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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 27.02.2008
Aktenzeichen: 6 U 130/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 126 Abs. 1
1. Der beigeordnete Rechtsanwalt ist nach § 126 Abs. 1 ZPO grundsätzlich befugt, im eigenen Namen die Festsetzung seiner Gebühren und Auslagen zu verlangen.

2. Aber auch die Partei, der die Prozesskostenhilfe bewilligt worden war, kann die Festsetzung der Kosten auf ihren Namen beantragen.

3. Ist der zugunsten der Partei ergangene Kostenfestsetzungsbeschluss noch nicht auf den beigeordneten Rechtsanwalt überschrieben worden, kann und darf der Kostenfestsetzungsschuldner zur Abwendung der Zwangsvollstreckung die Kostenschuld durch Zahlung zum Erlöschen bringen.

4. Der beigeordnete Rechtsanwalt muss in einem solchen Fall Erfüllungshandlungen des Kostenfestsetzungsschuldners gegenüber der Partei gegen sich gelten lassen.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 U 130/07 OLG Naumburg

Verkündet am 27.02.2008

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht v. Harbou und die Richter am Oberlandesgericht Manshausen und Dr. Otparlik auf die mündliche Verhandlung am 27. Februar 2008 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 28. September 2007 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg - Einzelrichter - wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Mit seiner Berufung wendet sich der Beklagte gegen die in erster Instanz erfolgreich gewesene Vollstreckungsabwehrklage der Klägerin.

In dem Rechtsstreit - 9 O 2646/05 Landgericht Magdeburg - der Klägerin gegen 1) M. Kl. und 2) M. Kg. ist nach einem zwischen den Parteien jenes Rechtsstreits geschlossenen Vergleichs durch den Beschluss vom 6. Juni 2006 gem. § 91 a ZPO eine Kostengrundentscheidung ergangen. Durch den Kostenfestsetzungsbeschluss III vom 30. Oktober 2006 hat eine Rechtspflegerin bei dem Landgericht Magdeburg die von der Klägerin an den Beklagten zu 1), den M. Kl. , zu erstattenden Kosten, auf 1.636,03 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Juli 2006 festgesetzt (siehe Kostenfestsetzungsbeschluss III, Bl. 14 - 15; das Original ist abgeheftet in den Akten 9 O 2646/05 Landgericht Magdeburg, Bd. II Bl. 132, 132 Rückseite). Dieser Kostenfestsetzungsbeschluss III vom 30. Oktober 2006 entsprach nicht dem Kostenfestsetzungsantrag des dem M. Kl. im Prozesskostenhilfeverfahren beigeordneten Rechtsanwaltes A. H. . Dieser hatte die Kostenfestsetzung mit Schriftsatz vom 13. Juni 2006 gemäß § 126 Abs. 1 ZPO im eigenen Namen beantragt. Die von der Klägerin zu erstattenden Gebühren und Auslagen des beigeordneten Beklagten sollten also zu seinen Gunsten festgesetzt werden (siehe in den Akten 9 O 2646/05 LG Magdeburg, Bd. II Bl. 95 - 96).

Ein Angestellter der Klägerin besprach telefonisch mit M. Kl. , dass man die gegenseitig zu erstattenden Kosten - es hatte auch Kostentitel zugunsten der Klägerin gegeben - saldieren und eine Forderung der Klägerin gegen Kl. aus einem Vergleich mit der im Kostenfestsetzungsbeschluss III zu Gunsten des Kl. festgesetzten Forderung verrechnen sollte. Kl. erklärte sich damit einverstanden. Daraufhin schrieb der Angestellte der Klägerin dem Kl. und schlug ihm detailliert vor, wie man die gegenseitigen Forderungen verrechnen oder saldieren sollte (siehe das Schreiben der Klägerin vom 14. November 2006 an M. Kl. , Bl. 17). M. Kl. sandte dem Angestellten der Klägerin ein Fax-Schreiben und bestätigte darin die Vereinbarung mit dem Angestellten. Nach der Berechnung des Angestellten und des M. Kl. verblieb zu Gunsten des M. Kl. ein Restbetrag von 126,70 € zzgl. noch zu zahlender Zinsen (siehe Fax-Schreiben vom 21. November 2006, Bl. 18 d. A.). Der Angestellte antwortete mit Schreiben vom 24. November 2006 und kündigte an, dass die Klägerin dem M. Kl. den gesamten Betrag einschließlich Zinsen in Höhe von 286,11 € auf sein Konto überweisen würde. Der Betrag wurde am 5. Dezember 2006 zugunsten des Kontos des M. Kl. angewiesen und diesem Konto am 8. Dezember 2006 gutgeschrieben (siehe Rechnerausdruck Bl. 20 - Bl. 22).

Inzwischen hatte der Beklagte mit Schriftsatz vom 11. August 2006 erneut die Kostenfestsetzung beantragt und darauf aufmerksam gemacht, dass er die Anwaltsgebühren gem. § 126 Abs. 1 ZPO im eigenen Namen geltend mache. Mit Schriftsatz vom 30. November 2006 verlangte der Beklagte nochmals, dass die festgesetzten Kosten "an den Unterzeichner zu erstatten sind" (siehe 9 O 2646/05 LG Magdeburg, Bd. II, Bl. 151). Wegen des weiteren Verfahrensablaufes und des Verfahrens über die sofortige Beschwerde der Klägerin wird auf die Akten 9 O 2646/05 LG Magdeburg verwiesen.

Durch Beschluss vom 21. Dezember 2006 ordnete die Rechtspflegerin Folgendes an:

"Der Kostenfestsetzungsbeschluss III vom 30.10.2006 wird wie folgt ergänzt bzw. berichtigt:

...werden die aufgrund des rechtswirksamen Beschlusses des Landgerichts Magdeburg vom 06.06.2006 von der Klägerin an die Beklagtenvertreter zu 1) Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte B. , H. -Straße 3, D. als Gesamtgläubiger gem. § 126 ZPO zu erstattenden Kosten festgesetzt auf 1.636,03 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 15.06.2006 ..." (siehe 9 O 2646/05 Bd. II Bl. 154 oder Bl. 28 d. A.).

Der Einzelrichter beim Landgericht Magdeburg hat antragsgemäß geurteilt und die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss III vom 30. Oktober 2006 in der Fassung des Ergänzungs- und Berichtigungsbeschlusses vom 21. Dezember 2006 für unzulässig erklärt. Außerdem hat er den Beklagten verurteilt, die vollstreckbare Ausfertigung "des vorbezeichneten Kostenfestsetzungsbeschlusses" an die Klägerin herauszugeben.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit dem Berufungsantrag, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg; denn der Einzelrichter hat im Ergebnis zu Recht festgestellt, dass die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss III vom 30. Oktober 2006 und aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 21. Dezember 2006 nach §§ 767 Abs. 1, 794 Abs. 1 Nr. 2, 795 Satz 1 ZPO unzulässig ist. Die Klägerin hat nämlich den Kostenfestsetzungsbeschlüssen die Einwendung entgegen gesetzt, dass sie den durch den Kostenfestsetzungsbeschluss III vom 30. Oktober 2006 titulierten Kostenerstattungsanspruch durch Verrechnung und Zahlung an M. Kl. erfüllt hat.

Nach dem Telefonat des Angestellten der Klägerin mit M. Kl. und nach dem zwischen ihnen geführten Schriftwechsel wäre spätestens am 8. Dezember 2006, als die Klägerin dem M. Kl. den Restbetrag auf sein Konto überwiesen hatte, die Zwangsvollstreckung gem. § 775 Nr. 4 ZPO einzustellen gewesen. Denn die Klägerin konnte das Schreiben des M. Kl. vom 21. November 2006 an sie - die Klägerin - vorlegen. Dieses Schreiben ist eine Privaturkunde des im Kostenfestsetzungsbeschluss III vom 30. Oktober 2006 bezeichneten Gläubigers. Aus der Privaturkunde ergab sich, dass der Gläubiger nach Erlass dieser Kostengrundentscheidung befriedigt worden ist. Allerdings hatte die Rechtspflegerin entgegen dem Antrag des Beklagten die Gebühren und Auslagen des Beklagten nicht zu dessen Gunsten gem. § 126 Abs. 1 ZPO festgesetzt, sondern zugunsten des M. Kl. . Aber selbst wenn § 126 Abs. 1 ZPO dem beigeordneten Rechtsanwalt die Befugnis gibt, im eigenen Namen die Festsetzung seiner Gebühren und Auslagen gegen den Gegner zu verlangen, bedeutet das nicht, dass die Festsetzung der Kosten auf den Namen der Partei unwirksam ist. Vielmehr kann auch die Partei, der die Prozesskostenhilfe bewilligt worden war, Festsetzung der Kosten auf ihren Namen beantragen (vgl. Zöller/Phillippi, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 126 Rn. 7). Das Beitreibungsrecht des Anwalts ist zwar vorrangig, kann aber nicht verhindern, dass die Partei selbst einen Kostenfestsetzungsbeschluss für sich erwirkt. Wenn, wie es im vorliegenden Fall geschehen ist, ein Kostenfestsetzungsbeschluss zugunsten der Partei ergangen ist, der Prozesskostenhilfe bewilligt worden war, so kann der beigeordnete Rechtsanwalt immer noch eine Festsetzung zu seinen Gunsten verlangen. Die herrschende Meinung hält es für praktikabel und vernünftig, das Beitreibungsrecht aus dem zunächst ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss auf den beigeordneten Rechtsanwalt zu überschreiben (vgl. Zöller/Philippi, aaO, § 126 Rn. 13). Diese Möglichkeit hilft indes im vorliegenden Fall nicht weiter, weil der Kostenfestsetzungsschuldner, nämlich die Klägerin, die Forderung erfüllt hatte, bevor die Rechtspflegerin dem Beklagten durch den Beschluss vom 21. Dezember 2006 das Beitreibungsrecht überschrieben hatte. Der beigeordnete Rechtsanwalt muss nämlich Erfüllungshandlungen des Schuldners gegenüber seiner Partei gegen sich gelten lassen (vgl. Zöller/Philippi, aaO, § 126 Rn. 8). Sobald die bedürftige Partei einen Kostentitel zu ihren eigenen Gunsten erreicht hat, kann und darf dem Kostenschuldner der Einwand nicht abgeschnitten werden, dass er die Kostenschuld durch Zahlung oder auch durch Erlass zum Erlöschen gebracht hat (vgl. Rathmann/Pukall in Handkommentar-ZPO, 1. Aufl. 2006, § 126 Rn 6). Aufgrund des Kostenfestsetzungsbeschlusses III vom 30. Oktober 2006 hätte der M. Kl. gegen die Klägerin die festgesetzten Kosten vollstrecken lassen können. Infolge dessen war es der Klägerin auch gestattet, zur Abwendung der Zwangsvollstreckung den Betrag freiwillig zu zahlen oder - wie es im vorliegenden Fall geschehen ist - durch Verrechnung mit anderen Forderungen zum Erlöschen zu bringen.

Wegen des Restbetrages, den die Klägerin dem Kl. am 5. Dezember 2006 überwiesen hatte, wäre die Zwangsvollstreckung wohl gem. § 775 Nr. 5 ZPO einzustellen gewesen, weil die Zahlstelle der Klägerin den maschinell ausgedruckten Überweisungsnachweis hätte vorlegen können.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die unterbliebene Sicherheitsleistung ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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