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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 22.03.2004
Aktenzeichen: 5 W 13/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 568 Satz 1
ZPO § 888 Abs. 1
ZPO § 572 Abs. 3
1. Lautet der Tenor des Urteils, der Schuldner habe den Wert einer Sache durch Vorlage eines Sachverständigengutachtens zu ermitteln, Zug um Zug gegen Zahlung der Kosten der Wertermittlung durch den Gläubiger, wird damit lediglich zum Ausdruck gebracht, dass der Gläubiger dem Grunde nach zur Kostentragung verpflichtet ist.

2. Die alsbaldige Erfüllung der Wertermittlungspflicht erschöpft sich nicht in der Beauftragung des Sachverständigen. Der Schuldner muss vielmehr bereits bei der Auswahl des Sachverständigen auf zügige Erledigung bedacht sein und von vornherein eine kurze Frist zur Erstattung des Gutachtens vereinbaren und diese überwachen. Erforderlichenfalls muss der Gutachterauftrag anderweitig vergeben werden.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

5 W 13/04

In der Zwangsvollstreckungssache

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg am 22. März 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Braun als Einzelrichter beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers wird der Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Halle vom 5. Dezember 2003 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über den Vollstreckungsantrag des Gläubigers an das Landgericht Halle zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu befinden haben wird.

Gründe:

A. Das Landgericht Halle hat die Schuldnerin am 7. August 2002 - gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.000,-- Euro vorläufig vollstreckbar - verurteilt,

"den Wert des im Grundbuch von N. Blatt 372 eingetragenen Grundstücks der Gemarkung N. , Flur 4, Flurstück 795/1, zu den Stichtagen Dezember 1996 und 23. Juli 2001 durch Vorlage eines Sachverständigengutachtens zu ermitteln Zug um Zug gegen Zahlung der Kosten der Wertermittlung durch den Kläger."

Der Gläubiger befindet sich im Besitz einer vollstreckbaren Ausfertigung des Urteils. Er hinterlegte bei seinem Verfahrensbevollmächtigten einen Betrag von 2.000,-- Euro zur Sicherung des Anspruches der Schuldnerin auf Erstattung der Kosten der Wertermittlung und hat mit Schriftsatz vom 2. Juni 2003 bei dem Landgericht beantragt, wegen der Nichtvornahme der Wertermittlung ein Zwangsgeld und ersatzweise Zwangshaft gegen die Schuldnerin festzusetzen. Die Schuldnerin hat dagegen unter anderem eingewandt, dass der Gläubiger die im Urteil festgesetzte Sicherheitsleistung nicht erbracht habe. Im August 2003 beauftragte sie das Katasteramt Zeitz mit der Erstellung eines Wertgutachtens über das Grundstück. Das Gutachten liegt dem Gläubiger bislang nicht vor.

Das Landgericht hat den Vollstreckungsantrag durch Beschluss vom 5. Dezember 2003 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Schuldnerin habe mit der Erteilung des Gutachtenauftrages alles in ihrer Macht stehende zur Erfüllung des titulierten Anspruches getan. Die Vorlage des Gutachtens hänge nicht von ihrem Willen, sondern von dem Verhalten des Sachverständigen ab. Auf den weiteren Inhalt der Entscheidung wird verwiesen (Bl. 78 - 81 d.A.).

Gegen diesen, ihm am 10. Dezember 2003 zugestellten Beschluss hat der Gläubiger am 23. Dezember 2003 sofortige Beschwerde eingelegt.

Das Landgericht hat es mit Beschluss vom 5. Februar 2004 abgelehnt, dem Rechtsmittel abzuhelfen und die Sache dem Oberlandesgericht vorgelegt.

B. Die sofortige Beschwerde des Gläubigers gegen den Beschluss des Landgerichts Halle vom 5. Dezember 2003, über die gemäß § 568 Satz 1 ZPO der Einzelrichter zu befinden hat, weil schon die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter erlassen wurde, ist zulässig (§§ 793, 888 Abs. 1, 891, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 ZPO) und begründet.

Das Landgericht durfte das Vollstreckungsgesuch des Gläubigers unter Zugrundelegung des bisherigen Sach- und Streitstandes nicht zurückweisen.

Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen (§§ 704 Abs. 1, 724 f., 750 Abs. 1 ZPO) sind erfüllt.

Die Beibringung der in dem Urteil vom 7. August 2002 festgesetzten Sicherheit (§ 709 ZPO) muss nur dann nachgewiesen werden (§ 751 Abs. 2 ZPO), wenn die Entscheidung nicht inzwischen rechtskräftig ist (§ 704 Abs. 1 1. Fall ZPO). Dies wird noch - ggfls. durch Einholung eines Notfristattestes (§ 706 Abs. 2 Satz 1 ZPO) - zu ermitteln sein.

Eines Nachweises über die Befriedigung der Schuldnerin wegen ihres Anspruches auf Erstattung der Kosten der Wertermittlung (§ 765 Nr. 1 ZPO) bedarf es nicht. Ungeachtet des Wortlautes der Urteilsformel ist die Schuldnerin ohne Einschränkungen und nicht etwa nur Zug um Zug gegen Bezahlung der Kosten durch den Gläubiger verpflichtet, den Wert des Grundstücks zu ermitteln. Durch die Wendung "Zug um Zug gegen Zahlung der Kosten der Wertermittlung durch den Gläubiger" sollte lediglich zum Ausdruck gebracht werden, dass der Gläubiger dem Grunde nach zur Kostentragung verpflichtet ist. Vor der Wertermittlung entstehen keine Kosten. Infolgedessen verfügt die Schuldnerin auch noch nicht über einen fälligen Erstattungsanspruch, der Gegenstand eines Zurückbehaltungsrechtes sein könnte (§§ 273 f. BGB). Bezahlen muss der Gläubiger die Kosten erst, wenn sie durch die im Wege der Vorleistung von der Schuldnerin zu erbringende Wertermittlung angefallen sind. Bis dahin ist zudem ihr Umfang noch unbestimmt, so dass eine den Kostenerstattungsanspruch einbeziehende Zug-um-Zug-Verurteilung keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hätte (zu einem ähnlichen Fall: OLG Düsseldorf InVo 2001, 341).

Die Verurteilung der Schuldnerin ist auf eine unvertretbare Handlung im Sinne des § 888 Abs. 1 ZPO gerichtet. Hierzu zählt auch die Wertermittlung (BGH NJW 1975, 258; OLG Frankfurt NJW-RR 1987, 1472).

Entgegen der Annahme des Landgerichts ist die Festsetzung von Zwangsmitteln i. S. d. § 888 Abs. 1 ZPO hier nicht etwa zwecklos. Dies mag zwar in Betracht kommen, wenn durch die Zwangsmittel voraussichtlich keine beschleunigte Erfüllung der Verpflichtung des Schuldners herbeigeführt werden kann, etwa weil er das seinerseits Erforderliche bereits unternommen hat und die Erfüllungswirkung von weiteren, seinem Einfluss entzogenen Umständen abhängt. Davon kann im vorliegenden Falle indes keine Rede sein. Die Schuldnerin hat sich darauf beschränkt, im August 2003, also vor mehr als einem halben Jahr, einen Gutachtenauftrag zu erteilen. Damit hat sie nicht alles ihr mögliche zur alsbaldigen Erfüllung ihrer Wertermittlungspflicht unternommen. Sie musste bereits bei der Auswahl des Sachverständigen auf die zügige Erledigung des Auftrages bedacht sein und von vornherein eine kurze Frist zur Erstattung des Gutachtens vereinbaren. Sofern der Sachverständige dazu nicht bereit war, musste sie einen anderen beauftragen. Zudem war sie gehalten, die Bearbeitungsfrist zu überwachen und den Sachverständigen bei sich abzeichnenden Verzögerungen zur Beschleunigung anzuhalten. Notfalls musste sie ihm eine Nachfrist setzen und bei deren Fruchtlosigkeit den Auftrag anderweitig vergeben.

Die weiteren Anordnungen werden gemäß § 572 Abs. 3 ZPO dem Landgericht übertragen, das zunächst zu prüfen haben wird, ob das Urteil vom 7. August 2002 rechtskräftig ist. Sollte dies nicht der Fall sein, muss dem Gläubiger Gelegenheit gegeben werden, den Nachweis der Sicherheitsleistung (§ 751 Abs. 2 ZPO) zu führen. Sofern die Vollstreckbarkeit hergestellt ist, sei es durch Eintritt der Rechtskraft oder durch Sicherheitsleistung, wird das Landgericht nach pflichtgemäßem Ermessen die Art und den Umfang des festzusetzenden Zwangsmittels auszuwählen haben.



Ende der Entscheidung

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