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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 09.04.2002
Aktenzeichen: 5 W 54/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 78 Abs. 1
ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 91 Abs. 2 Satz 2
Gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO sind allein die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten der Partei erstattungsfähig. In Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten im Beitrittsgebiet können die Parteien Rechtsanwälte beauftragen, die hier ansässig sind und deren Gebühren deshalb der Kürzung nach Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 26 a des Einigungsvertrages unterliegen. Diese Kürzung stößt auch in Anbetracht der seit dem Beitritt verstrichenen Zeit und der inzwischen eingetretenen Änderung der Vorschriften über die Postulationsfähigkeit (§ 78 Abs. 1 ZPO) nicht auf verfassungsrechtliche Bedenken (OLG Hamburg MDR 2001, 1192 f. m. w. Nachw.). Daher dürfen die durch Einschaltung eines auswärtigen, von der Kürzungsvorschrift unberührt bleibenden Anwaltes entstehenden Mehrkosten nur dann dem Prozessgegner aufgebürdet werden, wenn die Partei ihre Rechte ausnahmsweise nicht mit Hilfe eines am Gerichtsort ansässigen Bevollmächtigten zweckentsprechend verfolgen konnte, sondern hierzu aus besonderen Gründen der Hilfe des auswärtigen Anwaltes bedurfte.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

5 W 54/02 OLG Naumburg

In der Kostenfestsetzungssache

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg am 9. April 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Braun, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Wegehaupt und den Richter am Landgericht Lentner beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluß des Landgerichts Stendal vom 19. Dezember 2001 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 544,22 Euro festgesetzt.

Gründe:

A.

Der Kläger ist Rechtsanwalt und übt diesen Beruf gemeinsam mit seinen Prozeßbevollmächtigten aus. Am 4. Januar 2001 erwirkte er bei dem Amtsgericht Hamburg gegen die Beklagte einen Mahnbescheid über Mietzins- und Nebenkostenrückstände in Höhe von 5.665,68 DM (Geschäftsnummer 00-0808392-0-3). Die Beklagte legte dagegen Widerspruch ein und erhob im anschließenden streitigen Verfahren eine Widerklage; der Kläger erhöhte seine Klage mehrfach. Am 14. November 2001 fand vor dem Landgericht Stendal die mündliche Verhandlung statt. Der Kläger, dessen persönliches Erscheinen nicht angeordnet war, vertrat sich dort selbst. Die Parteien verhandelten zur Sache und schlossen schließlich einen Prozeßvergleich, in dem die Beklagte die Bezahlung der Kosten des Rechtsstreits übernahm. Das Landgericht setzte daraufhin den Streitwert für die Zeit seit der letzten Klageerhöhung und für den Vergleich auf 45.890,-- DM fest.

Der Kläger hat am 19. November 2001 gebeten, die ihm auf Grund des Vergleiches zu erstattenden Kosten in Höhe von insgesamt 6.547,38 DM nebst Zinsen festzusetzen. In dieser Summe sind unter anderem eine Prozeßgebühr (§§ 11 Abs. 1, 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO), eine Verhandlungsgebühr (§§ 11 Abs. 1, 31 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO) und eine Vergleichsgebühr (§§ 11 Abs. 1, 23 Abs. 1 Satz 3 BRAGO), jeweils ohne Kürzung nach Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 26 a des Einigungsvertrages sowie 333,60 DM Fahrtkosten und Abwesenheitsgeld für die Wahrnehmung des Verhandlungstermins enthalten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Kostenberechnung vom 15. November 2001 (Bl. 131 d. A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat die dem Kläger zu erstattenden Kosten am 19. Dezember 2001 nach Anhörung der Beklagten auf 5.245,-- DM nebst Zinsen seit dem 19. November 2001 festgesetzt. Dabei sind die Kürzungsbeträge nach Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 26 a des Einigungsvertrages und die Reisekosten, jeweils nebst Mehrwertsteuer außer Ansatz geblieben. Zur Begründung ist ausgeführt, daß der Kläger nicht die Erstattung der Mehrkosten verlangen könne, die infolge der Beauftragung eines nicht bei dem Prozeßgericht zugelassenen und nicht am Gerichtsort ansässigen Bevollmächtigten entstanden seien.

Gegen diesen, ihm am 11. Januar 2002 zugestellten Beschluß hat der Kläger am 16. Januar 2002 sofortige Beschwerde eingelegt. Er glaubt, die Gebührenkürzung nach Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 26 a des Einigungsvertrages nicht hinnehmen zu müssen, zumal auch die Beauftragung eines Prozeßbevollmächtigten am Gerichtssitz zu höheren Kosten geführt hätte. In diesem Falle wären nämlich die zuvor schon bei ihm selbst entstandenen Anwaltsgebühren für das Mahnverfahren in Höhe von 481,40 DM nicht auf die Prozeßgebühr anzurechnen gewesen. Ferner wären Kosten für eine Informationsreise angefallen. Die Beklagte müsse ihm die Fahrtkosten für die Terminswahrnehmung wenigstens in Höhe der Parteireisekosten ersetzen.

Das Landgericht hat am 18. März 2002 im Wege der Nachfestsetzung angeordnet, daß dem Kläger die Parteireisekosten in Höhe von 121,67 Euro nebst Zinsen zu erstatten seien.

B.

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluß des Landgerichts Stendal vom 19. Dezember 2001 ist zulässig (§§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 1 Satz 3, 569 Abs. 1, 577 Abs. 2 Satz 1 ZPO a.F., 26 Nr. 10 EGZPO), aber unbegründet.

Der Kläger kann von der Beklagten gemäß § 91 Abs. 1 ZPO lediglich die Erstattung derjenigen Anwaltskosten verlangen, die bei Einschaltung eines Stendaler Prozeßbevollmächtigten entstanden wären, also nur der nach Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 26 a des Einigungsvertrages um 10 v.H. gekürzten Prozeß-, Verhandlungs- und Vergleichsgebühr (§§ 11 Abs. 1, 23 Abs. 1 Satz 3, 31 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BRAGO).

Gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO sind allein die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten der Partei erstattungsfähig. In Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten im Beitrittsgebiet können die Parteien Rechtsanwälte beauftragen, die hier ansässig sind und deren Gebühren deshalb der Kürzung nach Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 26 a des Einigungsvertrages unterliegen. Diese Kürzung stößt auch in Anbetracht der seit dem Beitritt verstrichenen Zeit und der inzwischen eingetretenen Änderung der Vorschriften über die Postulationsfähigkeit (§ 78 Abs. 1 ZPO) nicht auf verfassungsrechtliche Bedenken (OLG Hamburg MDR 2001, 1192 f. m. w. Nachw.). Daher dürfen die durch Einschaltung eines auswärtigen, von der Kürzungsvorschrift unberührt bleibenden Anwaltes entstehenden Mehrkosten nur dann dem Prozeßgegner aufgebürdet werden, wenn die Partei ihre Rechte ausnahmsweise nicht mit Hilfe eines am Gerichtsort ansässigen Bevollmächtigten zweckentsprechend verfolgen konnte, sondern hierzu aus besonderen Gründen der Hilfe des auswärtigen Anwaltes bedurfte (OLG Brandenburg MDR 2001, 1135 f.; OLGR Naumburg 2001, 280). Hieran hat sich auch durch die Neufassung des § 78 Abs. 1 ZPO nichts geändert, mit der die Verknüpfung zwischen der Lokalisierung (§ 18 Abs. 1 BRAO) und der Postulationsfähigkeit weitgehend aufgegeben wurde (OLG Brandenburg MDR 2001, 1015 f.; OLG München MDR 2001, 773 ff.; 2002, 174 m. w. Nachw.). Die Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten hängt nämlich nach den Regelungen des § 91 ZPO nicht von der Postulationsfähigkeit, sondern, wie insbesondere § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO zeigt, allein von der Notwendigkeit des Aufwandes für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung oder -verteidigung ab.

Liegt der Sitz der Partei - wie hier - nicht am Ort des Prozeßgerichtes, sondern außerhalb des Beitrittsgebietes, so sind die Mehrkosten eines Anwaltes mit einer am Sitz der Partei und daher ebenfalls nicht im Beitrittsgebiet gelegenen Kanzlei keineswegs schon wegen dieser Ortsverschiedenheit als notwendig und damit als berücksichtigungsfähig anzusehen. Vielmehr darf die Partei einen auswärtigen Anwalt regelmäßig nur dann auf Kosten des Gegners einschalten, wenn es ihr nicht möglich oder nicht zumutbar ist, einen Prozeßbevollmächtigten am Gerichtsort fernmündlich oder schriftlich über den Sach- und Streitstand zu unterrichten (OLG Bamberg JurBüro 1992, 612; OLG München MDR 1993, 1130; OLG Koblenz JurBüro 2000, 85).

Dies ist hier nicht der Fall. Der Rechtsstreit zwischen den Parteien warf keine besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten auf. Es unterliegt auch keinem Zweifel, daß der Kläger in der Lage war, einen Stendaler Prozeßbevollmächtigten schriftlich mit den zur Prozeßführung nötigen Auskünften zu versehen, statt den Prozeß selbst zu führen. Ferner deutet nichts darauf hin, daß es zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung hier besonderer Kenntnisse oder Fähigkeiten bedurfte, über die nur der Kläger oder die mit ihm zur gemeinsamen Berufsausübung verbundenen Rechtsanwälte verfügen. Es ging um einfache Rechtsfragen im Bereich gängiger Problematik, die jeder Rechtsanwalt als der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten (§ 3 Abs. 1 BRAO) zu bewältigen vermag.

Die Beauftragung eines Stendaler Rechtsanwaltes hätte auch nicht etwa ihrerseits Mehrkosten verursacht, weil die Anrechenbarkeit der bei dem Kläger selbst entstandenen Mahnanwaltsgebühr (§ 43 Abs. 2 BRAGO) entfallen wäre. Die Mehrkosten eines besonderen Mahnanwaltes sind hier nämlich ebenfalls nicht erstattungsfähig. Der Kläger hätte vielmehr schon für das Mahnverfahren einen am Sitz des Prozeßgerichts ansässigen Rechtsanwalt beauftragen müssen. Die Erstattungsfähigkeit zusätzlicher Kosten eines Mahnanwaltes erscheint grundsätzlich zweifelhaft (OLG Nürnberg MDR 1997, 1068). Sofern man diese Kosten überhaupt als erstattungsfähig ansehen möchte, braucht der Gegner sie jedenfalls dann nicht zu ersetzen, wenn der Kläger mit einem Widerspruch gegen den Mahnbescheid und daher mit der Durchführung eines Streitverfahrens rechnen mußte (OLG Brandenburg Rpfleger 1998, 488; OLG Nürnberg MDR 1998, 927; 1999, 1467). So liegt der Fall hier, denn die Beklagte hatte bereits mit Schreiben vom 28. August 2000 mitgeteilt, den Mietzins wegen des angeblich schlechten Gebäudezustandes nicht mehr in der bisherigen Höhe bezahlen zu wollen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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