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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 19.01.2004
Aktenzeichen: 5 W 3/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 800
ZPO § 769 Abs. 1
ZPO § 767 Abs. 1
ZPO § 794 Abs. 1 Nr. 5
ZPO § 795
ZPO § 707 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 572 Abs. 3
Nur wenn der Beschwerdeführer einen Ermessensfehler des Erstgerichts oder die greifbare Gesetzeswidrigkeit des Beschlusses schlüssig vorträgt, ist die sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung des Prozessgerichts des ersten Rechtszuges über die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ausnahmsweise statthaft.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

5 W 3/04

In Sachen

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg am 19. Januar 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Braun als Einzelrichter beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg vom 29. Dezember 2003 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über das Gesuch des Klägers um einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus der Grundschuldbestellungsurkunde vom 13. Februar 1991 und über die Kosten des Beschwerdeverfahrens an das Landgericht Magdeburg zurückverwiesen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 31.955,74 Euro.

Gründe:

A. Der Kläger und seine Ehefrau bestellten der Rechtsvorgängerin der Beklagten am 13. Februar 1991 eine gemäß § 800 ZPO vollstreckbare Grundschuld über 250.000,-- DM nebst Zinsen an einem im Gebäudegrundbuch von S. Blatt 13 verzeichneten Gebäude (Nummer 243 der Urkundenrolle des Notars W. W. aus W. für 1991). Ferner übernahm der Kläger die persönliche Haftung für die Zahlung in Höhe der Grundschuld und unterwarf sich insoweit der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vom Kläger zu den Akten gegebene Ablichtung der Grundschuldbestellungsurkunde (Bl. 7 bis 10 d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger hält die Grundschuldbestellung für unwirksam, weil sie ihn zusammen mit zahlreichen weiteren Sicherheiten, die er der Beklagten später zusätzlich gewährt habe, wirtschaftlich knebele. Er hat deshalb bei dem Landgericht Magdeburg eine Vollstreckungsabwehrklage mit dem Ziel erhoben, die Zwangsvollstreckung aus der Grundschuldbestellungsurkunde für unzulässig zu erklären. Ferner hat er um die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gebeten.

Das Landgericht hat die Zwangsvollstreckung am 29. Dezember 2003 ohne Sicherheitsleistung einstweilen eingestellt, weil der Kläger "zunächst hinreichend glaubhaft gemacht" habe, "dass die Zwangsvollstreckung aus der streitgegenständlichen Grundschuldbestellungsurkunde unzulässig" sei.

Gegen diesen Beschluss hat die Beklagte am 5. Januar 2004 sofortige Beschwerde eingelegt. Wegen der Begründung des Rechtsmittels wird auf die Beschwerdeschrift (Bl. 64 bis 80 d.A.) verwiesen.

Das Landgericht hat es mit Beschluss vom 7. Januar 2004 abgelehnt der sofortigen Beschwerde abzuhelfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

B. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Magdeburg vom 29. Dezember 2003 ist zulässig und begründet.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht als Prozessgericht des ersten Rechtszuges eine Entscheidung über die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach §§ 769 Abs. 1, 767 Abs. 1, 794 Abs. 1 Nr. 5, 795, 797 Abs. 5 ZPO getroffen. Derartige Entscheidungen sind entsprechend § 707 Abs. 2 Satz 2 ZPO grundsätzlich unanfechtbar. Nur wenn der Beschwerdeführer einen Ermessensfehler des Erstgerichts oder die greifbare Gesetzeswidrigkeit des Beschlusses schlüssig vorträgt, ist ausnahmsweise die sofortige Beschwerde (§§ 793, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) statthaft (OLG Dresden JurBüro 1999,270; 1997, 102; OLG Brandenburg FamRZ 1999, 1435 f.; OLG Zweibrücken JurBüro 1999, 381; OLG Celle JurBüro 1997, 101; OLG Köln FamRZ 1997, 1093; OLG München NJW-RR 1988, 1532; OLG Celle NdsRpfl. 1990, 43; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 60. Aufl., § 769 Rn. 13; MünchKomm/Karsten Schmidt, ZPO, § 769 Rn. 33 f.; Zöller/Herget, ZPO, 24. Aufl., § 769 Rn. 13). Greifbare Gesetzeswidrigkeit der betroffenen Entscheidung ist nicht schon bei jeder fehlerhaften Rechtsanwendung oder gar bei jeder Unrichtigkeit des Verfahrensergebnisses anzunehmen. Sie setzt vielmehr voraus, dass die Entscheidung jeglicher rechtlichen Grundlage entbehrt, mit der geltenden Rechtsordnung schlechthin unvereinbar ist und deshalb als besonders krasses Unrecht angesehen werden muss (BGH NJW 1993, 135; NJW-RR 1999, 1585). Die Beschwerde kann zudem regelmäßig nicht zulässigerweise darauf gestützt werden, dass der angefochtenen Entscheidung eine unrichtige Abschätzung der Erfolgsaussicht der Vollstreckungsabwehrklage zugrunde liege. Dies zu beurteilen ist nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts. Die damit verbundene Bewertung der Hauptsache würde zu einer systemfremden und unzweckmäßigen Einwirkung des nachfolgend zuständigen Berufungsgerichts auf das Verfahren vor dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges führen (OLG Dresden a.a.O.; OLG Naumburg NJW-RR 1998, 366; OLG Nürnberg NJW-RR 1993, 1216; OLG München NJW-RR 1987, 767, 768).

Ob die angefochtene Entscheidung bereits als greifbar gesetzeswidrig erscheint, kann dahinstehen, denn jedenfalls ist sie ermessensfehlerhaft zustande gekommen. Sie lässt keinerlei Ermessenausübung erkennen, weder hinsichtlich der Frage, ob die Zwangsvollstreckung überhaupt einstweilen eingestellt, noch ob dies von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden soll. Es wird nicht einmal deutlich, ob das Landgericht sich des ihm eröffneten Ermessens überhaupt bewusst war.

Der Senat überträgt die nunmehr neu zu treffende Entscheidung über das Gesuch des Klägers gemäß § 572 Abs. 3 ZPO dem Landgericht. Dort wird zu beachten sein, dass der Vollstreckungstitel des Gläubigers nicht leichtfertig durch vorläufige Maßnahmen des Prozessgerichtes entwertet werden darf. Insbesondere die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung setzt daher eine nachvollziehbare umfassende Abwägung der beiderseitigen Interessen der Parteien voraus.

Den Wert des Beschwerdeverfahrens hat der Senat mit einem Viertel der durch die Grundschuldbestellungsurkunde vom 13. Februar 1991 titulierten Hauptforderung veranschlagt (§§ 3 ZPO; 12 Abs. 1, 14 Abs. 1, 22 Abs. 1 GKG)



Ende der Entscheidung

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