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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 31.03.2004
Aktenzeichen: 5 U 4/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 22
ZPO § 23
ZPO § 24
1. Für Klagen, durch die die Freiheit von einer dinglichen Belastung geltend gemacht wird, sofern es sich um unbewegliche Sachen handelt, ist das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk die Sache belegen ist.

2. Gleichgültig ist, ob die Befreiung von der Belastung lediglich aufgrund eines schuldrechtlichen Anspruches verlangt wird, wie z. B. in den Fällen der Anfechtung der Hypothek nach der Insolvenzordnung (§ 143 InsO), nach dem Anfechtungsgesetz (§ 11 AnfG) oder dem Anspruch aus § 1169 BGB (Herbert Roth in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 24 Rn. 24 m.w.N.; Zöller/Voll-kommer, 24. Aufl., § 24 Rn. 13; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hart-mann, ZPO, 62. Aufl., § 24, Rn. 9; Patzina in Münchener Kommentar, ZPO, 2. Aufl., § 24 Rn. 11). Wesentlich ist nur, dass der Klageantrag auf Bewilligung der Löschung gerichtet und der Beklagte Inhaber der dinglichen Belastung ist (Herbert Roth, a.a.O., Rn. 24).


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 U 4/04

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Braun, der Richterin am Oberlandesgericht Marx-Leitenberger und der Richterin am Landgericht Ewald auf die mündliche Verhandlung vom 31. März 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 16. Dezember 2003 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Magdeburg aufgehoben und die Sache zur erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Berufung, an das Landgericht Magdeburg zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 1.000.000,00 EUR.

Gründe:

I.

Wegen des Sach- und Streitstandes in I. Instanz einschließlich der dort ergangenen Entscheidung nimmt der Senat Bezug auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Leseabschrift Bl. 154 f. Bd. II d. A.).

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er weiterhin die Auffassung vertritt, das Landgericht sei international und örtlich zuständig. Er wiederholt und vertieft seine rechtlichen Ausführungen hierzu. Er meint, wenn der ausschließliche Gerichtsstand nach § 24 ZPO nicht begründet sei, ergebe sich die Zuständigkeit des Landgerichts jedenfalls aus § 23 ZPO.

Der Kläger beantragt,

das am 16. Dezember 2003 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Magdeburg aufzuheben und das Verfahren an das Landgericht zurückzuweisen

hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, die Löschung der folgenden im Grundbuch von H. zu ihren Gunsten eingetragenen Grundschulden im Gesamtnennbetrag von 100 Mio. DM zu bewilligen:

Gesamtgrundschuld über 40 Mio. DM eingetragen im Grundbuch von H. Bl. 6619, Abteilung III, laufende Nummer 8 sowie Blatt 10942, Abteilung III, laufende Nummer 1.

Gesamtgrundschuld über 40 Mio. DM eingetragen im Grundbuch von H. Blatt 6619, Abteilung III, laufende Nummer 9 sowie Blatt 10942, Abteilung III, laufende Nummer 2.

Gesamtgrundschuld über 20 Mio. DM eingetragen im Grundbuch von H. Blatt 6619, Abteilung III, laufende Nummer 10 sowie Blatt 10942, Abteilung III, laufende Nummer 3.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und meint, die Zuständigkeit des Landgerichts ergebe sich auch nicht aus § 23 ZPO. Die Tatbestandsvoraussetzungen des besonderen Gerichtsstandes des Vermögens seien eng auszulegen (BGHZ 115, 90 ff.). Zwar könnten auch dingliche Verwertungsrechte Vermögensgegenstände im Sinne dieser Vorschrift sein. Auf den Gerichtsstand des Vermögens könne sich der Kläger jedoch dann nicht berufen, wenn auf das Vermögen im Wege der Zwangsvollstreckung nicht zurückgegriffen werden könne (BGH NJW 1997, 325). Dies sei hier der Fall, da sich die Grundschuldbriefe, deren Übergabe Voraussetzung einer Vollstreckung in die Grundschulden sei, in Singapur befänden. Die Herausgabe der Grundschuldbriefe könne in Singapur aufgrund eines in Deutschland ergangenen Urteils nicht im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden. Hinsichtlich der Gerichtsstände nach § 24 ZPO und § 22 ZPO wiederholt und vertieft die Beklagte ihr erstinstanzliches Vorbringen.

II.

Die Berufung ist zulässig und hat in der Sache insoweit Erfolg, als das Urteil aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen wird (§ 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO).

Das Landgericht Magdeburg ist für die Entscheidung über den mit der Klage geltend gemachten Anspruch nach § 143 InsO international und örtlich zuständig.

Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte sich grundsätzlich aus den Regeln über die örtliche Zuständigkeit ergibt. Die Zivilprozessordnung enthält keine eigenen Vorschriften über die internationale Zuständigkeit. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes regelt die ZPO die internationale Zuständigkeit nur mittelbar in §§ 12 ff. ZPO. Soweit danach ein deutsches Gericht örtlich zuständig ist, indiziert dies regelmäßig die internationale Zuständigkeit (BGHZ 115, 90; BGH NJW 1993, 2683; BGH NJW 1997, 325; Zöller-Geimer, ZPO, 24. Aufl., IZPR Rn. 37).

Die ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts Magdeburg ergibt sich aus § 24 Abs. 1 ZPO. Danach ist für Klagen, durch die die Freiheit von einer dinglichen Belastung geltend gemacht wird, sofern es sich um unbewegliche Sachen handelt, das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk die Sache belegen ist. Der dingliche Gerichtsstand ist gegeben, wenn die unbewegliche Sache Gegenstand einer solchen Klage ist. So liegt hier der Fall. Mit der Klage begehrt der Kläger als Grundstückseigentümer die Bewilligung der Löschung der Grundschulden durch die Beklagte als Inhaberin dieser Rechte.

Gleichgültig ist, ob die Befreiung von der Belastung lediglich aufgrund eines schuldrechtlichen Anspruches verlangt wird, wie z. B. in den Fällen der Anfechtung der Hypothek nach der Insolvenzordnung (§ 143 InsO), nach dem Anfechtungsgesetz (§ 11 AnfG) oder dem Anspruch aus § 1169 BGB (Herbert Roth in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 24 Rn. 24 m.w.N.; Zöller/Vollkommer, 24. Aufl., § 24 Rn. 13; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 62. Aufl., § 24, Rn. 9; Patzina in Münchener Kommentar, ZPO, 2. Aufl., § 24 Rn. 11). Wesentlich ist nur, dass der Klageantrag auf Bewilligung der Löschung gerichtet und der Beklagte Inhaber der dinglichen Belastung ist (Herbert Roth, a.a.O., Rn. 24). Dies ist auch nicht streitig. Eine andere hier nicht einschlägige Frage ist, inwieweit schuldrechtliche Ansprüche auf das Eigentum unter § 24 ZPO fallen. Das belastete Grundstück ist im Gerichtsbezirk des Landgerichts Magdeburg gelegen.

Ginge man davon aus, dass der ausschließliche Gerichtsstand nach § 24 ZPO nicht begründet ist, ergebe sich die Zuständigkeit des Landgerichts jedenfalls aus § 23 ZPO. Danach ist für Klagen wegen vermögensrechtlicher Ansprüche gegen eine Person, die im Inland keinen Wohnsitz hat, das Gericht zuständig, in dessen Bezirk sich Vermögen derselben oder der mit der Klage in Anspruch genommene Gegenstand befindet. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 23 ZPO sind erfüllt.

Beklagte kann hier ebenfalls jede natürlich und juristische Person und passivprozessfähige Partei unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit sein, sofern sie keinen Wohnsitz und im Fall juristischer Personen oder passivparteifähiger Personenmehrheiten keinen Sitz im Inland haben (Patzina a.a.O., § 23 Rn. 14). Vermögen ist jeder geldwerte Gegenstand, dem ein eigener Verkehrswert zukommt. Dabei ist es gleichgültig, ob es sich um eine Sache oder um ein Recht handelt. Ausreichend ist ein dingliches Verwertungsrecht wie die Grundschuld (Patzina a.a.O., § 23 Rn. 16; BGH NJW 1990, 992; Vollkommer a.a.O., § 23 Rn. 8).

Dass eine Vollstreckung in den Vermögensgegenstand möglich sein muss, ist nicht gefordert. Nach der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofes ist Vermögen im Sinne des § 23 ZPO jeder Gegenstand mit Geldwert, ohne dass es darauf ankäme, ob er zur Befriedigung des Gläubigers ausreicht oder in einem angemessenen Verhältnis zum Streitwert steht (BGH NJW 1997, 325). Die Grenze einer Rechtsverfolgung im Gerichtsstand des § 23 ZPO bildet dessen Missbrauch (BGH, a.a.O.). Für dessen Vorliegen trägt die Beklagte nach den allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast. Einen Sachverhalt, nach dem ein schutzwürdiges und anzuerkennendes Interesse des Klägers an der Inanspruchnahme des Gerichtes nach § 23 ZPO fehlt, etwa weil in dessen Spruchgewalt keine Entscheidung ergehen kann, die zu einer Befriedigung des Gläubigers führen wird (BGH a.a.O.), hat die Beklagte nicht dargetan. Allein der Umstand, dass die Herausgabe der Grundschuldbriefe in Singapur durchgesetzt werden müsste, genügt hierfür nicht. Mit einem der Klage stattgebenden Urteil kann der Kläger, worauf es ihm maßgeblich ankommt, die Löschung der Grundschulden im Grundbuch erreichen. Der für die Annahme des besonderen Gerichtsstandes erforderliche hinreichende Inlandsbezug liegt vor.

Darauf, ob die Zuständigkeit des Landgerichts zumindest hinsichtlich der Hilfserwägungen der Klage nach § 22 ZPO begründet ist, kommt es danach nicht an.



Ende der Entscheidung

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