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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 12.12.2008
Aktenzeichen: 6 U 106/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 840 Abs. 1
1. Der Kfz-Führer, der vor einem Lkw fährt und von der Bundesstraße nach links in einen Waldweg abbiegt, haftet für die Unfallfolgen in der Regel allein, wenn der den Lkw überholende, nachfolgende Fahrzeugführer mit dem Linksabbieger zusammenstößt.

2.1 Einem Insassen (hier ein angeschnalltes Kind), der im abbiegenden Kfz saß, können die beteiligten Fahrzeughalter keine Mitverursachungsquote anlasten.

2.2 Der geschädigte Kfz-Insasse, der weder Fahrzeughalter noch -führer ist, haftet als unbeteiligter Dritter nach § 17 Abs. 1 StVG auch nicht anteilsmäßig, weil er den Schaden nicht verursacht hat.

2.3 Für seinen Schaden haften die beteiligten Halter oder Fahrzeugführer entsprechend § 840 Abs. 1 BGB als Gesamtschuldner.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 U 106/08 OLG Naumburg

verkündet am 12. Dezember 2008

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht v. Harbou, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Otparlik und den Richter am Amtsgericht Scholz auf die mündliche Verhandlung vom 10. Dezember 2008 für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Klägerin zu 2) wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels der Klägerin zu 1) und des weitergehenden Rechtsmittels der Klägerin zu 2) das Urteil des Landgerichts Stendal vom 13. August 2008, Az. 23 O 16/08, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin zu 2) 312,48 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 250,00 € seit dem 7. November 2007 und aus 62,48 € seit dem 27.02.2008 zu zahlen.

Die Klage der Klägerin zu 1) und die weitergehende Klage der Klägerin zu 2) werden abgewiesen.

2. Die Gerichtskosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 1) zu 88 %, die Klägerin zu 2) zu 8 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 4%. Von den außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 1) 88 % der der Beklagten, die Klägerin zu 2) 8 % der der Beklagten und die Beklagten als Gesamtschuldner 36 % der der Klägerin zu 2). Im Übrigen trägt jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerinnen machen Ersatz materiellen und immateriellen Schadens aus einem Verkehrsunfall geltend.

1. Am 10.07.2007 gegen 16:10 Uhr überholte die Beklagte zu 1) mit ihrem PKW, der bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert ist, auf der B 189 zwischen L. und D. auf gerader Strecke einen LKW, dem sie zuvor eine Zeit lang gefolgt war. Die Klägerin zu 1), die mit ihrer 3 Jahre alten Tochter, der Klägerin zu 2), in selber Fahrtrichtung vor dem LKW fuhr, bog nach links zu einem Waldweg ab. Dabei kollidierte sie auf der Überholspur mit der von hinten überholenden Beklagten zu 1). Die Klägerin zu 2) saß hinten rechts und war angegurtet.

2. Die Klägerinnen haben behauptet, die Klägerin zu 1) habe ausreichend vor dem Abbiegevorgang den rückwärtigen Verkehr beobachtet, rechtzeitig den linken Richtungsanzeiger gesetzt, sich zur Mitte hin eingeordnet, ihre Fahrgeschwindigkeit deutlich verringert und nach erneuter Rückschau sehr langsam den Abbiegevorgang vorgenommen. Der LKW habe seine Geschwindigkeit ebenfalls reduziert. Der PKW der Beklagten zu 1) sei durch den LKW verdeckt gewesen und habe diesen erst nach Beginn des Abbiegemanövers in "sehr schneller Geschwindigkeit" überholt. Die Beklagte zu 1) habe damit bei "unklarer Verkehrslage" im Sinne des § 5 Abs. 3 StVO zum Überholen angesetzt. Die Klägerin zu 1) hat materiellen Schaden in Höhe von 4.124,45 € (Fahrzeugschaden: 3.680,00 €; Nutzungsausfallentschädigung: 10 Tage x 27,00 € = 270,00 €; Kostenpauschale: 25,00 €; Kosten für die Abmeldung: 15,00 €; Kosten für die Neuanmeldung: 39,70 €; Neue Kennzeichentafeln: 31,00 €; Zuzahlung für Notfallbehandlung: 10,00 €; Zuzahlung für Rettungswagentransport: 10,00 €; Hausarztzuzahlung: 10,00 € und Fahrtkosten 135 km x 0,25 € = 33,75 €) sowie wegen eines HWS-Schleudertrauma, eines Schädel-Hirn-Trauma I. Grades und Prellung ihres linken Unterschenkels 2.000,00 € Schmerzensgeld geltend gemacht. Die Klägerin zu 2) habe, so die Behauptung der Klägerinnen, eine Schädelprellung frontal erlitten, wofür ein Schmerzensgeld von 500,00 € angemessen sei. Darüber hinaus haben die Klägerinnen Erstattung der ihnen vorprozessual entstandenen Rechtsanwaltsgebühren verlangt.

3. Die Beklagten haben bestritten, dass der LKW, bevor die Beklagte zu 1) ihren Überholvorgang ansetzte, abgebremst habe. Vielmehr sei die Beklagte zu 1) bereits etwa zur Hälfte an dem LKW auf der Überholspur vorbeigefahren, als die Klägerin zu 1), die sich nicht zur Mitte eingeordnet hätte, plötzlich den linken Blinker gesetzt habe und nach links in Richtung Waldweg abgebogen sei. Der Unfall habe sich deshalb für die Beklagte zu 1) als unabwendbares Ereignis dargestellt. In jedem Fall müsse aber die Betriebsgefahr auf Beklagtenseite hinter dem groben Verschulden der Klägerin zu 1) zurücktreten.

4. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin zu 1) habe gegen § 9 Abs. 1 Satz 1 und Satz 4 StVO verstoßen. Sie habe nicht nach links abbiegen dürfen, da der LKW die Sicht auf rückwärtigen Verkehr behindert habe. Des weiteren habe sie der zweiten Rückschaupflicht unmittelbar vor dem Abbiegen nicht Rechnung getragen. Hierfür spräche der erste Anschein. Wohingegen die Beklagte zu 1) nicht erwiesenermaßen bei unklarer Verkehrslage überholt habe. Das verlangsamte Fahren des LKW reiche hierfür nicht aus. Die Betriebsgefahr auf Seiten der Beklagten trete angesichts des besonderen Verschuldens der Klägerin zurück.

5. Mit ihren Berufungen verfolgen die Klägerinnen ihr erstinstanzliches Klagebegehren weiter.

Sie beantragen,

das Urteil des Landgerichts Stendal vom 13. August 2008 zum Aktenzeichen 23 O 16/08 abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin zu 1) 4.124,45 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit 7. November 2007 zu zahlen;

an die Klägerin zu 1) ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 7. November 2007 zu zahlen;

an die Klägerin zu 2) ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gericht gestellt wird nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 7. November 2007 zu zahlen;

an die Klägerinnen als Gesamtgläubiger vorgerichtliche Kosten in Höhe von 737,80 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung.

II.

Die Berufungen sind zulässig, in der Sache ist jedoch nur die Berufung der Klägerin zu 2) teilweise erfolgreich.

1. Berufung der Klägerin zu 1):

Das Landgericht hat zutreffend Schadensersatzansprüche der Klägerin zu 1) gegen die Beklagten verneint, da bei Abwägung der wechselseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge im Rahmen des § 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG eine Betriebsgefahr der Beklagten zurücktritt.

Ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG liegt weder auf Seiten der Klägerin zu 1), noch der Beklagten zu 1) vor, da keine Seite dem ihr obliegenden Nachweis, die Sorgfalt eines Idealfahrers beachtet zu haben, nachgekommen ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des Kammergerichts (vgl. DAR 2002, 557; NZV 2005, 413; NZV 2006, 309, 310) spricht der Beweis des ersten Anscheins gegen den nach links abbiegenden Kraftfahrer (Klägerin zu 1). Kommt es zwischen ihm und einem überholenden Fahrzeug zum Unfall, spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der nach links abbiegende Kraftfahrzeugführer die ihm nach § 9 Abs. 1 StVO obliegende Sorgfalt verletzt hat. In einem solchen Fall tritt die Betriebsgefahr des Überholenden hinter dem Verschulden desjenigen, der verkehrswidrig nach links abbiegt, vollständig zurück (KG NZV 2006, 309, 311). Der Senat erachtet diese Rechtsprechung für zutreffend und schließt sich ihr an. Die Klägerin zu 1) hat den gegen sie sprechenden Anscheinsbeweis nicht erschüttert. Es ist bereits nicht erklärlich, wie sie ihrer Verpflichtung zur doppelten Rückschau nachgekommen sein will, wenn die Beklagte zu 1) zunächst den LKW auf der Überholspur passieren musste, bevor sie mit der Klägerin zu 1) aufschloss. Ungeachtet dessen lässt sich dem Vortrag der Klägerin nicht entnehmen, dass die Absicht nach links abzubiegen rechtzeitig durch Betätigung des linken Fahrtrichtungsanzeigers angekündigt wurde. Rechtszeitig ist das Zeichen dann, wenn sich der Verkehr auf das Abbiegen einstellen kann. Dafür ist weniger die Entfernung zum Abbiegepunkt maßgebend, als vielmehr die Zeit zwischen Anzeigebeginn und Abbiegen unter Berücksichtigung der Fahrtgeschwindigkeit (Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl., § 9 StVO, Rn. 20). Die Klägerinnen haben weder angegeben, mit welcher Ausgangsgeschwindigkeit sie fuhren, wie viel Meter sie vor dem Feldweg auf welche Geschwindigkeit abbremsten, wie viel Zeit zwischen Setzen des Blinkers und Abbiegen lag und in welcher Entfernung sich der LKW hierzu befand. Nach ihrem Vortrag lässt sich damit nicht auf ein rechtzeitiges Blinken schließen. Ungeachtet dessen steht nach ihrem eigenen Vorbringen fest, dass die Klägerin zu 1) angesichts der zugestandenen Verkehrssituation den Abbiegevorgang nicht vornehmen durfte. Hierfür sprechen insbesondere folgende Gesichtspunkte: Die Klägerinnen haben eingeräumt, dass der Klägerin zu 1) die Sicht durch den LKW auf weiteren rückwärtigen Verkehr versperrt war. Angesichts dessen mussten sie damit rechnen, dass nachfolgender Verkehr, wie geschehen, versuchen würde, den LKW zu überholen. Darüber hinaus hatte die Klägerin zu 1) angesichts des Abbiegens von einer Bundesstraße auf einen Waldweg besondere, über die des gewöhnlichen Linksabbiegers hinausgehende Sorgfaltspflichten zu beachten. Bei einem Wald- oder Feldweg handelt es sich zwar nicht um ein "Grundstück" im Sinne des § 9 Abs. 5 StVO, es gelten jedoch, abhängig von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls, ähnlich verschärfte Pflichten. Im Grundsatz gilt, je weniger erkennbar das Abbiegeziel im Fahrverkehr ist, um so sorgfältiger muss der Abbiegende sich verhalten (OLG Brandenburg, VRS 106, 18, 21). Hier lag aus Sicht des nachfolgenden Verkehrs ein Abbiegen in einen Waldweg von der gut ausgebauten Bundesstraße aus eher fern. Danach wäre hier ein Abbiegen allenfalls dann zulässig gewesen, wenn die Klägerin zu 1) zunächst angehalten und sich dann langsam durch Vortasten auf die Gegenspur ausreichende Sicht auf weiteren, hinter dem LKW nachfolgenden Verkehr verschafft hätte. Ein Abbiegen, wie von den Klägerinnen geschildert, ohne anzuhalten und lediglich im Vertrauen darauf, dass allein der nachfolgende LKW-Fahrer ihr beabsichtigtes Manöver erkannt hatte, schied in jedem Fall aus.

Aus Sicht der Beklagten zu 1) war das Überholen hingegen zulässig, insbesondere bestand keine unklare Verkehrslage im Sinne des § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO. Eine solche liegt vor, wenn nach allen Umständen mit ungefährdetem Überholen nicht gerechnet werden darf. Sie ist auch dann gegeben, wenn sich nicht sicher beurteilen lässt, was Vorausfahrende sogleich tun werden. Dies ist etwa dann der Fall, wenn bei einem vorausfahrenden oder stehenden Fahrzeug der linke Fahrtrichtungsanzeiger betätigt wird und dies der nachfolgende Verkehr erkennen konnte und dem überholenden Fahrzeugführer noch ein angemessenes Reagieren oder Gefahrenbremsung möglich war. Dagegen liegt eine unklare Verkehrslage nicht schon dann vor, wenn das vorausfahrende Fahrzeug verlangsamt, selbst wenn es sich bereits etwas zur Fahrbahnmitte eingeordnet haben sollte (KG, DAR 2002, 557, 558; OLG Nürnberg, NZV 2003, 89; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl., § 5 StVO Rn. 35). Für eine unklare Verkehrslage auf Seiten der Beklagten zu 1) sind die Klägerinnen beweisbelastet. Ihr Vortrag zum Einleiten des eigenen Abbiegevorganges entbehrt, wie oben dargetan, bereits der erforderlichen Substanz, da er den zeitlichen Ablauf, insbesondere im Vergleich zum Überholvorgang der Klägerin zu 1) offen lässt. Ein Verlangsamen des vorausfahrenden LKW, was im Übrigen umstritten ist, genügt allein nicht. Des Weiteren ist offen, ob der LKW aktiv gebremst hat und dies durch Aufleuchten der Bremslichter für die Beklagte zu 1) erkennbar war. Auch der Umstand, dass der Beklagten zu 1) die Sicht durch den LKW auf möglichen weiteren vorausfahrenden Verkehr versperrt war, führt zu keiner unklaren Verkehrslage. Ansonsten wäre ein Überholen von LKW mit sichtversperrender Ladung, die verhältnismäßig langsam fahren und bei denen ein besonderes Überholbedürfnis besteht, kaum zulässig. Eine Ausnahme hiervon gilt nur dann, wenn das Überholen auf sehr engen Straßen stattfindet, die für ein plötzliches Ausbiegen des zu überholenden Fahrzeuges nicht mehr genügend Raum für den Überholer lassen (Bayerisches Oberstes Landesgericht, JR 1960, 26). Solche besonderen Verhältnisse lagen hier nicht vor. Es handelte sich um eine gut ausgebaute, ausreichend breite Bundesstraße mit geradem Streckenverlauf.

Die Betriebsgefahr auf Seiten der Beklagten tritt hinter dem pflichtwidrigen, besonders gefahrträchtigen Abbiegemanöver der Klägerin zu 1) vollständig zurück. Dies entspricht nicht nur der Rechtsprechung des Kammergerichtes, sondern bei ähnlichem Abbiegeverhalten auch der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte (OLG Celle, VRS 89, 24, 26; OLG Nürnberg, NZV 2003, 89; OLG Brandenburg, VRS 106, 18, 23).

2. Berufung der Klägerin zu 2):

Die Berufung der Klägerin zu 2) ist nicht deshalb unzulässig, weil sie lediglich ein Schmerzensgeld in Höhe von 500,00 € begehrt und bei isolierter Betrachtung damit den Beschwerdegegenstandswert von 600,00 € (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) nicht übersteigt. Ausreichend ist vielmehr, dass die Summe beider Berufungen der Klägerinnen 600 Euro überschreitet. Der BGH hat dies in BGHZ 23, 333, 339 zur Revision, was entsprechend auch für die Berufung zu gelten hat (Zöller/Hessler, ZPO, 28. Aufl., § 511 Rn. 25) klargestellt: "Nach § 5 ZPO werden mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche zusammengerechnet. Eine solche Zusammenrechnung ist grundsätzlich auch dann geboten ... wenn mehrere Gläubiger in demselben Rechtsstreit ihre Ansprüche gegen den selben Beklagten verfolgen ... nach einheitlicher Auffassung ist die in § 5 ZPO vorgeschriebene Zusammenrechnung auch für die Frage der Revisionssumme jedenfalls dann zu beachten, wenn die Revision von ihren Streitgenossen eingelegt ist. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Revisionssumme sich für jeden einzelnen Streitgenossen nur aus der Hinzurechnung der Beschwer der anderen Streitgenossen ergibt oder ob die Beschwer des einen Streitgenossen die Revisionssumme erreicht, für die übrigen aber bei Einzelberechnung dahinter zurückbleibt."

Die Klägerin zu 2) hat gegen die Beklagten einen Schmerzensgeldanspruch in angemessener Höhe von 250,00 € aus §§ 7 Abs. 1, 11 StVG.

Der Verkehrsunfall ist nicht "durch höhere Gewalt" verursacht worden, weshalb die Ersatzpflicht der Beklagten nicht nach § 7 Abs. 2 StVG ausscheidet.

Auf die Abwägung nach Verursachungs- und Verschuldensanteilen im Rahmen des § 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG kommt es lediglich im Innenverhältnis der Fahrzeughalter zueinander an. Nach außen haften die Verantwortlichen der Gefährdungshaftung als Gesamtschuldner entsprechend § 840 Abs. 1 BGB. Auf den Insassen des Kraftfahrzeugs, der weder Halter noch Fahrer ist, erstreckt sich § 17 Abs. 1 Satz 1 StVG nicht. Dieser braucht sich auch nicht die Betriebsgefahr des benutzten Fahrzeuges entgegenhalten zu lassen, sondern lediglich eigenes Verschulden nach § 254 BGB (Greger, StVG, 3. Aufl., § 17 StVG Rn. 8).

Im Rahmen des § 254 BGB muss sich die Klägerin zu 2) ebenfalls nicht das Verschulden der Klägerin zu 1) zurechnen lassen. Etwas anderes folgt nicht aus § 254 Abs. 2 Satz 2 BGB. Diese Vorschrift findet zwar über ihren Wortlaut hinaus auch im Rahmen der Haftungsbegründung Anwendung, verlangt jedoch eine rechtliche Sonderbeziehung (§ 278 BGB). Eine solche Sonderbeziehung besteht hier nicht. Insbesondere muss sich eine verletzte natürliche Person nicht das Verschulden ihres gesetzlichen Vertreters zurechnen lassen (Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl., § 254 Rn. 61).

Der Senat sieht unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls ein Schmerzensgeld in Höhe von 250,00 € als angemessen an. Die erlittene Schädelprellung stellt sich hier nicht als bloße Bagatellverletzung dar, bei der nach Billigkeitsgesichtspunkten der Ersatz des immateriellen Schadens ausnahmsweise zu versagen ist (vgl. etwa BGH NJW 1992, 1043, NJW 1993, 2173, 2175). Zu berücksichtigen ist hierbei u.a., dass die Klägerin zu 2) zur Zeit des Unfalls nur drei Jahre alt war und davon auszugehen ist, dass ihre nicht unerheblichen Schmerzen durch Schrecken und Angst nach dem Verkehrsunfall weiter verstärkt wurden. Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der Schädelprellung von der Intensität her um eine ganz unbedeutende Verletzung handelte, liegen nicht vor. Andererseits sind 250,00 € zur Genugtuung ausreichend, da es zu keinen weiteren Auffälligkeiten, wie Übelkeit oder Erbrechen bei der Klägerin zu 2) kam und deren erneute ärztliche Vorstellung nicht erforderlich war.

Außerdem erstreckt sich der Schadensersatzanspruch der Klägerin zu 2) gegen die Beklagten auch auf die vorprozessual entstandene Geschäftsgebühr. Diese beträgt bei einem Wert bis 300,00 € auf Grundlage einer hier angemessenen 13/10-Gebühr (32,50 €), einer Post- und Telefonkostenpauschale (20,00 €) und 19 % Mehrwertsteuer (9,98 €) insgesamt 62,48 €.

Der zuerkannte Zinsanspruch ergibt sich in gesetzlicher Höhe (§ 288 Abs. 1 BGB), soweit er das Schmerzensgeld betrifft, aus Verzug (§ 286 Abs.1, 2 Nr.3 BGB) und hinsichtlich der Rechtsanwaltsgebühr als Prozesszinsen seit Eintritt der Rechtshängigkeit aus § 291 BGB.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1, 100 Abs. 1, 4 ZPO in Verb. mit der so genannten Baumbachschen Formel.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 713 ZPO in Verb. mit § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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