einen Rechtsverlust oder eine Rechtsverweigerung hinausläuft (Gummer: in Zöller, ZPO, 26. Auflage, 2007, § 567 Rdnr. 21). Eine Untätigkeitsbeschwerde als außergesetzlicher Rechtsbehelf kommt aber anerkanntermaßen nur dann in Betracht, wenn die begehrte Entscheidung ihrerseits überhaupt einem Rechtsmittel unterliegt (siehe dazu mit zahlreichen weiteren Nachweisen und namentlich aus der Rechtsprechung Gummer, in: Zöller, a.a.O., § 567 Rdnr. 21).

Im vorliegenden Fall ist zweifelhaft, ob diese Voraussetzung vorliegt. Denn der Antragsteller begehrt mit seiner Untätigkeitsbeschwerde die Regelung des Umgangsrechts mit seiner Tochter. Hierzu hat er am 13. Juli 2006 neben dem Hauptsacheantrag auch einen entsprechenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Über diesen Antrag hat das Amtsgericht Magdeburg zwar bislang nicht entschieden, jedoch ist gegen Entscheidungen in Form einstweiliger Anordnungen zum Umgang eine Beschwerde gemäß § 621 g Satz 2 in Verb. mit § 620 c Satz 2 ZPO nicht statthaft.

Die Beschwerde erweist sich aber unabhängig davon auch im Hauptsacheverfahren zum Umgang als unbegründet. Die Verfahrensdauer in erster Instanz verletzt den Anspruch des Antragstellers auf Entscheidung über das Umgangsrecht in angemessener Zeit nicht.

Es gibt keine festgelegten Grundsätze, die besagen, wann von einer überlangen, die Rechtsgewährung verhindernden Verfahrensdauer auszugehen ist. Dies ist eine Frage der Abwägung im Einzelfall und muss nach den konkreten Umständen geklärt werden (vgl. hierzu BVerfG, FamRZ 2001, 753/754 und NJW 1997, 2811, 2812). Dabei kommt es in erster Linie auf das Gewicht bzw. die Sensibilität des Verfahrens bzw. der erstrebten Regelung an (OLG Karlsruhe, OLG-Report 2004, 33/34). Insoweit ist zwar vorliegend zunächst zu berücksichtigen, dass das Umgangsrecht eine vom Grundgesetz besonders geschützte elterliche Rechtsposition darstellt. Ferner hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt darauf hingewiesen, insbesondere bei Streitigkeiten um das Sorge- und Umgangsrecht sei bei der Frage, welche Verfahrensdauer noch als angemessen betrachtet werden kann, zu beachten, dass jede Verfahrenszögerung wegen der durch den Zeitverlust eintretenden und sich vertiefenden Entfremdung häufig schon rein faktisch zu einer (Vor-)Entscheidung führt, noch bevor ein richterlicher Spruch vorliegt. Schon deshalb und weil sich das kindliche Zeitempfinden von dem eines Erwachsenen deutlich unterscheide sowie sich der Sachverhalt ständig im Fluss befinde, komme in Sorge- und Umgangsrechtsverfahren der Problematik der Verfahrensdauer eine besondere Bedeutung zu (vgl. hierzu BVerfG, FamRZ 2005, a.a.O.).

Im streitigen Umgangsverfahren ist die Verfahrensdauer von elf Monaten jedoch nach Auffassung des Senats unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Falles nicht unangemessen lang. Nachdem der Antragsteller zunächst einen Antrag auf Abgabe des Verfahrens an das Amtsgericht Schönebeck gestellt hatte, ist das Verfahren wegen des Umzugs der Antragsgegnerin am 25. August 2006 wieder an das Amtsgericht Magdeburg zurückgegeben worden. Als die Berichte des Jugendamtes der Landeshauptstadt Magdeburg und des Hochsauerlandkreises vorlagen, hat das Amtsgericht einen Termin zur Anhörung am 11. Januar 2007 bestimmt, der auf Antrag des Antragstellervertreters auf den 25. Januar 2007 verlegt worden ist. In diesem Termin, zu dem der Antragsteller verspätet erschienen ist, hat das Amtsgericht sofort einen Ortstermin in der Wohnung der Kindesmutter durchgeführt, um sich einen Eindruck davon zu verschaffen, wie die Tochter auf ihren Vater reagiert. Dabei scheiterten Versuche des Antragstellers, das Kind von der Mutter zu lösen und selbst auf den Arm zu nehmen, da es sich an der Mutter festklammerte.

Nach alledem hat das Amtsgericht konkrete Maßnahmen ergriffen, um zu ermitteln, wie ein Umgang zwischen Vater und Tochter zu regeln ist.

Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass dem Amtsgericht nur aufgegeben werden könnte, unverzüglich in dem Hauptsachverfahren zum Umgang eine Entscheidung zu treffen, wenn eine entsprechende Eilbedürftigkeit der Angelegenheit und damit eine positive Entscheidungsmöglichkeit zu Gunsten des Antragstellers vorliegt, die indes nicht gegeben ist.

Am 29. Januar 2006 zog der Antragsteller aus der gemeinsamen Wohnung der Parteien aus. Im März und April 2006 hat die Antragsgegnerin ihm angeboten, das Umgangsrecht alle 14 Tage in ihrer Wohnung auszuüben. An diesem Vorschlag hat die Antragsgegnerin auch im laufenden Umgangsverfahren festgehalten. So fanden dann auch am 29. August und 31. Oktober 2006 Umgangskontakte zwischen dem Antragsteller und seiner Tochter statt. Auf Grund des Alters des Kindes und der Lebensverhältnisse der Parteien - der Antragsteller wohnt im Hochsauerlandkreis und hat für die Fahrt zur Anhörung vor dem Amtsgericht Magdeburg sieben Stunden benötigt - scheint nach dem derzeitigen Sachstand eine Regelung zum Umgang, wie sie der Antragsteller wünscht, nicht dem Wohl des Kindes zu entsprechen. Einer Entfremdung zwischen Vater und Tochter könnte durch die 14-tägigen Besuchskontakte in der Wohnung der Mutter vorgebeugt werden.

II.

Die Kosten der erfolglos erhobenen Beschwerde fallen gemäß § 97 Abs. 1 ZPO dem Antragsteller zur Last.

Der allein für die außergerichtlichen Kosten maßgebliche Beschwerdewert - für die Gerichtskosten gilt eine Festgebühr nach Nr. 1811 des Kostenverzeichnisses der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG - ist, zweckmäßigkeitshalber von Amts wegen, entsprechend der rein zeitlichen Auswirkung der auf eine Beschleunigung des Verfahrens abzielenden Untätigkeitsbeschwerde nach der untersten Stufe der Gebührentabelle bemessen worden, §§ 23 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 2, 33 RVG.

Ende der Entscheidung

Zurück